Читать книгу Equinox - Stefanie Purle - Страница 10

Kapitel 7

Оглавление

Zum Glück war ich so clever, mir eine Schürze umzubinden, denn ansonsten wäre meine nagelneue Bluse nun mit Fettspritzern übersäht gewesen! Die Steaks sind genauso, wie Chris sie am liebsten mag: Medium Well, leicht rosa von innen und nicht ganz durch. Die Prinzessbohnen habe ich in Butter geschwenkt und mit Bohnenkraut garniert, die Kartoffelspalten sind knusprig braun und mit einer leichten Parmesankruste überzogen. Ich ziehe die Steakpfanne vom Herd, zünde die Kerzen in den kristallenen Haltern auf der Kücheninsel an und schaue auf die Uhr: Drei Minuten vor Sechs. Ein nervöses Seufzen entweicht meiner Kehle. Ich schaue erneut auf mein Handy und stelle fest, dass Chris die Nachricht noch immer nicht gelesen hat. So langsam mache ich mir Sorgen. Wo könnte er nur sein?

Ein wenig unschlüssig, was ich nun mit dem Steak machen soll, stehe ich vor dem Herd und betrachte die braungebratenen Fleischstücke. Dann entscheide ich, dass sie im abgeschalteten Backofen am besten aufgehoben sind und schiebe sie hinein, bevor ich nach draußen gehe, um nach Chris zu rufen.

Die Wolken am Himmel bestehen aus einer dunkelgrauen Masse und legen sich wie eine finstere Haube über den ganzen Wald. Dunkles Grummeln und Grollen ist zu hören, während sich grellweiße Blitze wie aufleuchtende Adern durch die Wolken ziehen. Regen prasselt in dicken Tropfen herab, sodass sich alle noch anwesenden Druiden in ihre Kokons zurückgezogen haben.

Ich rufe nach meinem Gefährten, doch außer ein paar neugierigen Blicken von Druiden, die ihre kahlrasierten Köpfe vor die winzigen Fensterchen ihrer Behausungen schieben, reagiert niemand. Zwar spüre ich das Kribbeln auf meinem Brustbein, was mir verrät, dass Chris nicht allzu weit entfernt sein kann, aber ich erhalte keine Antwort von ihm. Also gehe ich wieder ins Haus, nehme mein Handy und rufe ihn an. Nach kurzer Zeit klingelt es und ich höre seinen Klingelton ganz in meiner Nähe. Ich folge dem Ton bis ins Büro hinein, wo ich sein Telefon auf dem Schreibtisch liegen sehe. Verwirrt und auch ein wenig enttäuscht lege ich auf und das Klingeln verstummt. Als ich mich umsehe, entdecke ich, dass die Schranktür zu Arturos Portal offensteht. Ob Chris vielleicht bei seinem Bruder in der Wildnis ist? Ich kann mich nicht daran erinnern, dass er ihn zuvor schon einmal allein dort besucht hat. Bianca kommt oft vorbei und geht mit ihrer Tochter Riva Arturo und sein Rudel besuchen, Chris hingegen so gut wie nie.

Ich gehe auf die Schranktür zu und schaue hinein. Es ist nur logisch, dass Chris sein Handy zurückgelassen hat, da man in der Wildnis eh keinen Empfang hat und jedes technische Gerät dort quasi nutzlos ist. Ich schiebe meinen Kopf tiefer in den Schrank und rufe nach Chris. Das Kribbeln wird stärker und im nächsten Moment erklingt das Heulen eines Wolfes. Es ist Arturo, ich erkenne ihn am Klang seiner Stimme. Dann stimmt ein weiterer Wolf mit ein, wahrscheinlich ein Mitglied seines Rudels.

„Chris soll bitte kommen, ich habe Essen gemacht!“, rufe ich in die Wildnis hinein und erhalte als Antwort weiteres Aufheulen.

Während ich auf Chris warte, binde ich meine Schürze ab und gehe zurück in die Küche, wo ich die Steaks, Bohnen und Kartoffeln so ansehnlich wie nur eben möglich auf den Tellern drapiere. Gerade als ich den zweiten Teller absetze, ertönt ein leises Poltern aus dem Büro und mein Herz beginnt vor Freude und Aufregung zu klopfen.

„Scarlett?“

„Ja! Ich bin hier, in der Küche!“, rufe ich, streiche meine neue Bluse glatt und lockere mein Haar auf.

