Читать книгу Faylinn - Hüterin der Türen (Band 1) - Auf Weave Mansion - Stefanie Worbs - Страница 9

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Wir blieben noch die halbe Nacht in der Bibliothek. Teils studierten wir die Karte, teils unterhielten wir uns einfach. Dyllan wollte gern wissen, wie es dazu gekommen war, dass Lia und ich im Internat lebten und erzählte mir im Gegenzug seine Geschichte.

Er war als Baby schon zur Adoption freigegeben worden und hatte seitdem in ein und demselben Heim gelebt. Aus irgendeinem Grund hatte sich nie eine Familie für ihn gefunden. Eines Tages kam dann Professor White und holte ihn nach Weave. Den Erziehern dort hatte man gesagt, es sei ein Heim für schwer vermittelbare Kinder und dass er auf Weave viel mehr Möglichkeiten haben würde, in eine Familie zu kommen. Wie Lia und mir hatte man ihm allerdings von Anfang an alles über die magische Welt erzählt. Er war einer derjenigen, die am längsten hier lebten.

„Nächstes Frühjahr werde ich 18. Dann sind es genau zehn Jahre“, erklärte er. Er half mir auch, nach dem fehlenden Tagebuch zu suchen, doch wir konnten es nicht finden. Irgendwann wurde ich müde und wir machten uns auf den Weg zurück in unseren Flügel des Hauses. Der Aufenthaltsraum war mittlerweile komplett leer, es war aber auch schon irgendwann gegen 1 Uhr morgens, also verabschiedeten und trennten wir uns im ersten Stock. In meinem Zimmer angekommen, warf ich mich komplett angezogen aufs Bett und schlief sofort ein.

Ich träumte wirres Zeug von Monstern, die sich gegenseitig mit Kartenköchern schlugen und war sogar etwas erleichtert, als mich ein Klopfen an der Tür weckte und ich so bemerkte, dass es nur ein Traum gewesen war. Ich rollte mich auf den Rücken und murrte ein ja, was den Klopfer hereinbat. Durch das Fenster sah ich, dass es noch früh am Morgen sein musste.

„Fay, steh auf! Los!“, forderte Lia mit lauter Stimme und kam aufs Bett gesprungen.

„Was? Warum denn? Hast du mal auf die Uhr geguckt? Es ist mitten in der Nacht!“, empörte ich mich und drehte mich wieder auf den Bauch.

„Hab ich und weiß ich. Los steh auf, du hast Kampftraining!“

Ich öffnete das eine Auge, was nicht vom Kissen verdeckt wurde und grummelte: „Ich habe was bitte?“

„Kampftraining. Komm schon, Deaken wartet draußen.“

„Sag ihm, ich habe keine Lust.“ Ich schloss das Auge wieder und vergrub das Gesicht komplett im Kissen.

„Sie hat keine Luhust“, rief Lia laut und ich erstarrte. Ich dachte, sie hatte mit draußen, ganz draußen gemeint und nicht, vor der Tür draußen. „Du kannst reinkommen. Sie hat was an“, kicherte sie und ein leises Lachen drang an mein Ohr. Mir wurde anders. Jetzt war er definitiv nicht mal mehr vor der Tür draußen. Ein Hüsteln brachte mich dazu, den Kopf abermals zu drehen und zur Tür zu spähen. Deaken stand, die Arme vor der Brust verschränkt, daneben an den Rahmen gelehnt und grinste. Dann verzog er das Gesicht und kniff ein Auge zusammen, als würde ihn Licht blenden.

Das Grinsen noch immer auf den Lippen sagte er: „Guten Morgen, auch.“

„Mhh“, mehr bekam er nicht als Antwort von mir, denn ich hatte mein Gesicht wieder im Kissen. Der spinnt wohl, dachte ich nur, angesichts seiner offensichtlichen Frühaufsteher-Natur. Um diese Zeit ein Kampftraining und auch noch am Wochenende?

Nicht mit mir! Lia rüttelte mich heftig und begann auf meinem Bett herumzuhüpfen.

„Ich glaube, sie will, dass du aufstehst“, meinte Deaken und ich konnte hören, wie er noch immer feixte.

