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Landesmutti, Land und Kinder

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Natürlich sticht einem der „gefühlte“ Kontrast von Merkels Image als „Mutti“ und ihrem Nicht-mein-Land-Satz ins Auge. So etwas darf ausgerechnet eine Landesmutti ja eigentlich gar nicht sagen.

Merkels Mutti-Image leitet sich natürlich zunächst von ihrer langen Regierungszeit (seit 22. November 2005) ab und einer damit verbundenen gewissen Vertrautheit. Weiter leitet sich das Mutti-Image ab von einer wenigstens inszenierten Volksnähe und Einfachheit, man denke nur an Angela Merkels Kleidungsstil, der – abgesehen vom Wechsel der Farben – an den monoton-uniformen Stil gewisser ostasiatischer Parteivorsitzender erinnert.

Ebenso findet sich das Grundthema Merkel’scher Einfachheit wieder im sprachlichen Niveau ihrer Reden. Kein Mensch käme auf die Idee, Angela Merkel eine gute Rednerin zu nennen. „Mutti“ ist also durchaus ein passendes Etikett für das öffentliche Auftreten Angela Merkels. Es signalisiert Vertrautheit, ja ein Grundvertrauen und eine gewisse emotionale Bindung. „Mutti“ signalisiert: „Mutti, du machst das schon!“

Nur was ist von einer Mutter zu halten – und damit kommen wir wieder in die gefühlte Nähe obiger Deutschlandfahnen-Entsorgung –, die in aller Öffentlichkeit durchaus bedacht und keinesfalls – wie einem die Presse weismachen will – im emotionalen Affekt die Bereitschaft erklärt, sich von Deutschland zu trennen?

Was ist von einer Mutter zu halten, die ihre eigenen Kinder wegen irgendwelcher Nichtigkeiten zu verstoßen bereit ist; Nichtigkeiten wie die fehlende Begeisterung beim Empfang 100.000er Flüchtlinge? Was bitte haben die deutschen Kinder im September 2015 schon verbrochen? Die Deutschen sind im September 2015 jedenfalls nicht „in Polen eingefallen“ oder haben mit erlogenen Kriegsgründen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg vom Zaune gebrochen, so, wie beispielsweise zwölf Jahre zuvor US-Präsident George W. Bush.

Apropos George W. Bush: Hat sich die Kanzlerin von diesem nach dessen völkerrechtswidrigem Krieg gegen den Irak distanziert? War der nette Texaner aus gutem Hause dann immer noch „Muttis“ Liebling? Oder hat die Kanzlerin George W. Bush nach dessen Missetat im Zweistromland mit eisigem Blick auf Armlänge Abstand gehalten, so wie sie das immer mit dem ach so „bösen“ Wladimir Putin lehrbuchartig vorexerziert?

Oh nein! Im Gegenteil: Beim G8-Treffen im Jahre 2006 hat sich Angela Merkel am Konferenztisch sitzend von Scherzkeks George W. Bush vor laufender Kamera von hinten in die Schulter zwicken lassen und die Arme in einer Art rohrkrepierenden Ekstase hochgerissen wie ein fünfjähriges Mädchen im Nichtschwimmerbecken bei einer ach so lustigen Schwimmunterrichtstunde. Die ganze Welt konnte sehen: Der süße kleine George war immer noch „Muttis“ Präsident des Herzens; und das trotz 100.000er Toter im Irak, die der süße, kleine George zu verantworten hatte; und trotz einer live vor laufender Kamera in den Vereinten Nationen belogenen Weltöffentlichkeit.

Wir erinnern uns:

US-Außenminister Colin Powell präsentierte am 5. Februar 2003 im Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen Pseudobeweise gegen den Irak, Stichwort: Massenvernichtungswaffen. Der zweite Irakkrieg begann dann am 20. März 2003. All das hat Angela Merkel nicht sonderlich gekratzt; auch nicht die sich infolge der Kriege im Irak, in Afghanistan und anderswo entwickelnden Flüchtlingsmassen, die dann irgendwann auch nach Europa gekommen sind.


