Читать книгу Faylinn - Stefanie Worbs - Страница 10

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Die Nacht verging langsam und schnell zugleich. Langsam, weil ich trotz meiner Müdigkeit nicht einschlafen konnte. Und schnell, weil die Sonne aufging, noch ehe ich überhaupt eine Chance hatte, ein paar Stunden zu schlafen. Zwar lag mein Zimmer nach Süden, weshalb ich erst recht spät bemerkte, dass es hell wurde, doch es gab nur dünne Vorhänge und so zwang mich die Morgendämmerung dazu, aufzustehen.

Müde schleppte ich mich auf den Flur. Die Tür zum zweiten Schlafzimmer war angelehnt und ich konnte jemanden schnarchen hören. Neugierig warf ich einen Blick hinein und sah Kjell in voller Montur auf dem Bett ausgestreckt, den Mund offen, schlafend. Er veranstaltete so einen Lärm, dass es mir ein Rätsel war, wie Ro, der sich ein Lager auf dem Boden eingerichtet hatte, überhaupt schlafen konnte. Doch er lag friedlich und in tiefem Schlummer da. Ich lächelte und machte mich auf den Weg hinunter. Vlad stand schon wieder in der Küche, als wäre er nie von dort weggegangen.

„Guten Morgen, Kaffeebeauftragter. Wie sieht’s aus, gibt’s schon welchen?“, begrüßte ich ihn und bemerkte selbst, wie gut gelaunt ich war, trotz meiner Müdigkeit und der frühen Stunde.

Er wandte sich zu mir um und lächelte. „Gleich. Setz dich.“

Ich tat wie geheißen und ließ mich auf meinen Stuhl vom Vorabend fallen. „Hast du überhaupt geschlafen?“, wollte ich von dem großen Blonden wissen.

Er stellte mir eine Tasse mit Kaffee hin und nickte. „Ich schlafe nie lange“, war sein einziger Kommentar. Wir verfielen in Schweigen. Es war eine angenehme Stille, die nur durch das Zwitschern der Vögel unterbrochen wurde, das durch das offene Küchenfenster hereindrang. Mein Blick schweifte durch den Raum. Alles in allem sah es hier aus, wie in einer gemütlichen Bauernküche. Es gab natürlich keine Elektrogeräte, dafür einen Holzofen mit Kochplatten aus Stein und eine Waschbeckenkonstruktion wie oben im Bad. Auch hier hatte die Zeit ihre Spuren hinterlassen und Staub bedeckte die Möbel. Nur die Stellen, an denen wir schon gewütet hatten, waren frei von Schmutz.

Ich überlegte gerade, wie man einfacher an heißes Wasser kommen konnte, als Vlad hochschnellte, sein Schwert zog und eine Klinge abfing, die sonst meinen Schädel gespalten hätte. Ich zuckte so heftig zusammen, dass ich vom Stuhl rutschte. Zum Glück fing ich mich, bevor ich richtig fiel, dann starrte ich Kjell entsetzt an, der grinsend sein Schwert an der Seite drehte. Vlad steckte seine Klinge wieder weg und saß einen Moment später auf seinem Platz, als wäre nie was geschehen.

„Bist du noch ganz sauber?! Was soll das denn?!“, fuhr ich den Söldneranführer an.

Er grinste noch immer und meinte: „Merkst du was? Du fühlst dich zu sicher.“

„Du Vollidiot! Das Haus hat einen Schutz! Ich bin sicher!“

Er zog die Augenbrauen hoch. „Bist du das? Ro hat zwar gesagt, das Haus wäre geschützt, aber wie sicher bist du, dass er recht hat? Vielleicht wirkt der Schutz schon nicht mehr. Immerhin ist Ehler schon eine ganze Weile tot.“

Ich verengte die Augen zu Schlitzen. „Gutes Argument.“

Er zuckte mit den Schultern.

„Aber mal ehrlich. Erstens hätten Ro oder Elias es sicher nicht verschwiegen, wenn dem so wäre. Und zweitens, gibt es dir noch lange nicht das Recht, auf mich einzuschlagen, aus dem Hinterhalt und mit dem Wissen, dass ich mich nicht wehren kann.“

Nun steckte auch er das Schwert weg, setzte sich und zog meine Tasse zu sich. „Vielleicht habe ich kein Recht dazu, doch die Notwenigkeit besteht. Außerdem war das kein Hinterhalt.“

„Ach nicht? Was denn dann?“

„Ein normaler Angriff von hinten. Wärst du aufmerksamer, hättest du mich schon im Flur gehört.“

„Vlad hat dich auch nicht gehört.“

„Hat er.“

„Wieso hast du nichts gesagt?“, fragte ich nun den großen Blonden, doch der hob nur kurz die Schultern und schob die Unterlippe vor. „Vlad!“

„Ich wusste nicht, dass er angreifen will. Erst als er das Schwert gezogen hat, hab ich das realisiert.“

Ich warf ihm einen ja, schon klar - Blick zu und verschränkte die Arme vor der Brust. Er grinste wieder, sagte jedoch nichts mehr. Ro und Elias betraten die Küche und fingen die angespannte Atmosphäre zwischen mir und den Söldnern sofort auf.

