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bb) Subjektive Berufswahlbeschränkungen

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Beschränkungen die an die Person anknüpfen (zB Befähigungsnachweise, aber auch ganz allgemein das Erfordernis einer Genehmigung zur Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit), sind zum Schutz überragender Gemeinschaftsgüter grundsätzlich zulässig[371]. Die Genehmigungserfordernisse sind allerdings als „Kontrollerlaubnisse“ (präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt) auszugestalten: wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen, hat der Antragsteller einen Anspruch auf Genehmigung[372]. Auch hierbei überlässt es das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber, die Gemeinschaftsgüter nach seinen wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitischen Vorstellungen zu konkretisieren. Von besonderer Relevanz wird diese zweite Stufe bei der gewerberechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung (s. Rn 250 ff, 280 ff) und im Zusammenhang mit Sachkundenachweisen, also Kenntnissen und Fähigkeiten, die der Gesetzgeber als Voraussetzung für die Zulassung zu einem Beruf verlangt (zur Abgrenzung beider Varianten s. Rn 263). Bei ärztlichen und pharmazeutischen Berufen sind Sachkundenachweise zum Schutz der Volksgesundheit grundsätzlich gerechtfertigt[373]. Entsprechendes gilt bei den Geschäftsleitern von Banken (s. Rn 542) und die Sachkundenachweise für das Bewachungsgewerbe nach § 34a Abs. 1 S. 5 GewO[374]. Problematisch sind undifferenzierte Sachkundenachweise im Einzelhandel[375].

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In Fall 11 (Rn 102) stellt sich daher die Frage, ob die Einführung eines Sachkundenachweises im Gaststättenrecht zulässig wäre[376]. Der Gesundheitsschutz könnte ein legitimes Ziel darstellen. Da allerdings die bisherige Regelung nicht zu Gefahren für die Volksgesundheit geführt hat, bestehen Zweifel an der Erforderlichkeit[377]. Soweit man den Sachkundenachweis auf grundlegende betriebswirtschaftliche oder auch steuerrechtliche Kenntnisse ausweitet, diente er allenfalls dem Schutz der Gastwirte vor sich selbst. Deswegen wäre ein solcher Sachkundenachweis wohl verfassungswidrig. Der bisher in § 4 Abs. 1 Nr 4 GastG vorgesehene Unterrichtungsnachweis hat sich als ausreichend erwiesen, ist aber – als reine Teilnahmebestätigung („Sitzschein“) – seinerseits als keineswegs übermäßig belastende Maßnahme mit Art. 12 GG vereinbar[378].

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Eine Sonderstellung nimmt insoweit das Handwerksrecht ein. Das Bundesverfassungsgericht hielt über Jahrzehnte trotz der Gegenstimmen in der Literatur an der Verfassungsmäßigkeit des großen Befähigungsnachweises fest[379]. Es ging davon aus, dass der Meisterzwang als subjektive Zulassungsschranke im Interesse der Erhaltung des Leistungsstandes und der Leistungsfähigkeit des Handwerks und der Sicherung des Nachwuchses für die gesamte gewerbliche Wirtschaft als überragend wichtigen Gemeinschaftsgütern gerechtfertigt sei, sofern nur die Ausnahmetatbestände grundrechtsfreundlich und damit entsprechend großzügig gehandhabt würden. Mit der Handwerksnovelle 2004 hat der Gesetzgeber diese Begründung ausgewechselt, so dass der damit verbundene „Paradigmenwechsel“[380] die Frage aufwirft, ob die bisherige Begründung für die Verfassungsmäßigkeit des Meisterzwanges auch nach der Novelle noch überzeugen kann. Die erheblichen Zweifel, die das BVerfG formulierte[381], betrafen unmittelbar nur das frühere Recht. Die Forderung nach einer vollständigen Abschaffung des Meisterzwanges ist aber auch nach der Novelle keineswegs verstummt[382].

Die Frage, ob Mittelstandsschutz ein legitimer Zweck für Berufszulassungsregeln sein kann, stellt sich nicht mehr in der gleichen Schärfe. In der Novelle begründet der Gesetzgeber die besonderen Zulassungserfordernisse des Handwerksrechts vor allem mit den Gefahren für Dritte[383], allerdings auch mit der sozialpolitisch erwünschten Ausbildungsleistung des Handwerks[384]. Entsprechend sahen die Verwaltungsgerichte keine Anhaltspunkte für einen Verstoß der novellierten HwO gegen höherrangiges Recht[385]. Diese hat jedoch bei näherer Hinsicht zu neuen verfassungsrechtlichen Problemen geführt. Selbst wenn man beide Ziele – Gefahrenabwehr, aber durchaus auch die Ausbildungsleistung – als Rechtfertigungsgründe anerkennt, muss sich nunmehr jedes einzelne Handwerk an diesen neuen gesetzgeberischen Maßstäben messen lassen; dies gilt gerade auch für die Erweiterung der Meisterpflicht auf traditionelle Handwerke (dazu Rn 148). Außerdem wurde das neue Konzept keineswegs konsequent umgesetzt (zu Bedenken unter dem Aspekt des Art. 3 GG unten Rn 147). Im Schrifttum wurde für eine Ausweitung des Anwendungsbereiches der HwO auf das Reisegewerbe[386] und eine einschränkende Auslegung der Ausnahmebestimmungen[387] plädiert. Demgegenüber geht die Rspr von der Verfassungsmäßigkeit der aktuellen Regelungen aus (s. ausf unten Rn 458). Das BVerfG prüfte allerdings – in seiner Entscheidung zum früheren Recht – unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit die Frage, ob der Gesetzgeber seine Ziele angesichts des Konkurrenzdrucks aus dem EU-Ausland überhaupt erreichen könne[388]. Damit wird im Ergebnis die sonst unter dem Aspekt des Art. 3 Abs. 1 GG diskutierte Frage der „Inländerdiskriminierung“ bei den Freiheitsgrundrechten verortet (s. dazu unten Rn 151).

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