Seine Schritte nähern sich, mein Brustbein wird so heiß, dass es sich anfühlt, als züngelten echte Flammen darüber. Er kommt um die Ecke, erblickt mich und bleibt abrupt stehen. Seine Augen werden groß, als er mich von oben bis unten mustert. Sein Blick bleibt an meinen Haaren hängen und ich atme erleichtert auf, als ich spüre, dass von seiner Wut von heute Morgen nichts mehr übrig zu sein scheint.

„Deine Haare“, sagt er und tritt auf mich zu. Einen halben Meter vor mir bleibt er stehen und blickt auf mich herab. Seine Hand holt meine Längen über meine Schulter nach vorne, wo er sie durch seine Finger gleiten lässt. „Sie sind kürzer. Das Rot ist weg.“

Ich nicke und lege meine Hände rechts und links an seine schmale Taille. „Gefällt es dir?“

Über seine Augen huscht ein Funkeln. „Ja, sehr. Auch die Farbe. Du siehst wunderschön aus“, haucht er, während seine Finger noch immer durch meine Haare gleiten.

Die Erleichterung, endlich wieder bei ihm zu sein und keine Wut und keinen Zorn mehr in seinem Inneren zu spüren, lässt meine Knie weich werden, sodass ich mich hektisch an ihn klammere und die Arme um ihn schließe.

Sein herber Geruch kommt mir noch animalischer und wilder vor. Er riecht nach Zedernholz, Moschus und Pinienharz, gemischt mit der würzigen Note seines Duschgels und dem Duft der Wildnis, der noch immer an ihm haftet. Ich nehme einen tiefen Zug, als sei sein Geruch meine persönliche Droge.

„Bist du sauer, weil ich den Tag einfach so mit Carmen verbracht habe?“, frage ich mit den Lippen an seine harte Brust gepresst und schließe aus Angst vor der Antwort die Augen.

Seine Fingerspitzen wandern über den seidenen Stoff meiner Bluse am Rücken und lassen mich erschaudern. „Nein, natürlich nicht“, sagt er und legt sein Kinn auf meinen Haaren ab. „Außerdem war ich es, der einfach so abgehauen ist. Zum zweiten Mal schon.“

Ein wenig verwundert über seine Selbstreflexion schaue ich zu ihm hoch und begegne seinem Blick.

„Das wird nicht wieder vorkommen. Versprochen.“

Einen kurzen Moment betrachte ich sein Gesicht, vom scharfen Winkel seines kantigen Kiefers bis hoch zu seinen erhabenen Wangenknochen und den moosgrünen Augen, die schon immer mein Herz zum Schmelzen brachten. In seinem Blick liegt Reue. Er macht generell einen geläuterten Eindruck. Seine Zungenspitzen fährt über seine Unterlippe und der Anblick allein verursacht ein süßes Ziehen in meinem Unterleib.

Ich recke mich und ziehe ihn gleichzeitig zu einem Kuss herab. Als unsere Lippen sich treffen, scheint es, als würde die Welt stillstehen. Ich bin wieder da, wo ich hingehöre und alles andere ist egal oder kann warten. Nur Chris und ich existieren im Hier und Jetzt, und das ist alles, was zählt.

„Ich habe uns Essen gekocht“, sage ich, als wir unseren Lippen eine kurze Pause gönnen.

Unser Kuss hat mich das Essen fast vergessen lassen und am liebsten würde ich ihn sofort hoch ins Schlafzimmer schieben, doch ich weiß, dass wir noch einiges zu bereden haben.

Er nickt lächelnd und schaut auf den gedeckten Tisch. „Du hast uns Steak gebraten?“, fragt er und macht ein anerkennendes Gesicht.

„Ja, so wie du es am liebsten magst“, antworte ich, nicht ohne hörbaren Stolz in meiner Stimme.

„Und neu eingekleidet hast du dich auch“, bemerkt er, während er auf seinem Stuhl Platz nimmt.

Ich drehe mich um meine eigene Achse. „Gefällt es dir?“

Sein Blick ist stechend, lodernd und hungrig zugleich. Ich kann ihn fast körperlich fühlen, wie er meinen Körper hinab und wieder hinaufgleitet. „Oh ja“, raunt er kehlig und lässt seinen Blick ungeniert an den Stellen verharren, die ihm an meinem Körper am besten gefallen.

