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Roms Bronzegeld: besser als Gold
Indem Rom eine nationale Währung ausschließlich in Kupfer einführte, löste es eine Revolution in den Geldsystemen aller zivilisierten Nationen aus.
Noel Henry Humphreys1
Roms Bronzegeld
Als Lykurg in Sparta den Eisen-Nomisma einführte, entstand im westlichen Rom eine neue Kultur, die den Mittelmeerraum sowohl in militärischer als auch in monetärer Hinsicht beherrschen sollte. Die Griechen waren Künstler, die Römer Praktiker. Griechenland blickte ostwärts, Rom westwärts. Das jedenfalls sind die Klischees dieser beiden Kulturen. Was Rom jedoch deutlich von Griechenland unterschied, war sein Geldsystem.
Die Entwicklung Roms von einem winzigen Dorf im 8. Jahrhundert v. Chr. zum Begründer und Beherrscher der Weltordnung ist teilweise auf sein Bronzegeld zurückzuführen.[1] Während im Osten Geld aus Gold und Silber geprägt wurde, zog Rom als Grundstoff Bronze vor, eine hauptsächlich aus Kupfer, etwas Zinn und etwas Blei bestehende Legierung. Und dabei handelte es sich nicht um bloße Rohbronze, sondern um monetisierte Metallstücke, die als Nummi oder Nomisma bezeichnet wurden. Da ein Großteil der Edelmetalle in östlichen Tempeln gehortet wurde, war es einfacher, Kupfer zu beschaffen.
Roms monetäre Isolation
Die Entscheidung von Numa Pompilius (716–671 v. Chr.), dem zweiten König von Rom, statt Gold oder Silber Bronze zu verwenden, hatte weitreichende Konsequenzen. Sie führte zu einer Wertminderung von Gold und Silber und somit auch zu einer Machtminderung der östlichen Tempel und Kaufleute, die ihr Gold und Silber natürlich nach wie vor in Rom als Ware verkaufen konnten. Doch ohne seinen monetären Wert konnte Gold nur als Schmuck und als Zahlungsmittel im Außenhandel eingesetzt werden. Die Macht östlicher Tempel und Kaufleute, das römische Geld zu kontrollieren oder ihm zu schaden, wurde durch das Kupfergeld erheblich verringert, und die Chancen Roms, sein Schicksal selbst bestimmen zu können, wuchsen.[2]
Dieser monetäre Beschluss Roms war kein Zufall. Wollte Roms Führung damit bewusst den östlichen Einfluss abschwächen? König Numa, der glaubte, spartanischen Ursprungs zu sein, beendete außerdem auch die Praxis der Menschenopfer und setzte neue religiöse Institutionen ein, welche die gesamte römische Geschichte überdauerten.
Zunächst wirkte sich Roms monetäre Unabhängigkeit nur im Inland aus, doch mit Roms zunehmendem Einfluss gewann auch die römische Geldpolitik an internationer Bedeutung. Indem Rom eine nationale Währung ausschließlich in Kupfer einführte, löste es eine Revolution in den Geldsystemen aller zivilisierten Nationen aus, denn im Verlauf der römischen Eroberungszüge wurden die Gold- und Silberwährungen anderer Länder immer mehr vom römischen Kupfergeld mit römischen Gewichten und Maßen verdrängt – und dies mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit. (Nein, das ist kein Beispiel für das Greshamsche Gesetz, wonach gutes Geld von schlechtem Geld verdrängt wird.)
Rom verfügte über Edelmetalle und hätte sie als Geld verwenden können, wenn es dies gewollt hätte. (König Numa gründete zum Beispiel eine Goldschmiedegilde.) Livius betont, dass geprägte Bronzemünzen um 406 v. Chr. das einzige gesetzliche Zahlungsmittel waren, obwohl auch andere Metalle in großen Mengen vorhanden waren und sogar vom Staat gegossen wurden.2 Als Rom im Jahre 389 v. Chr. von den Galliern besetzt war, willigte es ein, zur Beendigung der Feindseligkeiten ein Lösegeld von 1000 Pfund Gold zu bezahlen. Plinius erwähnt Gesetze aus dem 4. und dem 3. Jahrhundert v. Chr., welche die Förderung von Edelmetallen in Italien untersagten. Rom versuchte, die Edelmetallgewinnung weitgehend zu verhindern.
Humphreys fasst die Entwicklung wie folgt zusammen: Die Römer führten Kupfer ein, da sie das Gold und Silber ihrer Nachbarn, das ihnen durchaus vertraut war, ablehnten und deshalb nicht übernehmen wollten.3 Zwar war in Rom immer auch ausländisches Geld in Umlauf. Diese Münzen hatten aber keine Zahlungsfunktion: sie waren lediglich Waren.
Der römische Nomisma
Frühere Versuche, König Numa als mythische Figur abzutun, wurden mittlerweile aufgegeben. Nach Emilio Peruzzi besteht kein Zweifel daran, dass Suetonius von einer römischen Tradition berichtete, wonach Numa der erste Herrscher war, der seinen Untertanen Bronzemünzen als Zahlungsmittel gab und diese Nummi nannte.4 König Numas’ Bronzegeld gab es in mehreren Erscheinungsformen: zuerst als Metallstück (aes rude), danach als gegossenes und später als geschlagenes Bronzegeld (aes grave). Mit der Zeit entwickelte es sich zu einem abstrakten numerischen Geld, d. h., der Wert begrenzter Münzgeldausgaben lag weit über ihrem Materialwert.
