Читать книгу Ich und die Perlweißkuh - Susanne Fülscher - Страница 10

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Funghi lebte sich schnell bei uns ein. Genauso schnell gewöhnte ich mich daran, jetzt ein kleines Geschöpf zu haben, für das ich ganz allein verantwortlich war. Futter besorgen, Katzenklo sauber machen, Spiele ausdenken, kuscheln und so weiter und so fort.

Dass Mum viel öfter als früher nieste, war nicht zu überhören, aber ich schob es einfach beiseite. Genauso wie die Tatsache, dass sie sich wieder häufiger mit dem Farblosen traf und er sogar manchmal unser Rattansofa blockierte. Sollte er doch. Ich hatte Funghi, Funghi hatte mich, und ich konnte mir kaum noch vorstellen, dass es mal anders gewesen war.

Dann traf ich an einem Sonntag Berta. Zufällig.

Mum malte und pinselte ächzend an unserem Balkon herum, Ole hatte Training, Kati und Mandy aus meiner Klasse waren zu Verwandtenbesuchen abkommandiert, also beschloss ich allein zur Schwimmbaderöffnung zu gehen. Das Wetter war einfach großartig. Strahlend blauer Himmel, kein Wölkchen weit und breit. Ich breitete meine Decke in der Nähe des Kiosks aus, legte mich auf den Bauch und schlug mein englisches Vokabelheft auf. Baden wollte ich später. Oder auch gar nicht. Vielleicht würde ich nur ein Eis essen und einfach wieder so nach Hause radeln.

Auf einmal donnerte ein Ball gegen meinen Rücken. Als hätte ich eine Portion Dynamit im Po, fuhr ich hoch – wahrscheinlich hatten irgendwelche Jungs den Ball absichtlich in meine Richtung gekickt –, aber dann sah ich, wie die Perlweißkuh mit flatterndem Blondhaar auf mich zugelaufen kam. In einem quietschrosa Bikini! Einen knappen Meter vor mir blieb sie stehen und stemmte die Hände in ihre knochigen Hüften. Sie war so verdutzt mich zu sehen, dass sie erst mal keinen Ton rausbrachte.

»Hi«, sagte ich lässig und versuchte mich wie eine Hollywood-Diva zu räkeln. Irgendwie musste ich ja wettmachen, dass ich nur einen dunkelblauen unförmigen Badeanzug trug und meine Haare wieder mal in alle Richtungen abstanden.

»Hallo. Äh ... ach du«, stotterte Berta.

Der Ball war inzwischen ins Gebüsch gerollt, doch Berta schien das herzlich wenig zu interessieren. Wahrscheinlich wusste sie einfach nicht, was sie machen sollte. Mit mir reden, nicht mit mir reden, mir die Zunge rausstrecken oder gleich wieder abhauen. Irgendwie tat sie mir fast leid, wie sie so gerippehaft dastand und an ihrer Tattoo-Kette nestelte.

»Ich hab gehört, du hast jetzt eine Katze?«, fragte sie schließlich.

»Woher weißt du das?«

»Von meinem Vater.«

»Und woher weiß dein Vater ...«, fing ich an, unterbrach mich aber sofort wieder. Es war ja sonnenklar, wer den Farblosen informiert hatte. Mein Blick fiel auf Bertas Zehennägel. Jeder war in einer anderen Farbe lackiert. Ich durfte so was nicht. Zehen lackieren und kreischrosa Bikinis tragen ... Man konnte sagen, was man wollte: Berta hatte wirklich keinen Grund, sich wegen ihres Vaters zu beschweren. Mal abgesehen davon, dass er wie ein Schluck Wasser aussah und darauf stand, meine Mum zu betatschen.

