Читать книгу KLÜGER PUBLIZIEREN für Verlagsautoren und Selfpublisher - Stephan Waldscheidt - Страница 13

Der Schreibprozess: Deadlines, Disziplin und Motivation

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Nach der Konzipierung des Sachbuchs oder Romans folgt endlich das Eigentliche: das Schreiben. Falls Sie zuvor einen Verlagsvertrag über das Werk abgeschlossen haben, wird man Ihnen von Verlagsseite zur Fertigstellung eine begrenzte Zeit zur Verfügung stellen, an deren Ende eine Deadline steht. Bis dahin müssen Sie das Manuskript abliefern.

Manche Autoren setzt eine solche Deadline stark unter Druck. Einige von ihnen so stark, dass sie dadurch blockiert werden und gar nichts mehr zu Papier bringen. Ein fixer Abgabetermin kann insbesondere bei weniger erfahrenen Autoren zum Problem werden.

So etwa bei Antonia. Weil sie nicht abschätzen konnte, wie lange die Recherche für ihren historischen Roman dauern würde, liegt sie nun schon zwei Jahre hinter der Deadline zurück – zum Glück nur hinter ihrer eigenen, denn einen Verlag hat sie nicht.

Die wenigsten Neulinge können abschätzen, wie lange sie für die Recherche, fürs Schreiben und fürs Überarbeiten benötigen. Nicht selten liegen sie, wie Antonia, kolossal daneben. Das ist keine Schande, sondern gehört zum Erlernen des Schreibhandwerks dazu.

Hektik tut einem Buch nie gut, erst recht nicht nackte Panik. Hinzu kommt bei den meisten Autoren, dass ein Brotberuf und ein ausgefülltes Familienleben das Finden und Nehmen der Schreibzeit erschweren. So wird die Deadline für manche schnell so gruselig, wie das Wort klingt.

Es ist nachvollziehbar, dass Verlage gerade den Erstling gerne vollständig vorliegen haben möchten, bevor sie einen Autor unter Vertrag nehmen.

Im Sachbuch sieht das ein wenig anders aus. Da kann ein Autor allein durch seine Sachkompetenz und die engere Zusammenarbeit mit dem Lektorat oder der Redaktion das Ziel »fertiges Manuskript« leichter erreichen. Wie Bertram, der sich als Professor für Numismatik kompetent zu seinem Buchthema »Geschichte im Spiegel von Kopf und Zahl« äußern kann.

Manche Autoren brauchen die Zusammenarbeit mit anderen, um überhaupt ein in sich geschlossenes und schlüssiges Werk zu einem Thema zustande zu bringen. Hier kann der Lektor oder Redakteur, wie er in Sachbuchverlagen auch heißt, als Partner Gold wert sein.

In der Praxis: Dann gibt es noch die Autoren, die erst unter einer Deadline so richtig aufblühen. Wie Astrid, die schon in der Schule für die am selben Tag anstehende Klausur immer erst morgens im Bus lernte. Heute freut sie sich über die Zielvorgabe »Ende März 2015«. Jetzt, wo sie weiß, wann ihre Lektorin das Manuskript auf dem Schreibtisch haben will – und wann die nächste Rate der Vorschusszahlung fällig wird! –, kann sie genau planen.

Sie hat zweihundertfünfzig Tage Zeit für die anvisierten vierhundert Seiten. Sie plant fünfundzwanzig Tage für die Recherche und genaue Konzipierung ein sowie fünfundzwanzig Tage für die Überarbeitung. Folglich muss sie jeden Tag zwei Seiten schreiben, um ihr Soll einzuhalten. Sie nimmt sich drei vor, um einen Puffer zu haben. Eine gute Idee, denn das Leben kommt dem Schreiben immer mal wieder dazwischen.

Durch die Planbarkeit nimmt eine Deadline Autoren wie Astrid etwas von der Angst, vor einem gewaltigen Berg zu stehen, den Sie nicht bewältigen können. Erst wenn sie wissen, wie hoch der Berg ist und bis wann sie oben sein müssen, lässt sich die Tour in Etappen aufteilen.

Oder, auch da hilft die Erfahrung, sie sehen, dass sie die Deadline nicht einhalten können, und vereinbaren mit dem Verlag eine neue. Die meisten Verlage sind da, in Grenzen, durchaus kulant. Wurde der Erscheinungstermin jedoch bereits in der Verlagsvorschau angekündigt, wird die Deadline eine Stufe ernster. Denn neben dem Verlag warten jetzt noch die Verlagsvertreter, der Buchhandel und vielleicht sogar die Medien auf das Erscheinen.

Nehmen Sie sich nicht Autoren wie George R. R. Martin zum Vorbild, der seine Deadlines schon mal mehrere Jahre überzieht. So etwas können Sie sich nur als Bestsellerautor leisten und auch dann werden Sie wegen der Verspätung einiges einstecken müssen – bis hin zu Vertragsstrafen!