König Servius Tullius (578–534 v. Chr.), der vorletzte König von Rom, gründete eine Föderation lateinischer Nationen, deren gemeinsames Heiligtum der Diana-Tempel auf dem Aventinhügel war. Er führte Maße, Gewichte und die Prägung von Münzen mit Bildnissen von Tieren und dem doppelgesichtigen Gott Janus ein. Diese frühen Münzen waren oft mit der Ziffer 1 gestempelt, die wahrscheinlich ein Nummus oder Nomisma bezeichnete. Tullius hatte verfügt, dass Geldstrafen und Steuern in Nomisma an die Schatzkammern dreier Tempel zu zahlen waren.
Dieses Münzgeld beeinflusste weite Teile Italiens und war ohne jeden Zweifel ein gesetzliches Zahlungsmittel. Mit der Einführung des aes signatum unter Tullius wurde Bronze, das bereits eine monetäre Funktion erfüllte, zum gesetzlichen Zahlungsmittel in Rom.5
Dies ist ein historisches Beispiel für den wichtigen monetären Grundsatz, demzufolge ein abstraktes Symbol einen Wert annehmen kann, indem es zur Begleichung der Steuerschuld eingesetzt wird. In einem römischen Gesetz von 454 v. Chr. wurden allgemeinverständliche Kriterien für die Münzbewertung festgelegt. Ein Nomisma betrug 21⁄2 Asse. Jedes As wog 12 Unzen Rohbronze. 1 Schaf war nach dem Gesetz 10 Asse, 1 Ochse 100 Asse wert.[3] Hier handelt es sich um ein dokumentiertes Beispiel für die bereits früher von den östlichen Tempelkulten eingeführte Goldwertschöpfung auf der Basis von Rindern, wie sie Ridgeway erläuterte.
Mit der Zeit erhöhte sich der gesetzliche Wert des Nomisma auf mindestens das Fünffache seines dem Bronzegehalt entsprechenden Materialwertes. Betrug der Wert des Nomisma anfangs noch 9 bis 12 Unzen Bronze, so steigerte sich sein gesetzlicher Wert auf bis zu 30 Unzen. Dabei wurde das Gewicht des Nomisma über ein Jahrhundert lang kontinuierlich bis auf zwei Unzen reduziert, was jedoch zu keinen Klagen Anlass gab.
Auch dass die Reinheit der Bronze variabel war, kümmerte niemanden, da es schlichtweg unerheblich war. Die Münzen erhielten ihren Wert nicht aufgrund ihres Materialwertes, sondern aufgrund eines Gesetzes, und ihre Anzahl war begrenzt. Später, unter der Kontrolle des Senats, wurden sie mit SC[4] gestempelt. Die Bronzemünzen aus dieser Serie sind verschieden schwer und verkörpern mit Sicherheit Werte, die ihren Metallwert übersteigen.6
Unter diesem nominellen Geldsystem wurde das republikanische Rom immer einflussreicher, da es vom dekadenten Osten unabhängig blieb und die Errichtung finanzieller Brückenköpfe auf römischem Boden verhinderte. Mit dem Bronzegeld entwickelte Rom ein Rechtssystem, das überall in der Welt Beachtung fand und noch heute, 2300 Jahre später, als Vorbild dient. Dieses Rechtssystem war in einem in der Antike bis dahin ungekannten Umfang von der Religion getrennt.
Der Niedergang des römischen Geldsystems
Roms numerisches Geldsystem blieb 200 Jahre lang in Kraft. In dieser Zeit entsprang, wuchs und florierte alles, was wir an der römischen Zivilisation bewundern. Als das System zerfiel, verlor Rom seine Freiheiten. Zwar sollte der Staat noch mächtiger und gefürchteter werden, aber er war nicht mehr eins mit seinem Volk.7
Für Roms monetären Verfall zeichnet Del Mar das folgende Szenario: Bei ihren Eroberungen im Ausland erbeuteten die patrizischen Familien, die Hauptförderer der römischen Kriege, große Mengen Silber. Da sie ihre Soldaten in einer im Ausland gültigen Währung bezahlen mussten, genehmigte Rom den Patriziern im Jahre 269 v. Chr. die Ausgabe von privaten Silbermünzen.[5] Der diesen Silbermünzen (von den Patriziern?) zugewiesene Wert war vermutlich etwa fünfmal höher als der Wert ihres Silbergehalts. Das erbeutete Silber brachte den Patriziern also einen Gewinn von 500 %.
Diese fünfmalige Überbewertung des Silbers allein hätte nicht zum Zusammenbruch des römischen Geldsystems führen können. Ein nominelles Geldsystem erfordert sogar eine solche Überbewertung, wobei der daraus resultierende Gewinn allerdings der Gesellschaft als Ganzes zusteht. Was das System letztendlich in den Ruin trieb, war die unbegrenzte Ausgabe dieser Münzen.
Die Patrizier benutzten die Überbewertung, um die römische Gesellschaft von innen heraus zu plündern, indem sie den Staat Münzen prägen ließen. Als andere Stände davon erfuhren, beanspruchten auch sie einen Teil des Gewinns, und so wurde schließlich Silber un terschiedlichster Herkunft geprägt. Am Ende gab es ungefähr 160 lizensierte Denarii-Ausgaben, die manchmal als gentes bezeichnet wurden. Diese wurden im Jahre 207 v. Chr. zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt und begründeten damit den römischen Silberstandard.
Diese unbegrenzte Prägung von Silbermünzen vermehrte die gesamte zirkulierende Geldmenge erheblich. Dadurch sank der Wert des Denarius auf den Wert seines Silbergehalts herab. Das numerische Bronzegeld verlor ebenso an Wert.
Diese Entwicklung verdeutlicht den wesentlichen monetären Grundsatz, demzufolge die Kontrolle über die Ausweitung eines beliebigen Teils der gesellschaftlichen Geldversorgung in die Kontrolle über die Ausweitung der gesamten Geldversorgung übergeht.
