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Vielfältiger Druck, die Fakten zu unterdrücken

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1993 erschien bei Oxford University Press das Buch Biotechnology from A to Z, ein Handbuch zur Terminologie und zu den Techniken dessen, was sich zu einem der wichtigsten und umstrittensten Gebiete der angewandten Wissenschaft entwickelt hatte. Geschrieben hat es ein Biologe, der darin ein positives Bild dieser bemerkenswerten neuen Phase des menschlichen Vorhabens zeichnet; in mehreren wissenschaftlichen Zeitschriften wurde es positiv besprochen. Die Einführung hatte der Präsident eines führenden Biotechnologie-Unternehmens verfasst und darin zum Ausdruck gebracht, was in den Statements der Befürworter seit vielen Jahren Standardthema ist: Entscheidend ist, die Öffentlichkeit über dieses innovative Unterfangen aufzuklären und sicherzustellen, dass die Informationen, die sie erhält, stimmen. (4)

Doch in einem späteren Abschnitt des Buches deutete der Autor, William Bains, an, dass sich eine solche Aufklärungsinitiative wahrscheinlich als Bumerang erweisen würde. Die Forschung habe aufgedeckt, dass das Wissen der Öffentlichkeit über die Biotechnologie umgekehrt proportional zu deren Akzeptanz sei. die Menschen seien also immer weniger offen dafür, je mehr sie über die Details wüssten. In Anbetracht dieses Phänomens könnten die Biotech-Verfechter mehr Erfolg haben, wenn sie der breiten Masse weniger Fakten und mehr „mythische Bilder“ böten. (5) Und er unterstrich die hohe Bedeutung der Mythenbildung in dem Wagnis Biotechnologie, indem er dem Thema seine eigene eindeutige Überschrift gab: Mythogenese.

Von einer solchen Warte aus betrachtet, scheint kein Bereich der Biotechnologie die Mythenbildung dringender zu brauchen als derjenige gentechnisch veränderter Nahrungsmittel. Weil Lebensmittelsicherheit ein so entscheidendes und elementares Thema ist, tendieren die Menschen zu besonderer Vorsicht bei etwas, das sie als künstliche Bastelei an der DNA von Pflanzen und Tieren wahrnehmen, die die Grundlage ihrer Nahrung bilden. Und die meisten haben große Vorbehalte, wenn sie zum ersten Mal von den Plänen der landwirtschaftlichen Biotechnologie, der sogenannten grünen Gentechnik, hören. Und weil dieser anfängliche Widerstand im Allgemeinen wächst, wenn die Menschen mehr über die Fakten erfahren (ein Trend, den die Forschung in vielen Ländern bestätigt), (6) finden die Biotech-Verfechter es häufig nützlich, den von Dr. Bains vorgeschlagenen Weg einzuschlagen und sich eher für Einfallsreichtum als für Ehrlichkeit zu entscheiden – so wurde eine Gruppe mythischer Bilder gestaltet, die ihrer Sache dienen sollten. Ein Beispiel: In einer Mitteilung der weltweit größten Public-Relations-Agentur, Burson-Marsteller, an die europäische Biotechbrache (die zu einer öffentlichen Interessengruppe durchsickerte) riet die Agentur, auf „Logik“ zu verzichten und stattdessen „Symbole“ zu benutzen, besonders solche, die „Hoffnung, Zufriedenheit, Fürsorge und Selbstwertgefühl wecken“. (7)

