Читать книгу Die Drachen der Skareth - Stefanie Worbs - Страница 5
ОглавлениеProlog
Gaten - Die Freien Länder
Der Sommer war heiß und schien alle vorherigen mit seiner Hitze und dem frühen Beginn, um einiges übertrumpfen zu wollen. Die Luft über den Gebäuden der Stadt flimmerte in der Hitze der Mittagssonne und ließ die Wachen auf den Mauern der Verteidigungsanlagen in ihren Rüstungen schwitzen, als brieten sie über einem Feuer.
Gaten lief die Wehrmauer der Stadtgrenze entlang und wünschte sich nichts sehnlicher als ein Bad im Bergsee hinter der Hauptstadt. Dort war es zur Zeit zwar übervoll, weil sich vermutlich jeder einzelne Stadtbewohner sich an das Gewässer flüchtete, aber das war egal. Hauptsache raus aus der Rüstung und rein ins kalte Nass. Leider war er heute dazu verdammt, die Tagschicht zu haben, und würde erst am Abend zu dem Vergnügen einer Abkühlung kommen.
„Kommandant“, salutierte einer seiner Männer, der ebenfalls zur Tagschicht eingeteilt war.
„Soldat“, grüßte Gaten zurück, stellte sich in den Schatten eines kleinen Mauerturms und genehmigte sich einen Schluck aus dem Wasserschlauch. Er musterte den Mann an der Mauer und sah ihm die Schwäche an, die die Hitze auslöste. „Geht eine Pause machen, Soldat“, wies er ihn an. „Trinkt ausreichend und kühlt Euch ein wenig ab.“
Der Mann nickte. „Ja, Kommandant.“ Drehte ab und marschierte davon.
Gaten übernahm den Posten der Wache und ließ den Blick über das weite Umland schweifen. Er genoss den Ausblick, denn es war ein seltenes Vergnügen.
Seit er die Stelle des Kommandanten der Königsgarde vor vier Jahren übernommen hatte, war er ausschließlich damit beschäftigt, den König auf seinen Reisen zu begleiten oder für dessen Schutz hier zu sorgen. Wachgänge, wie heute, waren eine Seltenheit geworden. Er hatte den Führungsposten haben wollen und auch darauf hingearbeitet. Dass er ihm so viel nehmen würde, hatte Gaten allerdings nicht erwartet. Es war eine ehrenvolle Aufgabe, man war einem General gleichgestellt und bekam damit einen der höchsten Ränge im Land. Die Schattenseiten wog das aber nicht wirklich auf.
Gaten liebte es, draußen zu sein, und seine Hoffnung war es gewesen, mehr Freiheiten zu bekommen, wenn er Kommandant wurde. Er hatte gedacht, alle seine Interessen in dieser Position vereinen zu können. Er hatte die Rechnung ohne die Bergläufer gemacht.
Genau die griffen nun schon seit geraumer Zeit die Dörfer und Städte im Land an, was Gaten zwang, oft und viel in seiner Kammer zu hocken und über Plänen zu brüten, wie er den Bergläufern entgegentreten konnte.
Pläne gegen ein Volk, das im einzigen großen Gebirge im Osten des Landes lebte und sehr lange Zeit nichts von sich hatte hören lassen. Genau genommen 343 Jahre lang. Vor dieser Zeit hatten sie das letzte Mal Krieg geführt und waren damals noch keine wilden Bergläufer, sondern ein mächtiges Volk im Süden der Freien Länder gewesen.
Das heutige Volk der Freien Länder erzählte sich, dass diese Menschen Bergläufer wurden, weil sie den Krieg gegen die Drachen verloren hatten. Sie hatten vor den riesigen Flugechsen fliehen müssen und sich deshalb in den Osten und damit in das höchste und kälteste Gebirge des Landes zurückgezogen. Drachen hassten die Kälte, deswegen folgten sie den Bergläufern nicht. Doch seitdem hatten die Bergläufer ihren Namen. Sie waren eben in die Berge davongelaufen.
Nun hatten sie sich aber offensichtlich erholt und wollten, wie es schien, ihr Land zurück. Allerdings nicht einfach nur den Süden oder die bergnahen Gebiete im Osten. Ganz oder gar nicht, war ihre Devise. Die ersten Angriffe hatten vor knapp einem Jahr stattgefunden und seitdem waren viele Gemeinden in die Hände der Bergläufer gefallen. Gaten und die Generäle des Landes hatten oftmals keine Chance gegen die Übermacht der Feinde.