Das Geldsystem der Patrizier veranschaulicht auch die Hauptgefahr eines nominellen Geldsystems: Da der gesetzliche Wert des Geldes so viel höher ist als der Wert seines Materials – ob unedles oder edles Metall, Papier oder ein Hauptbucheintrag in der Buchhaltung –, wird eine korrupte Elite stets versuchen, sich diesen Mechanismus zur Ausbeutung der Gesellschaft zu eigen zu machen.
Roms monetäre Isolation endet
In Rom begann die Geschichte des Warengeldes mit der Prägung des Silberdenarius, welche die monetäre Unabhängigkeit Roms beendete. Aufgrund der Ähnlichkeiten zwischen dem Silberdenarius und der attischen Drachme betrachteten die Römer beide Münzen als gleichwertig. Mit der Prägung des Denarius gab sich Rom ein Mischsystem, dessen Wertverhältnisse nicht dauerhaft festgelegt werden konnten. Ein Denarius entsprach 73 Gran Silber im Ursprungswert von 10 Assen. Ein Silbersesterz entsprach 21⁄2 Assen, die wiederum exakt den Wert eines Nomisma ausmachten. Dieser jedoch orientierte sich nicht am Markt, sondern war gesetzlich festgelegt und von der Ausgabenbegrenzung abhängig. Im Unterschied zum Nomisma war die Ausgabe von Denarii und Sesterzen unbegrenzt, so dass diese Münzen allmählich einen ihrem Warenwert zugrunde liegenden Marktwert annahmen.
Nachdem Rom erst einmal dazu übergegangen war, eine Ware als Geld zu verwenden, setzte eine endlose Suche nach Edelmetallen ein – eine enorme Kraft- und Energieverschwendung. Schlimmer noch: Da die Edelmetalle im Osten gehortet wurden, gewann der Osten wieder an Macht über Rom.
Das patrizische Münzwesen löste darüber hinaus auch Kämpfe zwischen den Ständen aus. Soziale Reibereien waren unvermeidlich, da sich diejenigen, die das Vorrecht der Denariusprägung besaßen, zu Unrecht selber bereicherten und gleichzeitig alle anderen Menschen benachteiligten. Einmal konzentriert, ließ sich dieser Reichtum leicht durch Wucher vergrößern. So ist es nicht verwunderlich, dass die nachfolgenden 200 Jahre der römischen Geschichte von Klassenkämpfen geprägt waren.
Das römische Silbergeld wird immer noch missverstanden
Ein gutes Beispiel dafür, wie die Geschichte des Geldes durcheinandergeraten kann, wenn man ihr eine Warengeldtheorie zugrunde legt, liefert Mathew Rapers in der übrigens ausgezeichneten Analyse Inquiry into the Value of Ancient Greek and Roman Money (1771). Das große Missverhältnis zwischen dem römischen Kupfergeld und dem älteren römischen Silbergeld habe viele zu der Vermutung veranlasst, dass die ersten denarii schwerer gewesen sein müssten. Es gelte nämlich als unglaubhaft, dass Silber 840-mal sein Gewicht in Kupfer wert sein sollte.8
Raper vergleicht das fünfmal überbewertete monetäre Silber mit nicht monetisiertem Warenkupfer. Auffallend ist auch hier die allgemeine Tendenz, Tatsachen zu leugnen. Doch Raper war aufrichtig: Er räumte ein, dass zu viele Beweise gegen eine Infragestellung der Münzgewichte sprachen. Trotzdem brachte ihn seine »klassische« Sichtweise vom Geld als Ware dazu, die Fakten falsch zu interpretieren. Er schließt nämlich nicht aus, dass Silber in Rom zum Zeitpunkt der ersten Prägung knapp war. Auch scheint es ihm wahrscheinlich, dass die Römer aus Unkenntnis und Mangel an Erfahrung in Geldangelegenheiten anfangs das Silber zu hoch bewerteten. Ohne die Vorstellung von Geld als abstrakter gesetzlicher Institution und nicht als bloßem Metallstück konnte Raper unmöglich ahnen, dass er wahrscheinlich den Zerfall eines nicht etwa auf Unerfahrenheit und Unwissenheit beruhenden, sondern im Gegenteil sehr fortschrittlichen Geldsystems beschrieb.
Die Einführung von Goldmünzen
Im Jahre 207 v. Chr. wurde in Rom eine 157-Gran-Goldmünze geprägt, die den Historiker Plinius den Älteren zu folgender Bemerkung veranlasste: »Das nächste Verbrechen gegen das Wohlergehen der Menschheit wurde von dem verübt, der als erster einen Denarius aus Gold prägte. Der Urheber dieses Verbrechens ist unbekannt. […] Würde dieses Gold doch für immer von der Erde verbannt, verwünscht durch weltweite Anzeigen, geschmäht durch die Vorwürfe der besten Männer und nur als eine dem Untergang der Menschheit förderliche Entdeckung angesehen.«9
Östliche Kulte infiltrieren Rom
Die Punischen Kriege gegen Karthago forderten einen hohen Tribut. In seinem Buch Der goldene Zweig (The Golden Bough) schildert Frazer, wie sich die kriegsmüden und verzweifelten Italiener nach sechzehnjährigem Widerstand gegen Hannibals Offensiven von einer Prophezeiung aus den Sibyllinischen Büchern verführen ließen: »Die Verehrung der phrygischen Mutter der Götter wurde von den Römern im Jahre 24 v. Chr., gegen Ende ihres langen Kampfes mit Hannibal, übernommen. Ihre niedergeschlagenen Gemüter waren nämlich rechtzeitig durch eine Prophezeiung aufgerichtet worden, die aus jenem bequemen Gemisch von Unsinn, den Sibyllinischen Büchern, stammen sollte. Danach sollte der fremde Eroberer aus Italien vertrieben werden, wenn die große orientalische Göttin nach Rom gebracht wurde. Infolgedessen wurden Gesandte in die ihr geweihte Stadt Pessinus geschickt. Der kleine schwarze Stein, der die mächtige Gottheit verkörperte, wurde ihnen anvertraut und nach Rom gebracht. Dort nahm man ihn voller Achtung auf und brachte ihn in den Tempel der Victoria auf dem Palatinus. […], und im folgenden Jahre schifften sich Hannibal und seine Veteranen nach Afrika ein. Als er die Küste Italiens zum letztenmal erblickte, wie sie in der Ferne verschwand, konnte er nicht voraussehen, dass Europa sich noch einst den Göttern des Orients ergeben würde, wenngleich es seine Waffen zurückgeschlagen hatte. Die Vorhut der Eroberer hatte sich schon im Herzen Italiens niedergelassen, ehe die Nachhut der geschlagenen Armee sein Gestade grollend verließ.«10 Diese als kultischer »Erfolg« gefeierte Befreiung Roms von Hannibal öffnete einer Reihe östlicher Kulte Tür und Tor.