„Ehrlich? Ich weiß gar nicht, wie du darauf kommst“, gab ich ihm zurück, nachdem ich mich abermals zur Seite gedreht hatte, damit Lia nicht auf mich drauf sprang.

Wieder lachte er. „Komm schon, Fay. Lass uns frühstücken und dann trainieren.“

„Ich glaube, ihr habt das immer noch nicht verstanden. Ich - will - nicht“, sagte ich und betonte jedes Wort extra.

„Doch haben wir. Du warst überdeutlich gestern. Aber du hast auch gehört, was May gesagt hat. Ich denke, auch sie hat ihren Standpunkt klargemacht.“

Ich erhob mich halb und stützte mich mit einem Arm ab. Lia hörte auf zu hüpfen und warf mir einen vorsichtigen Blick zu. Sie spürte, wenn ich wütend wurde und gerade wurde ich es.

„Was genau wäre die Konsequenz, wenn ich mich weiter weigere?“ Meine Stimme klang scharf und Lia schaute unbehaglich von mir zu Deaken und zurück. Sie sprang vom Bett und nahm etwas Abstand.

Er musterte mich einen Moment, bevor er antwortete. „Es gäbe sicherlich keine“, gab er dann zu und wandte den Blick zu Boden. „Was kann ich tun, damit du dich nicht weigerst?“, fragte er und schaute wieder auf. Allerdings mit demselben von unten nach oben Hundeblick wie gestern.

Blöde Schmetterlinge. Ich verzog das Gesicht. „Nichts.“ Damit ließ ich mich wieder fallen und zog mir die Decke bis über den Kopf.

„Lia, geh doch schon mal nach unten und such uns was fürs Frühstück aus“, bat Deaken nun und ich konnte hören, wie sie der Bitte nachkam und ging. Dann schloss sich meine Tür und halb hoffte ich, er wäre auch gegangen, doch dann hätte er Lia nicht darum gebeten, für uns etwas auszusuchen. Meine Matratze senkte sich ein Stück, als er sich auf der Bettkante niederließ, dann wurde die Decke sachte von meinem Gesicht gezogen. Ich fuhr mir mit den Händen durchs Haar, um wenigstens etwas passabel auszusehen und ließ sie dann auf meinem Gesicht liegen.

Durch sie grummelte ich: „Geh. Bitte. Ich will nicht. Ernsthaft. Egal was du tust, es wird mich nicht dazu bringen, aus diesem Bett aufzustehen und dich zu schlagen.“

Er lachte leise, dann spürte ich seine Hände auf meinen und er zog auch diese von meinem Gesicht weg. „Komm schon. Ich versichere dir, dass es nicht schlimm wird. Du wirst mich nicht mal treffen.“

„Danke auch für dein Vertrauen in mein Können. Vielleicht wäre ich ja ein Naturtalent“, giftete ich ironisch aber mit einem leichten Lächeln.

„Tja, das werden wir nicht rausfinden, wenn du es nicht versuchst. Allerdings glaube ich, dass es so sein könnte. Also, dass du eines bist.“

„Ach echt? Wie kommst du darauf?“

„Dein Abblocken gestern war gut. Schnell, instinktiv und richtig.“

Ich verengte die Augen zu Schlitzen. „Willst du mich rauslocken oder meinst du das ernst?“

„Ein bisschen von beidem vielleicht“, grinste er, fügte aber an, „Wirklich Fay. Das war gut gestern. Bei jedem anderen hier an der Schule, der noch nie gekämpft hat, hätte ich den Schlag abbrechen müssen oder hätte getroffen. Auch wie du danach reagiert hast, war gut. Du hast meine Schläge richtig eingeschätzt und bist gut ausgewichen.“

„Lügner“, konterte ich, denn ich konnte zwischen den Zeilen lesen, dass er das nur sagte, um mich zum Weitermachen zu überreden.

Jetzt lachte er wieder auf. „Ach komm schon, Faylinn.“

Ich warf ihm einen verwirrten Blick zu. Faylinn? Mein ganzer Name? Echt mal -Deaken-, pff. Aber ich sagte nichts.