Anfangs waren es nur kleine Dörfer gewesen, doch die Läufer hatten immer wieder Erfolg und konzentrierten sich nun auf die Städte. Sie plünderten und raubten und nahmen sich, was immer sie wollten. Zwar verschonten sie die Menschen und ließen sie fliehen oder manchmal auch in ihren Häusern bleiben, doch sie machten klar, wem Land, Hab und Gut gehören sollte.
Gaten und die Generäle hatten schon viele gute Männer in großen und kleinen Schlachten gegen die Läufer verloren und langsam aber sicher wurden es zu viele. Es lag keineswegs an Gatens Männern oder der Befehlsgewalt der Freien Länder. Es war einzig die Übermacht der Läufer.
Gaten seufzte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis Thale, die Hauptstadt der Freien Länder, zum Ziel wurde. Die Planungen zur Verteidigung liefen schon lange und wurden auch schnell umgesetzt. Nur ein Punkt brachte immer wieder alle am Ratstisch zum Schweigen. Unterstützung anfordern.
Natürlich unterstützten alle Bannermänner des Landes die königliche Armee, doch sie blieben zumeist in ihren Regionen, um die dortigen Städte zu schützen. Gaten sandte seine Männer zu ihnen und bekam immer häufiger Nachrichten über den Rückzug der königlichen Soldaten, weil die Bergläufer einfach zu übermächtig waren.
Er schüttelte den Kopf. Die Soldaten der Freien Länder waren viele, doch die Läufer waren mehr und einfach Tiere im Kampf. Gaten hatte die Ausbildung neuer Rekruten in Thale sofort verbessert, als er Kommandant geworden war. Er hatte neue Ausbilder ernannt und größere Kasernen bauen lassen. Er hatte mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, die Armee in der Hauptstadt ausgebaut. Es war trotzdem nicht genug, denn die Generäle im Land hatten kaum noch Zeit und Möglichkeiten, neu auszubilden, und Gaten stemmte damit die Hauptlast an Nachschubkämpfern.
„Kommandant“, meldete der Soldat sich zurück. Gaten machte den Platz frei und der Mann stellte sich erneut auf seine Position. Gaten wandte sich ab und machte sich auf den Weg zu seinen Gemächern. Eine Sitzung des Militärrates stand an und er wollte sich vorher noch mal frisch machen.
Wenig später ließ er sich auf seinen Stuhl am Ratstisch sinken und zog die Papiere heran, die die Männer am Vorabend schon durchgegangen waren. Anders als man erwarten würde, waren es keine Aufstellungen von Soldaten oder sonstiger Militärkram. Tatsächlich waren es Aufzeichnungen der Gelehrten über die Drachenreiter, die einst im Süden gelebt haben sollen. Genau jene, die die Bergläufer schon einmal vertrieben hatten, wie es die Überlieferungen aussagten.
„Gate“, grüßte Leary seinen Freund und setzte sich neben ihn.
„Lord Older“, grüßte er abwesend zurück. Er war in eine Auflistung vertieft, die er in den Händen hielt. Dort standen geschätzte Zahlen, wie viele Drachen es damals gegeben haben soll.
„Du glaubst immer noch, die gibt’s?“, fragte der erste Offizier in seine Gedanken hinein.
„Warum nicht? Die Gelehrten hätten nicht darüber geschrieben, wenn es nicht so wäre“, antwortete Gaten, ohne den Blick von dem Papier zu heben.
„Es war ein Gelehrter und er wurde in den folgenden Jahren für verrückt erklärt.“
„Wie auch immer“, nun schaute er auf und seinen Freund resigniert an. „Wir haben derzeit nicht viel mehr Möglichkeiten, als das hier.“ Er deutete auf das Papier in seinen Händen.
„Also willst du wirklich einen Boten schicken?“, hakte Leary ungläubig nach. „Es könnte vergebens sein.“
„Könnte“, meinte Gaten und fügte an: „Muss es aber nicht.“
Der Rest des Rates traf ein und die Gespräche vom Vorabend wurden wieder aufgenommen. Sivan, der Rüstungsmeister, höhnte die ganze Zeit, was für ein Idiot Gaten doch war, weil er an solche Märchen glaubte. Drachen gab es nicht. Und wenn sie doch mal existiert hatten, wären sie heute sicher ausgestorben. Andernfalls hätte man ja einen sehen müssen. Doch nicht mal die Menschen an der Südküste berichteten von ihnen.
Gaten drückte trotzdem durch, dass eine Gruppe von Delegierten losgeschickt wurde. Sie sollten in den Süden reisen und dort in Erfahrung bringen, wo die Drachen sein konnten. Und wenn es auch nur vage Hinweise gab, sollten sie ihnen nachgehen. Es war ein Schuss ins Blaue, doch Gaten hoffte trotzdem auf irgendeine Art Erfolg.