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Lord Gaten Nahor

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Harper lächelte ironisch und erklärte besserwisserisch: „Zwischen unseren Kontinenten herrschen Strömungen unter der Wasseroberfläche. Man nennt das auch Gezeiten. Einmal fließt das Wasser nach Osten, einmal nach Westen. Wenn die Gezeiten wechseln, treffen die Strömungen aufeinander und bilden Wirbel, die man über Wasser nicht sieht. Sie sind aber so stark, dass sie ganze Handelsschiffe mitreißen und sinken lassen.“

„Woher wisst Ihr das so genau?“, wollte Leary weiter wissen. „Wir treiben schon seit Jahrhunderten keinen Handel mehr mit den Sturmlanden.“

„Im Gegensatz zu Euren Geschichtsschreibern schreiben unsere die Wahrheit auf und keine Märchen.“

„Harper!“, wies diesmal Dannika ihren Mann zurecht.

Der zuckte mit den Schultern, schwieg dann aber.

„Wir lernen es in unserer Ausbildung“, erklärte sie, um Höflichkeit bemüht. „Da wir lagebedingt, von viel Wasser umgeben sind, ist es ein Hauptbestandteil unserer Schule.“

„Logisch“, gab Leary zu und verzog den Mund. „Daran hätte ich denken sollen.“

„Wäre machbar gewesen“, kam es wieder von Harper, ziemlich sarkastisch diesmal.

Dannika atmete schwer durch die Nase aus, wandte sich erneut an ihn und zischte in Skareth-Mhond, dass er sein Maul halten sollte, sonst würde sie ihn sofort nach Hause schicken und Avery gleich mit ihm. „Hold dia velix Mhondu, Harper! Winn da it jeddi stóp, la une Svalor so bis, shike I dia wito Unwelthe zigga et Filaruthis. Ahn Avery kán da ef jeddi mornhm.“

„Ti liva“ giftete Harper zurück, dass sie doch tun sollte, was sie wollte und fügte an, dass er nicht mal herkommen wollte. „I wenne ja no enfién!“

„Dessa! Rowth hil ahn stópe forth eth Tur! So niemen una Sentéz or una quare Logis!“, befahl sie als unh Garda und Harpers Blick wurde mürrisch. Er erhob sich jedoch befehlsgerecht, verneigte sich, wobei er leicht spöttisch und unecht lächelte, dann verließ er den Raum und die Tür fiel lauter zu, als nötig war. Hoffentlich würde er wirklich vor der Tür warten und niemanden weiter schief ansehen oder überhaupt mit ihm reden.

Dannika schloss kurz die Augen und schaute dann entschuldigend zu Reyes. „Ich muss nochmals um Verzeihung bitten“, entschuldigte sie sich, so dass auch er es verstand. „Mein Volk ist sehr offenherzig mit seinen Worten. Ich hoffe, Ihr seht es uns nach. Wir werden uns bemühen, uns Euren Gepflogenheiten anzupassen.“

Reyes Stirn glättete sich, doch seine Stimmung war definitiv nicht mehr die Beste. „Wir werden uns schon auf einer Ebene treffen können“, meinte er und versuchte, seine Abneigung zu verbergen.

Dannika entging nicht, dass er sie offensichtlich niederer einstufte, als sich selbst. Sie entschied aber, nicht darauf einzugehen. Es würde den Unmut nur noch anheizen. Der Rest des Essens verging fast schweigend. Nur ab und zu sprachen Mélina und Lynéra leise miteinander, aber niemand stellte mehr Fragen. Als der König die kleine Runde endlich auflöste, verneigte Dannika sich höflich und verließ den Raum, wobei ihre beiden Freundinnen ihr folgten.

Vor der Tür trafen sie auf Harper, der neben der Pforte an der Wand lehnte. „Wurde ja Zeit“, grummelte er.

Dannika fuhr ihn erneut an. „Ich weiß, dass du nicht hier sein willst! Keiner von uns wollte das! Aber Zaya hat es angeordnet und wir hören auf ihren Befehl! Wenn du dich noch ein einziges Mal daneben benimmst, wird das Konsequenzen haben! Wenn dich jemand was fragt, sei gefälligst freundlich, auch wenn er es nicht ist! Wir sind hier Gäste, verdammt noch mal!“

„Und deshalb muss ich denen in den Arsch kriechen?!“, fuhr Harper sie seinerseits an. „Die können froh sein, dass wir überhaupt hier sind!“

Dannika rückte auf und fixierte Harpers Blick. Trotz dass er größer und kräftiger war als sie, sah man, wie er kleiner wurde. Sie war noch immer seine Vorgesetzte und er wurde sich sichtlich bewusst, dass er gerade zu weit gegangen war.

