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Kapitel 3

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Carmen rastet völlig aus.

Es wird sogar noch schlimmer, als ich ihr erzähle, dass Zaballa sich an beide Leben erinnern kann.

„Er weiß, dass er dich in der früheren Vergangenheit getötet hat und ist jetzt mit deiner Mutter verheiratet? Und da hast du ihn nicht mit deinen Zauberblitzen zur Strecke gebracht?“ Sie wedelt mit den Händen und macht ein Geräusch, das sich wie das Summen von Wespen anhört.

Ich lege eine Hand vor den Mund und verberge so ein Kichern. „Was soll das darstellen?“, frage ich und deute auf ihre Gestik.

„Das bist du, wie du Ebraxas mit deinen Blitzen den Hosenboden verkohlst! Bsss, bsss!“

Für zwei Sekunden schaffe ich es noch, ihr zuzusehen, dann breche ich in schallendes Gelächter aus. „So sieht das bei mir aus?“

Verdutzt sieht sie mich an, dreht sich zu mir um, formt die Hände ein weiteres Mal zu Klauen und macht dieses lächerliche Geräusch. „Ja, bestimmt! Bsss, bsss, nimm das, Ebraxas, bsss, und das hier! Bsss, bsss!“

Sie springt um den Couchtisch herum, fuchtelt mit den Händen und sieht dabei aus wie ein Karate-Kämpfer, der barfuß in Legosteine getreten ist.

Ich halte mir vor Lachen den Bauch und schüttle mit dem Kopf. Carmen verfällt ebenfalls in Gelächter und lässt sich neben mir in die Couch plumpsen. Als wir uns etwas beruhigt haben, dreht sie den Kopf zu mir und sieht mich an.

„Und du hast ihn wirklich nicht umgebracht?“, fragt sie mich vollen Ernstes. „Also, ich hätte ihn getötet, allein schon deswegen, weil er dich und Chris getötet hat. Außerdem hat er die ganzen Hexen jahrelang versklavt und ausgebeutet. Wenn so einer nicht den Tod verdient hat, wer dann?“

Erstaunt begegne ich ihrem Blick. Es sagt sich so leicht, dass man jemandem das Leben nehmen würde, aber es wirklich zu tun, ist nochmal etwas ganz anderes.

„Nein, ich habe ihn nicht getötet“, antworte ich. „Mama liebt ihn, das konnte ich sehen. Außerdem ist er in der neuen Vergangenheit kein schlechter Leiter der Libelle gewesen. Er und Mama haben sie zu diesem Ort gemacht, wo magische Wesen und ihre menschlichen Freunde Zuflucht finden können. Man kann dort in einer Gemeinschaft leben, muss sich nicht verstecken und braucht keine Angst haben, entdeckt zu werden. Die neue Libelle ist ein guter Ort. Es war der Einfluss meines Vaters, der ihn erst zu diesem schrecklichen Ort gemacht hat, doch das ist jetzt vorbei.“

„Hmm…“, macht sie und schaut hoch zur Decke. „Es ist schon ziemlich edel von dir, deinem Mörder zu vergeben.“

„Damit hat das nichts zu tun. Ich will meiner Mama ihren Ehemann nicht nehmen, nur um mich für etwas zu rächen, das in ihrer Vergangenheit nie geschehen ist.“

Nachdem jeder von uns eine Weile seinen eigenen Gedanken nachgegangen ist, erzähle ich ihr von den Druiden. Sie selbst hat den Beitrag in den Lokalnachrichten nicht gesehen, weswegen ich ihr das Video auf meinem Handy abspiele. „Mit all den Druiden war ich in den letzten Wochen auf unserer Insel im Wandschrank, auf der die Zeit stehenbleibt. Ich war ungefähr vier Wochen mit ihnen dort und habe ihnen allen die Kräfte verliehen. Als ich wiederkam, war in der Realität nicht eine Sekunde vergangen. Ich musste es so machen, da wir die Druiden nicht wochenlang verstecken können, ohne dass wieder Reporter darauf aufmerksam werden.“

Sie gibt mir das Handy zurück und wirkt erstaunt. „Mit all diesen Druiden warst du auf eurer Insel? Wie viele waren das? Hunderte? Tausend? Das erklärt auch deine Bräune. War mir gleich aufgefallen, als ich dich sah. Du bist total braun geworden, ich bin richtig neidisch!“

