Читать книгу Faylinn - Hüterin der Türen (Band 1) - Auf Weave Mansion - Stefanie Worbs - Страница 6
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Der Keller, oder besser das Klassenzimmer für Magie, war das Einzige, was nicht wie ein Miniamphitheater aussah. Es umfasste genau genommen sogar sehr viele Räume. Türen gab es aber nicht, bis auf die eine vom Treppenaufgang hier rein. Es waren viele Zimmer, die durch kurze Wände getrennt waren. Ein Raum führte in den nächsten und man hätte sich locker verlaufen können ohne den Hauptweg, der sich zwar auch schlängelte, aber durch Symbole an den Wänden gekennzeichnet war. Wenn man den fand, fand man auch wieder raus.
Einmal hatte ich mich kurz verlaufen. Echt peinlich. Das wusste aber keiner. Nicht mal Lia. Die Räume zogen sich unter dem gesamten Haus entlang und ich vermutete, dass sie auch unter dem Garten weitergingen. Denn zu dieser Seite hin, gab es wesentlich mehr und größere Zimmer.
Kurz stand ich unentschlossen da, weil ich nicht wusste, wo Deaken heute üben wollte. Jeder Raum hatte eine andere Mana-Struktur, die man anders nutzen konnte, weil in den verschiedenen Anders-Welten ebenfalls verschiedene Mana-Strukturen vorherrschten. Ich entschied mich für den Hauptraum und lief los.
Kurz darauf stand ich im größten Raum. Hier war die Kraft fast physisch greifbar. Deaken war noch nicht da, also ließ ich meine Tasche auf einen Tisch fallen und setzte mich daneben auf die Platte. Ich hob eine Hand und ließ Funken blitzen. Das war es. Hier konnte ich auch zaubern und pure Freude durchströmte mich. Diese Räume waren der einzige Ort, an dem auch Hüter Mana-Magie nutzen und damit ihre Hütermagie trainieren konnten. Zwar war ich noch in der Ausbildung, doch zaubern gehörte dazu, denn irgendwie würde ich meine Anders-Welt später ja schützen müssen.
Hüter hatten als einzige Magier überhaupt die Fähigkeit, die Bilder aus ihren Köpfen lebendig werden zu lassen. Damit waren wir die stärkste Magiergruppe, die es gab. Denn wir könnten quasi alles tun. Selbst Tote könnten wir zurückholen, aber das hatte bisher kaum einer getan. Bei dem Versuch griff man in das Gefüge von Raum und Zeit ein und alles konnte sich verschieben, bis hin zu fürchterlichen Katastrophen.
Da alle Welten irgendwie miteinander verbunden waren, konnte es jede andere ebenso treffen, wenn man als Hüter nur einen magischen Fehler in seiner Welt machte. Unbeteiligte Welten konnten dadurch untergehen, was das gesamte Weave, also das Weltennetz, so erschüttern würde. Daraufhin konnte es zu weiteren verhängnisvollen Ereignissen in wieder anderen Welten kommen. Beispiel dafür waren unter anderem die Weltkriege auf der Erde. Irgendwo im Weave war damals etwas schiefgelaufen und die Menschenwelt hatte die Konsequenzen tragen müssen. Deshalb galten für Hüter auch die strengsten Regeln, was das Zaubern betraf. Und wir hatten die strengste Ausbildung, um wirklich jeden Fehler von vornherrein auszumerzen.
Meine Begabung im Zeichen half mir aber enorm beim Studium der Magie. Wenn ich malte, waren die Resultate so lebhaft, dass man meinen konnte, es wären Momentaufnahmen aus einem Film. Zu Anfang meiner Ausbildung hatte ich trotzdem Schwierigkeiten gehabt, sie auch dreidimensional aussehen zu lassen. Zum Glück hatte ich das mittlerweile ganz gut im Griff. Es war eben ein Unterschied zwischen etwas aus dem Kopf auf die Leinwand bringen und etwas aus dem Kopf wirklich real werden lassen.
Noch mal ließ ich die Funken tanzen und mischte etwas mehr Türkis hinein. Ein kleines Feuerwerk entstand knapp über meiner Handfläche und ein Lächeln stahl sich in meine Mundwinkel.
„Sehr schön“, drang Deakens Stimme an mein Ohr und schlagartig war meine Konzentration dahin.
