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Für einen Moment musterte ich meinen Wächter nur verwirrt. „Und was genau soll das mit ihrem Ausraster zu tun haben?“ Itjen zuckte nur mit den Schultern, sagte aber nichts mehr dazu. Immer noch leicht irritiert, wandte ich mich Elias zu. „Tut mir leid, was sie gesagt hat. Ich habe keine Ahnung, was mit ihr los ist.“

„Schon in Ordnung. Sie ist nicht die Erste, die mich nicht mag.“ Er lächelte amüsiert.

„Trotzdem war das wirklich unhöflich. Ich werde mit ihr reden. Das geht nicht. Wenn sie erst weiß, wie sehr du Deaken geholfen hast, wird sie bestimmt netter zu dir sein.“

Elias zuckte mit den Schultern und nippte an seinem Kaffee. „Mmm, der schmeckt seltsam anders“, meinte er und schielte argwöhnisch auf seine Tasse hinab. Ich trank einen Schluck Cola und nahm mir das zweite Sandwich. „Schön dass du keine Probleme mit sabbernden Elfen hast“, feixte er.

Ich prustete los und hätte beinahe den Bissen vom Brot wieder ausgespuckt. „Was?“, fragte ich lachend, nachdem ich geschluckt hatte und schaute ihn stirnrunzelnd an. Er wies nur auf das Glas vor mir. Ich musterte es, dann die zwei auf dem Tablett, dann machte es klick. Ich verdrehte die Augen. „Hast du was Ansteckendes?“, fragte ich und zog die Augenbrauen hoch.

„Nicht dass ich wüsste“, kicherte er und hob wieder grinsend den Kaffee an die Lippen.

„Na dann“, gab ich ihm zurück, hob das Glas erneut und trank einen zweiten Schluck. Er schüttelte leicht den Kopf, lächelte breit, sagte aber nichts mehr. Wir aßen schweigend den Rest und ich teilte den Pudding, der für Lia gedacht gewesen war, mit Itjen. Er verabschiedete sich bald darauf und verschwand. Kurz überlegte ich, was ich jetzt tun sollte, dann entschied ich, auch eine Dusche zu nehmen und anschließend Elias das Haus und das Gelände zu zeigen.

„Ich brauche ein bisschen Zeit für mich, willst du auch duschen, oder so? Wir haben sicher auch ein paar passende Sachen für dich, irgendwo“, fügte ich an und musterte ihn abschätzend.

„Ja, keine schlechte Idee“, meinte er und stand auf. „Aber wo?“, fragte er dann und sah sich um.

„Nicht hier jedenfalls“, meinte ich feixend.

„War mir klar. Wir müssen aber irgendwo Feuer machen.“

„Feuer? Für was?“

„Für das Wasser? Kalt duschen ist zwar nicht schlecht, aber nicht bei dem Wetter.“ Er nickte nach draußen. Ich folgte seinem Blick, dann wurde mir klar, was er meinte.

Ich musste lachen. „Ach Elf. Komm mal mit, ich zeig dir was.“ Ich führte ihn in den Professorenflügel und hinauf in den vierten Stock zu den Gästezimmern. Dort öffnete ich eine Tür an der - bis jetzt - noch kein bewohnt Schild prangte und führte ihn in das Badezimmer. Sein Mund klappte auf, als er den prunkvollen Raum betrat.

Ich durchquerte das Zimmer und setzte mich auf den Rand der Wanne. „Komm her“, wies ich ihn an und er setzte sich neben mich. „Hier.“ Ich drehte zuerst das Wasser auf und dann am Regler für warm und kalt. Dampf stieg auf, als heißes Wasser floss. Er wollte gerade die Hand ausstrecken, da hielt ich ihn zurück. „Nicht, das ist verdammt heiß. Aber so stellst du es ein.“ Ich drehte den Regler wieder zurück, sodass nun angenehm warmes Wasser kam. „Jetzt“, sagte ich und nickte zum Hahn.

Er streckte die Hand aus und ein anerkennender Ausdruck trat auf sein Gesicht. „Ein guter Zauber. Wie geht der?“, wollte er wissen und sah mich aufrichtig neugierig an.

Ein Grinsen unterdrückend machte ich ihm klar, dass das kein Zauber war und fügte an: „Das wäre jetzt zu viel, um es zu erklären. Kurz und knapp, das Wasser kommt schon so bei uns an. Mit dem Regler dort kannst du es so einstellen, dass sich Kaltes und Warmes mischen wie du es willst.“ Dann drehte ich den Knopf, der den Abfluss verschloss. „Hier kannst du die Wanne verschließen. Wenn du andersherum drehst, geht sie wieder auf und das Wasser fließt ab. Du kannst also auch baden, wenn du möchtest.“

„Prima. Das gefällt mir noch besser“, sagte er und strahlte.