Scipio Africanus, der bedeutendste römische Feldherr, besiegte schließlich Hannibal und zerstörte Karthago, obwohl er ihm sowohl in der Truppen- als auch in der Elefantenstärke unterlegen war. Der Krieg hatte jedoch bereits zum Zusammenbruch des Geldsystems und mit diesem auch des römischen Rechtssystems beigetragen. Mit dem Einzug der östlichen Kulte veränderten sich nun auch Geist und Gepflogenheiten Roms.
Durch die Verbindung monetärer und religiöser östlicher Einflüsse mit Klassenkämpfen wurden die römischen Institutionen stark unter Druck gesetzt. Mit der Knappheit von Silber konfrontiert, zogen es der Diktator Sulla und seine Anhänger vor, versilberte Münzen zu prägen. Dagegen wehrte sich eine Gruppe, die sich als die Nachfahren Numas betrachtete und Münzen aus reinem Silber forderte. Eigentlich verkörperte Sulla die monetären Vorstellungen Numas besser, doch wenn sich erst einmal die Ansicht durchsetzt, dass Geld eine Ware sei, kann dies leicht zu einer Verzerrung des »Moralbegriffs« in Geldangelegenheiten führen, wie noch zu schildern sein wird.
Um das Jahr 70 v. Chr. herrschte im römischen Geldsystem ein heilloses Durcheinander. Dazu Cicero: »Die Währung war derartigen Schwankungen ausgesetzt, dass niemand wusste, was er besaß.«
Mit dem monetären Chaos ging eine schwere Schuldenkrise einher. Ein Gesetz mit dem Namen lex valeria machte reinen Tisch, indem es auf die Schuldenabzahlung 75 % Rabatt gewährte. Doch der Reichtum blieb weiterhin in wenigen Händen konzentriert.
Übernahme durch die Cäsaren
Die römische Gesellschaft war anfällig für Diktaturen. Roms Aristokratie und Julius Cäsar standen bereit. Im Alter von 27 Jahren wurde Cäsar zum Pontifex ernannt. Eine hohe Auszeichnung, denn die fünfzehn Pontifices waren die oberste römische Sakralinstanz. Mit 36 Jahren wurde er Pontifex maximus, also oberster Priester Roms. Nach dem Triumvirat, dem Konsulat und den gallischen Feldzügen, mitten im Bürgerkrieg auf der Jagd nach Pompeius, dessen Kopf ihm in Alexandria »überreicht« wurde, ging Cäsar, mittlerweile 52 Jahre alt, im Jahre 48 v. Chr. zum Orakel des Jupiter Amon bei der berühmten Oase Siwa in der libyschen Wüste, um sich von den Tempelpriestern vergotten zu lassen. Bereits dreihundert Jahre früher war Alexander der Große nicht vor einem dreiwöchigen Umweg von mehreren hundert Fußmeilen durch die Wüste zurückgeschreckt, um sich nach seiner Eroberung Ägyptens von den Priestern in demselben Tempel deifizieren zu lassen.11
Cäsar kam nicht als bloßer Diktator, sondern als Gott nach Rom zurück – und er meinte es auch so. Er und später auch Augustus fassten die sakrale mit der säkularen Macht des Staates in den Händen des vergotteten Imperators zusammen. Die Trennung von sakralem und säkularem Bereich, einer der wichtigsten Beiträge Roms zur Entwicklung der Menschheit, war damit beendet. Die Kontrolle über das Geldsystem wurde dem religiösen Amt des Pontifex maximus übertragen.
Aber Rom ließ sich nicht so widerstandslos in die Diktatur führen. Cäsar wurde bald darauf von Brutus, der deshalb von vielen als Held gefeiert wurde, ermordet. Zum Gedenken an den Mord gab Brutus eine Münze mit zwei Dolchen und den Worten Eid Mar (die Abkürzung von Eidibus Martiis, d. h. die Iden des März, das Datum des Mordes) heraus. Cicero hielt dieses Vorgehen für gerechtfertigt und verteidigte es.
Die Tempel finanzierten Oktavians (Augustus’) Kampf um die Herrschaftsnachfolge. Appian erzählt in seiner Römischen Geschichte, Oktavian habe den bedürftigen Soldaten viele weitere Geschenke gemacht und sich dafür von den Tempeln Geld ausgeliehen.
