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4. Kapitel

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Georg mietete eine Wohnung an der Sergijewskaja, nicht weit vom Newskij-Prospekt entfernt. Schon zwei Tage später, als Swetlana mit Miss Sheldon eine Teestube verließ, wo sie sich nach einem längeren Einkaufsbummel aufgewärmt hatten, drückte ihr jemand einen Zettel in die Hand, auf dem nur die Adresse stand und: Morgen, vier Uhr nachmittags!

Es war ein Bettler, der von Miss Sheldon ein paar Kopeken bekommen hatte und sich auf das Aufdringlichste bedankte. Er grapschte zunächst nach der Hand der Engländerin, schwor den Segen sämtlicher Heiliger auf sie herab und wiederholte die Aufzählung, während er Swetlanas Finger zu küssen versuchte. Er sah schmutzig und heruntergekommen aus, und sie wollte hastig die Hand zurückziehen, als sie spürte, wie er ein Blatt Papier in ihren Handschuh schob.

»Gott segne Euer Gnaden«, sagte er dabei, »und schenke Euch alles Glück, nach dem Ihr Euch sehnt.« Dabei zwinkerte er ihr zu, drückte noch einmal ihre Finger, ehe er von ihr abließ und eilig davonhumpelte.

»Das war Ossip«, sagte Georg Alexandrowitsch, als Swetlana sich am nächsten Tag zur verabredeten Zeit in der Sergijewskaja einfand. Der Großfürst hatte vor dem Portal auf sie gewartet. Er trug Zivil, einen weiten pelzgefütterten Mantel und eine Bärenfellmütze, die er tief in die Stirn gedrückt hatte.

Die Wohnung lag im ersten Stock, drei großzügig möblierte ineinandergehende Räume mit einer Küche und einem winzigen Badezimmer. Die Fensterfront ging auf einen Garten hinaus.

»Ossip ist mein Diener, er ist absolut verschwiegen und zu verlässig – und sehr gewitzt, wie du bemerkt haben wirst. Die Verkleidung als Bettler war seine Idee.«

Die Wohnung war behaglich durchwärmt, in allen Kaminen ein Feuer entzündet, und im Salon stand ein Samowar auf dem Tisch, daneben eine Platte mit kleinen Kuchen und ein eisgefüllter silberner Kübel mit Champagner.

Georg nahm Swetlana Muff und Mantel ab, streifte ihr die Pelzmütze vom Haar und warf alles achtlos auf ein Sofa. »Und du? Hattest du Schwierigkeiten, von daheim fortzukommen?«

Sie lächelte zu ihm hoch. »Ich bin einfach weggegangen, ohne jemandem etwas zu sagen.«

»Und wenn man dich bei deiner Heimkehr fragt?«

»Dann werde ich sagen, daß ich spazieren war.«

»Gut, gut, aber du wirst dich nicht immer damit herausreden können.« Er nahm ihre Hände und küßte sie, und die Berührung seiner Lippen weckte eine kleine prickelnde Erregung in ihr, die sie genoß.

»Ich habe darüber nachgedacht«, erwiderte sie ernsthaft. »Und eigentlich gibt es nur einen Menschen, den ich um Hilfe bitten kann: meine Schwester Xenia. Allerdings muß ich ihr die Wahrheit sagen. Aber Xenia ist verschwiegen.«

»Bist du sicher?« forschte er besorgt, und sie hob die Schultern.

»Eine andere Möglichkeit habe ich nicht. Wenn ich mit ihr zusammen ausfahre, wird niemand Verdacht schöpfen.«

Er zog sie an sich. »Ich hasse diese Heimlichkeiten! Ich wünschte, daß wir eines Tages vor aller Welt ein Paar sein können. Ach, Swetlana, Swetlana, was soll nur werden mit uns?«

»Das mußt du entscheiden«, erwiderte sie fast kindlich.