Abb.1: Colin Powell am 5. Februar 2003 im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit einem Röhrchen, das angeblich biologischen Kampfstoff enthält

Merkels gelegentliche Dickfelligkeit in schwergewichtigen Menschenrechtsfragen, legt somit die Vermutung nahe, dass die Kanzlerin am 15. September 2015 nur Betroffenheit vorgegaukelt – und in Wahrheit auf der typisch deutschen Schuld-Partitur herumgeklimpert hat, Motto: „Nach Auschwitz sind die Deutschen verpflichtet, überall in der Welt zu helfen. Die Hilfsgesuche der Welt können nicht abgelehnt werden. Nicht von Deutschland! Und wenn sie doch abgelehnt werden, dann ist das nicht mein Land. Denn die Deutschen würden mit ihrer Hilfsunwilligkeit ja beweisen, dass sie nichts aus ihrer Geschichte gelernt haben.“

Was ist von einer solchen Landesmutter zu halten?

Angesichts von Angela Merkels moralischer Robustheit beim völkerrechtswidrigen 2003er US-Angriff auf den Irak mit alleine ca. 30.000 toten Soldaten und Schätzungen nach 115.000 bis 600.000 getöteten Zivilisten8 fällt es einem – vorsichtig formuliert – etwas schwer, ihr ihre „Betroffenheit“ am 15. September 2015 abzukaufen. Da hat die Mutti schon ganz andere Sachen weggesteckt.

Der Wahrheit kommt man womöglich näher, wenn man es so sieht, dass Angela Merkel am 15. September 2015 vorsätzlich und ganz bewusst und auf der Tätervolk-Partitur gespielt – und die Flüchtlingsfrage zum Zünglein an jener Waage stilisiert hat, die anzeigt, ob das deutsche Volk wirklich aus seiner Nazi-Vergangenheit gelernt hat – oder eben nicht.

Aus genau diesem Kontext; aus genau dieser Perspektive der Auschwitz-Schuldenstands-Waagen-Anzeige – aus der Perspektive des aktuellen Nazi-Schuld-Tilgungs-Kontostandes des deutschen Volkes – ergibt die von Angela Merkel angedrohte Verstoßung ihrer Kinder plötzlich „Sinn“: Sinnbildlich gesehen wird so jeder „gerettete Flüchtling“ ein entlastendes Gewicht auf der Waage der deutschen Schuld und moralischen Verpflichtung. Und die Kanzlerin ärgert sich, dass die Deutschen nicht genug auf die Waage packen wollen.

Angela Merkel verhält sich in ihrer Inszenierung vom 15. September 2015 so, als drohe die deutsche Schuldwaage in Richtung „Nichts aus der Nazi-Zeit gelernt“ zu kippen. Das ist der eigentliche demoralisierende Subtext, den Angela Merkel kommuniziert:

„In Wahrheit habt ihr Deutschen eben doch nichts aus der Nazi-Zeit gelernt! Wenigstens nicht bis jetzt.“ Die Kanzlerin scheint das Deutschlandbild eines Volkes auf Bewährung zu haben. Die Ablehnung der Flüchtlinge schein aus ihrer Sicht ein Verstoß gegen die Nazi-Schuld-Bewährungsauflagen zu sein. Das ist die emotionale Botschaft, die die Kanzlerin am 15. September 2015 ausgesendet hat: ein Volk auf Bewährung, das ihr – der Kanzlerin – eigentlich nicht würdig ist, weshalb sie – die Kanzlerin – öffentlich mit dem Gedanken spielt, sich von diesem Volk zu trennen.

Dass sie selbst Deutsche ist, scheint die Kanzlerin dabei völlig zu vergessen. Na gut. Dadurch kommt wenigstens eine humoristische Komponente in das Trauerspiel. „Nicht mehr mein Volk“ ist also auch absurd und unüberlegt. Angela Merkel kommt zudem schon von ihrem äußeren Erscheinungsbild optisch sehr deutsch rüber.

