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Kapitel 1

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Der letzte Patient des Tages hatte das Behandlungszimmer kaum verlassen, da wandte sich Jan Storm bereits wieder seinem Computer zu. Er hatte jede freie Minute zwischen den einzelnen Terminen genutzt, um einen Fachaufsatz über Schwangerschaftsvergiftungen im letzten Trimester genauestens zu studieren.

Kaum hatte er den Absatz, bei dem er unterbrochen worden war, wiedergefunden, da stürmte seine Sprechstundenhilfe Gerda ins Zimmer, natürlich ohne anzuklopfen. Obwohl er sofort mit einem Mausklick das Fenster minimierte, war er nicht schnell genug gewesen, um den Bildschirminhalt vor ihr zu verbergen.

Die Hände in die Taille gestemmt, funkelte sie ihn an. »Das darf doch wohl nicht wahr sein! Ich habe gemerkt, dass dich etwas die letzte Stunde beschäftigt hat.«

Damit blieb Jan nur die Hoffnung, dass Gerda die englische Überschrift des Artikels nicht verstand. »Sekunde mal, was regst du dich denn so auf? Der Artikel ist sehr ordentlich geschrieben und hat eine interessante statistische …«

»Du übertreibst es und machst dich völlig unnötig verrückt. Also wirklich, Jan. Deine Lena ist kerngesund und das gilt auch für euer Kind! Sie ist doch nicht die erste Frau, die ein Kind bekommt, aber genauso tust du!«

»Ich …«

»Computer aus und dann ab an die frische Luft! Fahr ans Meer.« Sie schüttelte so heftig den Kopf, dass sich einzelne Strähnen ihres locker gebundenen Pferdeschwanzes lösten. »Schwangerschaftsvergiftung. Also wirklich. Das wird bei jedem Vorsorgetermin abgecheckt.«

Auch wenn Gerda gut zwanzig Jahre älter war als Jan, jedoch keineswegs wie eine Mittfünfzigerin wirkte, tolerierte er es eigentlich nicht, dass sie ihn wie einen unmündigen Jungen behandelte. Eigentlich. Denn ab und zu musste er zugeben, dass sie mit ihren Vorwürfen ins Schwarze traf. Dies war eindeutig einer dieser Fälle. Mit etwas Abstand betrachtet, sah er selbst, dass er sich zu viele Sorgen um seine schwangere Lebensgefährtin – er verbesserte sich rasch in Gedanken –, seine Frau machte. Dennoch konnte er nichts dagegen tun. Irgendwie musste er nicht nur die letzten Tage bis zur Geburt überstehen, sondern sich bis dahin in einen abgebrühten Vater verwandeln, der den Säugling nicht jede Sekunde im Arztmodus scannte.

»Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sage, Jan. Doch ich wünsche mir gerade, dass du wieder mit Jörg losziehst, um einen miesen Verbrecher hinter Gitter zu bringen. Alles ist besser als das.« Gerda klopfte so stark auf den Monitor, dass der Flachbildschirm wackelte. »Ha, wenn man vom Teufel spricht … Jörg steuert gerade aufs Haus zu.« Sie eilte davon.

Da sein Freund in der Lage war, den Weg zu ihm alleine zu finden, ahnte Jan, dass Gerda ihm einiges stecken wollte. Verdammt.

Jörg Hansen grinste buchstäblich von einem Ohr bis zum anderen, als er in das Zimmer trat. »Ich habe den Befehl erhalten, dich hier rauszuschaffen und nach Möglichkeit ein Treffen mit einem Serienkiller zu organisieren.«

Stöhnend fuhr Jan seinen PC runter. An Ruhe war nun nicht mehr zu denken. »Gerda übertreibt!«

»Glaube ich nicht. Na komm, ich habe Ginger im Wagen. Wir holen dieses schwarze Ungeheuer, das du Hund nennst, und fahren an die Steilküste.«

»War das ein Vorschlag?«, hakte Jan bissig nach.

Jörg legte den Kopf schief. »Nein. Ich habe frei und langweile mich, weil Andrea für deine Tante unterwegs ist, damit bist du moralisch verpflichtet, einem Freund zu helfen. Außerdem weiß ich, dass Lena auch nicht zu Hause ist.«

Die abstruse Begründung brachte Jan zum Schmunzeln. »Überzeugt. Wir treffen uns gleich bei mir, da kannst du das angebliche Ungeheuer, das übrigens immer noch Tarzan heißt, und mich abholen. Denn eins ist klar: Meinen Wagen versaue ich mir mit den sandigen Hundepfoten nicht!« Unerwartet ernst sah Jörg ihn plötzlich an. »Was ist?«, erkundigte sich Jan ratlos.