Er führte sie zu einer Ottomane und legte die Arme um sie. »Ich würde noch heute mit Nicky reden. Das Problem bist du, denn du bist mit Boris Barschewskij verlobt.«

Ein kleiner scharfer Schmerz durchfuhr sie, als sie an Boris dachte. Warum tat sie ihm das an?

»Jetzt siehst du ganz traurig aus«, stellte Georg fest und küßte sie. Sie erwiderte den Kuß, und als er sie fester an sich drückte und sie zu streicheln begann, sperrte sie alles aus ihren Gedanken aus, was nichts mit Georg und ihrer Liebe zu tun hatte.

Von da an trafen sie sich regelmäßig jeden zweiten Nachmittag in der Wohnung in der Sergijewskaja. Das untere Stockwerk des Hauses mit seiner bunt bemalten Holzfassade, das noch aus der Zeit Peters des Großen stammte, wurde von einem alten, fast tauben ehemaligen Beamten der Kaiserlichen Staatskanzlei bewohnt. Er wußte nicht, wer Georg war.

Der Großfürst hatte die Wohnung unter dem Namen Andrej Iwanowitsch Pluchin gemietet. Ossip kam täglich, um alles sauberzuhalten, zu heizen und die Vorräte aufzufüllen.

Swetlana hatte den kleinen krummbeinigen Mann mit dem Gesicht eines altgewordenen Schuljungen inzwischen kennengelernt. Seine listigen schwarzen Äuglein hatten sie vergnügt angefunkelt. »Stets zu Diensten, Euer Gnaden. Wenn Euer Gnaden einmal einen besonderen Wunsch haben, laßt es mich nur wissen. Ich tue, was ich kann, um ihn zu erfüllen.«

Aber Swetlana hatte keine besonderen Wünsche außer diesen: daß sie Georg eines Tages ohne alle Heimlichkeiten würde lieben dürfen – und daß Boris sie verließ, weil er eine andere Frau kennengelernt hatte, die ihm wichtiger war als sie.

Aber das konnte ihr wohl niemand erfüllen.

Swetlana hatte Xenia alles eingestanden, und die jüngere Schwester war entsetzt gewesen.

»Wie konntest du nur, Swetlana! Wenn die Eltern oder Boris Petrowitsch davon erfahren ... Und überhaupt, wie stellst du dir vor, daß es weitergehen soll? In zehn Monaten wirst du Boris heiraten.«

Swetlana hatte die Schultern gehoben. »Ich weiß. Ach, Xenia, das verstehst du nicht. Ich schwöre dir, ich wollte es nicht. Ich wollte nichts anderes, als Boris glücklich machen, und ich war ganz sicher, daß ich es könnte. Aber nun ... Bitte, bitte, hilf mir! Du bist die einzige, die es kann.«

Die Schwester hatte sie kopfschüttelnd betrachtet. »Und ich dachte immer, dein Leben müßte glatt und ohne Komplikationen verlaufen. Du machst eine gute Partie, bekommst einen Mann, der dich anbetet ...«

Swetlana hatte die Hände gegen die Ohren gepreßt. »Bitte, hör auf! Ich kann es nicht hören! Oder glaubst du, mir fällt es leicht, Boris derartig zu hintergehen? Ach, ich wünschte, ich wäre tot!«

»Irgendwann wirst du es ihm sagen müssen«, stellte Xenia nüchtern fest. »Es wird natürlich einen fürchterlichen Eklat geben, wenn er die Verlobung löst, Papa wird toben und Mama eine Woche lang ihre Migräne haben und anschließend mit dir nach Kowistowo zurückreisen, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Aber in diesem Fall hilft wirklich nur die Wahrheit.«

Swetlana nickte verzweifelt. »Du hast recht, aber ... Ich kann es Boris einfach nicht sagen. Ich habe Angst davor.«

Und wieder dachte sie wie ein Kind, das meint, es müsse nur oft genug denselben Wunsch aussprechen, um ihn endlich erfüllt zu bekommen: Lieber Gott, mach doch, daß Boris sich in eine andere verliebt, damit er nicht so schrecklich enttäuscht von mir ist und unnötig leidet!

