Читать книгу Selbstmitgefühl für Eltern - Susan Pollak - Страница 14
Warum kannst du, verd… nochmal, nicht einschlafen!?
ОглавлениеLeon hatte einen sehr stressigen Job im Verkauf. Bevor er und Kyra heirateten, hatten sie sich darauf geeinigt, die Kinderbetreuung halbe-halbe untereinander aufzuteilen. Theoretisch hatte sich das gut angehört aber Tim war eine Frühgeburt und hatte Atemprobleme. Es wurde zwar besser, aber sowohl Kyra als auch Leon machten sich weiterhin Sorgen um ihn. Als Tim sieben Monate alt war und nachts immer noch nicht durchschlief, schlief niemand im Haus nachts durch.
Kyra arbeitete im Einzelhandel, was bedeutete, dass sie lange Arbeitstage hatte und manchmal auch am Wochenende arbeiten musste. In den ersten Monaten, als Kyra im Mutterschutz war, hatten sie das Baby nach Bedarf gefüttert und sich über jeden Schrei Sorgen gemacht. Nach ihrer Rückkehr an ihren Arbeitsplatz war Kyras Chef nicht gerade begeistert darüber, dass sie tagsüber abpumpte. Und das Baby nachts alle zwei Stunden zu füttern war zusätzlicher Stress.
Leon war sicher, dass er es besser machen könne und bot großzügig an, das nächtliche Füttern zu übernehmen. »Kein Problem, ich hab das im Griff«, versicherte er Kyra. Doch es war nicht so einfach wie er gedacht hatte. Beim Versuch, es »richtig« zu machen und Kyra zu zeigen, wie kompetent er war, stand er jedes Mal auf, wenn Tim einen Laut von sich gab, fütterte ihn und versuchte, ihn wieder schlafen zu legen. Doch Tim genoss es, mitten in der Nacht seinen Papa zu sehen und beschloss, dass jetzt »Partyzeit« war: Er weigerte sich, wieder einzuschlafen. Die nächtlichen Fütterungen dehnten sich von fünf Minuten auf 50 Minuten aus und Leons Erschöpfung begann sich am Arbeitsplatz bemerkbar zu machen, was sich auch in Flüchtigkeitsfehlern niederschlug.
Die Nächte wurden schlimmer, nicht besser. »Wir müssen mit einem Schlaftraining anfangen«, sagte Leon, »Mein Job steht auf der Kippe. Ich mache Fehler und schlafe bei der Arbeit ein.«
»Auf keinen Fall«, insistierte Kyra. »Das ist missbräuchlich und sadistisch. Wir werden das unserem Kind nicht antun.«
Als Leon und Kyra zur Beratung kamen, sprachen (oder schliefen) sie kaum noch. Ihre Uneinigkeit über Tims Schlafgewohnheiten hatte zu einer tiefen Kluft in ihrer Ehe geführt. Sie litten nicht nur unter erheblichem Schlafmangel, das Problem hatte auch alte Probleme aus Kyras Familie zutage gefördert. Sie war sicher, dass es Tim schaden würde, wenn man ihn schreien ließ. Leon war der festen Überzeugung, dass es Tim prima ging und dass sie »übertrieben emotional« sei. Und das sagte er ihr auch. Diese Missachtung ihrer Gefühle erinnerte Kyra daran, wie ihr Vater ihre Mutter behandelt hatte, und sie revanchierte sich, indem sie ihn als unsensibel bezeichnete. Sie waren in einem Teufelskreis gefangen und weder er noch sie konnten nachgeben. Zu diesem Zeitpunkt war Tim fast ein Jahr alt.
Nachdem ich dieses Muster eines eskalierenden Konflikts eine Weile beobachtet hatte, fragte ich: „Können wir an dieser Stelle etwas anderes ausprobieren? Wir drehen uns immer wieder im Kreis. Darf ich euch eine Achtsamkeitsübung zeigen, die dazu beitragen könnte, den Teufelskreis zu durchbrechen?
»Auf keinen Fall«, erwiderte Kyra und ging in die Defensive. »Das ist uns zu esoterisch. Wir sind schon in einer Kirche. Ich will keinen trendigen Quatsch. Das machen wir nicht.«
»Okay, was ich euch beibringen will, hat mit all dem nichts zu tun. Es geht ausschließlich darum, euren Stress zu reduzieren, die ständigen Streitereien zu verringern und euch zu etwas Schlaf zu verhelfen.«
»Nun, das wäre nichts Geringeres als ein Wunder«, erwiderte Kyra sarkastisch.
»Ein Versuch kann nicht schaden. Wenn es nicht funktioniert, müsst ihr es ja nicht machen.«
In Ihrer Verzweiflung willigten Kyra und Leon ein, es zu versuchen.
Es ist eine sehr wirkungsvolle Übung für Paare, aber sie ist auch hilfreich bei Spannungen zwischen einem Elternteil und einem Kind. Stelle den Küchenwecker auf fünf Minuten ein.