Читать книгу Manipulierte Gene – Verdrehte Wahrheit - Steven M. Druker - Страница 47
Wichtige neue Beweise erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass die Biotechnologie die Ursache war
ОглавлениеAußerdem spiegelt die obige Zusammenfassung nur die Fakten wider, die verfügbar waren, als die Klagen entschieden wurden. Heute wiegen die Vorwürfe gegen die Gentechnologie noch schwerer. Der Neurobiologe David Schubert weist darauf hin, dass sich jahrelang nur schwer erklären ließ, wie eine extrem geringfügige Verunreinigung (mit einem Gewichtsanteil von deutlich unter 0,01 Prozent) eine tödliche Fehlregulation im Immunsystem auslösen konnte, wir jedoch jetzt eine bessere Übersicht haben. Etliche Studien haben gezeigt, so Schubert, dass LT-Metaboliten (Derivate) wichtige Schritte der Immunantwort steuern, wodurch ungewöhnliche (aber analoge) Metaboliten, die durch die Überproduktion von LT entstanden waren, die normalen Varianten verdrängt und die Immunfunktion der Menschen auf katastrophale Weise gestört haben können. (71)
Außerdem ist die Struktur der Verunreinigung, die am engsten mit EMS korreliert, endlich bestimmt; es handelt sich dabei um eine neuartige, vom Stoffwechsel produzierte Verbindung von Tryptophan. Wie bereits erwähnt, wurde diese Verunreinigung als AAA bezeichnet, und ihre Struktur war nicht bestimmt worden, obwohl die Analyse der CDC-Forscher ergab, dass sie als einzige Verunreinigung in statistisch signifikantem Maß mit EMS zusammenhing – weshalb die Forscher darauf drängten, dass ihrer Identifikation „hohe Priorität“ eingeräumt werde. (72) Doch trotz dieses Appells dauerte es noch einmal sechs Jahre, bis die Substanz identifiziert war; und während ich dies schreibe, wissen nur wenige Menschen, dass sie jetzt bestimmt ist.
Ich erfuhr davon nur, weil ich hörte, dass Stephen Naylor und Gerald Gleich, die in ihrer Zeit an der Mayo Clinic die Strukturen der fünf anderen fallbezogenen Verunreinigungen identifiziert hatten, dort auch AAA untersuchten. Darum setzte ich mich mit Dr. Naylor in Verbindung, und daraus ergaben sich mehrere Gespräche, in denen er mir die Einzelheiten der Untersuchung mitteilte.
Bevor sie mit ihrer Nachforschung begannen, hatte Naylor folgende Hypothese aufgestellt: Damit eine toxische Verunreinigung, die in extrem winzigen Mengen verzehrt wird, EMS auslösen kann, darf sie nicht sofort wieder ausgeschieden werden und muss länger im Körper verweilen, sodass sich die Wirkung der nacheinander eingenommenen Dosen akkumulieren kann. Dafür muss sie fett- und nicht wasserlöslich sein, denn so kann sie sich im Fettgewebe anreichern und dann langsam in die Umgebung sickern. Doch die Strukturen der fünf anderen fallbezogenen Verunreinigungen waren wasserlöslich – also nicht fettlöslich. Würde sich die Struktur von AAA, der in außergewöhnlich hohem Maß mit EMS verknüpften Verunreinigung, auch in dieser Hinsicht als Ausnahme erweisen?
Ende 1998 hatten Naylor und Gleich die Gelegenheit, das herauszufinden. Sie bekamen einige Tabletten aus der SD-Tryptophan-Charge, die außerordentlich viele EMS-Fälle ausgelöst hatte. Dann stellten sie mithilfe hoch entwickelter analytischer Trennverfahren fest, dass die Gesamtkonzentration von AAA zwar sehr gering war, dennoch aber recht hoch verglichen mit der Menge in Tabletten aus weniger toxischen Chargen. Außerdem war AAA die einzige Verunreinigung der sechs fallbezogenen Verbindungen, die merklich erhöht war.
Der nächste Schritt bestand darin, ihre Struktur zu ermitteln. Mittels Massenspektrometrie und mit viel Ausdauer stellten sie schließlich fest, dass AAA durch die Verbindung zweier Substanzen entstanden war. Die eine war das LT-Molekül (minus eines einzigen Wasserstoffatoms) und die andere war ein langkettiger Kohlenwasserstoff aus einer Fettsäure, die in allen Bakterien vorkommt. (73) Auf der Grundlage dieser Struktur konnten die Forscher einige wichtige Schlüsse ziehen.
Dr. Naylor zufolge ist es eine biologische Gewissheit, dass eine solche Verbindung nicht während der Reinigung hätte entstehen können. Als ich mit ihm sprach, stellte er das mindestens zwei Mal ohne Einschränkung fest. Folglich seien die AAA-Moleküle mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ innerhalb der Bakterien entstanden. Er räumte zwar die Möglichkeit ein, dass sie außerhalb der Bakterien gebildet sein könnten (in der Fermentationslösung vor der Reinigungsphase), hierfür bestehe aber eine „geringe Wahrscheinlichkeit“. Und wie er betonte, wäre die Synthese in beiden Fällen fast sicher der Veränderung der Bakterien-DNA zuzuschreiben und der dadurch ausgelösten massiven LT-Überproduktion, die höchstwahrscheinlich den Stoffwechsel der Organismen destabilisierte und die ungewöhnlichen Nebenwirkungen hervorrief, die zur Bildung von AAA führten.