„Schön. Ich suche jemanden, der Sachen für dich hat. Und lass die Finger von den Geräten mit Kabel dran. Oder besser von allem, was du nicht kennst“, fügte ich an und musterte ihn erneut kurz abschätzend. Dann schaute ich mich um, stand auf und ging zum Waschtisch. „Hier sind Handtücher zum Abtrocknen und ...“ Ich musterte ihn abermals. „Benutzt ihr so was wie Duschbad? Bestimmt nicht, oder?“

„Wenn du Seife meinst, so was haben wir auch.“ Er lächelte frech.

„Ja, nein. Ich meine so was Ähnliches. Ich glaube, normale Seife gibt’s hier gar nicht. Aber schau mal die Flaschen dort.“ Ich deutete auf verschiedene Duschbäder. „Das wo For Men draufsteht, kannst du nehmen. Das ist für Männer.“ Ich ging darauf zu, nahm eins und roch daran. „Igitt. Nein, das nicht.“

Er lachte. „So schlimm?“

„Oh ja.“ Ich nahm ein anderes und roch auch an dem. Laut Etikett sollte es nach Wald duften. Mein Blick flog zu Elias, der mich abwartend ansah. Er roch ja schon nach Wald und das nicht mal schlecht. „Hier. Das wäre vielleicht was“, sagte ich unschlüssig und reichte es ihm.

Auch er roch daran und schaute dann wieder zu mir. „Soll das nach Bäumen riechen?“

„Mhhm“, bejagte ich kleinlaut.

Er stellte es weg und meinte: „Ich denke, es geht auch ohne.“

„Denke ich auch“, stimmte ich immer noch sehr leise zu und war in Gedanken bei dem Moment in Helmstedts Haus. Schon da hatte er mich seltsam eingeschüchtert. Ich fasste mich. „Also, ich geh dann mal jemanden suchen, wegen Klamotten und so. Du musst abdrehen, wenn die Wanne voll ist. Verbrenn dich nicht“, sagte ich hastig, dann verließ ich Bad und Gästezimmer. Im Augenwinkel hatte ich ihn noch grinsen sehen können.

Professor White kam mir in der Bibliothek entgegen, in seiner Hand erkannte ich Mays Mobiltelefon. „Was ist passiert? Wieso bist du hier? Wo sind die Professoren Rivers?“, fragte er aufgeregt.

Schnell erzählte ich ihm alles, wobei er große Augen bekam, als ich von Elias berichtete. Ich bat ihn darum, Kleidung für den Elfen zu suchen, und beschrieb ihm seine Statur. Er nickte und wir trennten uns. Duschen und Lia suchen waren meine nächsten Punkte. Lia fand ich zuerst. Sie saß bei Dyllan auf dem Sofa und schaute fern.

Sein Blick schoss zu mir und er selbst hoch, als ich kam. „Fay!“, rief er freudig und nahm mich fest in die Arme. „Wie geht’s dir? Was hast du gemacht? Du musst mir alles erzählen!“, fragte und forderte er zeitgleich.

„Mach ich. Aber erst muss ich mit Lia reden.“

„Hau nicht ab, bevor ich alles weiß, ja?!“

„Geht klar. Lia, kommst du bitte kurz?“ Widerwillig stand sie auf und folgte mir zu einer kleinen Gruppe von drei Sesseln. Sie ließ sich mir gegenüber nieder, sah mich aber nicht an.

„Lia? Was war das im Speisesaal? Was hast du gegen Elias?“

Ihr vorwurfsvoller Blick richtete sich auf mich. „Du hast ihn gern!“, fauchte sie.

Ich stutzte. „Ja und? Er ist nett und er hat Deak geholfen. Warum sollte ich ihn nicht mögen?“

„Das meine ich nicht, Fay. Ich meine, dass du ihn lieber magst als Deaken.“

„Was? Wie kommst du denn darauf?“

„Ich weiß, dass du Elfen gern hast. Er ist einer.“

„Ja und? Deswegen muss ich ihn nicht gleich mehr mögen als Deak.“

„Tust du aber.“

„Tu ich nicht! Lia, hör auf so einen Mist zu erzählen!“ Langsam wurde ich wütend. Wie kam sie auf die Idee, ich würde Elias mehr mögen. Deaken war mein Freund!

