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Dannika - Neue Lande

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„Es behagt mir ganz und gar nicht, dass wir die Drachen zurückgelassen haben“, grummelte Avery. „Ich meine, ihr seid Gardistinnen! Ich will gar nicht wissen, welchen miesen Eindruck wir gemacht haben.“ Er sprach in Skareth-Mhond, ihrer Muttersprache, was allen sehr viel angenehmer war. Sie wollten nur in Anwesenheit anderer die Sprache der Freien Länder benutzen, damit kein Groll entstand.

Außerdem hatten sie Fehr, Koleen und Ruw mit Absicht ein paar Meilen entfernt lagern lassen. Dannika hatte es so entschieden, weil sie nicht sicher war, wie die Leute in der Stadt auf die großen Tiere reagiert hätten. Ihre Gefährten hatten einen ruhigen Hain als Lager gewählt und würden binnen weniger Minuten an ihrer Seite sein, wenn es notwendig werden sollte.

„Ich bin mir dessen bewusst, Avery“, gab Dannika ihm zurück. „Ich bin mir aber auch bewusst, dass die Menschen in diesem Land schon seit ewigen Zeiten keine Drachen mehr gesehen haben. Sie könnten in Panik verfallen und das würde weder uns noch ihnen nützen.“

„Wir haben sowieso keinen Nutzen hiervon“, warf Mélina ein. „Sie wollen unsere Unterstützung. Was bekommen wir denn dafür?“

Dannika seufzte. Natürlich hätte sie jetzt argumentieren können, dass die Feroth-Lena, die Freien Länder, ihnen ebenso Hilfe zuteilwerden lassen könnten. Immerhin hatten auch die Skareth-Lena, die Sturmlande, mit Auseinandersetzungen zu kämpfen, die eine neue Allianz zu Gunsten der Inseln ausfallen lassen könnten. Im Moment wusste Dannika aber selbst nicht, ob eine Allianz mit König Reyes überhaupt zur Debatte stand. Zaya, ihre eigene Regentin, hatte nur gemeint, sie sollten erst mal guten Willen zeigen und sehen, was passieren würde. Wobei das hier mehr als guter Wille war. Es war eine kleine Herausforderung, denn die Mehrzahl der Skareth hatte protestiert, als Dannika und ihre Leute aufgebrochen waren, um dem Gesuch Kommandant Nahors nachzukommen.

Niemand hatte vergessen, wie die Feroth-Lena von damals - die heute nur noch ein Land waren - allesamt ihre Unterstützung verweigert hatten, als die Skareth-Lena das Ziel eines barbarischen Volkes geworden waren. Sie waren ja nur eine Ansammlung von Inseln, hatte es damals geheißen. Viele davon waren, laut den Aussagen der Leute hier, nicht mal bewohnbar, das Wetter eine Katastrophe und überhaupt waren die Sturmlande es nicht wert, auch nur einen Krieger zu entsenden.

In den Augen der Skareth war der Inselkontinent das alles nicht. Die Eilande waren ihre Heimat, alles, was sie hatten, und sie sahen sehr viel mehr in den unzähligen Inseln. Aber das Wichtigste waren die Drachen dort. Die majestätischen Flugechsen wären der Übermacht damals hilflos ausgeliefert gewesen, hätten die Menschen sie nicht unterstützt.

Nach diesem schrecklichen Krieg, der viel zu viele Opfer gefordert hatte, hatten die Skareth-Lena jeglichen Kontakt zum Festland abgebrochen. Sie brauchten sie sowieso nicht, denn die Inseln konnten autark überleben. Seither hatte nie auch nur einer von ihnen das Festland betreten. Sie waren nicht mal mehr nördlich durch die Sturmfront geflogen, die, neben der wilden See, die Inseln vom Nordkontinent trennte. Aus zwei verbündeten Kontinenten waren Nachbarn geworden, die einander vergessen oder ignoriert hatten.

Bis Kommandant Gaten Nahors Bitte sie erreicht hatte und die harten Auseinandersetzungen im Rat um Zaya begonnen hatten. Dannika war gegen die Mission gewesen, doch Fehr, ihr Drache und Gefährte, seit sie beide Sprösslinge gewesen waren, hatte gemeint, es wäre schon allein den Flug wert. Und wenn sie nicht verhandeln wollte, würde sie wenigstens in die Welt rauskommen. Das hatte Dannika schließlich umgestimmt, denn sie war wirklich schon immer neugierig auf das Festland gewesen. Wie waren die Menschen hier? Wie war das Wetter? Wie war das Land und überhaupt alles, was damit zusammenhing?