Xenia und sie sprachen noch lange miteinander über dieses Thema, und die Jüngere erklärte sich endlich bereit, Swetlanas Rendezvous mit Georg Alexandrowitsch zu dekken.

Die beiden schützten gemeinsame Unternehmungen vor, verließen zusammen das Haus, und Xenia benutzte die Stunden, die Swetlana in der Wohnung in der Sergijewskaja verbrachte, um in einer nahe gelegenen Bibliothek dickleibige Wälzer medizinischen Inhalts zu studieren.

Sie hatte ihrem Vater die Erlaubnis abgerungen, nach Ostern auf die Xenia-Schule gehen zu dürfen, nicht zuletzt deshalb, weil die beiden Töchter von Staatsrat Nobokow sie ebenfalls besuchten, und bereitete sich mit aller Zielstrebigkeit auf ein späteres Studium vor.

Boris Barschewskij kam, wenn sein Dienst es erlaubte, allabendlich in das Lasarowsche Palais oder begleitete Swetlana und ihre Familie zu den verschiedenen Festivitäten, zu denen sie eingeladen waren.

Swetlana ertrug es nur schwer, in Boris’ ahnungslose Augen zu blicken, sein glückliches Lächeln zu sehen, wenn sie mit ihm tanzte oder sich von ihm küssen ließ, was selten genug vorkam, weil sie es vermied, mit ihm allein zu sein.

Dann kam sie sich abgrundtief schlecht vor und spielte mit dem Gedanken, sich nicht mehr mit Georg Alexandrowitsch zu treffen, aber gleichzeitig wußte sie, daß sie das nie im Leben fertigbringen würde.

Sie liebte Georg mit der ganzen Inbrunst ihrer jungen Jahre, wußte sich von ihm wiedergeliebt und war unfähig, sich aus dieser Verflechtung von Zärtlichkeit und Verlangen, Sichgeben und Sichnehmen zu lösen.

»Ich hoffe nur, du schläfst nicht mit ihm«, sagte Xenia eines Tages im März, als der Himmel über der Stadt von jenem trügerischen Blau war, das wie ein Vorbote des Frühlings wirkte und schon am Mittag zu einem fahlen Grauweiß verblich, das häßlichen, wie mit kleinen Glassplittern stechenden Schneeregen mitbrachte, der die Straßen in einen Morast aus Schneeresten, Nässe und Schmutz verwandelten, und Swetlana schüttelte auf die Frage ihrer Schwester hin den Kopf.

»Nein, wo denkst du hin?«

Es war die Wahrheit, denn Georg Alexandrowitsch bedrängte sie nicht. Trotz all ihrer Küsse und Zärtlichkeiten legte er sich Zügel an, um Swetlana Zeit zu lassen. Vielleicht war auch ein wenig Angst mit im Spiel, Angst vor einer Verantwortung, der er nicht gewachsen sein konnte.

Zarin Alexandra Fjodorowna erwartete in der Tat ihr drittes Kind, es sollte im Juni geboren werden, und Georg hoffte genau wie sie selbst, daß sie diesmal endlich den Thronerben zur Welt brachte.

In Zarskoje Selo verbrachte die Zarin täglich viele Stunden im Gebet. Sie umgab sich mit Priestern, Mönchen und frommen Wunderheilern in der verzweifelten Hoffnung, daß dadurch ihr heißer Wunsch nach einem Sohn endlich erfüllt würde.

War es so, dann blieb Georg Alexandrowitsch nicht länger Zarewitsch, und das bedeutete, daß er weniger Rücksichten zu nehmen hatte. Vielleicht konnte er dann Swetlana sogar eines Tages heiraten, freilich um den Preis des Rücktritts von allen öffentlichen Ämtern und Ehren.