„Was ist denn hier schon wieder los?“, wollte Ro wissen, ging zur Anrichte und nahm sich Kaffee.

„Kjell will mich tot sehen!“, sagte ich scharf.

Elias stutzte. „Warum denn?“, hakte er nach, als hätte ich eben eine Belanglosigkeit festgestellt.

„Er wollte mir den Schädel spalten! Wäre Vlad nicht dazwischen gegangen, hätte sich die Sache mit dem Weltenretten jetzt geschissen“, giftete ich.

„Du solltest deine Wortwahl bessern.“ Orkun hatte uns gefunden und tadelte mich.

„Was willst du denn jetzt?“, fuhr ich nun ihn an.

Er zuckte mit den Schultern. „Ich mein ja nur. Für eine Dame hast du einen ziemlich miesen Wortschatz.“

„Du kannst mich mal ganz doll gerne haben, alter Mann!“

Elias lachte. „Ich hab das auch schon zu hören bekommen. Eine Dame haben wir hier definitiv nicht, Freunde.“ Er verstummte bei meinem Blick und verkniff sich weiteres Lachen.

„Will jetzt mal jemand was gegen Kjells Anschläge sagen? Oder ist das vollkommen okay für euch?“ Ich schaute der Reihe nach alle an, wobei ich den Anführer ausließ und bei Elias endete.

„Ich hätte dich schon nicht erschlagen“, meinte Kjell nun und drehte die Tasse auf dem Tisch, die Ro ihm neu gefüllt hatte.

„Das sah für mich aber anders aus! Deswegen auch gestern der Angriff gegen Elias, stimmts? Du dachtest, ich komme zuerst durch die Tür! Ist dir eigentlich bewusst, dass ihr das alle schon jahrelang macht und ich erst seit drei Monaten? Hast du eine Ahnung, wie das ist, wenn sich jemand von hinten an dich ranschleicht und dir den Kopf einschlagen will, obwohl du denkst, du seist sicher und unter Freunden?“

„Das Letztere kam schon mal vor“, antwortete er trocken und sah mich nun direkt an.

Ich trat auf ihn zu und ließ die Arme sinken. „Dann sag ich jetzt dir mal was! Für dich mag das lustig sein oder was auch immer. Aber du hast keine Ahnung, was es für mich ist! Ich bin nicht ihr! Im Gegensatz zu euch brauche ich eine gewisse Sicherheit und im Moment fühle ich mich nicht sicher, obwohl ich euch zu meinen Freunden zähle! Also entweder hörst du mit diesen Spielchen auf oder ich schwöre dir, dass die nächsten Flammen für dich sind und diesmal werden sie heiß!“ Ich fauchte ihm diese Worte ins Gesicht, doch er grinste nur weiter.

Meine Wut nahm überhand. Ich schnappte mir meine Tasse aus seinen Fingern, dann stiegen Flammen an seinem Stuhl empor. Kurz zuckte er, doch ebenso schnell war er wieder die Ruhe in Person. Sein Blick richtete sich wissend auf mich. Die Flammen verbrannten ihn nicht. Dann lächelte ich wissend und mit einem Schlag schlug mir Hitze entgegen, die aber niemandem etwas anhaben konnte. Kjell sprang auf, der Stuhl kippte und er schlug sich wie wild auf die Beine, an denen die Flammen züngelten. Einen Moment ließ ich sie noch lodern, dann beendete ich den Zauber. Kjells vor Schreck geweitete Augen richteten sich auf mich, doch kein Ton kam ihm über die Lippen. Ohne ein weiteres Wort ging ich an ihm vorbei und raus aus der Küche. Elias hob eine Hand, als wolle er mich aufhalten, doch ich verpasste ihm einen leichten Rempler mit der Schulter und ließ ihn stehen. In mir brodelte es.