Nun war sie hier und hatte schon beim Überflug feststellen müssen, dass es ihre Erwartungen nicht mal kratzte. Das Land war zum größten Teil recht flach und unbewohnt. Ab und zu gab es Städte oder Dörfer, die nicht wirklich schön gebaut waren. Es gab ein paar wenige schöne Wälder und Auen und links und rechts der Flussläufe war alles grün, aber eben nur das. Grün.

Natürlich hatten sie das meiste nur aus weiter Höhe gesehen, denn sie waren stets über den Wolken oder in großem Abstand zum Boden geflogen, damit man sie nicht erkannte. Aber auch auf dem kurzen Ritt zum Treffpunkt war es nicht unbedingt besser geworden. Die Feroth-Lena waren karg und eintönig im Gegensatz zu den Inseln der Skareth-Lena.

Dort gab es sehr viel mehr Wald. Viele Berge und Täler. Um einiges mehr Vegetation und vor allem mehr Farben, nicht nur grüne Bäume und Farne am Boden. Selbst im Geäst wuchsen Pflanzen, die herrlich blühten. Die Fische in den Flüssen schillerten in allen Farben. Die Vögel waren bunt und groß und ihre Gesänge erfüllten an schönen Tagen die Wälder und Weiten. Alles in allem waren die beiden Länder wie schwarz und weiß. Wobei die Skareth-Lena definitiv die weiße Seite war. Viel heller, freundlicher, bunter, lebendiger, einfach erfüllter von allem.

Dannika hatte schon früh Heimweh bekommen, doch Fehr hatte ihr zugesprochen und tröstete sie auch jetzt.

„Ich kann jederzeit zu dir kommen“, klang seine tiefe, ruhige Stimme in ihrem Geist.

„Ich weiß. Ich hoffe, wir können das hier schnell erledigen“, antwortete sie und nahm seine tröstende Aura an.

„Sei offen, Ika. Dieser Gaten scheint ein angenehmer Zeitgenosse zu sein. Halte dich an ihn.“

„Denkst du nicht, er tut nur so? Immerhin will er was.“

„Möglich. Aber ihr braucht einen Kontaktmann. Er hat die Bitte gestellt, auch wenn sein König es anwies. Er scheint offen für ein Bündnis zu sein.“

„Was nützt uns denn ein Bündnis? Wie Melli sagt, sie wollen was, aber was sollten wir fordern? Sie würden uns eh nicht unterstützen.“

„Für den Moment, fordere nichts“, antwortete Fehr schlicht. Seine Stimme war wie immer besonnen. „Hört euch an, was sie wollen. Dann werden wir sehen, was wir tun. Vergiss nicht, wir sind niemandem verpflichtet. Wenn uns nicht gefällt, was sie sagen, gehen wir eben.“

Dannika schmunzelte. „Genau. Wir sagen einfach; Tschüss, winken und fliegen ab.“

Auch Fehr war erheitert. „Genau so.“ Sein Lachen drang als Welle der Belustigung durch ihre Verbindung. „Und nun entspanne dich. Ruf die anderen zur Ordnung und wartet ab.“

„Ja. Du hast recht. Ich danke dir.“

„Immer gern, Ika“, sagte Fehr und schickte noch eine Welle von Zuneigung zu ihr.

„Ich hab dich auch lieb, Fe.“ Dannika schob die Verbindung in den Hintergrund und wandte sich an ihre Begleiter. „Wir werden abwarten und sehen, was sie genau wollen. Nichts steht festgeschrieben. Wenn sie etwas fordern, können wir es ohne schlechtes Gewissen ablehnen, sollte es uns nicht zusagen. Aber Zaya hat uns gebeten, sie anzuhören, und wir sollten wenigstens das tun.“

Die Gruppe nickte zustimmend, auch wenn keiner von ihnen überhaupt angetan war, hier zu sein. Sie alle waren ausgelost worden, bis auf Dannika. Sie hatte als unh Garda eth Dragoth Gard, als erste Gardistin der Drachengarde, gehen müssen. Jetzt war sie hier und würde auch die Gespräche über sich ergehen lassen.

Wenigstens sehe ich so was von der Welt, dachte sie und seufzte innerlich. Aus dem Hintergrund ihres Geistes kam ein leises Kichern.

Circa eine Stunde später klopfte es leise an Dannikas Tür. Sie rief den Klopfer herein und ein Junge, nicht älter als dreizehn, schob den Kopf durch den Türspalt.