Jörg tippte auf seine Uhr. »Falls es dir entgangen ist, wir haben Januar, die Temperaturen sind im einstelligen Bereich und du fährst morgens mit deiner Ninja in die Praxis? Ich wette, die Straßen waren sogar glatt. Wenn dein Audi kaputt wäre, würde er bei Richie auf dem Hof stehen. Also sagt mir mein messerscharfer Polizistenverstand, dass was bei dir nicht stimmt.«

»Ich habe zu spät bemerkt, dass es glatt war«, wehrte Jan ab.

»Wie du meinst. Wenn du nicht jetzt reden willst, wirst du es gleich am Wasser tun«, kündigte Jörg an und wandte sich einfach ab.

Großartige Aussichten! Mit einem leisen Fluch folgte Jan ihm. Als er an Gerdas Tresen vorbeiging, bedachte er seine Arzthelferin mit einem bösen Blick, den sie unbeeindruckt erwiderte.

»Bis morgen, Boss. Und bitte auf vier Rädern!«, schickte sie ihm hinterher.

Es reichte. Sofern das Wetter es zuließ, würde er schon aus Prinzip mit dem Motorrad kommen!

Wenige Schritte an der Steilküste reichten und Jans schlechte Laune war komplett verflogen. Jörgs weiß-braune Promenadenmischung tobte mit Tarzan einige Meter vor ihnen. Der Anblick, wie die Hunde vergeblich den Möwen hinterherjagten, war zu herrlich. Sogar der schwere schwarze Labradormix sprang einige Male erstaunlich hoch in die Luft. Die Wellen schlugen an den Strand und nur wenige andere Spaziergänger waren unterwegs. Während die Gegend um Brodersby, besonders der Strand in Schönhagen, und die Steilküste ein beliebtes Ziel von Touristen waren, hatten die Einheimischen ihren Ort um diese Jahreszeit beinahe für sich.

»Wann erzählst du eigentlich Gerda und Co., dass Lena nicht länger deine Lebensgefährtin, sondern deine Frau ist?«, erkundigte sich Jörg mit kaum verborgenem Spott in der Stimme.

Jan grinste schief. Er und Lena hatten am Sonntag vor Weihnachten nur in Anwesenheit ihrer Trauzeugen standesamtlich geheiratet. In erster Linie war es ihnen darum gegangen, dass das Kind ehelich zur Welt kam. Die kirchliche Hochzeit und eine große Feier waren erst im Sommer geplant, wenn Lena mit mindestens einem Gläschen Sekt anstoßen konnte. »Keine Ahnung. Nie? Ich kann mir ungefähr vorstellen, wie die Reaktion ausfallen wird.«

Jörg lachte. »Sei froh, dass Andrea und ich als Trauzeugen Bescheid wissen. Ich wäre auch nicht begeistert gewesen, wenn ich das später erfahren hätte. Was meinst du, wie sich Markus freuen wird?«

»Autsch«, erwiderte Jan und hatte plötzlich eine Liste mit Freunden vor Augen, die vermutlich über seine Heimlichtuerei reichlich sauer wären.

Lachend schlug Jörg ihm auf die Schulter. »Mensch, Jan. Das war doch Spaß. Kein Mensch nimmt es euch krumm, dass ihr erst im Sommer feiert, wenn das Baby aus dem Gröbsten raus ist. Weißt du denn jetzt, was dich erwartet?«

»Nein. Wir wissen nur, dass es ein kleiner Dickkopf wird, der sich bei jedem Ultraschall wegdreht. Lena ist aber weiter überzeugt, dass es ein Junge ist.«

»Na, der würde auch besser zu dir passen als so ein Mädchen, das alles in Rosa haben möchte und mit Puppen spielt«, überlegte Jörg laut und blickte bedeutungsvoll zu einem vielleicht vier Jahre alten Mädchen, das direkt am Wasser mit den von der Ostsee angespülten Steinen spielte und einen rosafarbenen gefütterten Regenanzug trug, der mit weißen Einhörnern bedruckt war.

Jan würde zwar sein Kind auf jeden Fall lieben, doch er musste zugeben, dass ihm der Gedanke an einen Jungen etwas besser gefiel. Andererseits gab es auch Mädchen wie Ida, die für seinen Freund wie ein leibliches Kind war. Ida war ein wahrer Wirbelwind, eine talentierte Fußballspielerin und völlig ohne Zickenallüren. Jan wollte gerade Jörg an den Teenager erinnern, als eine Frau auf sie zustürmte.