Die Zerstörung des römischen Ethos
Die bereits von den östlichen Kulten geschwächte römische Moral zerbrach schließlich an den Bürgerkriegen. Appians Darstellung zeigt, dass es zahlreiche ungute Vorzeichen für die Zukunft gab: »Ein alter etruskischer Weiser wurde nach Rom gebracht, um die unglaublichen Zeichen zu deuten – Wölfe im Forum, schwitzende Statuen, sprechende Kühe, Stimmen aus dem Nirgendwo, dauernde Blitze. Er sagte, dass die königliche Herrschaft aus vergangenen Zeiten wieder zurückkehre und dass alle außer ihm selbst Sklaven würden. Daraufhin verstummte er und hielt den Atem an, bis er tot war.«
Viele berühmte Personen und Familien wurden in den kommenden Umwälzungen grausam ermordet, unter ihnen auch Cicero. Die täglichen Grausamkeiten und Greueltaten veranlassten Appian zu folgender Bemerkung: »Diese Dinge ereigneten sich nicht in einer gewöhnlichen Stadt oder in einem schwachen und unbedeutenden Königreich, sondern eine böse Gottheit erschütterte die mächtigste Herrin so vieler Nationen.«
Offenbar war es nicht das frühe Christentum, das Rom zugrunde richtete, sondern eine viel ältere Religion. Rom wurde nicht von unten nach oben vernichtet, sondern die Krankheit breitete sich wie in Amerika im 20. Jahrhundert von Osten nach oben und dann nach unten aus.
Eine zentrale Stelle von James Frazers Goldenem Zweig ist seine Analyse der Zerstörung der römischen Sozialstruktur durch die östlichen Kulte: »Die Religion der Großen Mutter mit ihrem seltsamen Gemisch von roher Barbarei und geistiger Sehnsucht war nur eine einzelne aus der Menge der orientalischen Religionen, die in den Tagen des Spätheidentums sich über das Römische Kaiserreich verbreiteten und die europäischen Völker derart mit fremden Lebensidealen sättigten, dass sie allmählich das ganze Gebäude der antiken Kultur untergruben. Die griechische und römische Gesellschaft war auf dem Begriff der Unterordnung des einzelnen unter die Gesamtheit, des Bürgers unter den Staat, aufgebaut. Sie stellte die Sicherheit des Gemeinwesens als höchstes Ziel der Verwaltung über die Sicherheit des einzelnen, sowohl in dieser als in einer künftigen Welt. Von Kindheit an in diesem selbstlosen Ideal erzogen, widmeten die Büger ihr Leben dem Staatsdienst und waren bereit, es für das allgemeine Wohl hinzugeben. Schreckten sie nicht vor dem höchsten Opfer zurück, dann kam ihnen auch gar nicht der Gedanke, dass sie anders als niedrig handelten, wenn sie ihr eigenes Dasein den Interessen ihres Vaterlandes vorzogen. All dies änderte sich mit der Verbreitung der orientalischen Religionen, welche die Gemeinschaft der Seele mit Gott und ihre ewige Rettung als die einzigen Ziele predigten, die das Leben lebenswert machten, Ziele, vor denen das Wohl und selbst die Existenz des Staates in Bedeutungslosigkeit versank. Die unvermeidliche Folge dieser selbstsüchtigen und unmoralischen Lehre war, dass der Gläubige mehr und mehr dem öffentlichen Dienst entzogen wurde, dass er seine Gedanken auf seine eigenen geistlichen Gemütsbewegungen konzentrierte und ein Gefühl der Verachtung für das gegenwärtige Leben in ihm großgezogen wurde, da er es nur als Prüfungszeit für ein besseres, ewiges ansah. Der Heilige und der Mönch, die beide die Erde verachteten und in ekstatischer Betrachtung des Himmels versunken waren, wurden in der Meinung des Volkes zu dem höchsten Ideal der Menschheit. Damit verdrängten sie das alte Ideal des Patrioten und Helden, der, ohne an sich zu denken, für das Wohl seines Vaterlandes lebt und bereit ist, auch dafür zu sterben. […] Die Bande des Staates und der Familie wurden gelockert, die Gesellschaftsordnung drohte sich in ihre einzelnen Elemente aufzulösen und damit in die Barbarei zurückzufallen.«12 Frazer zählte zu diesen orientalischen Religionen auch das Christentum.
Der kaiserliche Goldstandard stärkt die finanzielle Macht des Ostens
Im Jahre 45 v. Chr. führte Cäsar im ganzen Imperium den Goldstandard ein. Zwar ersetzten Goldmünzen nicht Silber und Bronze als zirkulierendes Geld, doch wurden alle hohen Beträge in Gold ausgedrückt und das relative Wertverhältnis von Gold zu Silber um ein Drittel angehoben.
Im Mittelpunkt dieser »Reform« stand die Goldmünze Aureus mit einem Gewicht von 168 Gran und einem Wertverhältnis zu Silber von 1 : 9. In mehreren Schritten reduzierte Cäsar den Aureus schnell auf 125 Gran Gold, um ihn dem alten Tempelwert eines Ochsen oder einer Kuh anzunähern. Dadurch stieg das römische Wertverhältnis zwischen Gold und Silber auf 1 : 12. Auf diesem Stand blieb es fast 1300 Jahre lang, bis zum Fall des Römischen bzw. Byzantinischen Reiches im Jahre 1204.
Für die Geldtheorie ist es wichtig festzuhalten, dass das Wertverhältnis zwischen Gold und Silber durch einen Regierungsbeschluss und nicht etwa durch die Marktkräfte festgelegt wurde.
Seit den Cäsaren war religiöse und monetäre Macht nicht mehr getrennt, obschon die römischen Staatsfinanzen von den Finanzen des Tempels und später auch der Kirche getrennt waren.
Gold, das sich seit Urzeiten hauptsächlich im Besitz der östlichen Tempel befand, wurde im ganzen Reich als offizielles Zahlungsmittel eingesetzt. Durch Anhebung des Wertverhältnisses auf 1 : 12 steigerte Cäsar außerdem willkürlich den Wert des Tempelgoldes im Verhältnis zu Silber, dem weiter verbreiteten Münzgeld. Bei seinen Feldzügen hatte Julius Cäsar immer versucht, die wichtigen Goldförderregionen des Imperiums zu beherrschen und damit Roms Goldbestände zu vergrößern. Die Einführung des Goldstandards brachte ihm sicherlich auch persönliche Vorteile und war für ihn angesichts seiner hohen Verschuldung vielleicht sogar ein finanzielles Gebot.