Ich verlor das Mana und die Funken erloschen. „Man, Deaken“, stieß ich aus und verdrehte die Augen. „Kündige dich gefälligst an und schleich nicht so rein.“
„Sorry“, grinste er und kam herüber. „Komm mit, ich will dir was zeigen. Deine Tasche kannst du hierlassen.“
Ich rutschte vom Tisch und folgte ihm ein paar Räume weiter. Das Mana änderte sich und ich spürte eine mir unbekannte Struktur, als wir in einem etwas kleineren Raum anhielten.
„Das fühlt sich aber komisch an“, ließ ich ihn wissen und schaute mich um. Der Raum sah aus, als wäre er länger nicht benutzt worden. „Wo sind wir?“
„Dieser Raum hat die gleiche Mana-Struktur wie Wisteria. Ab sofort werden wir deine Übungsstunden hier fortsetzen“, erklärte er.
„Jetzt schon?“ Ich wusste ja, dass es Anders-Welten gab, die eine einzigartige Mana-Form aufwiesen und dass Wisteria dazugehörte. Doch dass ich schon in meinem ersten Jahr hier üben würde hatte ich nicht gedacht.
„Ja, jetzt schon“, meinte er. „Es gibt ein paar unerwartete Entwicklungen und wir müssen zusehen, dass du mit dem Mana hier auch zurechtkommst.“
Ich konnte Sorge in seinem Blick lesen. „Was ist denn passiert?“, fragte ich argwöhnisch aber neugierig.
„Du weißt, dass Wisteria gerade keinen Hüter hat?“, fragte er und ich nickte. Mein Vorgänger war gestorben, weshalb meine Ausbildung vorangetrieben wurde. Das hatte May mir erklärt, kurz nachdem ich hier angekommen war.
„Ja“, antwortete ich noch mal laut. „Deswegen hat Ava meinen Schlüssel.“
„Richtig. Allerdings ist sie nun mal nicht die Hüterin. Das heißt, sie kann nur beobachten und berichten. Es geht Einiges dort vor und wir brauchen mehr als einen Beobachter. Wir brauchen einen Hüter, der richtig eingreifen kann.“ Er schaute mir direkt in die Augen. „Wir brauchen dich.“
Kurz fehlten mir die Worte. Die normale Ausbildung dauerte bis zu sieben Jahre. Meine würde unter Umständen kürzer ausfallen, weil eben Not am Mann war, aber ehrlich mal, ich hatte gerade erst ein Viertel des Schuljahres rum.
„Ähm. Und was genau, soll das jetzt heißen?“, hakte ich nach und ahnte schon, was kommen würde.
„Du wirst demnächst auch in Raum-Zeit und Mythen ein paar zusätzliche Stunden bekommen. Außerdem wird dein Kampftraining vorgezogen.“
„Waaaas? Oh nein, bitte“, flehte ich, denn Kampftraining war das Letzte, was ich wollte. Ich hatte mich dieses Jahr um den Kurs drücken können, denn er war noch wahlfrei und würde erst im dritten Jahr Pflicht werden, doch Deakens Blick ließ mir keine Wahl. „Verdammt“, fluchte ich leise und schaute bedrückt zu Boden.
„Es wird schon nicht so schlimm.“
„Glaubst du. Ich hasse es jetzt schon.“ Körperliche Auseinandersetzungen waren einfach nicht mein Ding. Ich konnte verbal austeilen und argumentierte besser als so mancher Debattierer. Aber mich schlagen? Musste ich nicht haben.
„Es hat auch was Gutes“, meinte er nun und ein Lächeln legte sich auf seine Lippen.
„Das glaubst auch nur du“, entgegnete ich, ohne zu wissen, was er überhaupt meinte.
„Mhh.“ Jetzt klang er nachdenklich.
„Sagst du mir, was das sein soll?“, fragte ich trotzdem und verzog das Gesicht.