»Können Sie Ihre Bestien nicht an die Leine nehmen? Das ist unverantwortlich! Wenn die auf meine Silvana losgehen, ist es zu spät.«

Jan brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass es um Ginger und Tarzan ging, die sich etliche Meter von dem Mädchen entfernt aufhielten und sich nicht im Geringsten für das Kind interessierten.

Ehe er antworten konnte, übernahm das Jörg. »Sie müssen sich keine Sorgen machen, beide Hunde sind sehr gut erzogen und kein bisschen gefährlich.«

Jan verkniff sich mit Mühe ein Grinsen. Ginger war alles Mögliche, aber bestimmt nicht besonders gut erzogen. Dafür verwöhnte Jörg die Hündin viel zu sehr.

»Das kann ja jeder sagen. Bitte nehmen Sie die Tiere an die Leine!«, forderte die Mutter, die zwar einen praktischen gefütterten Parka trug, allerdings dazu halbhohe Stiefel, die für den Sand nicht geeignet waren.

»Außerhalb der Saison ist am Strand kein Leinenzwang«, erwiderte Jörg bereits etwas weniger freundlich.

»Karl! Komm mal bitte und erkläre den Herren, wie die Rechtslage ist.« Sie holte ihr Handy aus der Jackentasche. »Ich behalte mir vor, die Polizei zu alarmieren, wenn Sie weiterhin mein Kind gefährden.«

Jörg griff ebenfalls in die Jackentasche und hielt ihr seinen Dienstausweis hin. »Rufen Sie gerne meine Kollegen an. Aber wie gesagt …«

Der schrille Schrei des Mädchens unterbrach ihn. Es klang so dramatisch, dass nicht nur die Mutter ans Wasser lief, sondern Jan und Jörg ihr folgten.

Erst als er das strahlende Lachen des Kindes registrierte, schaltete Jan seinen Arztmodus wieder aus. Das sollte ein Freudenschrei gewesen sein?

»Mama, guck, das ist ein Wärmstein!«, rief das Mädchen so laut und schrill, dass Jans Ohren klingelten.

Tatsächlich lag auf der Handfläche des Kindes ein großer orangefarbener Brocken.

»Das ist aber verdammt ungewöhnlich«, meinte Jörg und hielt dem Kind die Hand hin. »Kannst du ihn mir ganz kurz geben, ich möchte nur sichergehen, dass …«

»Nun lassen Sie ihr doch den Spaß! Silvana, gib deinen Bernstein nicht her. Da hast du wirklich ein unglaubliches Glück gehabt.«

Jan musterte den Brocken misstrauisch. »Sekunde mal …«

Jetzt hatte sie auch der Vater erreicht. »Was ist denn hier los?«

»Die Männer lassen ihre Köter frei rumlaufen und gönnen unserem Kind den Stein nicht. Es heißt aber Bernstein, Silvana. Bernstein.«

Der Vater sah erst zu den Hunden hinüber, die langsam näher getrottet kamen, und dann zu seiner Tochter. »Den hast du gefunden? Gibst du ihn mir mal? Der sieht ja toll aus!«

Das Mädchen wich zurück und schloss die Faust. »Nein. Das ist meiner!«

»Silvana! Gib ihn kurz her. Sofort!«, forderte der Vater energisch.

Statt zu gehorchen, flüchtete das Mädchen zu seiner Mutter und verbarg sich hinter ihrem Rücken.

»Verdammt noch mal!«, wurde Jörg laut. »Ich kenne die Gegend. So große Brocken Bernstein sind ungewöhnlich. Es könnte sich auch um einen gefährlichen Stoff handeln.«

Jan hatte längst begriffen, in welche Richtung die Überlegungen seines Freundes gingen. Immer wieder kam es vor, dass Phosphorstücke, die Bernstein zum Verwechseln ähnlich sahen, an die Ostseeküste gespült wurden. Er hatte zwar noch nie gehört, dass in der Gegend um Brodersby herum solche Überreste von Kampfmitteln aus dem Zweiten Weltkrieg gestrandet waren, aber auszuschließen war das nicht.

»Schluss mit dem Theater!«, rief er. »Ich bin Arzt und möchte mich nur überzeugen, dass …«

Es war zu spät. Das Mädchen schrie plötzlich gellend auf. Ihre Hand schien in Flammen zu stehen.

Die Mutter reagierte sofort, allerdings völlig falsch. Sie zog ihr Kind ans Wasser. Weißer Phosphor konnte nur durch Sand gelöscht werden – wenn überhaupt.

