Читать книгу Die doppelte Palme - Stefanie Wagner - Страница 17

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Ich.

Persien! Wie das Wort auf der Zunge zergeht und schmilzt wie frischer Schnee. Persien! Wie schmeichelhaft es in die Ohren dringt und mehr als Orgelklänge dem Geiste wohltut!

Und welch eine Pracht, welch Gefühl von Ehre, Adel und Ansehen, ach, wie schön und stolz fühlte ich mich mit dem wunderbaren Schleier meiner besten Freundin. Leicht und weich war er und flog im Wind wie eine Feder. Schön in seinen Farben, zugleich durchsichtig und verhüllend. Ich verstand langsam, warum der Schleier den morgenländischen Frauen Kleidungsstück und den orientalischen Männern gleichsam Verheißung war.

Es war zudem eine Freude und ein Spaß, sich von der Tochter des Wirtes das Verhalten der arabischen Frauen beibringen zu lassen und noch mehr, als mir der Umgang mit dem Schleier und seine Vielseitigkeit gezeigt wurden. Najima, so stellte ich fest, hieß in meiner Sprache „Stern des Himmels“. Ein so klangvoller Name! Und tatsächlich war Najima für mich wie der Stern, der mir den Weg in den Orient und hin zu meinem Ziele zeigte.

Sie kleidete mich neu: es wurde Gewandung ausgesucht für die Reise – komfortabel und gut zu Pferde zu tragen – und dann auch ein Kleid für besondere Anlässe. Ein bodenlanges, eng gehaltenes Kleid in einem dunklen, doch leuchtenden Grün und farblich passend zu meinem in unendlich vielen Grüntönen schimmernden Schleier, der von nun an mein Haupt bedecken sollte, wenn ich mich außerhalb des Schutzes eines Hauses befand. Ich fühlte mich in dieser Kleidung wie eine hoch angesehene Dame des Königshofes.

Zu meiner großen Verwunderung zeigte Gunnar sich von seiner seelenvollen Seite: er bekundete mir offen sein Wohlgefallen an der neuen Kleidung: „Eine meisterhafte Wahl, denn diese Farben stehen Euch sehr gut zu Gesichte“.

Sollte womöglich dieser harte und kampfgewohnte Ritter eine Ahnung verspüren, dass unsere Reise auch zu seinem Glücke führen könnte? Denn nie zuvor sah ich ihn in solch einer freudigen Laune und nie zuvor gab er seine zustimmende Meinung so offen preis, wie an diesem Tage.

Linhardt seinerseits nickte anerkennend und sagte: „Ihr seht nicht nur ausnehmend gut in der orientalischen Kleidung aus, sondern wirkt in der Tat auch wie eine hiesige Dame. Damit wird ein Weiterreisen sicherlich keine Probleme mit sich bringen“.

Wieder einmal stellte ich fest, wie sehr diese Herren zu meiner Familie geworden waren und wie es mich schmerzlich dauerte, sie am Ende dieser Reise zurück nach Deutschland reisen sehen zu müssen. Und ich merkte, wie gerne ich die Kunst des Schleiertanzes lernen wollte. So konnte ich Linhardt und Gunnar überzeugen, noch ein paar weitere Tage in der Schänke zu verweilen, während Najima noch Stunde um Stunde mit mir und dem Schleier tanzte.

Meine Tanzbewegungen, die ich – wie lange war es nun schon her? – von Mayjidah lernte, zeigte ich in einer stillen Stunde meiner neuen Freundin und sie lachte und freute sich, sie brachte mir die Bewegungen und ihre Bedeutung nahe und auch die Bedeutung des Tanzes an sich, seine Reinheit und doch auch Verführungskraft, ganz besonders die des Schleiertanzes.

Najima erklärte mir, dass der Schleier in Persien stets nur am Anfang eines Liedes benutzt und nach kurzer Zeit sodann von der Tänzerin abgelegt werde.

Und letztlich verriet sie mir das Geheimnis des Tanzes mit den sieben Schleiern, den man auch „Tanz der Salomé“ nannte:

Die Tänzerin hüllt sich zu Beginn ihres Tanzes in sieben Schleier, die sie im Laufe des Tanzes nach und nach ablegt. Najima erklärte, der Tanz mit sieben Schleiern sei von der Göttin Isis hergeleitet und dass angenommen wurde, dass der Tanz ein bedeutender Bestandteil des heiligen Dramas war, das den Tod eines Königs, seinen Abstieg in die Unterwelt und seine Errettung durch die Göttin darstelle; die Göttin legt dabei an jeder der sieben Pforten der Unterwelt einen ihrer sieben Schleier ab. Und allen Gerüchten zum Trotz sei eine Tänzerin nach dem Ablegen nicht entblößt, sondern es käme am Ende ein wundervolles Kleid zum Vorschein, welches die Frau selbst wie eine Göttin erscheinen ließe.

Wie wundersam und wunderbar war diese Zeit des Lebens mit Najima. Sie weihte mich ein in die Geheimnisse der arabischen Frauen und ich hatte für etliche Tage endlich wieder einmal eine glückliche Zeit.

Doch dann überkam mich die Sehnsucht, und so drängte ich, die Reise tief hinein in den Orient fortzusetzen. Zwar gedachte ich, leichten Herzens Abschied von Najima zu nehmen, da ich endlich meine Mayjidah wiedersehen wollte, aber dann nahm doch ein wenig Traurigkeit von mir Besitz, Najima verlassen zu müssen. Ich versprach, sie wieder zu besuchen, sofern ich je die Gelegenheit dazu bekommen sollte. Und sie versprach mir gleichermaßen ihren Besuch, sobald ich von mir hören ließe.

So also reisten wir ab.

Allmählich jedoch wich die Freude an den neuen Gewandungen und die erwartungsvolle Haltung dem neuen Land gegenüber einer Furchtsamkeit, die ich so noch nicht kannte. Sah ich in den Dörfern, durch die wir ritten, doch stets mit schwarzem, dicht gewebten Stoff verschleierte Frauen, weit hinter ihren Ehemännern stehend oder gehend und stets in gebeugter und demutsvoller – ja sogar in ängstlicher – Haltung. Hatten die Frauen hier ein noch unersprießlicheres Leben als im fernen Deutschland? Waren sie hier weniger wert als Hunde? Ich bekam es mit jedem verstreichenden Tag mit stetig wachsender Angst zu tun und fürchtete mehr und mehr, meine geliebte Mayjidah nie wieder zu sehen.

Würden wir sie überhaupt finden? Was sollte werden, wenn Mayjidah nicht dort anzutreffen war, wo ich ihr zu begegnen hoffte? Was, wenn Mayjidah in ihrem eigenen Land ebenfalls gebeugt und demütig mit einem Manne lebte, sich meiner nicht mehr erinnerte oder mich gar fortschickte? Wohin sollte ich dann gehen? Würde ich überhaupt gehen dürfen oder würde ich einem dieser arabischen Männer übergeben werden, die ihre Frauen schlechter als ihre Tiere zu behandeln schienen? Fragen über Fragen, angstschürend, beengend, erdrückend, legten sich um mein Herz und in vielen Nächten fand ich keinen Schlaf.

Die doppelte Palme

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