Читать книгу KLÜGER PUBLIZIEREN für Verlagsautoren und Selfpublisher - Stephan Waldscheidt - Страница 10

Themen und Trends: Wie trendy sind Sie? Wie trendy wollen Sie sein?

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Themen und Trends sind so scheu wie eine Herde Rehe. Oft verschwinden sie im Unterholz, bevor man sie richtig zu Augen bekommt. Tendenziell sind eher Sachbuch- oder Ratgeberthemen trendabhängig, das heißt, sie erfordern schnelles (Re-)Agieren. Belletristische Themen sind langlebiger, Trends und das schnelle Aufspringen auf den Trendzug weniger wichtig. Doch auch dort existieren sie und werden von Verlagen erkannt und bedient.

In der Praxis: Verlagsautorin Vera hat einige Ideen für einen neuen Thriller. Doch worum soll es in dem Thriller gehen? »Die Finanzkrise in Europa«, so sagt ihr Agent, »ist immer noch trendy. Das als Thrillerstoff, das suchen die Verlage, wie mir gestern zwei Lektorinnen unabhängig voneinander gestanden haben.« Vera interessiert sich nicht sonderlich für Wirtschaft. Ihr schwebt als Thema des Romans eher etwas anderes vor: Gewalt in der Ehe. Doch ihr Agent rät ihr ab. »Das Thema ist durch, dazu sind vor drei, vier Jahren einige schöne Romane zu erschienen. Momentan will das keiner haben.« Vera aber beharrt darauf, und ihr Agent zieht schließlich mit. Sie einigen sich darauf, dass der Antagonist der Heldin, ihr Ehemann, als Investmentbanker mit Hedgefonds arbeitet, sodass die Krise zumindest am Rand mit in den Roman hineinspielt – und von der PR-Abteilung des Verlags als Aufhänger benutzt werden und in den Klappentext einfließen kann.

In der Praxis: Volkers Lektor Rüdi hat den Verlag verlassen, und er schreibt seinen Roman, den er zusammen mit Rüdi entwickelt hat. In dem historischen Roman geht es um die ersten Bergleute im Saarland und das harte Leben am Ende des neunzehnten Jahrhunderts. Doch als man Volker endlich einen neuen Ansprechpartner im Verlag zur Seite stellt, ist die Rohfassung des Romans längst fertig. Die neue Lektorin, Gerti, ist nicht begeistert. »Nein, die Gegend ist unsexy, außerdem hat Zola das Thema schon vor hundert Jahren abschließend behandelt. Ich glaube nicht, dass ich das im Verlag durchkriege, tut mir leid.« Volker ist frustriert. Soll er es bei einem anderen Verlag versuchen? Oder das Buch irgendwie durchboxen? Oder etwas ganz anderes schreiben?

Themen und Trends sind ein kitzliges Thema vor allem deshalb, weil sie mehr auf Meinungen, Hoffnungen, Erwartungen, Hörensagen und in die Zukunft fortgeschriebenen Erfolgen aus der Vergangenheit fußen als auf Fakten. Was in dem einen Verlag als Trendthema gilt, kann für den anderen schon ein alter Hut sein und kaum verkäuflich.

Gerade Agenten, die sich auf ihre Kenntnis des Marktes einiges einbilden, senden ihren Autoren in kurzer Zeit schon mal gegensätzliche oder schlicht falsche Signale. Eine mögliche und fatale Folge: Sie bringen den Autor vom Schreiben eines Buchs ab, das für ihn das richtige Buch zur richtigen Zeit gewesen wäre.

Die Wahrheit über Trends ist: Sie lassen sich erst im Nachhinein erkennen, frühestens währenddessen und im Zweifel zu spät. Nicht unbedingt für den Autor eines knappen Sachbuchs oder Ratgebers, schon eher jedoch für einen Romanautor. Obwohl das nicht einmal am Autor liegen muss.

Ironischerweise waren es gerade die den Trends hinterherjagenden Publikumsverlage, die am unbeweglichsten darauf reagieren konnten. Doch das ändert sich. Immer mehr Verlage bringen spezielle E-Book-Reihen auf den Markt oder pushen kürzere und damit schneller zu schreibende Publikationsformen wie Kurzromane und Novellen, um eben dieses Tempo mitzumachen. Harte Konkurrenz für Selfpublisher!

Hinzu kommt: Große Verlage haben die Macht, Trends – zumindest in Grenzen – selbst anzustoßen. Wenn etwas in der Branche als »heiß« hochgeredet wird, ist es häufig heiß, weil in dem Fall viele Verlage genau nach dem Manuskript suchen, welches den heraufbeschworenen Trend oder das Thema bedient.