„Komm ruhig rein“, lächelte sie freundlich, denn der Bursche schien verunsichert zu sein. „Was möchtest du denn?“

Er betrat den Raum, blieb aber an der Tür stehen. „Ich ... soll sagen, dass ... also das Essen wird serviert. Und ... Ihr dürft Euch dazugesellen ... also, insofern es Euch beliebt“, stotterte er und hielt den Blick am Boden.

„Es beliebt mir“, antwortete Dannika freundlich. „Vielen Dank, dass du mir Bescheid gesagt hast.“

Der Junge verneigte sich leicht und fügte an: „Ich warte draußen, Lady Dannika.“ Dann wandte er sich um und flüchtete halb aus dem Zimmer.

Dannika verdrehte die Augen. „Lady“, dachte sie.

„Mir gefällt diese Anrede“, meinte Fehr. „Sie klingt sehr würdevoll.“

„Ach ja? Es klingt merkwürdig. Außerdem bin ich Gardistin, Generalin der Drachengarde. Und nicht einfach nur eine gehobene Frau.“

„Wenn du diese Anrede wünschst, solltest du ihnen das sagen. Aber tu es in einem angemessenen Ton. Sie könnten es falsch aufnehmen, wenn du es ihnen einfach an den Kopf wirfst. Sie wirken auf mich irgendwie grob. Ihre ganze Aussprache klingt merkwürdig“, hielt Fehr fest. „Sie betonen die Buchstaben so sehr und sie sprechen so laut.“

Dannika lachte auf. „Stimmt. Erst dachte ich, sie glauben, wir sind taub oder hören schwer, aber sie reden alle so laut. Und irgendwie klingen die Worte härter und rauer. Ich kann mir vorstellen, dass es auf die Dauer in den Ohren wehtut.“

In den Skareth-Lena sprach man nie laut, außer man stritt sich. Und auch wenn beide Länder früher die gleiche Sprache gehabt hatten, unterschied sie sich heute doch enorm. Abgesehen von den vielen verschiedenen Bezeichnungen war Dannika leise, weiche Töne gewohnt. In ihrem Volk hatten alle eine gewisse Ruhe in der Stimmlage.

„So ein ausgeprägter Gegensatz“, dachte sie. „Und das in nur 350 Jahren.“

„Es wird noch mehr geben. Wir lebten sehr lange nebeneinander her. Die Völker haben sich unterschiedlich entwickelt“, gab Fehr zu bedenken.

„Stimmt.“

„Spüre ich da etwa Interesse an dem Volk hier?“, fragte ihr Gefährte amüsiert und Dannika konnte es nicht abstreiten.

„Je mehr ich über sie nachdenke, desto mehr Fragen kommen mir in den Sinn.“

„Du hast die Gelegenheit, sie alle beantwortet zu bekommen, Ika.“

Sie grinste nur, erhob sich dann und machte sich auf den Weg zum Abendessen.

„Lady Dannika. Schön, dass Ihr Euch zu uns gesellt“, begrüßte König Reyes sie, als sie und ihre Leute sich mit an die Tafel setzten. Er stellte alle Anwesenden vor und winkte einigen Frauen, die sofort begannen, die Leute am Tisch zu bewirten. Dannika überging die erneute falsche Anrede fürs Erste.

Sie würde erst herausfinden, wie sie es vermied, ihre Gastgeber zu kränken, sollte sie es ansprechen. „Sehr gern, Eure Majestät. Es ist uns eine Ehre, hier sein zu dürfen“, bedankte sie sich.

Avery meinte leise, aber dennoch hörbar laut und in Skareth-Mhond, damit nur seine Leute ihn verstanden: „Schleimbolzen. Du bist doch die Erste, die abfliegen würde, wenn sie könnte. Mir ist es jedenfalls keine Ehre.“

Sie wandte ihm den Blick zu und lächelte aufgesetzt. „Hold dia Shád ahn trikka dis. Eth es une Instáda“, sagte sie freundlich, aber bestimmt, was ihn anwies die Klappe zu halten und sich zu benehmen. Sie nutzte ebenfalls und bewusst ihre Muttersprache, auch wenn es ihr nicht behagte. Aber Reyes und seine Leute mussten nicht wissen, dass Avery gerade nicht sehr aufgeschlossen war.

