Читать книгу Die doppelte Palme - Stefanie Wagner - Страница 11

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Ich.

Da wusste ich: diese Eine ist es, sie musste es sein, auf die ich wohl ein Leben lang gewartet hatte. Die Freundin und die Schwester, die ich nie hatte. Ich wusste, ich musste diese Frau davon überzeugen, mir das Tanzen beizubringen. Diesen Tanz, neu und anders; der Tanz, der die Frau selbst verkörpert und der durch die Frau erst zum Tanz wird.

Und dann trafen sich die Blicke - pur und ehrlich, tief und seelenverwandt, einzigartig und doch: bekannt, erwartet, erhofft. Nicht mehr nötig waren Worte, Erklärungen und Namen; nicht notwendig waren Sprachen, Schrift noch Äußerungen. Wir sahen uns in die Augen und wussten: Du bist die Freundin, die ich immer suchte. Du bist die Eine, die ich zum Leben brauche, weil du schon immer bei mir warst und für alle Zeiten, in allen Leben, meine Schwester sein wirst.

Von diesem Moment an gab es für mich nur noch eines: den wundersam anmutigen Tanz des Morgenlandes zusammen mit meiner Seelenschwester zu erlernen, zu tanzen und zu leben.

Wir begannen noch am selben Abend, ohne viele Worte aber mit viel Spaß und Freude, gemeinsam zu tanzen. Wir lachten viel, verstanden uns - und aufgrund der wenigen Worte, die jede von uns in der Sprache der anderen beherrschte, und dank ein paar Bröckchen Spanisch lernten wir schon in kurzer Zeit ein wenig mehr der Anderen Sprache.

Mayjidah – so war der Name der dunkelhaarigen orientalischen Schönheit mit dem Glanz und dem Feuer in den funkensprühenden Augen – war mir eine gute Lehrerin, denn es war nicht einfach, die Teile des Körpers nahezu unabhängig voneinander zu bewegen. Mayjidah nannte dieses Kombinieren von unterschiedlichen, gleichzeitig getanzten Bewegungen „Trennung“.

Ihre Hände formten Blumen, während die Arme sich zur Seite oder nach oben bewegten. Und als sei dies noch nicht genug, wurde die Hüfte kreisend bewegt und die Füße nahmen den Takt der Musik auf! Schwierig, ungewohnt, ja geradezu unmöglich erschien es mir, diese Kombinationen verschiedener, gleichzeitiger Bewegungen zu erlernen. Doch Mayjidah versicherte mir, dass ich schnell verstehen würde und wenn ich diese Übungen oftmals wiederholte, könnte ich sehr bald schon diese Art des Tanzes in seinen Grundlagen beherrschen.

Sie zeigte mir, auf welch vielfältige Art die Hüfte sich bewegen ließ: kreisend, im Takt zu den Seiten wippend, sogar hoch und runter wusste Mayjidah mich zu lehren. Sie erklärte mir die Bewegungen der Arme und welch Posen die Hände einzunehmen wussten, zeigte mir Schritte, die die Hüfte erzittern und die Münzen am Hüfttuch erklingen ließen. Sie erklärte mir, dass dieses „Zittern“ Shimmy genannt würde und dass dies das wahre Können einer Tänzerin zeige.

So lernte ich ein wenig des orientalischen Tanzes, während ich ihr die Schritte unserer Tänze beibrachte, die Formen und Wechsel der Tanzpartner erläuterte und mich an ihrem Interesse erfreute. Wir hatten gespaßt und geträumt, uns vorgestellt, wie es wäre, gemeinsam tanzend durch die Welt und die Länder zu ziehen – so, wie sie es mit ihrer Gruppe in ihrem Land zu tun pflegte. Und wir überlegten, wie wir uns gemeinsam dann nennen würden.

Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nichts von arabischen Namen: weder von der Bedeutung des Namens der wunderschönen Tänzerin, noch von der meines eigenen, deutschen Namens. Aber sie erklärte mir schon bald, dass jeder muselmanische Name eine Bedeutung habe und dass Mayjidah „Stolze Frau“ bedeute – oh, wie passend war ihr Name, denn sie tanzte wahrlich stolz und erhaben. Dann fragte sie nach meinem, von dem ich annahm, er habe keinerlei Bedeutung. Doch konnte sie schon bald aus dem deutschen Namen Gerlinde meinen wahren Namen ableiten. „Liebste Freundin“, sprach sie, „ich weiß nun, welche Bedeutung Euer Name hat. Euer arabischer Name lautet Ilanah! Baum! Denn Ihr seid fest verwurzelt mit der Erde, Ihr spürt sie und lebt nach dem Wesen der Natur. Ihr seid das Leben selbst“. Und dann gab sie mir einen Kuss auf die Stirn.

- Welch sonderbare Geste!

Ilanah! Dies also war mein Name und ich trug ihn schon seit Anbeginn der Zeiten, in allen Leben und allen Sprachen, ebenso wie ich Mayjidah schon seit ewigen Leben kannte. Und dann fanden wir einen Namen für unser Traumleben als gemeinsam durch die Welt ziehende Tänzerinnen: Maylana – der Zusammenschluss von Mayjidah und Ilanah.

So haben wir nun auch in diesem Leben einander wiedergefunden!

Jede freie Minute verbrachten wir zwei zusammen – sicher, es war nicht viel Freizeit, die ich, Ilanah (so nannte Mayjidah mich fortan und ich begann schon bald, mich selbst ebenso zu nennen), aufbringen konnte, dennoch senkte allein der Gedanke an die abendlichen Treffen den arbeitsreichen Tag auf ein erträgliches Maß.

An einem der ersten Tage fragte Mayjidah mich: „Sagt mir, Ilanah, warum Ihr so schnell zu lernen versteht. Ich habe schon so manche Frau gesehen, die zu lernen wünschte, wie ich tanze. Doch nie fand ich eine verständigere Frau als Euch“.

„Vielleicht liegt es daran“, antwortete ich, „dass ich mich schon von klein auf dem Tanze, den Klängen der Musik sowie farbenprächtigen Kostümen hingezogen fühle. Und schon seit langem widme ich mich dem Tanz mit Hingabe und Begeisterung. Besonders anziehend finde ich dabei seine Vielfältigkeit. Ich liebe es aber auch, auszuprobieren und fantasievolle Geschichten zu erdenken“.

Mayjidah lachte und sprach: „Dann sind wir wohl wahrlich nicht weit voneinander entfernt, denn auch mich fasziniert die Fülle der verschiedenen Tanzarten und auch ich fühle mich zu Euren Reigen hingezogen. Allerdings finde ich die alemannischen Volkstänze nicht so aufregend wie die unseren. Die Euren erscheinen steif und wenig abwechslungsreich, wohingegen die orientalischen Tänze Bewegungen zulassen, bei denen sich eine Frau fühlt wie eine Göttin“. Ihr Blick ging in die Ferne, als sie weitersprach: „Die Bauchwelle, die durch den Körper rollt, als hätte man keine Wirbelsäule. Arme, die sich wie Lianen im Wasser schlängeln und Hüften, die ausschlagen wie der Pendel einer Uhr. Es gibt so vieles, liebste Ilanah, was Ihr bei uns lernen könntet und ich weiß mit Sicherheit zu sagen, dass es Euch gefallen würde“.

Und noch an diesem Tag ergaben wir uns, tief verbunden in der Liebe zum Tanz, der vertraulichen, freundschaftlichen Anrede, dem „Du“.

Die doppelte Palme

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