Ich schaue auf meine nackten Unterarme und nicke. „Ich bin vielleicht braun geworden, aber die Zeit allein mit den Druiden dort war die reinste Qual. Nach einigen Tagen haben wir herausgefunden, wie ich zehn von ihnen auf einmal die Kräfte verleihen kann. So ging es schneller, aber es war auch total ermüdend. Ich habe ständig schlafen müssen und es hat trotzdem vier Wochen gedauert, bis ich die knapp tausend Druiden zu Druidenhexen gemacht habe.“

„Oh man, vier Wochen? Das ist eine lange Zeit. Und dann kommst du zurück und hier, in der Realität ist keine Sekunde vergangen?“

„Genau. Ich dachte, so wäre es auch für Chris am einfachsten, da wir dann in der realen Welt gar nicht voneinander getrennt gewesen wären. Aber er war total außer sich, dass ich diese Möglichkeit überhaupt in Betracht zog!“, erzähle ich und bin froh, dass ich mit meinen Erläuterungen nun endlich an diesem Punkt angelangt bin. „Er hat sich sowieso verändert, seitdem wir wiederauferstanden sind, irgendwas ist mit ihm los.“

„Inwiefern hat er sich verändert? Er ist doch immer noch gut zu dir, oder? Du weißt, wenn er dir nur ein Haar krümmt, dann bekommt er es mit mir zu tun! Ganz egal wer oder was er ist, vergreift er sich an meiner Scarlett, dann kann er mich aber kennenlernen!“

„Nein, er ist gut zu mir, keine Sorge. Er würde mir nie etwas tun“, sage ich rasch, da ich weiß, dass sie ihre Drohung ernst meint. „Aber ich glaube, die Zeit im Limbus hat bei ihm Spuren hinterlassen, denn seitdem wir von den Toten auferstanden sind, verliert er all seine Mannwolf-Attribute. Und als er sich heute Morgen verwandelt hat, war er ein vollständiger Wolf, mit langem Fell, Schnauze, Lefzen, spitzen Ohren, grellgelben Augen, vier Pfoten und einer Rute.“

Carmens Augen werden immer größer. „Echt jetzt?“

Ich nicke und ziehe die Stirn kraus. „Es wird an meinem Inviolabilem-Zauber liegen. Ich glaube, Chris wird dafür bestraft, dass er den Tod ausgetrickst hat. Es ist meine Schuld, dass die jahrhundertelange Arbeit seiner Vorfahren zunichte gemacht wurde.“

„Das kann doch nicht sein“, sagt Carmen und zieht mich an sich, als sie sieht, dass mir schon wieder die Tränen in die Augen steigen. „Sie können ihn doch nicht dafür bestrafen, dass dein Zauber auf ihn übergegangen ist! Wäre das nicht passiert, wäre er doch jetzt tot!“

„Ja, ich weiß! Deswegen bereue ich auch nicht wirklich, den Zauber angewandt zu haben“, entgegne ich schniefend und ziehe die Nase hoch. „Ich habe ihm heute Morgen angeboten, zum Vatikan zu reisen und die Sache vor Ort mit den Obrigkeiten zu klären, doch da meinte er, dass ich ihn so wie er jetzt ist nicht mehr lieben würde.“

Auch mit meinem Kopf auf ihrer Schulter kann ich spüren, dass sie eine Grimasse zieht und dabei den Kopf schüttelt. „Männer!“, seufzt sie und ich könnte schwören, dass sie dabei die Augen im Kopf verdreht. Dann greift sie nach meinen Schultern und schiebt mich vor sich, wo sie mich ernst ansieht. „Macht er dir als Wolf, Werwolf, oder was auch immer, Angst? Hast du Angst vor ihm? Stört dich, dass er sich verändert hat?“

Ich schüttle mit dem Kopf. „Nein, er macht mir keine Angst. Wirklich, er würde mir nichts tun, niemals! Und es ist mir auch egal, was er ist! Ob nun Mannwolf, Werwolf, Troll, Vampir, Kobold, oder was weiß ich! Selbst wenn er Big Foot höchstpersönlich wäre, würde ich ihn noch immer genauso sehr lieben!“

Sie lächelt und legt den Kopf leicht schief. „Hast du ihm das gesagt? Weiß er, dass es dir egal ist, was er ist?“

Nickend senke ich den Blick. „Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn liebe, egal was er ist. Aber er denkt, dass ich nur auf die Insel geflüchtet bin, um ihm aus dem Weg zu gehen, weil er jetzt wölfischer ist.“

„Was für ein Quatsch!“, brüllt Carmen mit beinahe keifender Stimme. „Das ist so typisch, Bill war auch so! Wann immer ich etwas vorhatte, was ihn nicht mit einbezog, dachte er, ich gehe ihm aus dem Weg.“ Sie tippt sich gegen die Stirn und verdreht die Augen.