„Ab sofort sprichst du nur noch mit den Feroth, wenn dich jemand anspricht. Und dann auch nur das Nötigste und immer freundlich! Ohne unter Unterton! Verstanden?! Du wirst nicht mehr offensiv an solchen Treffen teilnehmen. Ich habe euch angeboten, als Freunde neben mir zu reisen, das ziehe ich in deinem Fall zurück. Du bist ab sofort als das hier, als was Zaya dich geschickt hat. Meine Wache.“

Harper senkte den Blick und nickte. „Ja, unh Garda.“

Sie trat zurück. „Ihr habt den Abend frei. Aber keine Dummheiten“, richtete sie sich an alle.

Sie neigten die Köpfe und gingen davon. Dannika wusste, dass sie den ganzen Abend lang Gesprächsthema sein würde. Sie schüttelte resigniert den Kopf.

„Lady Dannika“, kam es von hinter ihr. Sie wandte sich um und sah Gaten an der Tür stehen. „Darf ich Euch einen Moment aufhalten?“, fragte er.

„Sicher“, seufzte sie. Bestimmt wollte er sie jetzt auf Harper ansprechen.

„Es könnten auch ein paar mehr Momente werden“, gab er zu und lächelte schief.

Sie nickte schmunzelnd. „Die habe ich auch.“

„Sehr schön. Bitte folgt mir doch. Ich würde die Gelegenheit gern nutzen und Euch die Burg zeigen.“

„Wie Ihr wünscht, Lord Gaten.“

Er kam an ihre Seite und sie folgte seinen Schritten.

„Lady Dannika, wäre es anmaßend, wenn ich Euch noch ein paar Fragen stelle, in Bezug auf Euer Volk? Ich möchte ungern in weitere Fettnäpfchen treten.“

„Wäre es nicht, Lord Gaten. Aber wenn ich so anmaßend sein darf, würde ich Euch gern bitten, dass Ihr mich einfach Dannika nennt. Oder in offiziellen Treffen unh Garda oder Generalin. Ich weiß, dass Lady eine besondere Form der Anrede bei Euch ist, aber ich denke, eine freundschaftlichere Basis, wenn wir unter uns sind, wäre von Vorteil. Natürlich nur, wenn es in Eurem Sinn ist.“

„Sicher. Dann bitte, nennt mich Gaten oder Gate, Dannika.“

„Gate?“, lächelte sie. „Wirklich?“

„Zuviel des Guten?“, fragte er und spiegelte ihr Lächeln.

„Ich weiß nicht.“

„Was immer dir lieber ist, Lady Dannika“, neckte er sie offensichtlich.

Sie grinste. „Ich wähle vorerst Gaten.“

„Vorerst“, wiederholte er. „Na gut. Ich bin gespannt, wann es sich ändert. Und wenn es so weit ist, wie nenne ich dich dann?“

„Dannika, wie sonst?“, fragte sie und runzelte die Stirn.

„Hast du keinen Spitzennamen? Gibt es das bei euch nicht?“

„Doch. Aber wir sprechen nur unsere engsten Freunde damit an.“

„Wer weiß. Vielleicht gehöre ich ja irgendwann dazu“, meinte er.

Dannika verzog das Gesicht und Gaten sah es.

„Nicht? Was schließt das denn aus?“

„Nichts schließt das aus. Bisher zumindest. Aber es gibt nur zwei Lebewesen, die mich bei meinem Spitznamen nennen. Es ist wohl eine Eigenart meines Volkes.“

„Mich nennen auch nur meine Freunde Gate. Aber ich biete es jedem an, der mir sympathisch ist. Wie meinst du das, wenn du sagst Lebewesen?“, erklärte und fragte er.

„Er mag dich“, raunte Fehr in ihrem Geist. „Nimm die Gelegenheit an. Er scheint wirklich offen für eine engere Beziehung zu sein.“

„Halt die Klappe und lass mich machen“, antwortete sie und Fehr zog sich wieder zurück. „Wir hatten ja schon festgehalten, dass es viel zu lernen gibt“, sagte sie laut. „Ich bin gespannt, in was wir uns noch alles unterscheiden.“

„Ich auch“, lächelte Gaten. „Lebewesen?“, wiederholte er seine Frage, die Dannika wegen Fehr nur halb mitbekommen hatte.

