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cc) Grundrechte als Teilhaberechte
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Besonderheiten ergeben sich, wenn staatliche Genehmigungen sich ausnahmsweise als Verteilungsentscheidungen in Knappheitssituationen darstellen. Der aus Art. 12 GG abgeleitete Anspruch auf Lizenzierung und damit Marktzutritt wird in solchen Konkurrenzsituationen zum Anspruch auf Beteiligung an einem transparenten und nichtdiskriminierenden Vergabeverfahren. Diese Grundsätze werden vor allem dann relevant, wenn sich staatliche Genehmigungen als Allokationsentscheidungen darstellen, wie es beispielsweise bei der Standplatzvergabe auf festgesetzten Märkten (s. Rn 378 ff), aber auch bei der Frequenzversteigerung im Telekommunikationsrecht (s. Rn 554 ff) der Fall ist[286]. Keine Grundrechtsrelevanz wird demgegenüber dem Recht der staatlichen Auftragsvergabe zuerkannt[287]. Über derivative Teilhaberechte hinaus führen Grundrechte aber grundsätzlich nicht zu Leistungsansprüchen[288].
Die verfassungsrechtlichen Grundlagen hat das BVerfG in der auch im wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Zusammenhang herangezogenen „Numerus clausus-Rechtsprechung“[289] geklärt. Danach müssen nichtdiskriminierende Vergabeverfahren vorgesehen und leistungsbezogene Verteilungskriterien angelegt werden. Den Anforderungen an ein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren genügt auf jeden Fall die Durchführung einer Ausschreibung nach klaren Vergabebedingungen, aber unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Versteigerung (s. am Beispiel der Frequenzversteigerung Rn 562 f). Die wichtigste Konkretisierung findet der Anspruch auf Verfahrensbeteiligung im Auskunfts-[290] und im Anhörungsrecht[291]. Dieses richtet sich unmittelbar gegen die Verwaltung, verlangt aber vom Gesetzgeber, das Verfahrensrecht so auszugestalten, dass eine echte Partizipation am Entscheidungsprozess überhaupt möglich ist. Im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes umfasst der Teilhabeanspruch auch einen Anspruch auf Begründung (s. ausf Rn 383). Da allerdings auch leistungsbezogene Kriterien verlangt werden, genügen rein formale Auswahlkriterien diesen Vorgaben nicht. Dies gilt für das Prioritätsprinzip, ein starres „rollierendes System“ und den Losentscheid (s. auch am Beispiel des Marktgewerbes Rn 380 f). Das aus Sicht der Verwaltung flexibelste ist das vergleichende Auswahlverfahren (beauty contest)[292], das einerseits wohl am besten in der Lage ist, die Qualitätsanforderungen zu überprüfen, andererseits aber sehr zeitaufwendig ist und vor allem bei mehreren und in ihrer Gewichtung schwierig einzuschätzenden Vergabekriterien mit dem „Nimbus der Willkürlichkeit und politischen Einflussnahme“ behaftet ist[293]. Dies um so mehr, als hinsichtlich der Auswahlkriterien ein Beurteilungsspielraum der Verwaltung anzunehmen ist. Die offensichtlichen Schwierigkeiten, die materiell angemessenen Kriterien im Einzelfall zu bestimmen, erklären das von der ökonomischen Analyse des Rechts angestoßene Bestreben, Marktmechanismen zur Entscheidungsfindung heranzuziehen, wie es insbesondere beim Versteigerungsverfahren nach dem TKG geschieht (dazu ausf Rn 562 ff; zur Ökonomisierung des öffentlichen Wirtschaftsrechts bereits Rn 18 f). Umso mehr stellt sich dann auch die Frage nach der Reichweite des Gesetzesvorbehalts bzw von Notwendigkeit und Grenzen einer gesetzgeberischen Determination des Verwaltungsverfahrens. Dies zeigt sich zB am Versteigerungsverfahren. Der Gesetzesvorbehalt gebietet nicht nur, dass der Gesetzgeber ein Versteigerungsverfahren ausdrücklich vorsieht, sondern dass er auch das Verfahren näher ausgestaltet. Unter diesen Voraussetzungen ist das Versteigerungsverfahren im TKG mit Art. 12 GG vereinbar (s. Rn 563), es lässt sich allerdings angesichts des Vorbehalts des Gesetzes nicht ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung auf andere Konstellationen – etwa die Standplatzvergabe im Marktrecht – übertragen. In vielen Konstellationen wird allerdings der grundrechtliche Teilhabeanspruch von vergaberechtlichen Regelungen verdrängt[294].