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BARCELONA IST EINE REISE WERT!

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Sie ist zugleich modern und traditionsbewusst, progressiv und provinziell, alternativ und gutbürgerlich. Sie verändert sich ständig und bleibt sich dennoch treu. Widersprüche wie diese machen Barcelona zu einer der spannendsten Metropolen Europas.


© Robert Möginger

ROBERT MÖGINGER

Der Autor absolvierte Teile seines Tourismusstudiums in Spanien und in Lateinamerika. Nach Barcelona zieht es den Münchener seither immer wieder. Seine Lieblingsplätze in der Stadt: die Plaça del Sol im Viertel Gràcia und der Passeig del Born zwischen Strand und Rambles.

»Die schönste Stadt der Welt. Wenn sie mal fertig ist«. An die Ironie jenes Architekten erinnere ich mich noch gut, als ich 1987 mit einer Besuchergruppe die Baustelle des Olympiastadions auf dem Montjuïc besichtigte. Als Student war ich nach Katalonien gekommen, um für eine Arbeit über die Spiele 1992 zu recherchieren.

Barcelona posa’t guapa! »Barcelona, mach dich hübsch!« Das neue Mantra der Regionalregierung war damals allgegenwärtig, nicht wenige Einheimische schimpften schon über die von oben verordnete »Gehirnwäsche«. Die PR-Kampagne sollte die Barcelonesen einstimmen auf das bevorstehende Jahrhundertereignis. Eingerüstete Fassaden, aufgerissener Asphalt, Baulärm überall, alles musste im Eiltempo schöner, besser, sicherer werden. Es schien auch an der Zeit, denn unübersehbar herrschten Verfall und Düsternis in den Altstadtvierteln El Raval und Barri Xinès, damals absoluten No-go-Areas für Auswärtige.

Eine ziemlich ungemütliche Hafenstadt war Barcelona in den 1980er-Jahren. Akzeptable Hotels? Viel zu wenige. Ein Strand? Fehlanzeige. Hinter den Docks begann das Niemandsland. Verlassene Industrieanlagen, wilde Müllkippen. Kein Ort für Touristen, die um Barcelona auf der Durchreise an die costas im Süden lieber einen großen Bogen machten. Erst die Herkules-Arbeiten für 1992 änderten das Gesicht der Stadt und ihr Image nachhaltig: Die Altstadt bekam ein Facelifting, schicke Hotelketten zogen ein, und die mit frischem Sand aufgeschütteten Strände wandelten sich zur attraktiven Freizeitzone.

Welche Metropole bietet schon Sehenswürdigkeiten à la Gaudí und Picasso, erstklassige Gastronomie plus Beachlife am Mittelmeer? Fast zwangsläufig schossen nun Mieten und Immobilienpreise in den Himmel, Barcelona lag plötzlich voll im Trend. Unter allen angesagten Reisezielen für den flotten Citytrip rangiert die Stadt heute ganz oben – spätestens seit Woody Allens Erfolgsromanze »Vicky Cristina Barcelona«.

Was sich jedoch nicht geändert hat, ist der Projekt-Charakter der katalanischen Metropole, der chronisch Unvollendeten. Planerische Eingriffe in den Stadtkörper gehören zu Barcelona quasi wie der Reis zur Paella. Schon im 19. Jh. entstand auf dem Reißbrett des Ingenieurs Ildefons Cerdà die Stadterweiterung Eixample mit ihren breiten Boulevards und Bürgerpalästen. Antoni Gaudí unterlief ein paar Jahrzehnte später das rationalistische Schachbrettmuster dieser »idealen Stadt«, indem er sie mit den wilden organischen Formen des katalanischen Jugendstils schmückte. Sinnbildlich könnte dieser Gegensatz auch stehen für die Rauxa und Seny, diese beiden schwer übersetzbaren Begriffe für die Polaritäten der katalanischen Mentalität: Lustprinzip und Kreativität einerseits, Vernunft und Disziplin andererseits.

Die großen Visionen scheinen der Stadt niemals auszugehen, selbst in Krisenzeiten nicht. Aktuell entsteht gerade wieder einmal ein komplett neuer Stadtteil auf dem Gebiet des ehemaligen Industriestandortes Poblenou. Der ach-so-moderne Name dieses districte de la inovació lautet »22@«, eine Art Business- und Lifestyle-Spielplatz für junge Unternehmer. Ich gestehe, mir wird das alles manchmal zu viel. Zu viel Aufhebens um Zeitgeist und Avantgarde, zu viel Rummel vor Sehenswürdigkeiten und angesagten Nachtclubs, zu hohe Preise.


© Getty Images/Lubenow, Sabine:

Von Gaudís Schlangenbank im Park Güell aus blickt man über die Stadt bis zum Meer

Gut, dass es allem Kommerz zum Trotz ein ebenso typisches, ganz anderes Barcelona gibt: das der barri, der Stadtteile, wo man zusammenhält gegen Geschäftemacher und Spekulanten, wo man die Nachbarn kennt und miteinander Feste wie auf dem Dorf feiert.

Zu meinen Lieblingsorten dieser Kategorie zählt etwa der Stadtteil Gràcia mit der stets lebendigen und dabei herrlich unaufgeregten Plaça del Sol in seiner Mitte. Kettencafés und Markenboutiquen gibt es hier nicht, zum Einkaufen geht man zum marokkanischen Gemüsehändler, Wein und Öl holt man in der Bodega an der Ecke. Und für einen Plausch unter Nachbarn ist immer Zeit. Auch das alte Fischerviertel Barceloneta mit direktem Strandanschluss ist noch so ein funktionierendes Beinahe-Dorf.

Selbst im Zentrum gibt es schöne Beispiele abseits der Touristenströme: Verbringen Sie doch einfach ein paar Stunden ohne Pflichtprogramm am Passeig del Born mit seinen kleinen Bars, coolen Boutiquen und dem nahen Stadtpark Ciutadella. Oder im als »Schmuddelquartier« verrufenen El Raval – die palmenbestandene Rambla del Raval ist dort mindestens so sehenswert wie die oft überlaufenen Rambles selbst.


© Shutterstock/Sergio TB:

Sommertag am Passeig del Born

Geschlossene Gesellschaften sind Viertel wie Barceloneta, El Raval oder Gràcia dennoch nicht, denn die meisten »Kleinen Leute« sind eigentlich Zuwanderer aus spanischen Regionen oder stammen von ihnen ab. Latinos, Afrikaner und junge Alternative runden das bunte Bild inzwischen ab.

Deshalb ist übrigens entgegen anderslautenden Gerüchten Spanisch in Barcelona auch keineswegs eine Fremdsprache, und niemand muss català können, um hier rasch ins Gespräch zu kommen. Überhaupt: Der katalanische Nationalstolz und der reflexhafte Ruf nach Unabhängigkeit von Madrid mögen gelegentlich etwas provinziell erscheinen. Aber im Kontext einer globalisierten Boomtown wirkt der civisme, der oft zitierte Bürgersinn der Katalanen, geradezu als notwendiges Korrektiv.

Mein Tipp für Ihre Reise: Man muss nicht in sämtlichen Warteschlangen vor den Top-Attraktionen gestanden haben. Und genießen Sie die Stadt in wohldosierten Portionen. Lassen Sie ihre vermeintlich weniger spektakulären Ecken nicht links liegen. Und kommen Sie wieder, bevor Barcelona vielleicht doch noch fertig wird …

POLYGLOTT on tour Reiseführer Barcelona

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