Читать книгу Ich und die Perlweißkuh - Susanne Fülscher - Страница 11

Оглавление

7

»Aber alle aus meiner Klasse fahren in den Pfingstferien weg!« Ich sah Mum mit meinem berühmten Bettelblick an.

»Alle Reichen vielleicht.«

»Manno!«, maulte ich. Mein Brot landete mit einem Platsch auf dem Teller. »Ich möchte aber auch mal verreisen.«

»Wir fahren doch in den Sommerferien weg.«

»Zu Oma und Opa in den Taunus ... Das ist überhaupt kein richtiges Verreisen!«

»Ach, Linchen ...« Mum schraubte eine Ewigkeit lang das Marmeladenglas zu. »Ich verdiene eben nicht so viel. Und alles ist so teuer geworden. Selbst das Schwimmbad kostet 50 Cent mehr als im letzten Jahr.«

»Und wenn ich was dazuverdiene?«, schlug ich vor.

Doch Mum lächelte nur und meinte, dafür sei ich erstens zu jung und zweitens solle ich mich lieber auf die Schule konzentrieren. Damit ich mal einen guten Abschluss machen würde – beste Voraussetzung, um später genug Geld für Reisen zu verdienen.

Wie ungerecht das Leben doch war! Nach den Ferien kamen die meisten aus meiner Klasse braun gebrutzelt von wer-weiß-woher zurück und protzten mit ihren tollen Erlebnissen. Wie lange, wie hoch und wie schnell das Flugzeug geflogen sei, an welchen karibischen Stränden sie als Grillhuhn gelegen hätten und was für exotische Tiere ihnen über den Weg gelaufen wären. Ich hatte noch nie ein Flugzeug von innen gesehen. Geschweige denn einen karibischen Strand. Busfahrten in den Taunus und Streichelzoo im Nachbarort – das war alles, was ich kannte.

Zwei Tage später kam Mum von der Arbeit und grinste schief.

»Ist was passiert?«, fragte ich und nahm Funghi vorsichtshalber auf den Arm. Nicht dass die Kleine noch vor Schreck einen Herzinfarkt kriegte.

Mum schüttelte zwar den Kopf, aber das konnte kaum der Wahrheit entsprechen, denn zu ihrem Grinsen gesellten sich jetzt noch ein paar Hektikflecken.

»Setz dich erst mal.«

Also setzte ich mich und sah Mum dabei zu, wie sie in aller Seelenruhe die Einkaufstasche auspackte. Knäckebrot, Milch, Bananen, Joghurt, Kekse, Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch, Tomatendosen, Seife, Wischlappen ...

»Mum!« Langsam wurde ich ungeduldig.

»Es gibt vielleicht doch noch eine Chance, dass wir wegfahren. Zumindest für ein verlängertes Wochenende.«

»Echt?«

Ich sah mich schon in einem rosa Bikini an einem Palmenstrand liegen und die Sonne brannte auf meinen Pelz, aber dann meinte Mum: »Was hältst du davon, wenn wir mit Niklas und Berta an der Ostsee zelten?«

Zelten! Mit dem Farblosen und der Perlweißkuh! War Mum denn von allen guten Geistern verlassen?

Statt etwas in der Art zu sagen, schnaubte ich nur in mich hinein. Funghi sprang vor lauter Schreck von meinem Schoß und verkroch sich unter dem Küchenschrank.

»Keine gute Idee?« Mum fummelte nervös an der Keksschachtel herum.

Langsam schüttelte ich den Kopf.

»Tja, schade. Ich dachte, es wäre besser als gar nichts. Niklas hat sogar zwei richtig große Zelte. Und einen Gaskocher. Vielleicht können wir baden. Und Burgen bauen. Und Eis essen gehen.«

Mum redete wie aufgezogen, doch ich stellte meine Ohren auf Durchzug. Wenn ich ehrlich war, reizte es mich schon, das Meer zu sehen und die Möwen kreischen zu hören.

»Lina?« Mum rüttelte an meiner Schulter. »Was möchtest du essen?«

»... essen? Wieso?« In Gedanken war ich immer noch am Meer.

»Falls du’s vergessen hast: Normalerweise nehmen wir einmal am Tag etwas Warmes zu uns. Kartoffeln mit Tofuwürstchen oder Nudeln mit Tomatensoße?«

»Bloß keinen Tofu!«, sagte ich wie aus der Pistole geschossen.

Während Mum Zwiebeln für die Tomatensoße schälte und sie dann in einer Pfanne anbriet, dachte ich angestrengt nach.

Was war schlimmer? Mit Berta und dem Farblosen an die Ostsee zu fahren oder gar nicht an die Ostsee zu fahren?

Augen zu und fahren, beschloss ich nach einer Weile. Schließlich standen ja nicht bloß Streichelzoo oder Taunus auf dem Programm. Doch im gleichen Moment fiel mir siedend heiß ein, dass ich Funghi ja nicht allein lassen konnte. Sie einfach mitnehmen ging allerdings auch nicht. Funghi in einem Zelt! Da würde sie bestimmt einen Koller kriegen – wenn sie nicht schon bei Bertas Anblick durchgedreht wäre.

Zum Glück kam mir in den Sinn, dass ich ja einen netten Nachbarn hatte, der sicherlich herzlich gerne auf Funghi aufpassen würde.

Ich ließ Mum mit den Essensvorbereitungen einfach sitzen und ging zu Grubes hoch.

»Ole ist noch beim Training«, meinte Frau Grube. »Kann ich ihm was ausrichten?«

»Nee ... danke ... schon gut«, stammelte ich.

»Aber du hast doch was auf dem Herzen, mein Kind.«

Oles Mutter war wirklich nett. Und weil ich das eigentlich schon immer gefunden hatte, vertraute ich ihr die Sache mit den Kurzferien und Funghi an.

»Natürlich nehmen wir dein Kätzchen, keine Frage!« Frau Grube strahlte, als könne ihr überhaupt nichts Besseres passieren. Dass Funghi noch nicht hundertprozentig stubenrein war, erwähnte ich besser nicht.

Später beim Nudelessen sagte ich dann ganz beiläufig: »Okay, wenn’s unbedingt sein muss, können wir mit den beiden an die Ostsee fahren.«

Mum fiel mir um den Hals und juchzte. »Oh, Linchen, das ist toll, richtig toll!«

Genau. Das fand ich auch. Zumindest, was das Salzwasser und den Meerwind anging.

»Und würdest du auch mit Berta in einem Zelt schlafen? «

Ich mit der Perlweißkuh auf zwei Quadratmetern, ohne die Möglichkeit zu lüften? Bisher war ich automatisch davon ausgegangen, Mum und ich würden in einem Zelt schlafen, der Farblose und seine Tochter in dem anderen. Ich hatte nicht eine Sekunde lang daran gedacht, dass Mum natürlich mit ihrem Niklas turteln wollte. Ach, du dickes Ei ...

Mum musterte mich, indem sie ihren Kopf schief legte. Was wollte sie denn hören? Dass ich ganz versessen darauf war, mit der Perlweißkuh auch noch nachts auf Tuchfühlung zu gehen?

»Lina, ich hab dich was gefragt.«

Und da ich ja sowieso keine andere Wahl hatte, sagte ich, dass es in Ordnung gehe. Allerdings nur, wenn Herr Kaiser draußen bleiben würde.

Mum atmete erleichtert auf. »Herr Kaiser kommt nicht mit. Versprochen.«

Immerhin etwas.

Ich und die Perlweißkuh

Подняться наверх