„Okay ich gebe zu, ich habe nicht richtig zugeschlagen. Immerhin bist du Anfängerin“, fügte er an und schenkte mir ein schiefes Lächeln. „Trotzdem waren deine Reaktionen wirklich gut. Lass uns doch sehen, was du noch kannst.“

„Ich würde dich sicher grün und blau schlagen. Ernsthaft. Lass es gut sein, Deak“, sagte ich und betonte seinen Namen ein wenig.

Er verzog das Gesicht, weil er natürlich Mays Worte vom Vortag erkannte „Du hast gelauscht.“

„Du hast laut geredet.“ Er musste ja nicht wissen, dass ich auch schon vor meinem Eintreten zugehört hatte.

„Versuche es, bitte“, bat er erneut. Wie oft würde er wohl noch fragen, bis ich dann irgendwann nachgab?

„Warum, um alles in der Welt, ist euch das so unendlich wichtig? In Wisteria kann ich mich mit Magie verteidigen. Ich kann im Keller Zauber dafür üben. Ich kann üben, schnell und effektiv Schutzwälle zu errichten oder Zauber wirken, die ich auch im Bruchteil einer Sekunde hinbekomme. Ich muss nicht mit einem Schwert um mich schlagen können.“

Deaken seufzte, dann schwieg er. Lange sagte keiner etwas, bis er tief Luft holte und ich spüren konnte, dass jetzt etwas kam, was er eigentlich nicht erzählen wollte oder sollte. „Dein Vorgänger“, begann er und schaute dabei auf seine Hände. „Du weißt, wie er gestorben ist?“

„Ja. Ein Autounfall. Warum?“

„Er kam aus Wisteria. Er wurde dort in einem Gefecht erschlagen und durch die Tür zurückgeworfen. Er landete direkt auf einem Highway und wurde von einem Auto erfasst.“

Ich richtete mich auf und saß nun an das Kopfende meines Bettes gelehnt. „Wirklich?“ Ich wusste schon, dass ich in meiner Anders-Welt nicht sterben kann. Die Tür wirft den Hüter einfach zurück auf die Erd-Welt. Wohin, kann der Hüter aber logischerweise nicht steuern, er ist ja in diesem Moment tot. Die Tür erscheint dann eben einfach irgendwo. Und wenn es ein High Way ist ...

„Ja“, kam es traurig von Deaken.

„Aber was hat das mit meiner Weigerung zu kämpfen zu tun?“

Jetzt schaute er mich an. „Er war wie du. Er wollte es auch nicht lernen. Hat sich immer dagegen gewehrt. Er hatte dieselben Argumente wie du und die Obersten haben ihn gewähren lassen, denn sie erschienen ihnen als völlig in Ordnung. Er hatte sich verschätzt und wir haben ihn verloren.“

„Wieso hat er sich verschätzt? Woher wussten sie eigentlich, dass es ein Gefecht war? Vielleicht kam er gar nicht aus Wisteria.“

„Sie wussten es, weil er von hier aufgebrochen war. Es gab ein paar Probleme dort und er wollte helfen, sie zu lösen. Er hat die Tür direkt in die Schlacht gestellt und meinte, er würde sich mit Zaubern schützen können. Sie haben ihm vertraut, weil er wirklich gut zaubern konnte. Doch das hat ihm alles nichts genützt. Es dauerte nicht lange und sie haben seine Rückkehr gespürt. Was genau in Wisteria geschehen ist, wissen wir nicht. Aber sie fanden ihn mit Anzeichen einer Wunde im Rücken, die ein Schwert geschlagen haben musste. Er war in Wisteria gefallen und die Tür hat ihn hergebracht. Wäre es nicht gerade der High Way gewesen, wäre er vielleicht noch unter uns. Aber so ...“ Er verstummte und senkte den Blick wieder.

Ich hatte die Beine angezogen und die Arme darum geschlungen. Ich verstand, was er mir sagen wollte. Egal wie gut ich zaubern konnte, es konnte immer eine Waffe geben, die mich verletzen oder töten konnte.

Trotzdem hatte ich ein Argument und musste es bringen. „Aber er hätte auch sterben können, wenn er das Schwert hätte führen können. Es war die Tür, die ihn zurückgeworfen hat, die ihn umgebracht hat, nicht seine Unfähigkeit eine Waffe zu benutzen“, meinte ich vorsichtig.