In den Westteilen des Imperiums geriet das Geldsystem schon sehr früh ins Stocken. Mattingly konstatiert, dass die örtliche Münzprägung im Westen die ersten hundert Jahre des Imperiums nicht überlebte und dass hingegen der Osten große Mengen geprägter Münzen besaß.
Rom hatte in kriegsbedingten Abständen Münzen geprägt. Nach Mattingly stehen alle großen Kriege für große Münzgeldzuwächse. Auch die Gründung einer Kolonie bot Anlass für neue Münzprägungen, es war ja nur natürlich, dass diese mit römischen Münzen versorgt werden musste.13
Seit Augustus prägte Rom kontinuierlich Münzen und brachte sie als Staatsausgaben und Sold in Zirkulation; Julius Cäsar hatte außerdem die Verteilung von Münzen als Geschenke eingeführt, sozusagen als Almosen.
Unter Kaiser Augustus und seinen Nachfolgern Tiberius, Caligula und Claudius festigte sich die monetäre Kontrolle in den Händen der Herrscher. Augustus schuf das Prägevorrecht der Patrizierfamilien ab. Die Kontrolle des Senats über das Bronzegeld wurde beibehalten, bis sie Caligula zwischen 37 und 41 für sich selbst beanspruchte.
Unter der Cäsarendiktatur ins Leben gerufen, erstarkte der römische Goldstandard in den nachfolgenden dreihundert Jahren, die von zunehmender Sklaverei und Ungerechtigkeit gekennzeichnet waren.
Edelmetalle fließen in den Osten ab
Kaum hatte sich Rom auf eine Gold- und Silberwährung festgelegt, wurden diese Edelmetalle knapp. Durch den Handel mit Indien flossen die Geldmetalle aus dem Reich ab. Rom begann mit der Einfuhr femininer Waren, kostspieliger Gewürze und Parfüme aus dem Osten. Zur Bezahlung hatte Rom nur wenige eigene Güter anzubieten, es musste deshalb den größten Teil in Gold- und Silberbarren aufbringen. Die Folge war ein stetiger Abbau der Edelmetallbestände.14
Dieser Abfluss der Edelmetalle hatte schreckliche deflationäre Auswirkungen. Im Jahre 33 sah sich Tiberius gezwungen, 100 Millionen Sesterzen zu prägen und als dreijähriges zinsloses Darlehen vorzuschießen, um zahlreiche verschuldete Bauern vor der Kündigung ihrer Hypotheken zu bewahren.
Der ständige Abfluss von »Geld« nach Osten mag außerdem auch auf die Machenschaften von Kredithaien zurückzuführen sein, die Wucherzinsen verlangten. Mit der Monetisierung von Gold übertrug Rom den Goldbesitzern im Osten viel Macht. Eine der möglichen Verwendungen ihrer riesigen Metallanhäufungen bestand in der Vergabe von Darlehen über Mittelsmänner. Es ist möglich, dass dabei über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten gewaltige Mengen abgeflossen sind.
Das Abfließen von Edelmetallen in den Osten wurde durch militärische Operationen gegen den Osten etwas aufgefangen. Dank der Feldzüge kamen große Mengen Gold und Silber zur Münzprägung nach Rom zurück. Dennoch musste der Edelmetallgehalt der römischen Münzen herabgesetzt werden.
Der Goldgehalt des Aureus sank von 125 Gran zu Julius Cäsars Zeiten auf 68 Gran unter Konstantin dem Großen, 375 Jahre später (der Silbergehalt des Denarius schwankte noch mehr und fiel von 58 auf 36 Gran). Das bedeutet einen Rückgang von 46 %. Dieses Phänomen wird als »Münzverschlechterung« beschrieben und von den Verfechtern einer »harten Währung« als Ursache für den moralischen Abstieg Roms beklagt.
Mit größerer Wahrscheinlichkeit jedoch war die Senkung des Metallgehalts eine notwendige Maßnahme, um die deflationären Effekte abzufangen, die von der Verwendung knapper Rohstoffe als Geld ausgelöst wurden. So konnte Rom die Ausfuhr der Geldvorräte zumindest teilweise ausgleichen.
Sicher gab es während dieser frühen Jahrhunderte auch inflationäre Zeiten. Doch allein der Metallgehalt einer Münze sagt noch nichts über den Geldumlauf dieser Münze oder ihren Wert aus. Besonders in späteren Jahrhunderten hatte Rom wohl mit einer stetigen Deflation und Geldknappheit zu kämpfen.
Die Währungskrisen im späten dritten Jahrhundert
Von der Zeit Cäsars bis ins Jahr 250 war die Senkung des Münzmetallgehalts im Jahresdurchschnitt geringfügig. Danach begann jedoch für Roms vorherrschende Münzsysteme eine sehr problematische Zeit, die mehrere Jahrzehnte andauern sollte. Bei der Silbermünze sank der Silbergehalt – der 40 % des Ursprungsgehalts betragen hatte – innerhalb von lediglich 20 Jahren auf 4 % im Jahre 270. Diese Störungen in den primären Münzsystemen setzten sich bis zu den Reformen von Diokletian im Jahre 300 und etwas später auch von Konstantin fort.
Die Ursachen dieser Probleme sind weitgehend ungeklärt. Es wäre zwar einfach (und populär), der Regierung die Schuld zu geben, aber damit würde man einige entscheidende Gefahren übersehen, denen Geldsysteme ausgesetzt sind. Es gibt nämlich auch Hinweise in eine ganz andere Richtung: der Missbrauch des Geldsystems durch die privaten Prägestätten des römischen Geldes.
