Читать книгу Praxiskommentar VOB - Teile A und B - Susanne Roth - Страница 573
II.Einwandfreie Preisermittlung (Abs. 1 Nr. 2)
Оглавление30Nach § 7 EU Abs. 1 Nr. 2 sind alle die Preisermittlung beeinflussenden Umstände festzustellen und in den Vergabeunterlagen anzugeben, um eine einwandfreie Preisermittlung zu ermöglichen.
31Die Vorschrift ist eine besondere Ausprägung der Verpflichtung des Auftraggebers zur eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung. Sie bezieht sich speziell auf die Preisermittlung und gibt dem Auftraggeber ein zweistufiges Vorgehen vor: Das Feststellen der die Preisermittlung beeinflussenden Umstände auf einer ersten Stufe und sodann die Angabe der festgestellten Umstände in den Vergabeunterlagen in einer Art und Weise, die eine einwandfreie Preisermittlung ermöglicht. Maßstab ist hier – wie auch im Rahmen von § 7 EU Abs. 1 Nr. 1 VOB/A – der durchschnittliche fachkundige Bieter. Auf die Ausführungen unter Rn. 20 wird verwiesen.
32Zu den typischen Umständen, die die Preisermittlung beeinflussen, zählen etwa die Bausubstanz beim Bauen im Bestand, Schadstoffbelastungen im Boden oder im Bestand sowie die Boden- und Grundwasserverhältnisse im Allgemeinen. Auch die Bauzeit ist nicht zuletzt bei preislich volatilen Gütern (wie etwa Stahl) sowie für die allgemeine baubetriebliche Planung der Bieter von großer Bedeutung für die Preisermittlung. Unter Umständen sind Preisgleitklauseln vorzusehen, § 9d EU VOB/A. Zudem sind die vom Auftraggeber geforderten Produktqualitäten wichtig für die Preisermittlung. Sind besondere Qualitäten nicht definiert, schuldet der Auftragnehmer grds. die Verwendung von Produkten „mittlerer Art und Güte“, § 243 Abs. 1 BGB.
33Wichtige Hinweise dafür, welche Angaben in welcher Art und Weise zu machen sind, lassen sich dem Abschnitt 0 der ATV, DIN 18 299 ff. entnehmen, siehe § 7 EU Abs. 1 Nr. 7 VOB/A, Rn. 66.
34Die Angabe der betreffenden Umstände kann durchaus auch über einen Verweis auf Gutachten oder Stellungnahmen erfolgen, die der Leistungsbeschreibung beiliegen. Es ist aber zu beachten, dass das bloße Beifügen der Unterlagen je nach Umständen des Einzelfalls nicht ausreichend sein kann. Vielmehr ist der Auftraggeber im Grundsatz verpflichtet, die Gutachten selbst auszuwerten und deren Schlussfolgerungen in die Leistungsbeschreibung einzuarbeiten.39 Siehe hierzu auch § 7b EU VOB/A Rn. 11.
35Im Ausnahmefall kann es den Bietern überlassen werden, die nötigen Ermittlungen selbst anzustellen;40 in Betracht kommt dies insbesondere bei funktionalen Leistungsbeschreibungen.41 Soweit die notwendigen Ermittlungen von Bietern selbst vorzunehmen sind, wird sich aber vor allem die Frage stellen, ob die damit einhergehenden Risiken vor dem Hintergrund von § 7 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A (ungewöhnliches Wagnis) vergaberechtskonform auf die Bieter übergewälzt werden dürfen.
36Die Pflicht zur Ermittlung aller kalkulationserheblichen Umstände endet naturgemäß an der Grenze des mach- und zumutbaren, ein vollkommen unverhältnismäßiger Kostenaufwand ist dem Auftraggeber nicht zuzumuten.42 Mit dieser Feststellung hat es aber keinesfalls sein Bewenden: Die aus der Unverhältnismäßigkeit des Feststellungsaufwandes resultierende Unkenntnis der Bieter von kalkulationserheblichen Tatsachen kann keinesfalls einseitig zu Lasten der Bieter gehen. Dies würde potentiell gegen § 7 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A (ungewöhnliches Wagnis) verstoßen. Es muss im Rahmen der Leistungsbeschreibung und der Vertragsgestaltung daher eine ausgewogene Regelung gefunden werden.
37Der Auftraggeber sollte Bieter auf etwaige ihm bekannte Lücken bei der Darstellung der kalkulationserheblichen Tatsachen hinweisen, um Nachtragsrisiken zu reduzieren.43 Trotz eines Hinweises ist aber Vorsicht geboten, denn auch dann kann die Lücke ein (unzulässiges) ungewöhnliches Wagnis zur Folge haben, siehe Rn. 46. Ohne solche Hinweise dürfen sich die Bieter jedenfalls darauf verlassen, dass alle kalkulationserheblichen Tatsachen in der Leistungsbeschreibung angegeben sind. In den seltensten Fällen wird das indes zu vergaberechtlichen Konsequenzen führen, weil der Bieter zum Zeitpunkt der Ausschreibung oftmals nicht wissen wird, dass kalkulationserhebliche Angaben fehlen. Dies wird sich oftmals erst im Rahmen der Vertragsausführung zu Lasten des Auftraggebers in Form von Nachträgen auswirken. Siehe zur Abgrenzung der Verpflichtungen von Auftraggebern und etwaigen Nachfrageobliegenheiten von Bietern die Ausführungen unter Rn. 20 ff.