„Chris ist normalerweise nicht so. Wir haben eigentlich in der ganzen Zeit, die wir nun schon zusammen sind, nie groß miteinander gestritten. Wir hatten zwar hin und wieder Meinungsverschiedenheiten, aber da hat er sich nie verwandelt und ist einfach abgehauen, so wie die letzten beiden Male.“

„Also ist er erst so schräg drauf, seitdem er immer mehr zum Wolf wird?“, fasst Carmen zusammen und legt nachdenklich die Fingerspitzen an ihr Kinn.

„Ja. Könnte man so sagen“, stimme ich ihr zu. „Aber das Schlimmste war, dass er meinte, seine Schwester Bianca hätte vielleicht Recht, als sie behauptete, Hexen können niemals eine wahre Gefährtenverbindung eingehen.“

„Das hat sie gesagt?“ Ihre Augen formen sich zu schmalen Schlitzen. „Und Chris stimmt ihr zu? Das darf doch nicht wahr sein! Was mischt sich seine Schwester überhaupt ein? Das geht sie doch alles gar nichts an!“

Ich zucke nur mit den Schultern, während ein stechender Schmerz sich in meinem Brustbein ausbreitet. „Offenbar gab es zuvor noch keine Gefährtenverbindung zwischen nicht-wölfischen Wesen.“

„Aber Scarlett, du zweifelst doch jetzt nicht ernsthaft eure Gefährtenverbindung an, oder? Du hast mir doch selbst erzählt, dass dieses Kitzeln zwischen deinen Brüsten ein Beweis dafür ist!“

„Es ist mehr ein Kribbeln, hinter dem Brustbein.“

„Was auch immer! Das war doch der Beweis dafür, dass ihr zwei Gefährten seid, oder irre ich mich? War es nicht so?“

„Doch, so ist es! Chris sagt außerdem, dass er direkt wusste, dass ich seine Gefährtin bin, als er mich zum ersten Mal gesehen hat. Und ich habe mich ja auch sofort Hals über Kopf in ihn verliebt, obwohl ich es anfangs noch ignorieren wollte, weil ich mir keine Chancen bei ihm ausgerechnet habe. Aber als er mich dann küsste, zum allerersten Mal, da habe ich sowas gespürt, wie ich es noch nie zuvor erlebt habe“, erinnere ich mich und schüttle lächelnd mit dem Kopf. „Das hatte nichts mit menschlichem Verliebtsein zu tun. Es ging viel tiefer und es war plötzlich egal, dass ich ihn erst wenige Stunden kannte. Ich wusste, dass er mein Mann ist, der einzige, den ich für den Rest meines Lebens lieben würde.“

Carmen legt die gefalteten Hände an ihr Herz und seufzt. „Sowas will ich auch mal erleben. So eine richtig tiefe Liebe, wo beide füreinander alles andere stehen und liegenlassen.“

In diesem Moment wird mir bewusst, dass sie immer davon ausging, zwischen ihr und Bill herrsche diese Art von Liebe. „Hast du eigentlich mal wieder was von Bill gehört?“, frage ich und sie lässt ihre gefalteten Hände in ihren Schoss fallen.

„Nein, zum Glück nicht. Ich habe seine Nummer aber auch blockiert, selbst wenn er versuchen würde, mich zu kontaktieren, würde ich nicht dahinterkommen, und das ist auch gut so. Er ist ein Lügner und Heuchler, ein Ehebetrüger und ein Verlierer. Ich bin froh, dass ich ihn los bin! Ich bereue nur, dass ich so lange gebraucht habe, um zu erkennen, was für eine Art Mann er wirklich ist!“

„Okay, okay, das war deutlich“, sage ich und hebe ergebend die Hände.

„Ich werde mich auf jeden Fall nicht mehr unter Wert verkaufen, das ist klar! Der nächste Mann, den ich an mich ranlasse, muss mir die Welt zu Füßen legen!“

Bestätigend nicke ich ihr zu. „Genau!“

Sie leert den restlichen Kaffee aus ihrem Becher in einem Zug und sieht mich mit strahlenden Augen an. „Also, hast du schon eine neue Haartönung mitgebracht, oder wollen wir dieses Mal zu einem echten Frisör?“

Lachend werfe ich den Kopf in den Nacken. „Du kennst mich einfach zu gut, Carmen!“

„Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass Scarlett Schneider, entschuldige, Taylor, ihre Beziehungsprobleme immer mit einer neuen Frisur bewältigt!“

Equinox

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