Читать книгу Ich und die Perlweißkuh - Susanne Fülscher - Страница 7

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Am Samstag wachte ich mit bleischweren Gliedern auf. Wenn ich mich ein bisschen anstrengte, würde ich es vielleicht gar nicht schaffen, aus den Federn zu kommen. Ich würde einfach festmontiert in meiner Mohnblumenbettwäsche liegen bleiben, Mum müsste mir Kakao und Croissants ans Bett bringen und vor allem müsste sie die Fressorgie mit dem Berta-Niklas-Gespann absagen, weil ich mich ja nicht rühren konnte.

Die Tür ging auf und ein rosa Päckchen flog durch die Luft. Es landete genau vor meinem Kleiderschrank. Mit einem Satz war ich aus dem Bett und vergaß dabei ganz, dass ich ja eigentlich bleischwere Beine hatte.

»Was ist das?« Ich befühlte das Paket von allen Seiten.

»Na, was wohl? Ein Geschenk.« Mum grinste so selig, als wäre sie gerade damit beschenkt worden.

»Hab ich vielleicht Geburtstag?«

Mum schwang sich auf meinen Schreibtisch und ließ die Beine baumeln. »Nun mach’s schon auf!«

Anstatt wie andere Leute das Einwickelpapier einfach abzureißen, pulte ich ganz langsam den Tesafilm ab. Ich fand es großartig, mich selbst ein wenig auf die Folter zu spannen. Nach zwei, drei Minuten hatte ich es geschafft. Ein weiches Etwas lag locker, von rosa Geschenkpapier umhüllt, vor mir. Ich musste nur ein bisschen am Papier zupfen und ... schon hielt ich ein T-Shirt in den Händen. Rosa und mit Rüschen und fast bauchfrei. Noch lieber wäre mir zwar ein T-Shirt gewesen, dass nicht nur fast bauchfrei, sondern ganz bauchfrei war, doch da stellte sich Mum quer. Sooft ich ihr auch verklickerte, alle Mädchen in unserer Klasse würden ganz bauchfrei herumlaufen, das Argument zog nicht bei ihr. Angeblich befürchtete sie, dass ich einem Kinderschänder in die Hände fallen könnte. Ich fand das zwar ein bisschen übertrieben, andererseits war fast bauchfrei immer noch besser als gar nicht bauchfrei.

»Das ziehe ich gleich heute Nachmittag an!«

»Na bitte«, sagte Mum lächelnd, rutschte vom Schreibtisch und ging wieder raus.

Ich blieb wie benebelt auf dem Fußboden hocken und grübelte darüber nach, was Mum mit dem na bitte gemeint haben könnte.

Na bitte, geht doch. Man muss Lina nur ein neues T-Shirt schenken und schon pariert sie wie ein Zirkuspferd?

Kaum gedacht, sprang ich schon auf und hastete in die Küche, wo Mum gerade mit aufgekrempelten Ärmeln einen Kuchenteig ausrollte.

»Ich lass mich aber nicht kaufen!«, polterte ich los, indem ich ihr das funkelnagelneue T-Shirt vor die Füße warf.

»Wie kannst du so was nur behaupten, Lina?« In Windeseile breiteten sich rote Flecken an Mums Hals aus. »Warum sollte ich dich denn kaufen wollen?«

»Das weißt du ganz genau!«

Mum kniff die Augen zusammen und meinte dann in etwas schärferem Tonfall, ich solle doch erst mal abwarten, vielleicht würde ich Niklas und Berta ja ganz nett finden.

Mir gefällt aber niemand, der sich in unsere Zweierfamilie drängen will, dachte ich böse, und lief ohne ein weiteres Wort aus der Küche.

Dumm nur, dass das schöne T-Shirt jetzt auf dem Küchenboden lag und dort wahrscheinlich mit Kuchenteigkrümeln übersät vergammeln würde. Ich putzte mir die Zähne, drückte einen kleinen Pickel am Kinn aus, dann ging ich in der unsinnigen Hoffnung in mein Zimmer, dass Mum das T-Shirt in der Zwischenzeit vielleicht wieder auf mein Bett gelegt haben könnte. Fehlanzeige. Kein T-Shirt weit und breit. Also musste es wohl noch in der Küche sein.

Mum saß mit verschmierter Wimperntusche um die Augen am Küchentisch, der Kuchenteig lag noch genauso unfertig da wie vorhin. Jetzt wollte sie mich wohl auch noch mit ihren Tränen weichklopfen! Wortlos hob ich das T-Shirt auf und verzog mich gleich wieder in mein Zimmer. Eigentlich hatte ich ja vorgehabt so richtig lecker zu frühstücken, mit Schokocreme und allem Drum und Dran, aber das fiel jetzt eben flach. Keine Lust auf Mums Trauermiene. Wenn Mum weinte, dann sowieso nur meinetwegen – immer war ich schuld! War es denn nicht schon Strafe genug, eine bescheuerte Familie aufs Auge gedrückt zu kriegen?

Ich und die Perlweißkuh

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