„Ich weiß nicht. Wenn du schon so negativ eingestellt bist ...“
„Haha. Erzähl!“
„Nein. Lass dich überraschen. Deine erste Stunde ist übrigens schon heute Abend, soll ich dir von May ausrichten. Dein Abendessen wird sich also nach hinten verschieben.“
„Toll. Wunderbar“, grummelte ich vor mich hin. „Wird ja immer besser. Fehlt nur noch so ein Wicht von Trainer, der alles besser weiß und mich grün und blau schlägt.“
Trotz dass ich mehr gemurrt als gesprochen hatte, hatte Deaken es gehört und lachte auf. „Na los. Komm, lass uns üben. Das lenkt dich ab.“ Damit trat er in die Mitte des Raumes und baute sich auf. „Wir fangen klein an, damit du dich an das Mana gewöhnst.“
Nach einer Stunde hatte ich es immer noch nicht raus. Diese Energie war so anders. Ich konnte sie greifen und formen, aber irgendwie kam am Ende doch nur ein verzerrtes Etwas von dem dabei heraus, was ich eigentlich erschaffen wollte.
„Wieso ist das so schwer? Ich versteh das nicht“, schmipfte ich vor mich hin, als wir auf dem Rückweg in den Hauptraum waren.
„Du schaffst das schon. Es war deine erste Stunde da drin. Und vergiss nicht, dass du das Mana nur hier wirklich brauchst. In Wisteria wirst du auch ohne auskommen können.“
„Es wäre bestimmt effektiver, wenn ich dort üben könnte.“ Auf jeden Fall wäre es das. In Wisteria würde ich nämlich nur meine Vorstellungskraft und ein bisschen Geschick brauchen, um meine Gedanken mit der Magie zu verbinden. Mana war dort praktisch überflüssig für mich. Ich lernte es nur, um es im Notfall nutzen zu können, sollte meine Hütermagie mal versagen. Was kaum vorstellbar war.
„Wäre es. Aber du darfst noch nicht durch die Tür“, hielt Deaken fest.
„Ich könnte den Hüterschwur ablegen.“
„Aber den Test würdest du nicht bestehen.“
Ich wollte noch fragen, was denn genau überhaupt geprüft wurde, doch da waren wir schon im Hauptraum, wo meine Klassenkameraden warteten. Oharas Blick verfinsterte sich sofort und mir fiel wieder ein, was sie gesagt hatte. Kurz huschte mein Blick zu Deaken - ab jetzt Professor Rivers - und dann zu ihr zurück. Ich nahm mir vor, aufzupassen, ob sie recht hatte und er und ich wirklich immer in der Nähe des anderen waren. Wenn ja, dann war es jedenfalls nicht, weil ich es darauf anlegte.
Mir kam ein Gedanke. Bedeutete es vielleicht, dass er es tat? Aber warum sollte er?
So ein Quatsch. Das war sicher nur Zufall. Weave Mansion war zwar groß, aber so viele gemeinschaftliche Aufenthaltsmöglichkeiten gab es nicht. Da konnte es immer wieder passieren, dass man sich über den Weg lief. Speziell, wenn man hier auch wohnte. Was ihn und mich einschloss.
Deaken begann die Stunde und ich folgte seinen Anweisungen wie immer penibel. Hier klappte es besser. Das Mana in diesem Raum war ein Gemisch aus allen. Wir konnten frei wählen. Wisterias Magie spürte ich allerdings nicht. Die ersten beiden Stunden vergingen schnell und die dritte war dann endlich still. Denn diese nutzten wir immer zum Meditieren. Keiner sprach mehr oder fluchte, weil etwas nicht klappte. Jeder konzentrierte sich auf sich.
Mein Magen knurrte peinlich laut und ich konnte spüren, wie mein Gesicht rot wurde. Ich öffnete die Augen und warf einen verstohlenen Blick in die Runde. Einige waren so tief versunken, dass sie es gar nicht mitbekommen hatten, andere hatten es sehr wohl gehört. Dyllan grinste breit mit geschlossenen Augen, Ohara verdrehte ihre hinter den Lidern und Deaken lächelte amüsiert. Als mein Blick auf ihn fiel, öffnete er seine Augen und schaute zu mir.
Ich versuchte einen fragenden Blick und er nickte leicht. Also stand ich auf, holte leise meine Tasche und verließ den Keller. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass ich eine gute halbe Stunde zu früh beim Essen sein würde, aber das Magietraining machte echt Hunger und immerhin hatte ich schon eine Stunde vornweg gehabt.