„Ich merke es doch. Ich kann es sehen! Du und der Elf, ihr werdet ihm das Herz brechen!“

„Lia, bitte! Ich bin mit Deaken zusammen und bleibe es auch. Warum erzählst du das?“

„Ich - weiß - es, Fay“, sagte sie mit Nachdruck und betonte jedes Wort.

Itjens Aussage fiel mir wieder ein und für einen Moment war ich erstaunt, wie schnell er geschlussfolgert hatte, bis mir auffiel, dass er es nur hatte tun können, wenn er das Gleiche wie Lia dachte. Oder zumindest ähnlich. Wie kamen die bloß darauf? Hatte Itjen etwa auch so eine Fähigkeit?

„Lia? Weißt du was ein Empath ist?“, fragte ich meine kleine Schwester.

„Ein was?“

„Ein Empath. Menschen, die sich besser als andere in andere Menschen hineinversetzen können. Sie können fühlen, was andere fühlen.“

„Nein, wusste ich nicht. Und?“

Ich musterte sie eine ganze Weile. „Ach egal, vergiss es. Hör mal. Ganz ehrlich. Ich hab Elias gern, das stimmt, aber nur als Freund. Wir haben in Wisteria schon ein bisschen was durchgemacht und das hat uns sozusagen nähergebracht. Aber da ist nichts zwischen ihm und mir. Deaken ist mein Freund, nicht der Elf. Die beiden verstehen sich übrigens auch ganz gut.“

Jetzt musterte sie mich einen Moment. „Frag den Elf mal, was er für dich empfindet“, warf sie mir entgegen, dann stand sie auf und marschierte Richtung Treppe davon.

Was Elias für mich empfand? Was?

Wenn sie wirklich dieses Empathieding haben sollte, war sie nicht sehr gut darin. Da war nichts weiter als Freundschaft zwischen dem Elf und mir. Ich würde May trotzdem nach Lias Kräften fragen. Vielleicht entwickelte sich da was, sie konnte es nicht richtig einschätzen und verwechselte Gefühle. Das konnte durchaus böses Blut geben, wenn Lia damit an jemand anderen als mich geriet.

Dyllan kam herüber. „Erzählst du mir jetzt alles?“

„Kann ich erst duschen gehen, bitte?“

„Ich seh schon, dass ich nichts erfahren werde“, murrte er.

„Ich verspreche, dass ich dir alles erzähle.“ Ich hob die Hände, um ihm zu zeigen, dass ich die Finger nicht heimlich kreuzte. „Aber ich muss wirklich, wirklich dringend duschen.“

Er seufzte. „Na gut. Aber wehe wenn nicht.“ Er hob eine Hand und wackelte mit dem Zeigefinger zu mir. Ich grinste und schlug ihm die Hand sachte weg. Dann wandte ich mich um und lief in mein Zimmer. Eine lange heiße Dusche später, trat ich aus meinem Bad und suchte mir ein paar frische Sachen heraus. Ich würde sie später wechseln müssen, wenn ich zurückging, doch hier und jetzt brauchte ich moderne Kleidung. Eine hellblaue Jeans, ein schwarzes Tanktop, Socken und Turnschuhe. Das war endlich ich.

Meine Haare band ich mit einem richtigen Gummi zusammen und cremte mir das Gesicht mit herrlich duftender Feuchtigkeitscreme ein. Schon bizarr, wie man so simple Dinge vermissen konnte. Ich nahm mir vor, einiges in Helmstedts Haus mitzunehmen. Immerhin war es so was wie mein Erbe, also konnte ich mich dort auch häuslich einrichten. Es klopfte und ich öffnete die Tür. Dyllan stand davor und wirkte aufgeregt, dann tauchte Elias hinter ihm auf.

„Er ist ein Elf“, flüsterte Dyllan sichtlich hibbelig.

„Und er kann dich hören, auch wenn du flüsterst“, gab ich ihm neckisch ernst zurück. Er lief rot an und ich lachte. „Kommt rein.“

Dyllan ging an mir vorbei, den Blick betreten gesenkt und setzte sich aufs Bett, dann kam Elias breit grinsend, denn er hatte uns natürlich beide gehört. Sein Duft wehte hinter ihm her, als er an mir vorbeiging. Wald und Zuhause. Kurz fragte ich mich, ob er das Duschbad doch benutzt hatte, aber es hatte nicht annähernd so echt gerochen. Er blieb mitten im Raum stehen und sah sich um.