Jan blieb für Erklärungen keine Zeit. »Halte sie mir vom Leib«, befahl er Jörg und entriss der Mutter das schreiende Kind. Er drückte es zu Boden und bedeckte die Hand mit Sand. »Ruf den Heli. Der soll oben am Parkplatz landen. Das Zeug ist dermaßen giftig, dass die Verbrennung ein Kinderspiel ist.«

Das Schluchzen des Mädchens wurde leiser, doch das gefiel Jan überhaupt nicht. Der Blick der Kleinen war bereits glasig. Durch das Gebrüll hatte sie viel zu hektisch geatmet und dabei vermutlich einiges von dem giftigen Rauch abbekommen. Ein unverkennbarer Geruch nach Knoblauch lag in der Luft, der typisch war für Phosphorvergiftungen.

Jan überzeugte sich, dass der Sand weiterhin die Flammen erstickte, und pfiff Tarzan herbei. »Das war kein Bernstein, sondern ein ganz fürchterlich böser Stein, aber wir werden jetzt dafür sorgen, dass er dir nicht weiter schadet. Pass auf, Tarzan ist ein Zauberhund. Der kann die gefährlichen Strahlen vertreiben. Du musst dafür aber nun ganz gleichmäßig atmen, hörst du?«

Jans ruhige Stimme drang zu der Kleinen durch und sie sah zu Tarzan, der sich ganz dicht neben sie legte. »Merkst du, wie sein warmes Fell alles Schlechte vertreibt? Und gleich wartet ein ganz großes Abenteuer auf dich. Du darfst mit dem Hubschrauber fliegen! Nach Kiel. Dort gibt es am Hafen Seehunde. Deine Eltern werden sie dir ganz bestimmt zeigen.«

Jan redete einfach weiter, obwohl dem Kind bereits die Augen zufielen. Er kontrollierte ohne Unterbrechung Atmung und Puls, erlaubte sich dabei nur eine kurze Pause. »Wenn du ein Messer hast, schneide den Ärmel ab. Da ist das giftige Zeug auch dran. Das muss von ihr weg«, bat er Jörg.

Am Rande bekam Jan mit, dass der Vater seine weinende Frau davon abhielt, ihn zu stören.

Erst nachdem Jörg einen Teil des Regenanzugs entfernt hatte, sah Jan den Vater fest an. »Hat sie Vorerkrankungen? Irgendwas, das die Kollegen wissen müssen?«

Stumm schüttelte der Mann den Kopf. »Wie …?« Er brachte die Frage nicht über die Lippen.

Jan verstand ihn auch so. »Ernst, aber nicht lebensgefährlich. Im Moment. Das Giftzeug hat sich nicht übermäßig tief eingebrannt. Jetzt geht es darum, den Kreislauf zu stabilisieren, damit ihr Körper mit dem Rest von dem Mist fertig wird. Sie hat es leider eingeatmet …«

Unruhig bewegte sich die Kleine, lag aber sofort wieder still, als Tarzan sich dichter an sie schmiegte. Gut, sonst hätte er ein Elternteil gebeten, dem bewusstlosen Mädchen etwas Nähe und Geborgenheit zu vermitteln.

Während er weiter den Puls und die Atmung überwachte, blickte er übers Meer und wünschte sich, der Hubschrauber wäre bereits hier. Wenn sich der Zustand doch noch verschlimmerte, konnte er so gut wie nichts tun. Er stutzte, als er ein Boot bemerkte, das ihm zuvor nicht aufgefallen war. Bei den Temperaturen waren kaum Schiffe auf der Ostsee unterwegs. Selbst die Touristendampfer lagen irgendwo an einer Mole. Er konnte es nicht benennen, doch irgendetwas störte ihn an dem Anblick.

Als er Jörg bemerkte, der neben ihm stand, deutete er mit dem Kopf in die Richtung. »Mach mal ein Foto von dem Kahn.«

Ohne Fragen zu stellen, nutzte sein Freund sein Handy als Kamera. »Erledigt. Die Jungs landen jeden Moment. Sie kommen aus Eckernförde und fliegen mit der Kleinen weiter in die Kieler Uniklinik. Sie wissen Bescheid, dass es um eine Phosphorvergiftung geht.«

»Sehr gut. Danke.«

Endlich hörte er das Geräusch der Rotoren und wenig später lag das Kind auf der Trage.

»Es kann einer mit«, sagte der Notarzt.