Wer bei einem solchen Verlag mit im Trendboot sitzt, hat gute Karten. Etwa dabei, dass sein trendiges Buch vom Verlag gepusht und mit mehr Werbegeld unterstützt wird.

Andererseits helfen dem Selfpublisher Kontakte in die Branche fast ebenso viel – und dann kann er schneller sein als der Kollege mit Verlagsvertrag.

Spannend ist es für Hybrid-Autoren, die beide Publikationsformen nutzen. Einer mag im Verlag einem Trendthema hinterherschreiben, während er als Selbstverleger auf Trends pfeift. Ein anderer macht es genau umgekehrt.

In der Praxis: Unbeeindruckt von Trends – tatsächlichen, zukünftigen, herbeigeredeten, heraufbeschworenen – kann sich auch Selbstverlegerin Selma fühlen. Sie hat da diese Idee mit diesem Märchenbuch, irgendetwas mit chinesischen Märchenfiguren, die in einer futuristischen Version von Berlin auftauchen, und da ist keiner, der ihr sagt, dass Märchen out sind, in jeder Form, oder dass man gefälligst in einem festen Genre schreiben solle, wenn man gelesen werden will. Selma konzentriert sich auf die Geschichte, die sie erzählen will. Sie zu erzählen, ist für sie eine Flucht in eine Parallelwelt. Eine Flucht, die ihr nicht mehr gelänge, wenn sie andauernd daran denken müsste, ob sie auch den richtigen Trend zur richtigen Zeit bedient oder daran, ob ihr Roman wohl einen Verlag findet. Selma schreibt einfach – und das trägt nicht unerheblich zur Qualität ihrer Texte bei.

Für die Mehrzahl der Autoren wäre dieses Vorgehen der sichere Weg in finanzielle Verluste. Doch vielen davon ist das wurscht. Sie schreiben einzig, weil es ihnen Freude macht, sie schreiben, weil sie schreiben müssen, um sich wohlzufühlen. Ihr Brotjob und ihr Familienleben fordern ihnen genug ab. Dazu soll das Schreiben einen Ausgleich schaffen.

Nein, für viele Autoren ist das Lustschreiben genauso wenig ein finanzieller Verlust wie es für andere die Jahresgebühr im Tennisverein oder das Abonnement der Flugrevue ist – für sie ist es normal, dass ein Hobby Geld kostet. Selbst für die, die Bücher veröffentlichen, die gerne Bücher verkaufen würden.

Trends? Interessieren sie nicht. Und wenn, dann zufällig: Weil jeder gerade über Drohnen schreibt, tun sie das auch – weil sie schlicht eine Menge über Drohnen gelesen haben.

Themen? Sie nehmen die Themen, die sie schon lange umtreiben, oder sie nehmen Themen, die sie aktuell beschäftigen. Die Energiewende? Warum sollte man darüber nicht noch ein weiteres Sachbuch schreiben, wenn man eine fundierte Meinung dazu hat?

Das Gegenteil eines Trends ist das Risiko. Für manche Autoren hat das Wort etwas Bedrohliches, sie denken daran, was sie alles verlieren können, wenn sie mit ihrem Projekt scheitern, weil es komplett am Markt, am Zeitgeist, am Trend vorbeigeht: Zeit, Geld, Mut, Anerkennung, Selbstvertrauen.

Vielleicht haben Sie auch Angst, sich mit Ihrem Thema in die Öffentlichkeit zu begeben, Angst vor Spott, davor, falsch verstanden zu werden, Angst, verletzt zu werden, wenn Sie sich öffnen, Angst vor Kritik, vor Ausgrenzung, vor Neid.

Wenn Sie zu den risikoscheuen Autoren gehören, sollten Sie hinter das Wort Selfpublishing ein großes Fragezeichen setzen. Gehören Sie zu den Autoren, die von den beschriebenen Ängsten beherrscht werden, gehört das Fragezeichen sogar hinter das Wort Publishing.

Bedeutet Risiko für Sie aber vor allem die Aussicht auf große Gewinne oder zumindest auf Abenteuer und das Entdecken neuer Welten, haben Sie eine Eigenschaft, die Sie zu einem Kandidaten fürs Selfpublishing macht.