Instinktiv recke ich meine Brust und spüre, wie der seidene Stoff der Bluse über meinen Wölbungen spannt. Chris bemerkt es ebenfalls und ein leises Knurren bringt die Gläser auf dem Tisch zum Vibrieren.

Der Hunger, den ich in seinen Augen sehe, ist mächtiger als je zuvor. Ich vergesse das Essen, vergesse, dass ich extra für uns gekocht habe und wir uns unterhalten sollten. Alles was ich will, ist ihn zu berühren, die Wärme seiner Haut und das Gewicht seines Körpers auf mir zu spüren.

Ich trete ein paar Schritte vor und er dreht sich auf seinem Stuhl in meine Richtung. Die freudige Erwartung kann ich nicht nur in seinem Gesicht ablesen, sondern auch zwischen seinen Schenkeln. Rittlings setze ich mich auf seinem Schoß, fahre mit den Fingern durch seine Haare und presse meine Mitte gegen seine. Bewundernd schaut er mich an, umfasst meine Seiten und schiebt seine großen Hände unter den Saum meiner Bluse. Ich küsse ihn und lasse mich von seiner Wildheit anstecken, während meine Fingerspitzen über seine harte Brust fahren und jeden Zentimeter erkunden, als ertasteten sie ihn zum ersten Mal. Dann lehne ich mich zurück, knöpfe meine Bluse auf und beobachte, wie seine Mimik sich verändert, als er meine neue Unterwäsche bemerkt. Sein faszinierter Blick befeuert mich und veranlasst mein Becken wie von selbst dazu, sich über seine Härte zu bewegen. Sein ganzer Körper vibriert unter seinem kehligen Knurren, mit dem er nach mehr bettelt. Dann hält er es nicht länger aus, hebt mich hoch und setzt mich auf der Kücheninsel ab. Mit zitternden Fingern öffnet er seinen Gürtel und die Knöpfe seiner Jeans. Ich streife meine Hose ebenfalls hastig ab und kicke sie von mir. Chris´ Blick fällt auf mein neues Höschen, doch als ich es ebenfalls ausziehen will, hält er mich auf. Seine Fingerspitzen streichen über die schwarze Spitze und fahren über die violette Seide. Ich erschaudere unter seinen Berührungen und bade in der Bewunderung, die in seinen Blicken liegt.

„Wunderschön“, flüstert er, hakt einen Finger hinter den Stoff zwischen meinen Beinen und zieht ihn zur Seite.

Ich sauge scharf die Luft ein, als er sich vor mich kniet, mich mit einem Ruck näher an den Rand der Kücheninsel zieht und seinen Kopf zwischen meinen Schenkeln versenkt. Ein halb erstickter Laut dringt aus meiner Kehle, während ich nach hinten sacke und die Beine um seine Schultern lege. Er küsst mich zwischen meinen Beinen, lässt seine Zungenspitze über meine empfindlichste Stelle tanzen, bis ich zitternd und bebend zum Höhepunkt komme.

Erst als ich langsam wieder zu Atem komme, streift er mir das Höschen von den Beinen, wirft es in eine Ecke der Küche und zieht seine Hose herunter. Er beugt sich über mich und dringt Zentimeter für Zentimeter in mich ein. Seine Männlichkeit erfüllt mich und ich keuche auf, als er sie ganz in mir versenkt.

Wir lieben uns auf der gedeckten Kücheninsel, bringen die Kerzenleuchter zum Wackeln und leere Gläser zum Umfallen, aber das interessiert nicht. Zeit und Raum stehen still, es existieren nur wir zwei in diesem Moment. Gierig steigern wir das Tempo, bis wir gemeinsam einen Höhepunkt erleben, der wie tausend explodierende Feuerwerkskörper durch unsere Adern schießt und jedes noch so feine Nervenende zum Kribbeln bringt.

Ich schlinge die Beine um seine Mitte und genieße sein Gewicht auf meinem Körper. Sein Schweiß benässt meine Brust, sein Haar kitzelt an meinem Ohr und meiner Schulter, sein Atem hüllt mich ein wie eine warme Decke. Seine Lippen ziehen eine Bahn aus zarten Küssen von meinem Schlüsselbein bis hoch zu meinem Ohrläppchen, und als er mein Ohr erreicht hat, flüstert er mir zu, dass er mich liebt.