Gegen Ende des 3. Jahrhunderts zur festen Einrichtung geworden, betrog der Stand der Geldpräger regelmäßig Rom, indem er Münzen unter dem festgelegten Metallgehalt prägte und die Differenz für sich behielt. Kaiser Aurelian versuchte 275, diese Münzpräger besser zu kontrollieren, und befand sich plötzlich im Krieg mit ihnen: »Die Arbeiter in der Münzstätte […] machen einen Aufstand. Sie werden nach Kräften niedergehalten; doch 7000 meiner Soldaten wurden bereits im Kampf getötet.«15
Edward Gibbon (1737–1794) erklärt die Tatsache, dass so viele kampferprobte Soldaten in dem Aufstand umkamen, mit einer Verschwörung zwischen der Autorität des Senats, dem Reichtum der Equites (Adel und reiche Bürger) und den Waffen der Prätorianergarde (Leibwache der Kaiser).
Ein besseres Verständnis dieser Zeit wird die Geldgeschichte eines Tages um ein wichtiges Kapitel ergänzen. Bis dahin bleibt als monetäre Lektion festzuhalten, dass niemand, der über monetäre Privilegien verfügt, widerstandslos auf diese verzichtet, wenn er dazu aufgefordert wird.
Das Imperium verlagert sich nach Osten
Vor allem Luxusartikel, aber auch religiöse Gebühren sowie wahrscheinlich Wucherzinsen wurden zunehmend mit Edelmetallen bezahlt. Aufgrund des Abflusses der Edelmetalle nach Osten übernahm das Römische Reich faktisch das Goldgeldsystem des Ostens und richtete sich immer mehr nach Osten aus. Die schwerwiegenden Probleme, die infolge des Cäsarischen Goldstandards auftraten, zeigen, wie überaus wichtig es ist, die Kontrolle über das Geldsystem nicht einer außerhalb der Gemeinschaft stehenden Vollmacht zu überlassen.
Eine vorübergehende Lösung für dieses Problem wäre ein Angriff auf das östlich gelegene, für seinen Goldreichtum berühmte Partherreich gewesen. Noch während der Vorbereitung dieses Angriffs wurde Julius Cäsar allerdings ermordet. Auch Trajan versuchte, gegen das goldreiche Parthien zu Felde zu ziehen, wurde aber zwischen 115 und 117 von der jüdischen Revolte hinter seinen Kampflinien gestoppt. Das Imperium hatte seine größte territoriale Ausdehnung erreicht. Kaiser Hadrian ordnete einen Rückzug an, riss die große Brücke über der Donau ein, zog alle Truppen westlich des Flusses Euphrat zusammen und baute eine Verteidigungsmauer quer durch Britannien. Kaiser Diokletian befahl später erneute Angriffe im Osten.
Noch heute, im ausgehenden 20. Jahrhundert, kritisieren Ökonomen die von Diokletian im Jahre 301 eingeführten Preiskontrollen, deren angebliches Scheitern sie als ein Hauptargument gegen ein Eingreifen der Regierung in die Marktmechanismen anführen. Doch im Zuge neuer archäologischer Funde werden die Kernstücke von Diokletians Reformen erst noch zusammengefügt, und es zeichnet sich jetzt schon ab, dass Diokletian wohl einer der fähigsten römischen Kaiser war.
Diokletian führte die Einjahresplanung des staatlichen Haushaltes ein. Vor einer Reform der Preis- und Münzsysteme ließ er umfassende Untersuchungen durchführen, um zu erfahren, welche Maßnahmen zu ergreifen waren. Besonders verärgert war Diokletian über die Kaufleute, die von den Armeebewegungen profitierten, indem sie »unsägliche« Preise »erpressten«. »Der Kaiser beklagt vor allem […] die allgegenwärtige, tobende Habgier, ein in seinem Wahnsinn grenzenloses Verlangen, das einer Religion gleichkommt, und die hemmungslose Leidenschaft für Plünderungen. Wohin auch immer die Armee befohlen wird – in Dörfern, Städten, ja sogar auf Straßen erpressen die Profitjäger Preise, die vier- bis achtmal höher sind und sich jeder Beschreibung mit menschlichen Worten widersetzen.«
Kaiser Diokletian, der seine Laufbahn als Sklave begann, dankte, vermutlich aus Ekel, im Jahre 305 ab und zog sich in seine nordgriechische Heimat zurück. Als er bedrängt wurde, das Kaiseramt wieder aufzunehmen, antwortete er: »Könntet Ihr mit Gottes Hilfe die Kräuter sehen, die ich eigenhändig in Salonika pflanze, so würdet Ihr mir nicht einen solchen Vorschlag unterbreiten.«16
Das Imperium bekennt sich zum Christentum
Im Jahre 324 erklärte Konstantin I. (der Große) das Christentum zur Staatsreligion. Zwar setzte es sich nicht vollständig gegen das Heidentum durch, doch wurde es von den heidnischen Führern weitgehend übernommen. Oberste religiöse Instanz ist der Kaiser selbst, was sich daran zeigt, dass er 325 das Konzil von Nizäa einberuft.
Die Reichshauptstadt zieht nach Byzanz
Im Jahre 331 schließlich verlegt Konstantin den Sitz des Imperiums an die asiatische Grenze nach Byzanz, das er in Konstantinopel umbenennt. Das ehemalige Römische Reich zerfällt nun in das Weströmische und das Oströmische oder Byzantinische Reich, beide Hälften fallen unter die Herrschaft Konstantins.