»Wie heißt die Katze denn?«

»Funghi.«

»Was ist das denn für ein affiger Name?«

»Funghi ist kein affiger Name«, zischte ich. Gerade noch hatte ich überlegt, ihr einen Zipfel meines Badetuchs anzubieten, aber jetzt hatte sie sich’s endgültig mit mir verscherzt. »Und wenn du’s genau wissen willst: Funghi ist italienisch und heißt Pilze.«

»Pilze! Deine Katze heißt Pilze!« Berta kicherte. »Und du hast nicht zufällig einen an der Waffel?«

Das saß! Am liebsten hätte ich die Perlweißkuh achtkantig aus dem Schwimmbad werfen lassen, aber ich schaffte es nicht mal, den kleinen Zeh zu rühren. Außerdem zog sich gerade irgendetwas schmerzhaft in meiner Herzgegend zusammen. Niemand hatte das Recht, Funghi zu beleidigen. Und meinen Einfallsreichtum schon gar nicht.

»Deine Mutter hat übrigens eine Zahnbürste in unserem Bad!« Triumphierend warf Berta ihre langen Barbie-Haare zurück.

Ach, du grüne Neune! Zahnbürste im Bad hieß ja wohl, dass man vorhatte sich öfter bei der entsprechenden Person aufzuhalten, schlimmstenfalls sogar bei ihr zu übernachten. Es sei denn, man wollte ihr ein sehr persönliches und von Bakterien durchseuchtes Andenken hinterlassen.

Als könne Berta Gedanken lesen, muffelte sie noch hinterher: »Scheiße, was?«

Dabei sah sie mich vorwurfsvoll an, als hätte ich meine verseuchte Zahnbürste in ihren Zahnputzbecher gestellt.

Das haute mich nun doch um. Bisher hatte ich immer gedacht, ich sei die Einzige, die mit Mums Liebesanwandlungen nicht klarkam, und jetzt saßen Berta und ich auf einmal in ein und demselben Boot.

»Magst du meine Mutter nicht?« Irgendwie klang ich auf einmal nur noch piepsig.

Statt zu antworten, scharrte Berta mit den Zehen im Gras. Dann guckte sie plötzlich hoch. »Und du? Du findest meinen Dad doch bestimmt total doof, oder?«

»Nein, Quatsch«, sagte ich und dachte mir den Rest des Satzes. Nämlich dass ich eigentlich nur Berta doof fand.

»Deine Mutter ist auch nicht übel«, lenkte Berta jetzt ein. »Nur hat sie bei uns nichts zu suchen. Auf Dauer, meine ich.«

Das konnte ich nur bestätigen. Nichts hatte Mum auf Dauer bei Niklas zu suchen. Wirklich gar nichts!

Berta teilte eine Haarsträhne ab, dann rupfte sie, indem sie die Strähne anschielte, ein paar gespaltene Haarspitzen ab. Ihre Barbie-Haare waren also doch nicht durch und durch perfekt.

»Lina?«, murmelte sie, nachdem sie eine ganze Weile an ihren Haaren herumgezupft hatte. »Kannst du deiner Mum bitte mal ausrichten, dass sie beim Küssen gefälligst nicht so schmatzen soll?«

Mum und beim Küssen schmatzen – das war ja wohl der Gipfel! Wahrscheinlich schmatzte ihr Vater und Berta versuchte es jetzt nur auf Mum abzuwälzen.

Doch bevor ich ihr das so verklickern konnte, rief jemand nach Berta. Eine Sekunde später kam ein Stummel von einem Jungen o-beinig über den Rasen geflitzt und blieb direkt vor meinem Badetuch stehen.

»Mann, wo bleibst du denn?«, rief er. »Wir wollen endlich weiterspielen!«

Wie auf Kommando bückte sich die Perlweißkuh und kroch ins Gebüsch; nur noch ihr rosa Hinterteil leuchtete mir entgegen. Kurz darauf tauchte sie wieder mit dem Ball auf. Ihre Haare waren zerzaust und auf den Armen hatte sie einen Kratzer, was ihrer Schönheit jedoch keinen Abbruch tat.

»Na endlich!«, tönte der O-Beinige, dann spurteten die beiden davon.

Ohne tschüss zu sagen.

Blöde Kuh.

Ich und die Perlweißkuh

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