„Meine beste Freundin, Mélina, und mein Finné, mein Gefährte, Fehr.“

„Ah. Die Mélina, die mitgereist ist?“

„Genau die.“

„Und dein Gefährte? Warum ist er nicht dabei?“

„Ist er doch“, gab sie ihm verwirrt zurück.

„Sagtest du nicht gerade, er heißt Fehr? Die beiden Männer in deiner Begleitung heißen doch aber Harper und Avery oder habe ich das falsch verstanden?“

Dannika lachte auf. „Nein, hast du nicht. Fehr ist nicht in der Burg. Er ist mit Ruw und Koleen in einem Waldstück geblieben.“

„Warum denn? Sie hätten alle herkommen können.“

Es dämmerte ihr und sie klärte den Kommandanten auf. „Fehr ist mein Drache. Ich hatte erklärt, warum sie fernbleiben.“

Gaten atmete tief durch die Nase ein und stieß die Luft dann aus. „Ach so. Dein Drache heißt also Fehr.“ Kurz war es still und Dannika konnte an Gatens Miene sehen, dass nun ihm etwas dämmerte. „Moment mal. Er nennt dich bei deinem Spitznamen?“

„Ja“, grinste sie, weil sie ahnte, was kam.

„Er kann reden?“, fragte der Kommandant schließlich genau das, was sie vermutet hatte.

„Nicht direkt. Er spricht nicht, wie du und ich. Er denkt seine Worte, wenn er mit mir kommuniziert. Er beherrscht aber unsere Sprache. Sie lernen sie recht früh, wenn sie den Kontakt wünschen.“

Gaten verzog nachdenklich das Gesicht. „Wie funktioniert das? Ich meine, wie hörst du seine Worte, wenn er sie nur denken kann?“

„Er amüsiert mich“, grinste Fehr hörbar. „Bestell ihm Grüße von mir.“ Er lachte und Dannika grinste unwillkürlich.

„Wir sind im Geist verbunden. Wenn wir reden wollen, denken wir einfach an das, was wir sagen möchten und der jeweils andere hört es. Es kostet viel Übung, damit kein Unfug dabei rauskommt. Aber wir haben beide jahrelange Erfahrung und müssen uns deshalb nicht mehr viel konzentrieren. Ich soll dir Grüße von ihm bestellen. Er findet dich witzig.“

Gaten stoppte und sein Blick wurde ungläubig. „Er hört jetzt gerade zu?“

Dannika nickte. „Da er selbst nicht hier sein kann, nutzen wir die Verbindung.“

Gatens Augen wurden groß.

„Ist das nicht in Ordnung?“, fragte Dannika, plötzlich unsicher, ob es unhöflich war. Andererseits war es für sie ganz normal und Fehr würde auch hören, was sie erzählten, wenn er hier wäre. Es nahm sich also nichts.

„Ja, nein, ich meine, ja, doch“, stotterte der Kommandant.

„Wir können nur so in Kontakt bleiben. Er bekleidet denselben Rang wie ich, deshalb lassen wir die Verbindung offen. Damit er auf dem Laufenden bleibt.“

Es dauerte noch einen kleinen Moment, bis Gaten sich gefangen hatte. „Es ist natürlich in Ordnung. Bitte entschuldige. Ich war nur kurz irritiert. Die Vorstellung ist merkwürdig, dass er hört, was wir sagen und es versteht.“

„Drachen sind nicht dumm. Sie sind genauso intelligent wie wir Menschen. Ziemlich oft sogar noch mehr.“

„Ich kenne mich mit ihrer Spezies überhaupt nicht aus“, gab Gaten zu. „Zwar gibt es einige Aufzeichnungen, aber keine davon sagt aus, dass sie mehr als gewöhnliche Tiere wären. Zumeist werden sie immer einfach als große Flugechsen beschrieben.“

Dannika schnalzte mit der Zunge. „Das beschreibt allein ihre Erscheinung im Groben. Über ihren Geist sagt es aber nichts aus.“

„Na ja. Wenn man von den gewöhnlichen Echsen ausgeht, ich meine auch alles, was es so an Reptilien gibt, die können nicht reden oder denken wie Menschen. Wahrscheinlich ist es das, was uns glauben lässt, die Drachen könnten es auch nicht.“

„Dann solltet ihr umdenken.“

Gaten lächelte. „Ich werde es auf jeden Fall tun und auch alle anderen dazu anhalten.“

„Das freut mich.“

Sie kamen an einem Torbogen an und Gaten bedeutete ihr, vorauszugehen. Dannika trat auf die Wehrmauer hinaus und ließ den Blick schweifen. Der Abend war klar und die warme Luft umwehte sie sanft.

