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2. Bundeskompetenzen: Das Recht der Wirtschaft seit der Föderalismusreform

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Der Bund hat in weitem Umfang die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Wirtschaft, Art. 74 Abs. 1 Nr 11 GG. Der Begriff des „Rechts der Wirtschaft“ ist weit auszulegen[550]. Einige zentrale Bereiche sind im Klammerzusatz beispielhaft genannt. Nicht zum Recht der Wirtschaft gezählt werden solche Bereiche, die unter andere Kompetenztitel des Art. 74 GG fallen (zB Art. 74 Abs. 1 Nr 1 GG für Rechtsanwälte, Art. 74 Abs. 1 Nr 19 GG für Heilberufe) oder einen näheren Bezug zu Landeskompetenzen aufweisen; Letzteres betrifft vor allem die Abgrenzung vom Recht der Gefahrenabwehr (s. auch Rn 167 ff)[551]. Die Bundeskompetenz für das Recht der Wirtschaft wurde bei der Novellierung des Art. 74 Abs. 1 Nr 11 GG im Rahmen der Föderalismusreform eingeschränkt.

Das „Recht der Wirtschaft“ erstreckt sich auf alle das wirtschaftliche Leben und die wirtschaftliche Betätigung regelnden Normen, insbes natürlich auf ihre klassische Ausprägung, das Gewerberecht[552]. Ebenfalls zum Recht der Wirtschaft gehören das im Klammerzusatz erwähnte Energiewirtschaftsrecht sowie das Bankrecht; für das Telekommunikationsrecht ist Art. 74 Abs. 1 Nr 7 GG die speziellere Regelung. Auch die Regelungsgegenstände werden weit gefasst. So können gefahrenabwehrrechtliche Vorschriften des Bundes auch dann auf Nr 11 (Recht der Wirtschaft) gestützt werden, wenn sie der Gefahrenabwehr bzw -vorsorge in spezifischen Wirtschaftsbereichen dienen[553]. Die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes beschränkt sich allerdings nicht auf solche Gesetze, die die Rechtsbeziehungen der in Art. 74 Abs. 1 Nr 11 GG einzeln aufgeführten Wirtschaftszweige regeln. Vielmehr kann der Bund ganz allgemein Gesetze erlassen, die ordnend und lenkend in das Wirtschaftsleben eingreifen[554].

Mit der Föderalismusreform wurden „das Recht des Ladenschlusses der Gaststätten, der Spielhallen, der Schaustellung von Personen, der Messen, der Ausstellungen und der Märkte“ in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder überführt[555]. Von diesen Kompetenzen haben die Länder allerdings nur teilweise Gebrauch gemacht (s. zum Gaststättenrecht Rn 410; zum Marktrecht Rn 349, 362). Bis zum Erlass von Landesgesetzen gelten die bisherigen Regelungen als Bundesgesetze fort, Art. 125a GG. Die scheinbar klare Regelung führt zu einigen Folgeproblemen. Ausgeschlossen ist zunächst die Änderung eines bisherigen Bundesgesetzes durch ein Land[556]. Die Länder könnten daher die bisherige bundesrechtliche Regelung nicht modifizieren, ohne sie – wenn auch gleichlautend – neu zu erlassen[557]. Davon unabhängig können sie solche Regelungen treffen, die selbstständig neben die bisherigen Regelungen treten. Dies betrifft etwa die Vorschriften über Sperrzeiten sowie die in die Landesnichtraucherschutzgesetze aufgenommenen Rauchverbote. Allerdings kann auch der Bund die bisherigen Regelungen ändern; verwehrt ist ihm lediglich eine grundlegende Neukonzeption[558]. Praktisch wurde dies bei der unionsrechtlich geforderten Erstreckung der Genehmigungsfiktion (vgl § 6a Abs. 2 GewO) auf Verfahren nach § 33a Abs. 1, § 69 Abs. 1 und das GastG[559] relevant.

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Im Wege der Annexkompetenz können mit wirtschaftsrechtlichen Vorschriften solche Normen verbunden werden, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienen. Diese Annexkompetenz des Bundes gerät leicht in Konflikt mit der allgemeinen Gesetzgebungskompetenz der Länder aus Art. 70 Abs. 1 GG, die gerade das Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung als eine ihrer wichtigsten Ausprägungen umfasst. Entsprechend stellt sich überall dort, wo nunmehr die Länder für wirtschaftsrechtliche Regelungen zuständig sind, die Frage nach der Abgrenzung von speziellen bundesrechtlichen Gesetzgebungskompetenzen. Dies betrifft zum einen die Abgrenzung zwischen dem Gaststättenrecht und dem in der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz verbliebenen Gewerberecht (s. dazu unten Rn 410), aber auch weiteren Bundeskompetenzen, insbesondere für den Jugendschutz (öffentliche Fürsorge iSv Art. 74 Nr 7 GG), Arbeitsschutz (Art. 74 Abs. 1 Nr 12 GG), Gesundheitsschutz und den Lärmschutz (Art. 74 Abs. 1 Nr 24 GG). Dies verdeutlicht das Beispiel der Landesnichtraucherschutzgesetze, soweit sie das Rauchen in Gaststätten verbieten (ausf ▸ Klausurenkurs Fall Nr 2)[560]. Vergleichbare Abgrenzungsfragen stellen sich bei Maßnahmen gegen Alkoholmissbrauch in einem LGastG[561]. Abgrenzungsschwierigkeiten wirft die Landeskompetenz für das Gaststättenrecht vor allem hinsichtlich der Abgrenzung vom Reisegewerbe auf; die beim Bund verbliebene Kompetenz für das Reisegewerbe schließt auch das Reisegaststättengewerbe ein (dazu Rn 410 ff).

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