„Ich liebe dich auch“, hauche ich noch immer atemlos zurück und schließe vor lauter Wohlgefühl die Augen.

Nachdem wir das, was vom Abendessen noch essbar war, vertilgt haben, setzen wir uns ins Wohnzimmer und Chris zündet ein paar Holzscheite im Kamin an. Am Himmel tobt noch immer ein starkes Gewitter und der Regen prasselt unaufhörlich gegen die Fensterfronten. Ich schenke uns beiden je ein Glas Roséwein ein und wir kuscheln uns unter eine Decke, während wir eine Weile schweigend ins Feuer blicken.

Irgendwann nehme ich dann endlich meinen ganzen Mut zusammen und spreche an, was mir schon den ganzen Tag auf dem Herzen liegt. „Chris, ich weiß nicht, was Bianca genau über mich und die Gefährtenverbindung gesagt hat“, beginne ich und er versucht mich zu unterbrechen, doch das lasse ich nicht zu. „Keine Ahnung, was sie zu dir gesagt hat. Ich weiß es nicht und ich will es ehrlich gesagt auch gar nicht wissen. Aber ich will, dass du weißt, dass ich dich liebe.“ Ich drehe mich in seinen Armen um, sodass ich sein Gesicht sehen kann und sage es noch einmal mit Nachdruck. „Ich liebe dich, Christobel Wolfhard Belger. Und dabei ist es mir völlig egal, was du bist! Ob du nun ein Mannwolf, Werwolf oder sonst was bist, das ändert nichts an meiner Liebe zu dir!“

Er hält meinem Blick stand und ich sehe, wie sich das Feuer im Dunkel seiner großen Pupille spiegelt. „Das weiß ich doch“, sagt er und legt Mittel- und Zeigefingerspitze auf mein Brustbein. „Ich weiß, dass du mich liebst. Ich liebe dich genauso.“

Ich nicke. „Gut. Und gerade, weil ich dich so sehr liebe, wollte ich es dir ersparen, so lange von mir getrennt zu sein. Deswegen hielt ich es für die beste Lösung, allein mit den Druiden auf unsere Insel zu gehen. Somit musste nur ich unter unserer Trennung leiden und du nicht.“

Jetzt senkt er den Blick und zwirbelt eine meiner Haarsträhnen zwischen seinen Fingern. „Auch das weiß ich und ich verstehe deine Entscheidung. Ich hätte vermutlich dasselbe für dich getan.“

Nun bin ich doch ein wenig perplex, was Chris mir offensichtlich auch anmerkt, denn er fügt schulterzuckend hinzu: „Ich habe mit Arturo darüber gesprochen. Er hat es mir erklärt.“

„Ach so?“

„Ja“, murmelt er und kratzt sich am Kopf, bevor er sich aufrechter hinsetzt. „Ich musste mit ihm sprechen, wegen all der Veränderungen der letzten Zeit.“

„Du meinst deine Verwandlung?“

Er nickt und holt tief Luft. Es wirkt fast so als sei er nervös. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich es sagen soll…“

Nun setze ich mich ebenfalls aufrechter hin und greife nach seiner Hand. „Egal was es ist, sag es mir einfach.“

Seine Lippen öffnen sich, er schüttelt mit dem Kopf und fährt mit seinen Fingern durch sein Haar. „Ich… Ich bin kein Mannwolf mehr“, sagt er schließlich und mein Herz hört auf zu schlagen.

„Was meinst du damit?“, hake ich nach, obwohl ich die Antwort bereits kenne.

„Weil ich gestorben bin, bin ich kein Mannwolf mehr. Die Wiederauferstehung von den Toten hat aus mir einen Werwolf gemacht. Ich bin jetzt ein Werwolf.“

Er zuckt mit den Schultern, presst die Lippen zusammen und wartet auf eine Reaktion von mir, während ich ihn ebenfalls forschend betrachte.