„Komm, noch ein Stück. Der Ausblick von der Mitte der Mauer ist wunderbar“, sagte Gaten und führte sie an die Stelle, die er meinte. Die Steine der Mauer strahlten die vom Tag gespeicherte Hitze ab und der Kommandant meinte: „Es ist immer noch ziemlich heiß hier oben, aber ich dachte, der Ausblick ist es wert.“

„Ich finde es nicht heiß. Es ist recht angenehm.“

„Ist es in den Sturmlanden wärmer?“

„Ja. Allerdings nicht immer und nicht überall. Wir haben alle Wetterlagen. Aber wenn es heiß wird, dann wird es auch heiß. Dagegen ist das hier nichts.“

„Wie warm kann es denn werden? Ich finde es ziemlich heiß hier.“

„Auf dem Dragoth-Athat kann es unerträglich für uns Menschen sein. Dort wird es so heiß, dass das Wasser in den Buchten zu verdunsten beginnt. Das liegt an dem Vulkan, der die Insel erschaffen hat. Er ist noch aktiv und immer wenn ein Ausbruch bevorsteht, brodelt das Wasser um das Eiland herum beinahe.“ Gatens große Augen brachten Dannika zum Lachen. „Das passiert nicht allzu oft. Aber wenn es passiert, spüren es alle Inseln in der Nähe ebenso.“

„Wie schützt ihr euch dagegen?“

„Gar nicht. Wir sind es gewohnt. Nur sollte man eben den Dragoth-Athat, also den Drachenfels, meiden. Dort würde jeder der kein Drache ist, sterben, wenn der Vulkan kurz vor einem richtigen Ausbruch steht.“

„Heißt der Fels so, weil die Drachen Feuer speien und er ein Vulkan ist?“, fragte Gaten weiter. Auch er klang nun so neugierig wie Leary vorhin.

„Nein. Und nicht er, sondern sie. Es ist nicht nur ein Fels, sondern eine ganze Insel. Sie heißt Drachenfels, weil die Drachen im Felsgestein des Vulkans leben. Sie vertragen die Hitze sehr gut. Es nützt ihnen sogar beim Brüten.“

„Gibt es viele Drachen? Wie groß sind sie? Ist die Insel groß?“

Wieder grinste Dannika. „So viele Fragen.“

„Bitte entschuldige. Ich wollte nicht zu aufdringlich sein.“

„Schon gut.“ Sie schenkte ihm ein freches Lächeln. „Es ist nur merkwürdig, dass ihr so gar nichts über unser Land wisst. Wir wissen so viel über eures.“

Gaten hob die Schultern. „Das liegt wohl daran, dass wir nur noch Geschichten über euch kennen. Viele aus meinem Volk dachten lange oder denken noch immer, ihr wärt nur eine Erfindung.“

„Dachtest du auch, es gibt uns nicht?“, wollte diesmal Dannika wissen.

„Um ehrlich zu sein, ja. Ich bin mit den Geschichten aufgewachsen, habe sie aber nie für wahr gehalten.“

„Was hat dich umgestimmt? Du hast nach uns schicken lassen.“

„Umgestimmt hat mich der Grund aus meiner Nachricht. Wir brauchen Hilfe und mir gehen die Ideen aus, was uns noch helfen könnte. Ich fand die Aufzeichnungen eines alten Gelehrten. Er ist schon lange tot und war am Ende seines Lebens auch nicht mehr zurechnungsfähig. Die Schriften fertigte er aber in seiner Jugend an. Sie enthalten viele Erzählungen über euch und den Krieg, den ihr geführt habt. Ich weiß nicht warum, aber ihm konnte ich Glauben schenken.“

„Ich würde diese Aufzeichnungen gern sehen. Ist das möglich?“, wollte Dannika wissen, lehnte sich mit dem Rücken an die Wehrmauer und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie wollte wissen, wie viel Wahrheit in den Papieren stand.