Selbst wenn der Selfpublisher letztlich über dasselbe Thema schreibt wie der Verlagsautor, selbst wenn er demselben Trend hinterherschreibt, so tut er das doch häufiger aus eigenem Antrieb. Und vielleicht entstehen dadurch authentischere Bücher, Bücher mit mehr Leidenschaft – und wenn das auf ein solides Handwerk trifft, können auch im Selfpublishing Bücher erscheinen, die sowohl trendig als auch gut sind.

Da wäre noch die Sache mit der Flexibilität. So schnell wie ein Selfpublisher kann kaum ein Verlag, nicht mal ein kleiner, ein bestimmtes Thema bedienen, das gerade die Menschen bewegt. (Auch wenn sich das allmählich ändert, siehe oben.) Der Selfpublisher empfängt Schwingungen aus seiner Umgebung, aus News-Portalen im Web und Nachrichten im Fernsehen. Er leitet das durch seine eigenen Gedanken und Ideen und Erfahrungen und destilliert daraus ein Buch hochprozentiger Aktualität. Wenn er dann noch schnell und ansprechend schreibt, landet das Buch als eines der ersten mitten im Herz eines Trends.

Leider ist das nicht alles. Solange niemand weiß, dass es dieses Buch gibt, nutzt auch die Geschwindigkeit nichts, mit der es auf den Markt kommt, und alle Aktualität ist hinfällig. Vielleicht spricht sich das Buch herum, wird von Blog zu Blog gereicht und durch Facebook und Twitter bekannter gemacht. Aber bis es endlich auf ein breiteres Publikum stößt, ist womöglich doch schon der Konkurrenztitel aus dem großen Verlag auf dem Markt.

Nicht zu vergessen: Trends allzu schnell hinterherzuhecheln, verkürzt automatisch das Nachdenken über diesen Trend. Verkürzt die Beschäftigung mit dem Thema. Verkürzt die Gedankengänge und die Argumentationsketten und resultiert, bei allem Tempo, leicht in einem unausgegorenen Getränk, das niemandem schmeckt und seinem Autor nach der voreiligen Publikation sauer aufstößt.

Dennoch wird es immer wieder Fälle geben, in denen der Autor gründlich genug nachgedacht hat, um einer der Ersten im Trendboot zu sein, und zwar mit einem ausgegorenen Werk und schneller als die Trendjäger aus den Verlagen. Wenn dann der Buzz der Webcommunity laut genug ist, verbreitet sich das Buch schneller als alle anderen. Damit schafft es, was eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen großen Erfolg im Trendgeschäft ist: Sei (einer) der Erste(n)!

Linktipp: Eine neue Entwicklung aus den USA war vorherzusehen: Dort lässt Swoon Reads, ein Young-adult-Imprint von Macmillan, Leser darüber abstimmen, welches Manuskript zum Buch wird. Mehr darüber lesen Sie in diesem Artikel der New York Times mit Verweisen zu weiteren Berichten und Experimenten rund ums Thema Crowdsourcing bei Büchern:

http://j.mp/1otZn09 (Englisch).

Fazit: Themen & Trends

Der Selfpublisher kann fixer am Trend dran sein. In den Verlagen aber ist man oft näher am Markt. Und: Die Verlage werden durch eigene E-Book-Programme und Print-On-Demand schneller.

Verlagsautoren

+ Mögliche Unterstützung und Input beim Finden und Entwickeln von Themen.

+ Agenten und Lektoren sind in vielen Fällen näher an der Branche dran als der Autor und wissen daher tendenziell eher, welche Themen angesagt sind, welche Trends in der Luft liegen und welche lange genug trendy sein werden, dass man dazu noch ein Buch schreiben kann.

+ Die Eingrenzung des Spektrums auf ein bestimmtes Thema, einen bestimmten Trend tut der Kreativität fast immer gut (siehe Ideen).

+ Gemeinsames Suchen nach Themen kann befruchtend wirken: auf das konkrete Projekt, auf das Aufspüren und sogar auf das Setzen von Trends.

+ Große Verlage haben die Macht, Trends – zumindest in Grenzen – selbst anzustoßen.

+ Gerade wenn Agent oder Lektor einen Autor gut kennen, können sie ihm beim Finden seiner Themen helfen. Welche Themen beispielsweise treiben den Autor in seinen bisherigen Werken um? Oft braucht es zu der Erkenntnis einen Dritten.

+ Geringere Gefahr für den Autor, in eine total falsche (d. h. unverkäufliche) Richtung zu schreiben.

– Auch Agenten und Lektoren wissen nicht alles – über die Zukunft schon gar nicht.

– Wer sich zu sehr auf Trendthemen verlässt, läuft womöglich den Trends nur hinterher.