»Flieg du mit. Aber behalte die Nerven! Du hilfst niemandem, wenn du hysterisch wirst. Ich nehme den Wagen und bin auch bald da«, entschied der Vater.

Stumm nickte die Mutter und achtete sogar darauf, dass sie die Sanitäter und den Arzt nicht behinderte, während sie die Nähe ihres Kindes suchte.

Über den Strand kamen nun auch zwei Polizisten in Uniform auf sie zu.

Jan wartete, bis der Hubschrauber gestartet war. Dann kraulte er Tarzan ausgiebig. »Das hast du gut gemacht, Großer.«

Tarzan gähnte nur, Ginger bellte.

Da Jörg und Jan die Polizisten kannten, gingen die Erklärungen schnell und formlos.

»Phosphor? Hier? Wat’n Schiet. Darauf könnte ich einen Korn vertragen«, sagte der ältere Beamte mehr zu sich selbst.

Der Jüngere nickte. »Das gibt einen Wirbel. Hauptsache, die Lütte ist schnell wieder auf den Beinen, wir müssen Warntafeln aufstellen und …« Er zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, was noch. Da müssen sich die schlauen Köpfe in Kiel was überlegen.«

Jan sah unwillkürlich wieder über die Wasseroberfläche zu dem Boot hinüber, das ein paar Meter näher gekommen war. Vielleicht hatten der Hubschrauber und die Blaulichter die Besatzung neugierig gemacht. Jörg brauchte keine Aufforderung, sondern schoss bereits weitere Fotos.

Nachdenklich rieb sich der jüngere Beamte übers Kinn. »Ich verstehe das nicht. In der Kieler Förde liegt ja genug von dem Scheiß, aber hier doch nicht. Und viel Wind hatten wir auch nicht.«

Jan hatte den Vater des Mädchens fast vergessen. Nun drängte er sich zwischen ihn und die Polizisten. »Entschuldigen Sie bitte. Ich möchte mich nur rasch bedanken. Ich laufe dann jetzt nach Schönhagen und hole meinen Wagen. Vielen, vielen Dank. Sie und …« Er deutete auf Tarzan. »Danke. Und das, obwohl meine Frau … Sie ist mal gebissen worden und …« Er drückte Jan eine Visitenkarte in die Hand. »Ich melde mich später. Danke.«

»Ganz langsam«, mischte sich der ältere Polizist ein. »Wir bringen Sie mit dem Streifenwagen zu Ihrem Fahrzeug. Nun kommen Sie mal mit.«

Als Jan und Jörg mit den Hunden wieder alleine am Strand waren, atmete Jan auf. »Mann, was für ein Drama.«

Jörg sah aufs Meer hinaus. »Irgendetwas sagt mir, dass Gerdas Wunsch in Erfüllung gegangen ist. Lass uns mal ein wenig weitergehen. Vielleicht finden wir noch mehr von dem Mist.« Er hielt bereits einen Hundekotbeutel in der Hand. »Da drin kann nichts passieren, oder?«

Jan überlegte, was er aus seiner Bundeswehrzeit über das Zeug wusste. »Es entzündet sich ab zwanzig Grad, also zum Beispiel, wenn du es in der geschlossenen Hand hältst oder in eine Jackentasche steckst, ansonsten eigentlich nicht.«

»Hätte ich ihr den Mist bloß aus der Hand geschlagen«, murmelte Jörg.

Jan legte ihm einen Arm um die Schultern. »Das habe ich auch schon gedacht, aber ganz ehrlich, damit rechnest du doch nicht. Hätte ich das ernster genommen, hätte ich der Mutter einen Tritt versetzt, dass sie in die Ostsee gesegelt wäre und …«

Das Lachen kehrte in Jörgs Augen zurück. »Himmel, hat die sich erst aufgeführt.« Er wurde wieder ernst. »Ich will ihr ja keine Schuld geben, aber ohne ihre Einmischung wäre das Kind jetzt nicht auf dem Weg ins Krankenhaus.«

»Tja …« Jan rieb sich übers Kinn. »Na komm, lass uns noch ein paar Meter gehen und nach dem Zeug Ausschau halten. Danach spendiere ich dir bei mir zu Hause einen ordentlichen Grog.«

»Klingt gut.« Jörg blickte wieder zu dem Boot. »Ich denke, das da könnte unser nächster Fall sein.«

Jan sah ebenfalls zu dem Boot und schüttelte den Kopf. »Daran habe ich auch kurz gedacht, aber besonders logisch ist das nicht.«

»Stimmt. Mein Gefühl sagt mir aber was anderes.«

Falsches Spiel in Brodersby

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