Kurz huschte mein Blick durchs Zimmer, aber es war relativ ordentlich. Dann musterte der Elf mich von oben bis unten und zog die Augenbrauen hoch. Ein winziges Lächeln zuckte in seinen Mundwinkeln, doch sein Blick blieb unergründlich. Sicher lag es an den Klamotten, die so untypisch und anders für ihn sein mussten. Ich schenkte ihm ein Lächeln und ging an ihm vorbei zum Bett, wo ich mich fallen ließ. An das Kopfende gelehnt sah ich ihm eine Weile zu, wie er erst weiter mich und dann mein Zimmer musterte.

„Du darfst dich auch bewegen“, neckte ich ihn, denn er stand wo er stand. „Der Boden trägt dich.“ Er warf mir ein Lächeln zu und begann den Raum abzulaufen. Hier und da verharrte er und betrachtete Dinge länger als man es gewöhnlich tun würde.

Meinen MP3-Player zum Beispiel. Oder den Laptop auf dem Tisch. Auch mein Mobiltelefon faszinierte ihn offensichtlich oder der kleine Fernseher auf dem Sideboard. Für mich war das alles normal. Für ihn war es außergewöhnlich. Auch Dyllan folgte jeder Bewegung des Elfen, sichtlich fasziniert von dessen Person. Elias musste es einfach bemerken, doch er zeigte es nicht.

„Also Dyllan. Was willst du wissen?“, fragte ich, in die Stille.

Mühsam riss er den Blick von Elias los. „Alles. Erzähl mir alles.“ Also erzählte ich alles. Ab und an warf der Elf etwas ein, doch die meiste Zeit redete ich, während er weiter neugierig durch mein Zimmer streifte.

Als ich schließlich endete, reckte Dyllan anerkennenden das Kinn vor und die Daumen in die Luft. „Echt krass. Vor allem das mit dem Magier. Du hast den echt einfach so gepfählt?“

„Einfach so, sicher nicht. Und ich würde es auch nicht als krass bezeichnen. Ich habe eingegriffen und das war irgendwie die erste Lösung. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr wird mir bewusst, wie falsch es war“, gab ich ihm zurück und wurde immer leiser dabei.

„Es war nicht falsch. Es war notwendig“, sagte Elias und sah mich direkt an.

„Es war notwendig, ihn davon abzuhalten, dich fallen zu lassen, nicht ihn ... zu töten.“ Meine Stimme versagte. Der Elf hatte sich auf meinen Schreibtischstuhl gesetzt und die Arme auf die Knie gestützt, doch jetzt lehnte er sich zurück und musterte mich mit Sorge in den Augen.

Es war das erste Mal, dass ich die Tatsache, jemanden getötet zu haben, laut ausgesprochen hatte und es schnürte mir die Kehle zu. Plötzlich wurde mir schlecht. Ich sprang auf und lief ins Bad. Die Tür hinter mir abgeschlossen, lehnte ich mich dagegen und versuchte meinen Magen zu beruhigen. Ein Gefühl von Beklemmung packte mich und ich sank zu Boden. Die Arme um die Knie geschlungen, saß ich da und versuchte, nicht zu hyperventilieren.

Ich hatte jemanden getötet. Natürlich wusste ich, dass ich es getan hatte. Ich hatte beide gesehen. Dem einen hatte ich ein Grab gegeben, den anderen hatte ich gnadenlos verbrannt. Und dann hatte ich jeden Gedanken an sie verdrängt. Zwar war mir der Kampf und meine Unfähigkeit, aktiv zu helfen, immer im Kopf geblieben, doch über die beiden Toten, die beiden Männer die durch meine Hand gestorben waren, hatte ich nicht wieder nachgedacht. Jetzt brachen die Bilder und ihre Gesichter so real durch und jedes Detail kam so greifbar wieder hoch, dass mein Magen sich verkrampfte und meine Lungen Mühe hatten, genug Sauerstoff in meinen Körper zu pumpen.

Das Pferd, das halb auf dem Ast der Wurzel gehangen hatte und über ihm sein Reiter, der über dessen Hals, in einen zweiten geflogen war. Er hatte ihn aufgespießt wie eine Lanze. Wie beide Leichen in der Erde versunken waren, als ich den Zauber gewirkt hatte, der die Wurzel hatte verschwinden lassen. Die Eiche, die nun auf deren Grab wuchs. Und dann der Magier und der Ast in seiner Brust, den ich dort hingebracht hatte. Das Blut, das sich unter ihm ausgebreitet hatte und langsam im Boden versickert war. Seine Augen, die leblos in den Himmel gestarrt hatten. Und das Feuer, die Flammen, die ihn hatten verbrennen lassen, bis nichts mehr da gewesen war, was an ihn erinnern würde.

Meine Flammen.

Faylinn

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