„Gern. Ich werde alles zusammensuchen“, willigte Gaten ohne Zögern ein.

„Danke. Und um deine Fragen noch zu beantworten, die Insel ist eine von vier Hauptinseln und die größte von allen. Sie gehört gänzlich den Drachen. Derzeit bevölkern sieben Stürme den Dragoth-Athat. Insgesamt sind es rund 1500 Tiere. Eine genaue Anzahl kann ich dir nicht nennen, denn nicht alle Stürme sind zugänglich für uns.“

„1500! Alle auf einer Insel?“

„Der Drachenfels ist eine wirklich große Insel. Und ja, 1500. Ich sollte vielleicht anmerken, dass nicht alle Drachen die gleiche Größe haben. Die kleinste Rasse wird nicht größer als eine Katze. Die Größten sind allerdings zu groß, um hier in diesem Hof landen zu können.“ Sie deutete auf den Innenhof, der in Gatens Augen sicher riesig war. Für einen Drachen von Islas Ausmaßen, dem ältesten Drachenweibchen der Insel, war er nicht annähernd groß genug.

„Erstaunlich“, meinte Gaten leise und betrachtete den Hof, als versuche er, sich vorzustellen, wie dort ein Drache landete. Dann traf sein Blick wieder auf Dannikas. „Wie groß ist Fehr?“, fragte er weiter.

„Er ist noch nicht ganz ausgewachsen und würde hier noch landen können, aber die Mauern wären in Gefahr, würde er sich auf der Stelle drehen. Und er müsste sich in den Hof fallen lassen, damit seine Flügel mit reinpassen. Ausgebreitet würden sie sicher ein gutes Dach ergeben.“

Gatens immer größer werdendes Erstaunen amüsierte Dannika und auch Fehr kicherte erneut im Hintergrund, weil sie ihm Gatens Gesicht als Erinnerung sandte.

„So groß?“, hakte er erstaunt nach.

„So groß“, bestätigte sie.

„Wie alt ist er? Hört er auch auf, zu wachsen?“

„Fehr ist vor dreiundzwanzig Jahren geschlüpft und hat seine volle Größe noch nicht erreicht. Er zählt aber als erwachsen. Vielleicht noch zehn Jahre, dann wird er das Maximum erreicht haben. Dann passt auch er nicht mehr in den Hof dort. Er gehört zu den Größten seiner Art. Seine Großmutter ist Isla, das größte Drachenweibchen aller Stürme.“

„Erstaunlich“, kam es erneut vom Kommandanten. „Und ein Sturm ist ...“

„... eine Familie der Drachen“, beendete Dannika seinen Satz. „Sie sind unterschiedlich groß. Die körperlich kleinsten Stürme, haben die meisten Mitglieder. Fehrs Sturm besteht aus siebzehn Drachen. Es ist der kleinste Sturm, hat aber die größten Tiere.“

Gaten schüttelte den Kopf. „Das ist so unfassbar.“

„Was genau?“, wollte Dannika wissen. Für sie war es alltäglich.

„Wenn aus Mythen Wirklichkeit wird“, erklärte er. „Bis vor einem Jahr habe ich nicht an euch geglaubt. Dann fand ich die Schriften und schickte vor sechs Monaten meine Boten los. Selbst da, war ich mir mehr als unsicher, was euch angeht. Erst kamen einige Neuigkeiten, dass meine Leute Anhaltspunkte hätten, die sie verfolgten und so. Es wurden aber immer weniger Briefe, bis keiner mehr kam. Und plötzlich erhielt ich die eine Nachricht, dass ihr kommen würdet. Einfach so, aus heiterem Himmel. Wir dachten alle, es wäre ein Scherz. Aber ihr kamt, nur nicht auf Drachen, sondern auf Pferden. Du erzählst mir das alles und ich glaube dir, auch wenn ich keine offensichtlichen Beweise habe. Trotzdem ist es merkwürdig unwirklich.“

Dannika hielt Gatens Blick die ganze Zeit fest, dann meinte sie: „Ich würde es auch verstehen, wenn ihr uns nicht glaubt. Ich meine, für mich ist das alles nichts Neues. Fehr und alle anderen Drachen gehören zu meinem Leben, wie die Luft zum Atmen. Wäre ich an deiner Stelle, wäre ich wohl auch skeptisch.“

Gaten nickte dankend, dass Dannika seine Lage verstand. „Mein König ist ebenfalls zweifelnd“, gab er zu und senkte den Blick. „Er glaubt nicht an Drachen, oder überhaupt, dass die Sturmlande ein Volk haben, dass imstande ist, uns zu helfen.“

„Er will die offensichtlichen Beweise“, erkannte sie.

