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Kapitel 3 Safar

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Während dieser gemeinsamen Zeit brachte Mayjidah Ilanah das Geheimnis bei, wie sich Teile des Körpers unabhängig von anderen Teilen und zum Teil sogar vollkommen gegensätzlich bewegen ließen. Sie zeigte ihr, wie sie sich wie eine Schlange bewegen konnte: Die Arme allein bewegten sich schließlich, dass es den Anschein hatte, Ilanah habe eine Schlange um die Arme gewickelt. Auch der gesamte Körper ließ sich so bewegen, als sei Ilanah selbst eine Schlange von unermesslicher Größe, die sich, hoch aufgerichtet, zur Melodie eines Liedes wiegt.

Sie lernte Handbewegungen, die aufblühenden Blumen ähnelten, konnte schließlich sogar kleine Wellen allein mit den Händen nachahmen und lachte schließlich herzlich, als Mayjidah ihr vorführte, wie ein Kamel laufe. Ein Kamel - dieses Tier kannte sie aus einem bebilderten Buch: ein großes Pferd mit hellem Fell und zwei riesigen Buckeln mitten auf dem Rücken. Wie gern würde sie einmal ein solches Tier erleben und prüfen, ob Mayjidah sich hier nicht nur einen großen Spaß mit ihr erlaubte.

Letztlich brachte Mayjidah ihr Bewegungen für einen vollständigen Tanz bei. „Wir nennen diese feste Folge von Schritten Choreografie. Es ist wie bei euren Tänzen: der Sinn darin ist, dass alle Frauen gemeinsam denselben Tanz gleichzeitig vorführen können. Denn eigentlich tanzt bei uns jede Frau für sich selbst, bringt sich selbst in der Musik zum Ausdruck. Und da keine Frau der anderen gleicht, bewegt sich auch jede unterschiedlich“ erklärte Mayjidah - und schenkte Ilanah ein großes, fast durchsichtiges Tuch, welches von nahezu unzähligen Grüntönen durchsetzt war. Mayjidah nannte es Schleier – obgleich für Ilanah ein Schleier etwas gänzlich anderes war - und erklärte: „Ich habe diesen Schleier sehr sorgsam und nur für dich ausgesucht. Er soll dich immer an mich erinnern, denn wir müssen bald schon wieder abreisen“.

Nur über die Benutzung dieses Tuches, darüber erzählte Mayjidah nichts und so ging Ilanah davon aus, dass es ein Tuch wie jedes andere war – nur um ein Vielfaches schöner -, geschaffen, sich die Schultern warm zu halten, sich zu schmücken und auch mal Haupt und Gesicht bedecken zu können, wenn es gar zu stark regnen sollte. Erst sehr viel später sollte sie an diesem Tuch noch ihre wahre Freude haben…

Auch die Musiker des Scheichs, mit denen Mayjidah umherzog, waren von der Lernfähigkeit und der Freude Ilanahs am Tanz begeistert, so dass sie sich ihretwegen mit den Hofmusikern des Königs zusammensetzten und die Musik zum erlernten Tanz in Noten niederschrieben. In diesen Stunden war viel Gelächter aus dem Raum zu hören, in dem sich die Männer unterschiedlichen Glaubens und vollkommen andersartiger Lebensweisen trafen - die lediglich die gemeinsame Freude an Melodie, Klang und Takt verband – und die Verehrung für die Leidenschaft Ilanahs. Oft ging es dort so hoch her, dass die Wachen des Königs versucht waren einzuschreiten und dem vermeintlichen Scharmützel ein Ende zu setzen. Doch letztlich war es offenkundig reine, schiere Freude, die zu lauten Worten führte, und ein Durchgreifen wurde zu keiner Zeit erforderlich.

Dann aber kam der Tag des Abschieds. Mayjidah musste fort. Fort aus Deutschland, zurück in das Morgenland, aus dem sie kam. Fort von Ilanah. Fort nun bald auch all die Freude, die Hoffnung und die Träume. Mayjidah schloss Ilanah mit feuchten Augen in die Arme und sprach: „Unser Wort für Reise heißt „Safar“. Und ich sehe, dass Allah eben dieses für dich plant. Auch wenn mir das Herz schwer wird, dich verlassen zu müssen: wir sehen uns wieder. Denn dein Schicksal lautet Safar, meine Liebe!“

Und dann stand Ilanah, tapfer gegen Tränen, Trauer und zu erwartender Einsamkeit ankämpfend und dagegen, dass man ihr die Traurigkeit ansah, an der Schlossmauer und winkte noch lange der Kutsche hinterher, mit der Mayjidah zurück zum Schiff und damit in ihre Heimat fortfuhr. Erst als die Kutsche schon lange außer Sicht war, konnte Ilanah sich lösen und zu ihrer Wohnung und der kranken Mutter zurückkehren….

Die doppelte Palme

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