Was fällt diesem Blödmann von Söldner ein? Er hatte keine Ahnung. Natürlich wusste ich, dass er es gut meinte, aber die Umsetzung seiner Idee war dermaßen schlecht, dass mir fast übel wurde. Meine soziale Schwäche hatte damit neuen Stoff zum Wachsen bekommen. Frustriert wegen meiner Unzulänglichkeit und wütend wegen Kjell lief ich den Flur entlang. Ich passierte das Wohnzimmer, wo, wie ich wusste, Orkun, Vlad und Elias ihr Lager aufgeschlagen hatten. Einer auf der Bank im großen Erkerfenster und zwei auf den Sofas. Kurz registrierte ich, dass es nur drei Lager waren. Wo schlief Itjen?

Doch der Gedanke hielt sich nicht lange, ich hatte keine Lust, überhaupt nachzudenken. Ich lief weiter zur Vordertür, zumindest ging ich davon aus, dass es die Vordertür war und behielt recht. Denn wenig später trat ich in einen Vorgarten. Er war wild bewachsen und von einer Mauer umringt, die man nur mit Mühe noch erkennen konnte, weil das Gras so hoch gewachsen war. Rechts neben dem Haus hörte ich ein Pferd wiehern. Dort waren sie also untergebracht. Ein schmaler, gepflasterter Weg führte geradewegs zum Eingangstor. Mit ein wenig Vorsicht konnte man ihn gut benutzen. Hier und da rankten Pflanzen darüber, doch ich schaffte es unfallfrei zum Gartentor. Dort wandte ich mich um und schaute mir das Haus zum ersten Mal richtig an. Elias hatte gemeint, es wäre einzigartig in Wisteria.

Ich runzelte die Stirn, denn ich konnte nichts Seltsames daran entdecken. Im Gegenteil fand ich eher, dass es alt wirkte. Allerdings gemütlich. Wie ein altes, gemütliches Cottage eben aussah. Typisch schottisch. Stroh bedeckte das Dach und die einst weißen Wände waren von der Witterung grau gefärbt. Es hatte zwei Etagen und ich vermutete auch einen Dachboden, denn das Dach an sich war mindestens mannshoch. Im Grundriss rechteckig und mit zwei Schornsteinen, die mindestens zwei Kamine anzeigten, schien es klein, doch der Eindruck täuschte. Auf der Seite wo die Pferde standen, ragte ein zweites kleineres Häuschen auf, das wohl als Stall gedient hatte. Nicht für Pferde, eher für Kleintiere wie Hühner oder vielleicht auch ein bis zwei Schweine oder Ziegen. Noch ein Stück dahinter, fand sich ein drittes, wieder etwas größeres Gebäude, bei dem ich nicht ausmachen konnte, was es mal gewesen war. Vielleicht ein Gästehaus? Schlief Itjen dort?

Die abgegrenzte Wiese auf der die Pferde standen, war schon platt getreten. Sie sah zu klein für die vielen Tiere aus. Mein Blick glitt über den Vorgarten. Ich konnte keine Pflanzen ausmachen, die es wert gewesen wären erhalten zu bleiben. Außerdem war der gesamte Bereich ummauert. Also ging ich hinüber zu den Pferden und öffnete das kleine Tor, sodass sie auch den wilden Vorgarten zum Laufen hatten. Orkuns alter, stämmiger Hengst kam als Erster und ihm folgten nach und nach die anderen. Nur der Alte, Elias, Ro und Deaken hatten noch die Pferde, die sie schon von Anfang an geritten hatten. Wobei Deaks Stute wohl erst mal eine Weile frei hatte. Ich beobachtete, wie die Tiere sich aufteilten. Einzig Elias’ Hengst blieb, wo er war.

Ich trat auf den Schecken zu und legte ihm die Hand auf die Nase. „Na du? Keine Lust zu laufen?“, fragte ich das Tier. Es schnaubte und stieß meine Hand an, als wolle es sagen, streichle mich. Ich tat ihm den Gefallen und ein Lächeln stahl sich in meine Züge. Hinter mir hörte ich jemanden durchs Gras streifen. „Was willst du, Elf?“, fragte ich in die Stille und die Schritte stoppten.

„Du hast mich gehört“, stellte Elias fest und ich konnte hören, dass auch er grinste.

„Du warst nicht so leise wie sonst. Ich gehe davon aus, dass es Absicht war.“

Er lachte leise, also war es Absicht gewesen. „Und woher wusstest du, dass ich es bin? Es hätte auch einer der anderen sein können.“

Ich wandte mich ihm halb zu. „Du riechst nach Wald“, erklärte ich leise. Tatsächlich hatte eine Brise seinen Duft zu mir geweht, noch bevor er angekommen war.