„Und was ist mit Riva? Wird sie jetzt auch all die Mannwolf-Attribute verlieren? Und Bianca auch?“

„Nein, laut Arturos Rudel betrifft es nur mich, weil ich gestorben bin. Einer der Ältesten aus dem Rudel meint sogar, dass meine Arbeit als Dämonologe trotzdem noch gültig ist und Riva und all ihre Nachkommen davon profitieren werden. Nur meine Verwandlung wird von nun an immer vollständig sein, was mich somit zu einem Werwolf und nicht zu einem Mannwolf macht. Obwohl ich mich nicht für die dunkle Seite entschieden habe, bin ich durch meine Wiederauferstehung dunkel geworden.“

Ich starre ihn eine Weile nur verblüfft und ratlos an. In meinem Kopf sprudeln wirre Gedanken. Ich frage mich, wie wir das wieder rückgängig machen können und ob wir es überhaupt rückgängig machen sollten. Will Chris als Werwolf leben, oder kann er irgendwie wieder zum Mannwolf werden, wenn wir vielleicht zum Vatikan gehen oder mit Roberta sprechen?

„Würdest du damit klarkommen?“, fragt er mich nun und im ersten Moment weiß ich nicht so recht, was er damit meint. „Hättest du ein Problem damit, wenn dein Gefährte nun ein Werwolf ist?“

Verwundert blinzle ich und sehe ihn entrüstet an. „Nein!“ Meine Stimme klingt schrill, beinahe hysterisch, weswegen ich mich räuspere und meine Antwort noch einmal wiederhole. „Nein, Chris, ich habe kein Problem damit. Ich liebe dich nicht, weil du ein Mannwolf bist oder warst. Ich liebe den Mann, der du bist, und dabei ist es mir völlig egal, welche Art von Wolf du bist.“

Seltsamerweise wirkt er wenig überzeugt. Er wendet sogar den Blick ab und besieht mit gerunzelter Stirn seine freie Hand. „Werwölfe sind anders als Mannwölfe, Scarlett. Ihr Temperament ist anders.“

Plötzlich denke ich an die unterschwellige Aggression, die in der letzten Zeit in allem lag, was er tat und sagte. Ich erinnere mich an seine plötzlich aufwallende Lust, die er unbedingt befriedigt haben wollte, egal ob wir gerade mitten in einem Fall steckten oder unsere Teammitglieder auf unsere Abreise warteten. Er nahm mich mitten auf einem Feld im Nirgendwo und hatte es zuvor in einer antiken Tempelanlage, umgeben von Anubis-Statuen versucht. Er hatte Sätze gesagt, die mich im Innern verletzt hatten und mich an mir selbst zweifeln ließen. Er hatte offen bekundet, dass er der Meinung ist, dass meine Aktionen für gewöhnlich Katastrophen apokalyptischen Ausmaßes nach sich ziehen.

„Ich weiß, dass es dir auch schon aufgefallen ist“, sagt er und unterbricht meine Gedanken. „Es muss dir aufgefallen sein. Ich bin ruppiger, unruhiger und wilder als zuvor. Das liegt am Wolf in mir, er kommt wieder zum Vorschein und ich muss erst lernen, ihn zu beherrschen.“

Ich mustere sein Gesicht, doch ein Klopfen an der Tür lässt mich erschrocken zusammenfahren.

„Wer kann das so spät noch sein?“, murmelt Chris knurrend und erhebt sich.

Während er sich eine Sofadecke wie ein Handtuch um die Hüften bindet, klopft es erneut, diesmal drängender und noch lauter.

„Wer ist da?“, ruft Chris mit dunkler Stimme, die jeden Störenfried sein Handeln noch einmal überdenken lässt.

„Ich bin´s, Evanna“, hören wir dumpf die piepsige Stimme der Druidin von draußen.

Chris sieht mich an. „Kennst du sie?“

„Ja, ja. Sie ist eine Druidin, sie war mit mir auf der Insel“, antworte ich und richte meine Decke, um meine Nacktheit zu verbergen.

Dann nicke ich Chris zu und er öffnet die Tür einen Spalt.

„Tut mir leid, dass ich so spät noch störe“, entschuldigt sich eine völlig durchnässte Evanna und linst durch den schmalen Türspalt hinein, während hinter ihr der Wald von einem laut krachenden Blitz erhellt wird. „Ich habe bemerkt, dass ein Mann sich Zugang zum Wald verschaffen möchte. Er hat den Wald bereits einmal komplett umrundet, kann euren Zauber aber nicht überwinden.“

Während sie das sagt, beobachte ich wie Chris´ Haltung sich versteift. Er zieht die Tür ein Stück weiter auf und schnuppert in den Wind hinein.

„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Kein Mensch kann momentan den Wald betreten, ihr seid hier in Sicherheit“, antworte ich und mildere meinen leicht gereizten Ton mit einem Lächeln ab.