– Wer sich zu sehr auf Trendthemen verlässt, verliert seine Themen, die, die einen tief im Inneren umtreiben, leicht aus den Augen. Die Folge sind blutleere Bücher, ohne Leidenschaft geschrieben.

– Wenn Sie in einem großen Verlag oder einer großen Agentur nur ein Autor unter vielen sind, dürfen Sie nicht erwarten, dass man Ihnen beim Finden von Trends weiterhilft – auch nicht dann, wenn Sie diese Hilfe gut gebrauchen könnten.

– Der Autor wird in eine Richtung manövriert oder sogar gedrängt, die ihm nicht gefällt oder nicht passt.

– Da derselbe Trend oft von vielen erspürt wird, zumal wenn das Thema »in der Luft liegt«, kommt der Autor entweder zu spät oder muss sich den Markt mit zu vielen anderen teilen.

Selfpublisher

+ Schnellstmögliche Reaktion auf aktuelle Trends.

+ Aufgrund der kürzeren Reaktionszeit kann der Autor sogar in gerade angesagte Trends rechtzeitig einsteigen.

+ Beharren auf den Themen, die dem Autor wirklich etwas bedeuten, die ihn umtreiben und antreiben, kann zu besonders leidenschaftlicher Auseinandersetzung mit einem Thema führen.

+ Da im Selfpublishing keine Vorgaben zum Umfang oder zur Reihenaufmachung eines Buchs gelten, kann der Autor mit einem sehr dünnen Werk besonders schnell und kurzfristig auf den Trendzug aufspringen.

+ Möglichkeit, sein bereits erschienenes Werk umgehend Veränderungen im Trend anzupassen.

± Völlige Freiheit beim Finden und Entwickeln von Themen.

– Gefahr des »Schreibens am Markt vorbei«.

– Gefahr, blind und hektisch in Trends einzusteigen, was zu schlechten Büchern und, im Wiederholungsfall, zu einem schlechten Image des Autors führt.

– Gefahr, dass das Thema nicht stark oder interessant genug ist, einen ganzen Roman zu tragen oder ein komplettes Sachbuch.

– Gefahr, dass der Autor sich zu wenige Gedanken über das Thema macht und einfach losschreibt. Das Ergebnis: ein nicht durchdachtes, unausgegorenes Buch.

– Gefahr, dass überhaupt kein Thema gefunden wird – was zu chaotischen Romanen oder unfokussierten Sachbüchern führt.

Diese Fragen sollten Sie sich ehrlich beantworten:

Hilft es mir, meine Arbeit zu fokussieren, wenn man mir sagt, welche Themen oder Trends ich bedienen soll?

Weiß ich überhaupt, welche Themen mich am stärksten beschäftigen und umtreiben? (Tipp: Machen Sie eine Liste!)

Habe ich einen Riecher für verkäufliche Themen, der sich in der Vergangenheit bereits gezeigt hat? Gehe ich das Wagnis ein, daraus auf die Zukunft zu schließen?

Sind solche Themen mehrheitsfähig? Falls nicht, kümmert mich das?

Bin ich in der Lage, ein Thema weiterzuverfolgen, selbst wenn die Mehrheit es für out hält?

Welchen Wert lege ich darauf, dass meine Bücher trendy sind?

Will ich Trends hinterherlaufen oder will ich lieber Trends setzen? (Mit der ehrlichen Erweiterung, dass Letzteres sehr, sehr viel schwieriger und aufwendiger ist, insbesondere für einen Selfpublisher.)

Habe ich einen Riecher für verkäufliche Themen, der sich in der Vergangenheit bereits gezeigt hat?

Bin ich ein Schnellschreiber, ohne dass unter dem Tempo die Qualität deutlich leidet?

Habe ich einen eher durchschnittlichen oder eher außergewöhnlichen Geschmack? Weiß ich, in welchen Bereichen meine Interessen progressiv und wo sie konservativ sind?

Entscheidungshilfe: Verlag oder Selfpublishing?

Wie wichtig ist mir das Thema »Trends«?

(1 = weniger wichtig; 2 = wichtig; 3 = sehr wichtig.)

Welcher Publikationsweg passt beim Thema »Trends« besser zu mir?

(Vergeben Sie an Verlag oder Selfpublishing je nach Wichtigkeit 1, 2 oder 3 Punkte.)

Ihre Entscheidung:

Verlag: ___ Punkte; Summe: ___ Gesamtpunkte

Selfpublishing: ___ Punkte; Summe: ___ Gesamtpunkte

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