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b) Besonderheiten bei Unionsrechtsbezug: Die sog. Inländerdiskriminierung

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Die Einwirkungen des Unionsrechts auf das öffentliche Wirtschaftsrecht führen zu verfassungsrechtlichen Folgeproblemen, wenn sie sich auf binnenmarktbezogene Sachverhalte beschränken. Im Ergebnis werden dann Inländer strengeren Vorschriften unterworfen als EU-Ausländer (sog. Inländerdiskriminierung[493]). Das Primärrecht erfasst diese Fälle nicht[494]. Es kommt auch nicht zu einer mittelbaren Erstreckung der unionsrechtlichen Maßstäbe, da die Unionsrechtswidrigkeit nicht zur Nichtigkeit der entsprechenden Vorschriften des nationalen Rechts, sondern lediglich zu deren Nichtanwendbarkeit in Fällen mit Unionsrechtsbezug führt, sie im Übrigen also unverändert bestehen lässt (s. oben Rn 41). Soweit das Unionsrecht Inlandssachverhalte nicht erfasst, verlagert sich das Problem also in das nationale Recht.

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Es stellt sich die Frage der Vereinbarkeit der Inländerdiskriminierung mit dem nationalen Verfassungsrecht, insbesondere dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 1 GG. Allerdings prüft die Rechtsprechung zunächst alternative Lösungen. So hat das BVerwG, sicherlich unter dem Eindruck der EuGH-Rechtsprechung zum Reinheitsgebot, eine weite Auslegung der Ausnahmevorschriften verlangt[495].

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Den Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG könnte man darin sehen, dass die exakt gleichen Tätigkeiten ausgeübt, vom Gesetzgeber jedoch unterschiedlich behandelt werden[496]. Schon früh wurde diese Frage im Wettbewerbsrecht gestellt[497], sie betrifft aber gerade auch das Öffentliche Wirtschaftsrecht, soweit dessen Anforderungen, insbesondere die Erlaubnispflicht, auf Inländer beschränkt werden. Die hM in Deutschland lehnt dies ab, da man hinsichtlich des Vergleichsmaßstabes nur Vorschriften desselben Normgebers heranziehen könne[498]. Dieser – etwa im Verhältnis einzelner Landesgesetzgeber zueinander[499] – allgemein anerkannte Grundsatz sei auf den Fall übertragbar, dass derselbe Normgeber im einen Fall „fremdbestimmt“ handele, also nur Europäisches Recht umsetze, wozu er unionsrechtlich verpflichtet ist[500]. Dieser Auffassung ist grundsätzlich zuzustimmen. Andernfalls räumt man im Ergebnis dem europäischen Normgeber eine Angleichungskompetenz ein, die weit über die vertraglich eingeräumten Kompetenzen der Union hinausreicht[501] und erstreckt auch die Kognitionsbefugnis des EuGH – bzw spiegelbildlich die Vorlageverpflichtung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV – auf diese Sachverhalte[502]. In einem solchen Fall liegt also auch darin kein Gleichheitsverstoß, dass Deutsche in Sachverhalten mit Unionsrechtsbezug anders behandelt werden als in rein nationalen Sachverhalten[503].

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Allerdings können unabhängig von Art. 3 GG die tatsächlichen Erfahrungen mit dem Schutzniveau des Unionsrechts dazu führen, dass Einschätzungsspielräume des Gesetzgebers sich verringern, weil auch für die rein nationalen Sachverhalte die Erforderlichkeit einer Regelung zweifelhaft wird. Dies gilt insbesondere dort, wo das BVerfG dem Gesetzgeber die Pflicht auferlegt, eine gesetzliche Regelung nach einem gewissen Zeitraum zu überprüfen. In diesem Zusammenhang spielt auch der Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit eine Rolle (dazu oben Rn 146 ff). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Gesetzgeber das System nicht mehr autonom, sondern unter Einbeziehung des Unionsrechts entwickelt. Bei einem solchen Ansatz ändert sich der Prüfungsmaßstab, es erhöht sich die Darlegungslast des Gesetzgebers, wenn er eine Ungleichbehandlung rechtfertigen will[504]. Allerdings verlagert sich die Argumentation dabei stärker auf Art. 12 GG. Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme wird angesichts der hohen Anforderungen an die Rechtfertigung subjektiver Zulassungsschranken dann fraglich, wenn sich die unionsrechtlich vorgegebene Regelung auch in der Praxis bewährt und sich die strengere Regelung der Binnensachverhalte als möglicherweise nicht erforderlich herausstellt[505].