Manche Autoren lassen sich von einer Deadline motivieren: Endlich ist da ein Verlag, der sich für Ihr Werk interessiert, der es herausbringen will, und da macht das Schreiben gleich noch mal so viel Spaß. Wenn sie wissen, dass am Ende der Mühen tatsächlich ein Buch herauskommen wird. Für so manchen Autor ist das pure Energie.

Andere Autoren jedoch fühlen sich ohne den Druck, den Roman zu einem bestimmten Zeitpunkt abliefern zu müssen, freier. Bei ihnen ist es genau diese Freiheit, die erst für den Schreibfluss sorgt. Längst nicht jeder aber weiß mit einer solchen Freiheit etwas anzufangen, auch die nicht, die zuvor fest davon überzeugt waren. Autoren sind Menschen, und das Fehlen eines festen Abgabetermins führt dazu, dass der Schlendrian, ganz offiziell, einreißen darf. Und, so lehrt die Erfahrung, genau das wird er tun.

Die ersten Wochen schreibt es sich enthusiastisch. Dann aber kommt eine Erkältung dazwischen, ein Urlaub, Stress im Brotjob und mit dem Partner, und irgendwann verliert man das Ziel »fertiges Manuskript« ganz aus den Augen. Wer sich aber erst einmal das Schreiben abgewöhnt hat, gewöhnt es sich nur noch schwer wieder an.

Während für Autoren, die vor allem vom Schreiben leben, das Nichtschreiben einen konkreten Verlust von Einkommen bedeutet, läuft es für andere genau umgekehrt: Sie verzichten ganz konkret auf Einkommen, etwa auf gut bezahlte Überstunden, um schreiben zu können. Manche stecken das weg, können es sich leisten. Andere leisten es sich auch, womöglich aber nur kurze Zeit, bis die Miete bezahlt werden will, Strom und Wasser und die Klassenfahrt des Sohnemanns.

Um finanzielle Notlagen ihrer Autoren zu vermeiden, hat man in den Verlagen den Vorschuss erfunden. Ursprünglich sollte die Vorschusszahlung dem Autor die Zeit zum Schreiben kaufen. Wer in einem Publikumsverlag veröffentlicht, darf mit Vorschüssen rechnen. Der Selfpublisher nicht. Immerhin fließt nach der Selbstveröffentlichung in aller Regel das Geld deutlich eher aufs Konto.

In der Praxis: Sebastian verzichtet auf die Überstunden, die er früher gemacht hat, um sich seine Hobbys zu finanzieren. Jetzt schreibt er in dieser Zeit lieber. Für umsonst. Jede Stunde, in der er schreibt, verliert er Geld. Und er weiß nicht, ob dieses Geld jemals wieder hereinkommt. Er kann es sich leisten. Aber fürs Schreiben verzichtet er auf so manches.

Als Selbstverleger sollten Sie die Opportunitätskosten nie vergessen. In der Zeit, in der sie – unentgeltlich – schreiben, können sie nicht woanders Geld verdienen. Anders als der Verlagsautor haben Sie keinen Vorschuss, der Sie eine Weile über Wasser hält. Anders als der Verlagsautor werden Sie mit geringerer Wahrscheinlichkeit Geld mit dem Selbstpublizierten verdienen.

Ein kleiner Trost für Sie: Die Vorschüsse für nicht etablierte Autoren bewegen sich im mittleren vierstelligen Bereich, also bei drei bis sechstausend Euro. Im Kinder- und Jugendbuch liegen die Vorschüsse selbst bei den großen Verlagen nicht selten noch darunter. Mehr über den Vorschuss lesen Sie in einem eigenen Kapitel weiter unten.

Zum Leben reicht ein solcher Vorschuss nicht, nicht mal, wenn Sie zwei oder drei Romane pro Jahr schreiben und an Verlage verkaufen. Die Aussichten auf mehr Geld sind ebenfalls beschränkt: Die Mehrzahl der Titel spielt nicht einmal den Vorschuss ein. Der durchschnittliche Autor streicht den Vorschuss ein – und das war’s an Geldzufluss vonseiten des Verlags.

Kein Wunder, dass auch die Mehrzahl der Verlagsautoren neben dem Schreiben noch einem anderen, einträglicheren Beruf nachgeht oder Sponsoren hat in Form von gut verdienenden Ehepartnern oder spendablen Eltern.

Schreiben kostet Zeit und damit in vielen Fällen schlicht: Geld. Vor allem Sie als Selfpublisher. Und das auch dann noch, wenn Sie das eigentliche Veröffentlichen nichts kostet außer Zeit. Und die Vermarktung? Sie lässt sich ebenfalls nicht ohne kostbare Zeit bewerkstelligen.

