Читать книгу Die doppelte Palme - Stefanie Wagner - Страница 10
Kapitel 2 M aylana
ОглавлениеDie Tage und Wochen vergingen wie im Fluge: Stefania erkundigte sich an allen Ecken nach Benimm- und Kleidungsregeln, lernte ein paar arabische Worte der Höflichkeit und nähte sich ein Kleid, welches dem Hörensagen nach der Kleidung einer arabischen Hofdame entsprach. Sie fragte die Lehrer aus, befasste sich ein wenig mit der Geschichte des Orients und versuchte, sich die arabischen Länder näherzubringen. So erfuhr sie auch von dem von Mauren immer wieder besetzten Spanien und davon, dass an den großen Höfen Arabiens viele hohe Herren der spanischen Sprache – zumindest in Teilen - mächtig seien. Es erleichterte Stefania, dass wohl doch ein wenig Konversation möglich sein könnte.
Schon war die Zeit des Wartens vergangen. Stefania kleidete sich in ihr selbstgenähtes Gewand und begab sich zum Hofe des Königs, wie es der Absprache gemäß war.
Sprachlos vor Erstaunen war sie, als sie schon von Weitem die Musik hörte und die Tänzerinnen sah: Klänge, die so noch nicht vernommen, Instrumente, die so zuvor noch nicht gesehen und Tänzerinnen, die mit ihrer dunklen Haut, ihren dunklen Haaren und nahezu schwarzen Augen nie zuvor in diesem Teil des Landes gesichtet wurden. Kehlige Laute und Trommeln, drängend und fremd, füllten den Saal.
Und dann die Tänze: Welch Anmut und Geschmeidigkeit, welch feine Bewegungen konnten die Tänzerinnen vollführen. Voller Weichheit, Ehrlichkeit und Reinheit drehten und wendeten sie Arme, Hüften und Oberkörper, die wie losgelöst vom Rest des Körpers sich zu bewegen schienen, während gleichzeitig Beine und Füße sich - so hatte es den Anschein – eigenständig zum Takt der Musik bewegten. Und obgleich auch diese Tänzerinnen wie hierzulande in Gruppen tanzten, waren ihre Tänze in weiter nichts vergleichbar mit denen, die Stefania kannte. „Wie nur“, fragte sie sich, „wie kann ein Mensch diese Bewegungen vollführen? Ist es nicht Gott, der den Tänzerinnen seine Gunst erweist und solch harmonische Tänze für gut befindet? Gibt es denn solch einen Gott auch für den Orient? Ja, es muss wohl so sein“. Sie war sich dessen gewiss.
Und dann die Kleidung: zu jedem neuen Musikstück erschienen die Tänzerinnen in unterschiedlicher Bekleidung: lange, eng anliegende Kleider, die glitzerten und an denen Perlenschnüre herabhingen, die Arme unbedeckt; dann wieder bauchfrei, geradezu hüllenlos, vom Oberkörper nur die Brust bedeckt. Dazu ein langer weiter Rock, der aus mehreren übereinander liegenden Schichten von Stoff genäht war und beim Drehen wunderbar aufschwang. Um die Hüfte gewickelte Tücher, an denen gleichfalls Perlenschnüre und Münzen befestigt waren, welche schwangen und klimperten, während sich die Tänzerinnen zur Musik bewegten. Oh, das war eine Augenweide. Stefania war hypnotisiert vom Anblick all der Farben, Formen und Bewegungen, dem Klang und Takt der fremden Musik…
…und dann sah sie sie: die Eine, die aus der Menge hervortrat und ganz alleine zu einer neu beginnenden Melodie zu tanzen begann, während sich alle anderen Tänzerinnen langsam zurückzogen... Ach, welch Wonne für die Augen – welch eine Wohltat für das Ohr und was für eine Erfüllung der Träume der Seele! Dieses wunderschöne, dunkelhaarige Wesen voller Anmut und Eleganz, voller Bewegung, Leben und Selbstsicherheit. Da waren weiche, schlangenhafte Bewegungen des Körpers, die zur Melodie getanzt wurden und gleichzeitig härtere, rhythmische Bewegungen der Füße, die sich zum Takt der Musik bewegten. Ihr Körper schien losgelöst von den Kräften der Erde und des Himmels - es schien, als sei nur sie und sonst nichts mehr von der Welt.