„Lady Dannika, gibt es ein Problem?“, fragte der König und runzelte die Stirn. „Wenn es etwas gibt, das Euch nicht behagt, sagt es uns bitte, damit wir es ausbessern können.“

„Nein, Eure Majestät. Es ist alles in Ordnung. Avery hat nur leichte Magenprobleme. Wenn es Euch nichts ausmacht, würde ich ihn gern vom Essen freistellen.“

„Natürlich. Bitte, wenn er einen Heiler wünscht ...“

„Vielen Dank, das wird nicht nötig sein. Es ist ein altes Leiden bei ihm, nach langen Reisen. Eine Nacht Schlaf wird ihm helfen.“

Der König nickte annehmend. Avery verzog das Gesicht, schob seinen Stuhl zurück und verließ den Raum, ohne noch jemanden eines Blickes zu würdigen.

„Ich bitte um Verzeihung, Eure Majestät“, sagte Dannika und nahm sich vor, ihren Freund später zu rügen. „Er verhält sich normalerweise gebührlicher.“

Auch die Miene von Reyes war leicht dunkel geworden. „Ich verstehe. Es war ein langer Weg, sicher ist er einfach nur müde.“

Dannika nickte.

„Nun denn. Lasst uns essen und uns ein wenig kennenlernen. Es ist ja nun doch schon einige Zeit vergangen, seit Euer Volk und meines sich getroffen haben. Bitte, Lady Dannika, erzählt uns ein wenig von Eurem Volk. Wo genau aus dem Süden kommt Ihr her, wenn Euer Weg so weit war?“

Sie runzelte die Stirn. Wussten sie nicht, wo die Skareth-Lena lagen?

„Wir kommen direkt von den Inseln der Skareth-Lena“, antwortete sie.

„Sieh an. Ist es wahr, dass dort immer Gewitter und Stürme aller Art herrschen?“

Erst tut er so, als wüsste er es nicht und dann ist es nur eine nebensächliche Information? „Nicht immer. Das Wetter ist zwar sehr wechselhaft, aber wir haben genauso viel Sonne wie Regen. Es kommt immer auf die Insel an, auf der man sich befindet.“

„Stimmt es,“, fragte ein anderer Mann zu Gatens rechter Hand, den König Reyes als ersten Offizier Leary Older vorgestellt hatte, „dass es weit über tausend Inseln sind? Auf welcher davon kann man leben?“

„Ist das eine ernst gemeinte Frage?“, kam es ungläubig von Mélina. „Auf allen kann man leben, wenn man will.“

Der Blick des Mannes ging zu ihr und er zog die Brauen hoch.

Gaten räusperte sich. „Ich denke, mein Freund Leary ist nicht ganz so geschult in dem Wissen um euer Land. Wie mir scheint, gibt es einige Fakten, die wir meinen zu kennen, die aber offensichtlich nicht stimmen. Bitte nehmt es uns nicht übel, wenn wir des Öfteren falschliegen. Ihr dürft uns gern korrigieren.“ Sein Blick ging von Mélina zu Dannika.

Dannika nickte. „Uns geht es wohl nicht anders“, gab sie zu. „Wir lebten lange nur für uns. Nutzen wir die Gunst der Stunde, um Unwahrheiten zu klären.“

„Dann zuerst mal“, baute Harper sich ein, „sind es keine tausend Inseln, sondern nur etwas um die 200 bis 300. Das kommt immer darauf an, welche man alle als Insel mitzählt. Und leben kann man eben auf allen. Selbst auf den Kleinsten haben einige von uns ein Haus gebaut. Sie leben dann eben allein dort.“

„Und gibt es wirklich eine Sturmfront, die alle Schiffe verschluckt, die zu Euch wollen?“, fragte Leary weiter. Er klang ein bisschen aufgeregt, als würde er endlich das Wissen bekommen, das er schon immer gesucht hatte.

Harper nickte. „Es gibt eine Sturmfront. Aber die ist nicht schuld an den Schiffsunglücken. Eure Schiffe kommen nicht mal in ihre Nähe und sinken schon. Das liegt an den Strömungen im Meer. Es gibt nur ein paar wenige Tage im Monat, an denen man relativ gefahrlos zu uns übersetzen kann.“

„Was sind das denn für Strömungen, wenn sie ganze Handelsschiffe sinken lassen?“ Leary zog ungläubig die Brauen zusammen.

„Ihr seid kein Seemann“, meinte Harper trocken. „Ihr solltet mal Eure Schiffer an der Südküste danach fragen. Die wissen das noch.“

„Ich frage aber Euch“, entgegnete Leary und bekam für seinen abfälligen Tonfall einen bösen Blick von seinem Vorgesetzten.

Die Drachen der Skareth

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