Besonders deutlich zeigt sich dies am Recht der Sportwetten, wo das BVerfG einen zudem strafbewehrten Ausschluss gewerblicher Wettangebote durch private Wettanbieter nur dann als zumutbar ansah, wenn das bestehende Wettmonopol auch in seiner konkreten Ausgestaltung der Vermeidung und Abwehr von Spielsucht und problematischen Spielverhalten dient[506]. Allein die Etablierung eines staatlichen Wettmonopols sichert die Bekämpfung der Wettsucht und problematischer Spielverhalten dann nicht, wenn das tatsächliche Erscheinungsbild vielmehr dem der wirtschaftlich effektiven Vermarktung einer grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung gleicht. Die breit angelegte Werbung und die über den Deutschen Lotto- und Totoblock bundesweit koordinierten Veranstaltungen von „Oddset“ wurden den eigentlichen Zielvorgaben des staatlichen Wettmonopols daher nicht gerecht. Im Ergebnis prüfte das BVerfG also das Gesamtkonzept des Gesetzgebers auf seine Stimmigkeit bzw Systemgerechtigkeit. Ein weiteres Beispiel findet sich im Handwerksrecht. Je weiter aus unionsrechtlichen Gründen Ausbildung und Berufserfahrung im Ausland anerkannt wurden, desto häufiger wurde die Frage aufgeworfen, ob allein der Ausbildungsort eine solche Ungleichbehandlung rechtfertige[507]. Nachdem das BVerfG diese Frage in seiner Entscheidung von 2001 noch ausdrücklich offengelassen hatte[508], benannte es das seines Erachtens bestehende Problem in der Entscheidung von 2005 mit aller Deutlichkeit. „Die spürbare Konkurrenz aus dem EU-Ausland“ lasse bereits an der Eignung der Maßnahme zweifeln, jedenfalls aber stehe die Zumutbarkeit der Maßnahme in Zweifel[509]. Mit dieser Aussage freilich ging es über den vorgestellten Ansatz hinaus. Hier ging es nicht um eine Binnenkritik des gesetzgeberischen Modells unter Einbeziehung der Erfahrungen mit unionsrechtlich überformten Sachverhalten, sondern um die Frage, ob sich der Sonderweg des nationalen Gesetzgebers angesichts der ausländischen Konkurrenz noch aufrechterhalten lasse. Das BVerfG lehnte zwar eine gesonderte Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG ausdrücklich ab[510], kam aber im Ergebnis zu exakt denselben Ergebnissen wie bei einer Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG auf die sogenannte Inländerdiskriminierung: Überall dort nämlich, wo es für Sachverhalte mit Binnenmarktrelevanz weniger belastende Regeln gibt, sind strengere nationale Anforderungen im Ergebnis unzumutbar; dass es jedenfalls nicht wirklich auf die tatsächlichen Auswirkungen der Konkurrenz ankommt, belegen die vagen Ausführungen, es stünden „zumindest in den grenznahen Gebieten deutsche Handwerker in ernsthafter Konkurrenz mit Handwerkern aus anderen EU-Staaten“[511]. Würde man diesen Ansatz konsequent weiterverfolgen, bliebe von den bisher zu Recht betonten Gestaltungsspielräumen des nationalen Gesetzgebers nichts mehr übrig. Eine solche Homogenisierung der rechtlichen Verhältnisse ist aber nicht Aufgabe des BVerfG. Selbstverständlich steht es dem Gesetzgeber aber frei, eine „Inländerdiskriminierung“ zum Anlass für Gesetzesänderungen zu nehmen[512].

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Zumeist reicht es aber schon aus, wenn das BVerfG sich wie die europäischen Gerichte[513] stärker mit den tatsächlichen Verhältnissen und den Auswirkungen einer Regelung als mit den in der Entstehungsgeschichte zum Ausdruck gebrachten Regelungsabsichten des Gesetzgebers beschäftigt. Der bislang deutlichste Fall ist die Entscheidung des BVerfG zu den Sportwetten[514], in der das BVerfG bis in die Einzelheiten der vom EuGH vorgezeichneten Argumentationslinie folgte.

Das BVerfG stellte im Zusammenhang mit den Sportwetten weniger auf die gesetzgeberischen Intentionen als darauf ab, inwieweit die gesetzlichen Regelungen tatsächlich zu einer Eindämmung der Spielsucht führten[515]. Diese Entwicklung hin zu einer stärkeren Einbeziehung der tatsächlichen Verhältnisse ist keineswegs neu. Ein frühes, auf die EMRK bezogenes Beispiel stellt der Umgang des BVerfG mit der Feuerwehrabgabe Baden-Württemberg (der höchstwahrscheinlich einzigen männerdiskriminierenden Vorschrift) dar[516]. Um einen Widerspruch zwischen GG und EMRK zu vermeiden, folgte das BVerfG in seiner Argumentation und vor allem hinsichtlich der Einbeziehung statistischen Materials zur Überprüfung der Tatsachengrundlagen des gesetzgeberischen Konzepts der Entscheidung des EGMR[517] und gab gleichzeitig eine jahrzehntelange Praxis der Vorprüfungsausschüsse auf. Spätere Fälle betreffen die faktische Diskriminierung von Frauen durch prima facie geschlechtsneutrale Regelungen[518]. Außerdem zieht das BVerfG die EMRK und die dazu ergangenen Entscheidungen des EGMR zur Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips oder Willkürverbotes heran[519]. Der Rekurs auf die EGMR-Rechtsprechung im Rahmen verfassungsrechtlicher Überlegungen wird allerdings überall dort entbehrlich, wo diese Maßstäbe auf die Ebene der GRCh verlagert werden.

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