Doch zumindest in einem Aspekt ließen sich die Bürger in ihrer Wachsamkeit nicht leicht von bewegenden Symbolen einlullen: in der Wahrnehmung, dass die Herstellung neuer Nutzpflanzensorten mithilfe der Gentechnik eine radikale und unnatürliche Abkehr von der herkömmlichen Züchtung darstellt. Deshalb versuchten die Gentech-Befürworter diese Wahrnehmung zu unterdrücken, indem sie einen verlockenden gegensätzlichen Eindruck erzeugten: dass der Prozess lediglich eine geringfügige Erweiterung der herkömmlichen Züchtungsmethoden darstelle. Außerdem betonten viele prominente Verfechter, die Verbindung sei recht eng, und Henry I. Miller, Gründungsdirektor des Office of Biotechnology in der FDA, gab (in einer weit verbreiteten Erklärung) bekannt, es bestehe „ein nahtloses Kontinuum“ zwischen der Gentechnologie und dem, was vorher kam. (8)

Und um den Unterschied zwischen den neuartigen und den herkömmlichen Verfahren noch weiter zu verwischen, wandelten die Biotech-Befürworter ihre Terminologie ab. Anfangs hatten sie den Einsatz der rekombinanten DNA-Technologie als „Gentechnologie“ („genetic engineering“) bezeichnet wegen der positiven Assoziationen, die der Begriff ihrer Erwartung nach wecken würde, doch irgendwann stellten sie fest, dass der Begriff für die meisten Menschen nicht vorrangig den Beiklang von Kontrolle und Präzision hatte, sondern von künstlicher – und potenziell schädlicher – Intervention. Deshalb entschieden sie sich, das Verfahren in eine bloße „genetische Modifikation“ umzuschreiben, was der Öffentlichkeit anscheinend weniger bedrohlich vorkam. Während „genetic engineering“ ausschließlich für die Technologie der rekombinanten DNA verwendet worden war, war der neu gewählte Begriff nicht so eng gefasst und wurde für alle Züchtungsformen verwendet (selbst schlichte geschlechtliche Vermehrung), wobei das Genspleißen als die „neue“ oder „moderne“ Phase der genetischen Modifikation vorgestellt wurde.

Des Weiteren spielten die Befürworter zum einen die möglichen besorgniserregenden Unterschiede herunter und trieben andererseits die Idee voran, diese neue Technologie unterscheide sich von herkömmlichen Methoden durchaus in einem wesentlichen Punkt: Sie sei präziser; und kraft dieser Präzision sei sie berechenbarer als herkömmliche Techniken und folglich eine sicherere Methode, neue Nahrungsmittelsorten herzustellen. Und diese Behauptungen konnten ausgesprochen unbescheiden sein. In einem Interview mit der BBC erklärte der Präsident der britischen Royal Society (der fünf Jahre lang der Chef-Wissenschaftler der Regierung war) im Jahr 2000, die Gentechnologie sei „weitaus sicherer“ und „weit, weit kontrollierter“ als herkömmliche Züchtung. (9)

Doch ungeachtet ihrer Verbreitung und der Bekanntheit ihrer vielen Förderer stand es in krassem Widerspruch zur Realität, dass die Gentechnologie als unbedeutende, die Präzision fördernde Erweiterung der natürlichen Züchtung hingestellt wurde. Diese Darstellung war ein weiterer Beleg für die Mythenbildung: der eigene „Schöpfungsmythos“ der Biotechnologie, der die Genese gentechnisch veränderter Organismen attraktiv, aber im Grunde fiktiv beschrieb.

Das Ausmaß der Fiktion wird offensichtlich, wenn man die verschiedenen Manipulationen untersucht, die notwendig sind, um mittels Gentechnologie einen neuartigen, als Nahrung dienenden Organismus herzustellen, und feststellt, wie unpräzise diese Manipulationen wirken, wie viele natürliche Hindernisse sie überwinden mussten und wie unberechenbar die Ergebnisse sind. Wie wir sehen werden, besteht nicht nur ein gravierender Unterschied zwischen den eleganten Verfahren, mit denen neue Organismen unter natürlichen Bedingungen erzeugt und erhalten werden, und den plumpen Plänen der Gentechnologie, sondern in mehrerlei Hinsicht führen die beiden Methoden auch zu entgegengesetzten Ergebnissen.

Manipulierte Gene – Verdrehte Wahrheit

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