Somit ist nachgewiesen: Die am signifikantesten mit EMS assoziierte Verunreinigung ist eine neuartige Verbindung, die bereits auf L-Tryptophan einwirkten, lange bevor der Reinigungsprozess eine Wirkung hätte entfalten können. Das lässt stark darauf schließen, dass die gentechnische Veränderung die Hauptursache ihrer Entstehung war. Laut Naylor bewirkt die chemische Struktur dieser Verunreinigung, dass sie fettlöslich ist, im Gegensatz zu den anderen fallbezogenen Verunreinigungen. Deswegen, erklärt er „begünstigen diese einzigartigen chemischen Eigenschaften von AAA eine Aufnahme ins Fettgewebe, wodurch es sich im Körper ansammeln und konzentrieren kann – was potenziell die Eosinophilen anregt und letztlich zum Ausbruch von EMS führt.“ (74) Wir können zwar nicht sicher sagen, dass AAA die Krankheit auslöste, wir wissen allerdings sehr wohl, dass das recht plausibel ist; und wie wir auch wissen, kam es zu dieser neuartigen und potenziell toxischen Verbindung mit hoher Wahrscheinlichkeit durch eine abnorme Stoffwechselaktivität, hervorgerufen durch die Hyperproduktion von L-Tryptophan.
Doch trotz der Bedeutsamkeit dieser Entdeckung sind die Ergebnisse noch nicht veröffentlicht worden. Als ich Dr. Naylor nach dem Grund fragte, erklärte er: Er und Gleich hätten zwar eindeutig festgestellt, dass AAA aus einem LT-ähnlichen Gerüst bestehe, das mit einer unverzweigten Kette aus neun Kohlenstoffatomen verbunden sei, doch zwei kleine Punkte seien noch nicht ganz sicher. Der erste: Sicher sei, dass die Kette mit dem Gerüst verbunden sei, nicht klar sei jedoch, an welcher von zwei nebeneinanderliegenden Stellen sie tatsächlich verbunden seien. Der zweite Punkt: Sie wüssten zwar, dass die Kette acht Einfachbindungen und eine Doppelbindung enthalte, aber es sei nicht klar, an welcher von zwei nebeneinanderliegenden Stellen sich die Doppelbindung befinde.
Doch sind diese beiden bestehenden kleinen Unsicherheiten relevant für die Frage, wie AAA entstand? Als ich sie Naylor stellte, antwortete er, diese Unklarheiten hätten darauf keinen Einfluss. Auf die Chancen, dass die Untersuchung veröffentlicht wird, würden sie sich jedoch sehr wohl auswirken. Wissenschaftliche Fachzeitschriften würden eine vollständige Bestimmung der AAA-Struktur verlangen – und nachdem er 1999 von der Mayo Clinc weggegangen sei und eine andere Stelle angenommen habe, habe die Untersuchung nicht mit gleicher Intensität weitergeführt werden können. Und einige Jahre später übernahm auch Dr. Gleich neue Aufgaben; daher ist unklar, wann einer von ihnen die notwendige Zeit oder die notwendigen Ressourcen haben werde, die letzten Wissenslücken zu schließen. Doch weil die bereits gewonnenen Hinweise tief greifende Konsequenzen haben, stimmte Dr. Naylor zu, dass sie in diesem Kapitel als „unveröffentlichte Arbeit“ dargelegt werden. (75)
Mit der Enthüllung der Hinweise zu AAA kommt die EMS-Geschichte zu einem Abschluss – zumindest für jetzt. Es ist eine Geschichte, die mit Agonie begann und in Ironie endet. Selbst ohne die Enthüllungen zu AAA weisen die Fakten deutlich in Richtung Biotechnologie als eigentlicher Ursache von EMS; doch sie wurden derart verunklart, dass viele Wissenschaftler nicht einmal wissen, dass die toxischen Tabletten mit diesem Verfahren hergestellt wurden, während die meisten derer, die es wissen, ihre Unschuld für erwiesen halten. Darüber hinaus ist nicht nur die Ursache der Epidemie systematisch verschleiert worden, sondern in erheblichem Maß auch die Epidemie selbst – und zwar so stark, dass die mit der Gentechnik zusammenhängende Katastrophe nur durch seine ungewöhnlichen Symptome bemerkt wurde. Doch die meisten Menschen haben es so wenig bemerkt, wie sie es hätten, wenn die Symptome stattdessen alltäglich gewesen wären.
Wie das reibungslose Vorankommen des Wagnisses Biotechnologie in den Jahren vor 1989 davon abhing, dass ungünstige Fakten verunklart wurden, so wurde ihr weiterer Fortschritt dadurch ermöglicht, dass Fakten zu dem toxischen Tryptophan verschleiert wurden, dem ersten Produkt der rekombinanten DNA-Technologie zum Einnehmen. Doch im zweiten Fall wurden die Fakten nicht nur verunklart, sondern im Grunde verhüllt – und letztlich begraben. Ohne ein solches Begräbnis wäre die Entwicklung biotechnisch veränderter Nahrungsmittel fast sicher verzögert und wahrscheinlich zum Scheitern gebracht worden.
Damit GV-Nahrungsmittel auch weiterhin auf der Schnellstraße zur Kommerzialisierung bleiben konnten, genügte es nicht, nur die Katastrophe zu vernebeln, die man verursacht hatte. Als sich die Kampagne ihrer Markteinführung in den darauffolgenden Jahren beschleunigte und ihre damit verbundenen Kontroversen entbrannten, fanden ihre Befürworter es zunehmend erforderlich, wichtige Fakten über eben das Verfahren, mit dem solche Nahrungsmittel hergestellt werden, zu verdrehen und sogar zu unterdrücken.