Konstantins Nachfolger regieren zu zweit (Valentinian und Valens, Valens und Gratian, Gratian und Theodosius, alle zweite Hälfte 4. Jahrhundert), bis Theodosius 394 Alleinherrscher wird. Nach seinem Tod 395 wird das Reich wieder zweigeteilt. Seit 404 ist Ravenna die Hauptstadt des Weströmischen Reiches, wo schwächliche Kaiser regieren, bis der letzte von ihnen, Romulus Augustulus, 476 von den Ostgoten abgesetzt wird. Das Oströmische Reich hingegen wird 527–565 unter Justinian einen Höhepunkt erleben. Hier wird in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts (unter Herakleios) Griechisch Amtssprache; der Kaiser heißt von nun an Basileus anstatt (lateinisch) Imperator.
Konstantin behält den (aus römischer Zeit stammenden) Titel Pontifex maximus und mit ihm das Recht, Münzen zu prägen. Dieses Recht, d. h. die Kontrolle über das Geldsystem, bleibt bis 1204, also bis zur Eroberung Konstantinopels durch den vierten Kreuzzug, beim oströmischen Kaiser. So gesehen, markiert das Datum 1204 das Ende von fast 2000 Jahren römischer Geschichte.
Konstantin beschlagnahmte Gold von den Tempeln, um eine neue Münze einzuführen, die berühmt werden sollte: der Solidus. Mit einem Gewicht von 68 Gran Gold entsprach der Solidus fast exakt der Hälfte der alten 130-Gran-Rinderwährung. Über einen Zeitraum von 900 Jahren wurde der Solidus nur selten abgewertet und erfuhr nur eine Münzverschlechterung. Er wurde immer als Geld angesehen. Es gab kein Barrengeld, kein Abwiegen der Goldmünzen, entscheidend war vielmehr die Anzahl der Münzen. Außerdem war es unrechtmäßig, die Annahme der Münzen zu verweigern; sie zu verändern galt als Verbrechen, und auf Verunstaltung oder Einschmelzung zu Barren stand sogar der Tod.17
Damit waren die Geldprobleme des Reiches allerdings keineswegs gelöst. Im Osten wurde die Finanzierung der Reichsverwaltung und der Armee zwar erfolgreich weitergeführt. Im Westen aber hielt der Verfall des Rechtsstaats unvermindert an, und mit ihm verkümmerte auch das rechtlich verankerte Geldsystem.
Ihren Höhepunkt fand die römische Geldtheorie im Codex Justinianus aus dem 6. Jahrhundert. Im zehnten Buch dieses Kodex berichtet Julius Paulus, ein Rechtsberater aus der Zeit um 300: »[…] es wurde ein Medium ausgesucht, dessen rechtlicher (!) und dauernder Wert aufgrund seiner Gleichartigkeit die Schwierigkeiten des Tauschhandels beseitigte. Dieses Medium wurde offiziell verkündet (!) und in Umlauf gebracht. Seine Kaufkraft erhielt es weniger aufgrund seiner Substanz als aufgrund seiner Menge. Seit jener Zeit wird beim Handel nur der eine Teil des Geschäftes als Ware bezeichnet. Der andere heißt Preis.«
Eine Betrachtung der römischen Geldgeschichte zeigt also, dass monetäre Macht eine Konvention oder gesetzliche Einrichtung war, über die entweder die Tempel oder die Regierung oder alle beide die Kontrolle ausübten. Jetzt wissen wir also, warum sich Banken mit griechischer Tempelarchitektur verkleiden. Doch woher stammt eigentlich die Idee, das Geldsystem eines Staates in die Hand von Privatbanken zu geben? Nun, jedenfalls nicht aus Griechenland oder Rom.
[1] Die Darstellung von nahezu zweitausend Jahren römischer Geldgeschichte auf wenigen Seiten macht vorab eine Entschuldigung des Verfassers bei Numismatikern und Historikern notwendig. Zu den meisten Verallgemeinerungen wird es auch Ausnahmen geben. Hunderte von Jahren sind seitdem vergangen; Dokumente sind rar. Sollte es in diesem Werk versäumt worden sein, die neueste Forschung auf Gebieten mit besonderer Bedeutung für die hierin behandelten Themen zu erwähnen, so soll dies, nach Inkenntnissetzung des Verfassers, in zukünftigen Ausgaben berücksichtigt werden.
[2] Als über 2000 Jahre später die Vereinigten Staaten von Amerika zur größten Weltmacht aufstiegen, hatten sie diesen Vorteil monetärer Unabhängigkeit nicht. Dennoch etablierten sich während der beiden großen Krisen Amerikas – der Unabhängigkeitskrieg und der Sezessionskrieg – mit der continental currency und den greenbacks zeitweise zwei von der alten Weltmacht völlig unabhängige Geldsysteme. Und obwohl beide unabhängigen Währungen heftig kritisiert wurden, halfen sie Amerika durch die Krisen hindurch und leisteten wertvolle Dienste.
[3] Durch diese Festsetzung wurden Tiere per Gesetz zum Zahlungsmittel erklärt. So brauchte man diese nicht mehr zu verkaufen, sondern konnte sie direkt als Geldbuße entrichten. Dadurch entstanden bestimmte Mindestpreise für die Tiere. Das Gesetz lässt den Schluss zu, dass die Nomisma-Ausgaben relativ begrenzt waren.
[4] Abkürzung von senatus consulto, d. h. »auf Beschluss des Senats«. (A. d. Ü.)
[5] Die lateinische Bezeichnung für Geld, »moneta«, hat ihren Ursprung in der Münzprägung dieser Zeit, denn die römische Münzstätte befand sich im Tempel der Göttin Juno, mit Beinamen Moneta, was ursprünglich »Mahnerin« bedeutete. Aus »moneta« entstanden auch in anderen Sprachen zahlreiche Geldbegriffe, etwa das englische »money«, das französische »monnaie«, die deutsche »Münze«, aber auch die umgangssprachlichen »Moneten«. (A. d. Ü.)