Der Speisesaal war noch leer, doch die Bedienung befüllte schon die Ausgabe, also schnappte ich mir ein Tablett und suchte mir eine Vorspeise aus. Ich entschied mich für einen kleinen Caesarsalat mit extra Dressing. Am Ende der Ausgabe holte ich mir noch eine Cola und ging zu unserem Stammtisch an den großen Fenstern, die zum Garten hinaus zeigten. Das Wetter war umgeschlagen und Regentropfen trommelten nun gegen die Scheibe.
Ein leiser Gong ertönte, als die Stunde endete und nach und nach kamen andere Schüler herein, holten sich etwas zu essen und verteilten sich auf die vielen freistehenden Tische. Es dauerte nicht lange und Lia kam angelaufen. Sie ließ sich mir gegenüber auf ihren Platz fallen und schnappte sich ein Croûton von meinem restlichen Salat.
„Hey, das sind meine!“, empörte ich mich gerade, als sich eine zweite Person neben mir auf den Stuhl fallen ließ. Eine größere Hand stahl sich ebenfalls ein Croûton und Lia lachte. Mir wurde für einen Moment anders, denn da saß tatsächlich wieder Deaken neben mir.
Verdammt. Mein Blick schnellte durch den Raum zum Tisch, an dem für gewöhnlich Ohara saß. Und sie tat es natürlich auch heute. Ihr Blick hätte mich töten können. Einen schnellen Rundumblick werfend fiel mir auf, dass auch andere schauten, doch sie drehten sich weg, sobald mein Blick ihre traf. Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf meinen Teller.
Auch Deaken hatte sich umgesehen, allerdings dachte er wohl, ich hätte etwas Interessantes ausgemacht. „Alles klar? Was war denn da?“
„Nichts, alles gut“, antwortete ich nur.
„Ist das alles, was du essen willst? Das klang vorhin nach mehr Hunger“, feixte er.
Um ehrlich zu sein, war mir der Appetit gerade etwas vergangen. „Ähm, nein.“ Ich stand auf und schaute fragend zu Lia. „Willst du was? Ich hole es dir.“
„Pommes“, antwortete sie knapp. „Und eine Brause. Die Rote.“
„Alles klar.“ Ich nahm mein Tablett und machte mich erneut auf den Weg zur Ausgabe. Ein wenig hatte ich das Gefühl, dass mir Blicke quer durch den Saal folgten. Ich ignorierte es und holte Lia ihre Pommes mit extra viel Majo und die rote Brause. Für mich nahm ich ein Sandwich mit Huhn. Mehr würde nicht gehen. Zurück am Tisch hörte ich gerade noch, wie Deaken meiner Schwester von meinem Magenknurren erzählte. Beide lachten, als ich mich setzte und sahen mich breit grinsend an. Ich stellte meiner Schwester die Pommes hin und diesmal stahl Deaken sich etwas von ihr. Beim an den Tisch rücken versuchte ich, unauffällig ein Stück Abstand zwischen mich und ihn zu bringen. Dummerweise war ich selten erfolgreich im unauffällig sein und so bemerkte er es.
Seine Augen verengten sich verwirrt, als er mich ansah und von seiner Pommes abbiss.
Ich bemühte mich um einen unschuldigen Blick und begann, an meinem Sandwich zu knabbern. Im Augenwinkel sah ich, wie er sich abermals im Saal umschaute.
Dann wandte er sich an uns. „Ich werd mir auch mal was holen. May ist da. Wir sehen uns.“ Damit stand er auf und ging davon.
„Was war das denn?“, fragte Lia und schüttelte missbilligend den Kopf.
„Was war was?“ Ich wusste natürlich, was sie meinte. Aber man kann’s ja mal versuchen.
„Stinkt er oder was?“
„Lia!“, wies ich sie zurecht und schüttelte ebenfalls den Kopf.
„Na ist doch wahr. Du bist abgerückt, als würde er übel riechen.“
„Ich wollte einfach nicht, dass er mir noch was vom Teller klaut“, wich ich aus und sie merkte auch das, sagte aber nichts weiter.
Wir aßen schweigend und verabschiedeten uns erneut, als der leise Gong zum Nachmittagsunterricht ertönte. Noch zwei Stunden Mythen, dann hätte ich etwas frei und dann würde mein zusätzliches Kampftraining beginnen. Super.