Deaken sah auf und mir direkt in die Augen. „Das stimmt. Allerdings wäre er mit einer Waffe nach Wisteria gegangen. Er hätte sich nicht nur auf seine Magie verlassen und hätte die Angriffe in erster Linie mit dem Schwert abgewehrt. Erst wenn genügend Zeit gewesen wäre, hätte er begonnen, Zauber zu wirken. Direkter und gezielter. Manchmal muss man sich erst den Weg freikämpfen, um einen Überblick zu haben. Wir glauben, dass er gerade einen anderen Angriff magisch abwehren wollte, als ihn das Schwert traf. Du weißt, wie viel Konzentration es kosten kann, einen Zauber zu wirken. Wir glauben, er hatte einfach zu wenig Zeit und dass er sich mit einer Waffe anders verhalten hätte.“

Glauben und hätte, ging es mir durch den Kopf. Doch Deaken hatte auch recht. Die Konzentration war beim körperlichen Kampf sicher eine andere, als beim mentalen. Ob man eine Waffe benutzte oder einen magischen Angriff führte, würde einen Unterschied machen und der konnte die Waage zum Kippen bringen. Sie hatten schlechte Erfahrungen gemacht und wollten vermeiden, dass es sich wiederholte. Ob es was ändern würde, wenn ich ebenso in diese Situation kam, stand in den Sternen. Auf jeden Fall hätten sie versucht, es besser zu machen.

Ich seufzte. „Okay.“

Deaken runzelte die Stirn. „Okay?“

Ich schaute ihn ebenfalls fragend an. „Nicht okay? Ihr wollt doch, dass ich kämpfen lerne. Also okay.“

„Wirklich?“

„Gott, Deaken! Mach mich nicht alle. Da sag ich endlich ja und du fragst noch fünf mal. Soll ich doch nein sagen?“

„Nein! Alles prima“, er lachte auf, erhob sich und nahm mich in den Arm. „Danke. Ehrlich. Ich danke dir.“

„Gern geschehen“, erwiderte ich etwas perplex, wegen der so überschwänglichen Freude über mein Nachgeben.

Er ließ mich los und stand nun vor meinem Bett. Ein Mal fuhr seine Hand durch sein Haar und strich es nach hinten, dann über sein Gesicht und blieb auf seinem Mund liegen. Freude stand in seinen Augen.

„Alles klar?“, wollte ich immer noch verwirrt wissen und schaute zu ihm auf.

„Ja“, lachte er und schien nicht zu bemerken, dass er ein wenig irre klang.

„Freut mich, dass es dich so sehr freut“, sagte ich und verzog das Gesicht.

Jetzt endlich schien er zu bemerken, dass er sich seltsam verhielt. „Entschuldige. Du glaubst nur gar nicht, wie erleichtert ich bin.“

„Ehm, doch. Stell dir vor, man sieht es dir an.“ Ich grinste zu ihm hoch und er grinste zurück. Dann kam er herunter und ganz nah vor mein Gesicht. Mir stockte der Atem, als ich seinen spürte. Wieder grinste er, dann hob er den Kopf etwas und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.

So schnell wie er da gewesen war, war er wieder weg und ging zur Tür. „Komm runter zum Frühstück. Dann trainieren wir“, sagte er mit einem umwerfenden Lächeln und verschwand. Für einen Moment konnte ich mich nicht rühren und brauchte sogar ein paar Sekunden, um mich zu erinnern, wie man atmete. Dann keuchte ich leicht, um Sauerstoff in meine Lungen zu bekommen. Hatte er das gerade wirklich getan? Ein Kuss?

Okay nur auf die Stirn, aber trotzdem von meinem Professor für Magie. Der wirklich nicht schlecht aussah und einer der nettesten Typen war, die ich kannte, auch wenn das nicht viele waren. Welcher Lehrer macht denn so was? Warum tat er es überhaupt?

Ich wurde das Gefühl nicht los, dass dieses mehr Interesse von ihm wirklich da war. Dummerweise hatte ich keine Ahnung, wie ich damit umgehen sollte, wenn es sich denn bewahrheiten würde.

Faylinn - Hüterin der Türen (Band 1) - Auf Weave Mansion

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