Schreiben ist zum Großteil Handwerk, egal ob Sie einen Roman schreiben oder ein Sachbuch. Zu diesem Handwerk gehören Grammatik und Zeichensetzung. Viele Verlagsautoren müssen sich mit dem Handwerk stärker auseinandersetzen als Selfpublisher.

Überspitzt gesagt: Sie können ohne jede Vorbelastung durch Grammatik, Interpunktion, Stil- und Sprachgefühl einen Roman selbst veröffentlichen. Einen Verlag werden Sie mit diesem Beweis Ihrer Unprofessionalität nicht überzeugen, auch dann nicht, wenn sich die Geschichte einigermaßen spannend liest. Die Leser überzeugen Sie natürlich auch nicht. Und auf Letzteres kommt es an. Bei jeder Form des Publizierens.

Sich mit dem Schreibhandwerk auseinanderzusetzen und sich in Fragen der Erzähltechnik ebenso auszukennen wie im Umgang mit der Sprache, sollte für jeden Autor eine Frage der Berufsehre sein.

Sie wollen Geld mit dem Schreiben verdienen? Das heißt, Sie wollen ein Profi sein – dann sollten Sie sich auch wie ein Profi aufführen. Niemand beherrscht Rechtschreibung und Grammatik in Vollendung, keiner liefert einen fehlerfreien Text ab. Aber Sie sollten dem wenigstens nahekommen und sich weiterbilden, ganz gleich, ob Sie für einen Verlag arbeiten oder Ihre Werke in Eigenregie veröffentlichen.

Autorenberaterin Rachelle Gardner schreibt dazu in ihrem Buch »How Do I Decide?«: »Wenn Sie nicht auf die Qualität Ihrer Arbeit achten, töten Sie Ihre Karriere als Autor, bevor sie beginnt.«

Zur Professionalität gehört auch ein anderer Aspekt: Schreiben erfordert Disziplin, das Überwinden von Selbstzweifeln, dauerndes Sich-selbst-Motivieren, eine kluge Planung der Schreibzeit und der Karriere als Autor. Mehr zu diesen Punkten finden Sie in meinem Ratgeber »Autors kleiner Helfer«:

http://j.mp/1vgxPMk

Wenn Sie in einem Verlag veröffentlichen, haben Sie es ein wenig leichter bei der Selbstdisziplinierung Ihrer kreativen Autorenpersönlichkeit. Verlagsautor Volker weiß das. Seine Zweifel bespricht er mit seiner Lektorin, die Deadline zwingt ihn zu diszipliniertem Arbeiten, für Motivation sorgen die Zahlungen des Verlags, die Leserzuschriften, die Ermunterungen der Lektorin, die ihm berichtet, wie sehr man im Verlag seinen letzten Roman liebt.

Das Meiste aber liegt an ihm.

Wenn Sie sich ans Selbstverlegen wagen, tun Sie gut daran, sich nach Menschen umzusehen, die Sie unterstützen und Ihnen, wenn nötig, in den Allerwertesten treten. Das kann ein Ehepartner sein, der Sie bei Zweifeln aufbaut, eine Kollegin, mit der Sie sich gegenseitig Deadlines setzen, ein guter Freund, der als zuverlässiger und schneller Testleser fungiert.

Das Meiste aber muss aus Ihnen selbst kommen.

Schreiben ist hart. Es ist nicht nur der wichtigste, sondern auch der härteste Teil im Prozess der Buchentstehung. Dennoch sollte es der Teil sein, der Ihnen am meisten Freude macht, der Ihnen am meisten bedeutet. Ansonsten sollten Sie statt sich selbst vielleicht lieber andere verlegen.

Schreiben ist auch der Teil, den Sie am stärksten beeinflussen können. Tun Sie es.

Wie Sie die Inhalte gestalten, ist nicht Teil dieses Buchs. Über das Schreiben von Sachbüchern und das Schreiben von Romanen und Kurzgeschichten sind zahlreiche Ratgeber erschienen. Einige davon zu lesen, wird Sie zu einem besseren Autor machen und Ihnen eine Menge Zeit und Mühe ersparen. Vor allem, wenn Sie eine längerfristige Karriere als Autor anstreben, empfehle ich solche Ratgeber dringend. Lesen Sie in einige hinein, probieren Sie einige aus.

Tipp: Am meisten helfen Ihnen Schreibratgeber, wenn Sie sie mit einer konkreten Frage oder einem bestimmten Projekt im Hinterkopf durcharbeiten. Durchlesen und anstreichen allein hilft nicht viel.

Ich selbst lese einige Ratgeber oder bestimmte Stellen darin immer wieder, jedes Mal mit einem anderen Roman in der Mache. Und jedes Mal ziehe ich neuen Nutzen, neue Ideen aus dieser Lektüre.