Sein Grinsen wurde zu einem Lächeln. „Tu ich das?“

„Ja.“ Wieder zu seinem Pferd gewandt, streichelte ich es weiter, denn es hatte mich erneut auffordernd angestupst. Eine weitere Brise verreit mir, dass der Elf nun noch näher stand. Diesmal hatte ich seine Bewegung nicht gehört. Seine Hand kam an mir vorbei und auch er legte sie dem Pferd auf die Stirn, wo er es nur mit den Fingerspitzen krauelte.

Einen Moment standen wir so da, dann fragte er: „Willst du weiter reiten lernen? Es wäre nützlich, wenn du mal mitkommen musst.“

Ich schaute das große Tier vor mir an. „Ja, ich denke, das sollte ich tun“, stimmte ich zu und mir entfuhr ein Aufschrei, als er mich packte und ich binnen eines Augenblicks auf dem Rücken seines Hengstes saß. „Himmel, Elf. Ehrlich mal!“, empörte ich mich und atmete tief durch. Mein Herz pochte heftig vor Schreck.

Er grinste zu mir hoch. „Also los. Was kannst du schon?“

„Ich weiß, wie man es zum Laufen kriegt.“

Er nickte und nahm einen Schritt Abstand. „Na dann.“

Meine Fersen drückten sich sanft in die Seiten des Tieres, damit es anlief, doch nichts geschah. Ich versuchte es noch mal, wieder ohne Erfolg. Die Lippen aufeinandergepresst, musterte ich das Pferd.

„Na?“, kam es vom Elf. Er grinste frech über mein Nichtkönnen.

„Bei meinem ging das.“

Er schürzte die Lippen. „Zufall.“

„Och komm schon, Elf.“ Jetzt lachte er und kam wieder näher.

Mit einem Satz saß er hinter mir, drückte dem Pferd die Fersen in die Flanken und prompt lief es los.

„Du verarscht mich doch.“

„Das würde ich nicht wagen“, feixte er. „Ich steh ungern in Flammen.“

„Ach, das hat ihm nicht mal wehgetan.“

„Ach nein? Ich hab gemerkt, dass sie diesmal heiß waren.“

„Waren sie auch. Aber du weißt, dass ich ihm nie wehtun würde. Ich dachte nur, er braucht mal einen Denkzettel.“

Der Elf kicherte. „Das war wirklich angebracht. Aber Fay, ich kann ihn verstehen. Zumindest seine Idee.“

„Tja. An der Umsetzung hapert es gewaltig.“

„Allerdings. Aber sei ihm bitte nicht böse. Er will nur helfen.“

„Ich bin ihm nicht böse“, sagte ich und es kam bedrückter als gewollt.

„Das sah aber anders aus.“

„Ich weiß. Ich war halt wütend“, gab ich zu. „Aber nicht, weil er das gemacht hat, sondern weil er es war.“

„Das versteh ich nicht.“

Deaken hätte es sofort verstanden, dachte ich und meine Augen brannten. Er war der Einzige, der mich verstand. Weil er mich kannte. Weil er wusste, was ich durchgemacht hatte. Er war nicht nur mein Beziehungsfreund. Er war auch mein bester Freund. Ich schwieg.

„Erklärst du es mir, wenn ich dich darum bitte?“ Elias hatte sein Kinn auf meine Schulter gelegt, während er das Pferd durch den Vorgarten spazieren ließ.

„Das ist schwer.“

„Ich bin sicher, ich verstehe es. Bitte versuch es“, bat er.

Mein Blick glitt zum Haus und ich überlegte, wie ich ihm das alles erklären sollte. Dass ich mich schwertat, anderen zu vertrauen. Dass ich vorbelastet war und solche Aktionen wie Kjells das Ganze nicht leichter machten.

„Hast du Zeit?“, fragte ich und drehte den Kopf leicht zu ihm.

Er lächelte. „Natürlich. Nicht erschrecken“, warnte er mich vor, dann legte er seine Arme um meine Hüften und trieb das Pferd an. Ich erschrak trotzdem, als er es nur mit den Beinen auf die Mauer zusteuerte, die als Zaun diente. Die Hände in die Mähne des Tieres gekrallt, kniff die Augen zusammen, dann spürte ich den Ruck, als es sich erhob und in einem Satz darüber sprang. Elias hinter mir lachte vergnügt und trieb das Tier dann in einem leichten Trab weiter und fort vom Haus. Über die Hügel und Wiesen, die vor uns lagen.

Faylinn

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