Gaten nickte. „Früher oder später wird er eure Gefährten sehen wollen.“

„Euch ist bewusst, dass wir zu nichts verpflichtet sind“, merkte sie an. „Du hast uns um Hilfe gebeten. Das heißt, ihr braucht Hilfe. Und es deutet darauf hin, dass ihr keine hohen Ansprüche haben solltet, was diese Hilfe angeht.“

Wieder nickte Gaten. „Das ist richtig. Und wenn ihr uns verwehrt, eure Gefährten zu sehen, ist das vollkommen in Ordnung. Ich denke eher, mein König möchte sichergehen, dass ihr keine Scharlatane seid, die seine Gunst und sein Geld ausbeuten.“

Dannika lachte auf. „Wenn überhaupt, beuten wir seine Gunst nur auf seine Bitte hin aus. Wie gesagt, hat er uns eingeladen. Und sein Geld interessiert uns nicht. In den Skareth-Lena ist Geld nichts wert.“

„Nicht? Wie handelt ihr dann?“

„Mit Waren und Dienstleistungen. Wenn jemand etwas braucht, dann tauscht er.“

„Habt ihr gar kein Geld?“

„Meine Regentin besitzt welches. Sie gab mir was, damit wir uns hier versorgen können. Der Rest liegt sicher irgendwo als Dekoration auf einem Regalbrett. Wie erwähnt, Geld ist bei uns nichts wert. Rein gar nichts. Dein König muss sich also um seines keine Sorgen machen.“

„Das wird ihn wohl beruhigen“, lächelte Gaten scherzhaft.

„Und was die offensichtlichen Beweise angeht. Die kann er auch haben, wenn er darauf besteht. Aber nicht in Stadtnähe und nicht innerhalb der nächsten drei Tage. Wir hatten eine wirklich lange Reise und unsere Gefährten sollen sich genügend ausruhen können, bevor sie sich zeigen.“

Gatens Blick wurde aufgeregt. „Wie es euch am besten passt. Wir werden niemanden drängen. Ich würde mich aber persönlich auch freuen, sie kennenzulernen. Nachdem ich jetzt eine Ahnung habe, wie sie sind.“

„Ich bin auch gespannt, auf den kleinen Mann“, meinte Fehr. „Er wirkt wie ein Junge, der ein neues Spielzeug bekommen soll.“ Der Drache lachte.

„Fehr freut sich auch darauf, dich kennenzulernen“, gab Dannika lieber nur den ersten Teil, seiner Aussage weiter.

„Wirklich?“ Jetzt funkelten Gatens Augen regelrecht.

„Wirklich“, lachte sie und der Kommandant bemühte sich um Kontenance.

„Ja. Ehm. Schön.“ Ein Grinsen lag noch immer in seinen Zügen.

„Schön“, bestätigte Dannika, der sein ehrliches Lächeln gefiel. „Nun denn, Lord Gaten. Ich würde mich dann jetzt gern in meine Gemächer zurückziehen“, nahm sie wieder den hochtrabenden Tonfall auf, scherzte aber damit. „Auch ich muss mich noch ein wenig von der langen Reise erholen.“

„Sicher, sicher. Entschuldige. Ich bringe dich noch zurück.“ Damit liefen sie gemeinsam in den Gästeflügel der Burg, wo Gaten sich mit einer kleinen Verbeugung verabschiedete. Dannika ging in ihr Zimmer und ließ sich komplett angezogen auf das Bett fallen. Sie pustete die Luft aus und schloss die Augen.

„Schlaf gut, Ika. Ich wache über deine Träume“, verabschiedete Fehr sich für die Nacht.

„Du auch, Fe. Ich danke dir.“ Sie wusste, sie würde merkwürdige Dinge träumen. Aber es würden auch Träume von ihrer Heimat dabei sein. Träume, die Heimweh auslösen würden. Fehr würde es abfangen, damit Dannika einen ruhigen Schlaf bekam.

Die Drachen der Skareth

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