Buchtipps:

Die besten Tipps zum Schreiben finden fortgeschrittene Autoren in der amerikanischen Creative-Writing-Literatur. Dort empfehle ich die Bücher aus dem Verlag Writers Digest (Englisch):

http://www.writersdigest.com

Für Einsteiger hilfreich und auf Deutsch:

»Wie man einen verdammt guten Roman schreibt« von James N. Frey.

»Das Leben und das Schreiben« von Stephen King.

»Wort für Wort – oder: Die Kunst, ein gutes Buch zu schreiben« von Elizabeth George.

Für Fortgeschrittene empfehle ich mein Blog (nicht nur) für Romanautoren:

http://schriftzeit.de/

Und meine Schreibratgeber:

http://schriftzeit.de/schreibratgeber

Fazit: Der Schreibprozess

Neben Talent und handwerklichen Fähigkeiten brauchen Sie Zeit, Disziplin und Motivation. Vielen hilft dabei eine gute und enge Zusammenarbeit mit einem Verlag. Manche aber arbeiten auf sich allein gestellt freier.

Verlagsautoren

+ Kann bei bestehender Verbindung zu Agent oder Verlag bei unerwarteten Schwierigkeiten während des Schreibens auf Rat und Hilfe hoffen.

+ Ein Verlagsvertrag und ein Vorschuss können sehr motivierend wirken.

± Falls ein Vertrag abgeschlossen wurde, haben Sie meist eine Deadline zur Ablieferung des Manuskripts. Diese gibt Ihnen eine Richtschnur, mit der Sie Ihr Schreiben und Ihren Aufwand planen können. Manch einer braucht den Druck, um überhaupt Text zu produzieren. Andere aber werden unter dem Druck blockiert.

– Gefahr, die Unterstützung von Verlagsseite zu überschätzen. In großen Verlagen ist der Autor meist nur einer von vielen, in kleinen Verlagen hat man oft wenig Zeit für ihn. Für Agenturen gilt das Gleiche.

Selfpublisher

+ Viele schreiben freier, wenn sie für sich allein und für den eigenen Geldbeutel arbeiten können.

± Fehlende Deadline. Nimmt einerseits den Druck. Andererseits aber verführt es zu einer lässigen Einstellung, mit der sich kaum oder zu wenig Text produzieren lässt.

– Ist beim Schreiben allein. Kleine Krisen können sich so leichter zu großen Krisen auswachsen.

– Der Selfpublisher braucht meist noch mehr Selbstdisziplin beim Schreiben als sein Kollege im Verlag.

– Motivation kann fehlen oder geht leicht verloren, wenn Sie vor allem von außen angetrieben werden müssen, etwa durch Geld, Lektorenzuspruch, Leserzuschriften, gute Besprechungen.

– Keine institutionelle Hilfe und Unterstützung im Schreibprozess.

– Das Fehlen eines Vorschusses bringt finanzielle Probleme, die sich auch aufs Schreiben negativ auswirken können.

Diese Fragen sollten Sie sich ehrlich beantworten:

Arbeite ich besser und effektiver unter einer Deadline? Oder stört mich der Druck, das Buch zu einem bestimmten Termin fertig haben zu müssen, so sehr, dass ich kaum noch etwas zu Papier bringe? Achtung: Ist diese Beanspruchung von Freiheit in Wahrheit nur Angst vor dem Versagen oder Angst, das Manuskript zu beenden?

Bringe ich genug Disziplin auf, mir selbst eine Deadline zu setzen, wenn es nötig ist?

Kann ich als Autor und Mensch mit Druck oder mit dem Fehlen von Druck besser umgehen?

Schaffe ich es, mich von innen heraus und immer wieder selbst zu motivieren?

Kann ich es mir überhaupt leisten, so viel Zeit mit Schreiben zu verbringen?

Reicht die Zeit, die ich mit dem Schreiben verbringen kann, dafür, eine Verlagsdeadline einzuhalten?

Finde ich ausreichend Unterstützung für mich und meine Arbeit, etwa durch einen gut verdienenden Partner oder hilfsbereite Kollegen?

Entscheidungshilfe: Verlag oder Selfpublishing?

Wie wichtig ist mir das Thema »Schreibprozess«?

(1 = weniger wichtig; 2 = wichtig; 3 = sehr wichtig.)

Welcher Publikationsweg passt beim Thema »Schreibprozess« besser zu mir?

(Vergeben Sie an Verlag oder Selfpublishing je nach Wichtigkeit 1, 2 oder 3 Punkte.)

Ihre Entscheidung:

Verlag: ___ Punkte; Summe: ___ Gesamtpunkte

Selfpublishing: ___ Punkte; Summe: ___ Gesamtpunkte

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