Was Angela Merkel vor den Augen der Weltöffentlichkeit getan hat, ist trotz manch ulkiger Nebenaspekte aber dennoch das Drohen mit der Kündigung. „Nicht mehr mein Volk“ riecht nach Verrat und nach dem unmittelbar bevorstehenden Ende der Beziehung. Man kann es zudem auch so sehen, dass die Kanzlerin das deutsche Volk vor der Weltöffentlichkeit lächerlich gemacht hat, denn Merkels Subtext war auch der, dass das deutsche Volk austauschbar ist. „Nicht mein Volk“ heißt auch: „Dann suche ich mir ein anderes Volk!“

Dass das deutsche Volk angesichts solcher Szenen nur kurz zusammenzuckt und gleich wieder zur Tagesordnung übergeht, lässt einen ungläubig staunen.

Überhaupt: Wer oder was ist dann eigentlich Angela Merkels wahres Volk? Wer oder was ist ihr „Volk des Herzens“? Auch diese Frage ist offensichtlich, so abwegig sie auch klingen mag. Wohin also würde die Dame aus der Uckermark ihre Schritte lenken, wären wir nicht mehr „ihr“ Volk? Hat die Dame ein Reserve-Volk? Oder lebt sie geistig schon in Sphären, in denen es sowieso keine Völker mehr gibt?

Wie gesagt: Es geht hier nicht um die Kanzlerin. Sie ist nur Zeichen der Zeit. Worum es hier geht, ist Deutschland. Und Deutschland befindet sich zurzeit psychologisch, politisch (im Rahmen der EU) und demografisch in einem Auflösungsprozess. Die im September 2015 losgetretene und noch heute medienpräsente Flüchtlingskrise veranschaulicht den Auflösungsprozess in drastischer Form; in einer Form, die kein Deutscher mehr ignorieren kann. Jeder Bürger spürt jetzt, dass sich Deutschland sehr bald grundlegend und irreversibel verändern wird, wenn die Zuwanderungszahlen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mehrere 100.000 pro Jahr betragen werden.

Laut Statista.com wurden in der Zeit von 2014 bis 2017 in Deutschland rund 1,6 Millionen Asylanträge gestellt, macht im Schnitt 400.000 pro Jahr.9 In den Jahren 2010 bis 2013 kamen im Schnitt auch 300.000 Flüchtlinge/Zuwanderer pro Jahr; macht im Schnitt von 2010 bis 2017 jedes Jahr rund 350.000; Illegale nicht mitgerechnet.

Zugegeben: Eine Auflösung Deutschlands muss ja grundsätzlich nichts Negatives sein, vorausgesetzt, Deutschland würde sich in einem besseren Großen auflösen. Sieht man sich jedoch die wirtschaftliche Lage in Gesamteuropa an, dürfte eine wirtschaftliche Auflösung Deutschlands seinen Untergang bedeuten. Dasselbe gilt für das geopolitische Umfeld Deutschlands. Wenn Deutschland sich auflöst, werden wir Deutsche uns nicht im Nirwana oder in einem himmlischen Paradies wiederfinden, sondern in irgendeiner ganz realen Welt; eine ganz reale Welt, die noch mehr geprägt sein wird von den Problemen der Welt. So ist das nun mal, wenn man seine Grenzen beseitigt: Das Fremde wird zur Normalität, die Welt rückt einem auf den Pelz.

Und irgendwann, wenn der Immigrantenanteil dann landesweit die 30 Prozent überschritten hat, wird die bei uns wohnende Welt kommen und zu uns sagen:

„Wie bitte? Ich soll mich integrieren, mich anpassen? Ich bin die Welt. Ich bin viel größer als ihr. Nein. Ich werde mich nicht integrieren! Schluss damit. Akzeptiert mein Fremdsein. Und überhaupt: Was ist schon deutsch? Heute sind wir 30 %. Und in wenigen Jahren stellen wir die Mehrheit.“

Spannend wird es nicht erst, wenn die Migrationshintergründigen die Mehrheit in Deutschland stellen, sondern schon dann, wenn sie glauben, eines Tages die Mehrheit zu sein.

In dieser ganz realen neuen Welt würden die Deutschen irgendwann nicht mehr über genug innere Kraft verfügen, um wichtige Dinge in ihrem Leben zu ändern. Irgendwann käme der Punkt, ab dem die Deutschen ohnmächtig den Veränderungen in ihrem eigenen Land zusehen müssen.

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