Doch Evanna schüttelt mit dem Kopf. „Du verstehst nicht, Scarlett. Es ist derselbe Mann, der dich und deine Freundin schon den halben Tag verfolgt!“

„Moment! Was?“ Chris Nackenhaare stellen sich auf und die Muskeln in seinen Schultern spannen sich an.

Mit großen Augen setze ich mich aufrechter hin und winke Evanna hinein. „Carmen und ich wurden verfolgt?“, hake ich ungläubig nach und lasse den Tag in Gedanken Revue passieren. „Aber woher willst du das wissen? Du warst doch gar nicht dabei!“

Chris schließt die Tür und sperrt das Unwetter aus, dann tritt er neben Evanna und mustert sie skeptisch.

Die junge Druidin senkt den Blick. „Doch, ich war immer ganz in der Nähe“, gibt sie ein wenig peinlich berührt zu.

„Warum?“ Chris´ Stimme ist anklagend und lässt Evanna zusammenzucken.

Ohne den Blick zu heben antwortet sie. „Ich fühle mich als eine der ersten Druidenhexen dazu verpflichtet, die Mitternacht zu bewachen.“

Chris bleckt die Zähne und sieht mich fragend an.

„Evanna, ich muss nicht bewacht werden“, sage ich unbehaglich. „Es ist nett, dass du dich für mich verantwortlich fühlst, schätze ich, aber ich komme schon klar!“

Nun blicken die rehbraunen Augen der Druidin mich an und sie schüttelt leicht mit dem Kopf. „Du hast deinen Verfolger nicht bemerkt, oder?“

Unwillkürlich ziehe ich die Stirn kraus. „Wir waren in der Innenstadt und im Stadtpark, da waren hunderte Menschen! Wenn einer davon zufällig denselben Weg hatte wie wir, dann heißt das nicht, dass wir verfolgt wurden.“

„Wie sah er aus? Beschreibe ihn!“, fordert Chris Evanna auf.

Sie weicht einige Zentimeter von ihm zurück und wirkt von seiner massiven Statur eingeschüchtert. „Er… Er ist ungefähr so groß wie ich, schmal und schlank gebaut, hat schwarze Haare.“

„Ebraxas“, grollt Chris und formt die Hände zu Fäusten.

„Nein, ich glaube nicht, dass es Ebraxas ist“, sage ich rasch und fahre mit der Hand über meine Stirn. „Trug er ein weißes Hemd und eine dunkelblaue Anzughose?“

Evanna und Chris sehen mich beide gleichermaßen überrascht an. „Du hast ihn also doch bemerkt?“, will Evanna wissen.

Seufzend sacke ich gegen die Lehne des Sofas. „Das ist Markus, mein Ex! Ich habe ihn in der Stadt getroffen, seiner Schwester gehört der neue Laden im Einkaufszentrum und er war zufällig auch da.“

Chris´ Augen formen sich zu Schlitzen und ich kann sehen, wie seine Pupille sich weitet. „Markus“, wiederholt er seinen Namen, als wolle er ihn kosten, um zu schmecken, womit er es zu tun hat. „

„Wir haben nur kurz im Laden mit ihm gesprochen. Ich wusste nicht, was ich sagen soll, also hat Carmen die meiste Kommunikation übernommen“, erzähle ich und meine Wangen werden bei der Erinnerung an mein seltsames Verhalten rosig. „Aber er hat uns doch nicht verfolgt, Evanna!“

Sie nickt. „Doch. Er ist euch hinterhergefahren und im Park ist er euch zu Fuß gefolgt. Und jetzt umrundet er den Wald und versucht hineinzukommen.“

Ich sehe Chris an, dass er sich kurz vor der Verwandlung befindet. Rasch springe ich auf, drücke die Decke an meinen Körper und berühre Chris am Arm. „Bleib ruhig, bitte“, flüstere ich und sehe zu, wie der Klang meiner Stimme die Haare an seinem Körper wieder abflachen lässt. „Er ist nur ein Mensch, er kann die Barriere nicht übertreten. Bestimmt ist er nur neugierig und haut gleich wieder ab.“

„Neugierig?“, wiederholt Chris fauchend. „Er muss aber ganz schön neugierig sein, wenn er bei diesem Wetter da draußen rumrennt!“

Equinox

Подняться наверх