Aber das würde er auf sich nehmen, ebenso wie die offizielle kaiserliche Ungnade, die Nikolaus ihm nicht ersparen konnte. Man war in diesen Dingen sehr streng am kaiserlichen Hof: Eine unstandesgemäße Heirat, noch dazu mit einer Frau, die vordem schon einmal verlobt gewesen war, zog unweigerlich solche Folgen für die Mitglieder der Zarenfamilie nach sich.

Doch Georg liebte Swetlana wirklich, und die Stunden mit ihr gehörten für ihn zu den glücklichsten seines Lebens.

Sie redeten viel miteinander, fragten einander nach ihrem vorherigen Dasein aus, entdeckten unzählige Übereinstimmungen in ihren Vorlieben und Abneigungen und lernten sich auf diese Weise immer besser kennen.

Nur über seine Krankheit wollte Georg nicht sprechen. Swetlana hatte ihn danach gefragt, doch er war mit einem Schulterzucken darüber hinweggegangen.

»Ich war ein Zeitlang recht krank. Aber inzwischen spüre ich nichts mehr. Es geht mir gut, und du mußt keine Angst haben, daß ich dich anstecken könnte. Doktor Korowin hat mir versichert, es wäre alles in Ordnung.«

»Ich habe keine Angst vor einer Ansteckung«, versicherte sie. »Ich habe nur Angst um dich. Tuberkulose kann doch immer wieder ausbrechen, nicht wahr?«

Sein Gesicht verschloß sich. »Nicht, wenn sie ausgeheilt ist.« Dann wechselte er das Thema und erzählte ihr, daß er gestern bei der Zarin Tee getrunken und mit seinen kleinen Nichten gespielt habe.

»Sie sind beide so hübsch und lustig! Tatjana hat mich ganz besonders ins Herz geschlossen. Als ihre Kinderfrau kam, um sie zu Bett zu bringen, hat sie geschrien, als stecke sie am Spieß. Sie hörte erst auf, als ich noch in ihr Zimmer kam, um ihr einen Gutenachtkuß zu geben.«

»Und wie geht es der Kaiserin?« wollte Swetlana wissen.

Er seufzte. »Nicht besonders gut. Sie hat schrecklich geschwollene Beine und leidet unter Herzbeschwerden. Die Schwangerschaft macht ihr zu schaffen. Aber mein Bruder ist wie immer rührend besorgt um sie.«

Ende März setzte endlich der Eisgang auf der zugefrorenen Newa ein. Tagelang schoben sich die berstenden Eisschollen donnernd gegen- und übereinander. Es klang, als fände eine Seeschlacht statt. Und dann wurde es über Nacht so sonnig und warm, daß das Eis schmolz, und bald darauf zeigte sich in den Parks und auf den Uferwiesen das erste zarte Grün.

»April, Mai, Juni, Juli, August, September ...«, zählte Boris Barschewskij auf, als er mit Swetlana eines Nachmittags zur Jelagin-Insel fuhr, um seinen Vater zu besuchen. »Dann wird aus Swetlana Pawlowna Iasarowa die Gräfin Barschewskaja. Die hübscheste Barschewskaja, die es jemals gegeben hat.«

Er saß neben ihr in der Kutsche, und Swetlana wandte hastig das Gesicht zur Seite, als er sie auf den Mund küssen wollte. Seine Lippen berührten nur ihre Wange. Boris hielt sie fest. »Was ist? Habe ich irgend etwas gesagt, das dich verärgert hat?«

Sofort bereute sie ihre Reaktion. »Nein. Du tust nie etwas, das mich ärgert. Ich bin nur ein bißchen nervös heute, das ist alles. Verzeih mir.«

»Du bist in letzter Zeit häufig nervös«, stellte er besorgt fest. »Und immer so blaß. Fühlst du dich am Ende krank?«

Sie zwang sich zu einem kleinen Auflachen. »Ich bin so gesund, wie man nur sein kann. Mach dir keine Gedanken, Boris.«

Er nahm ihre Hand und legte sie gegen seine Wange. »Wer liebt, macht sich immer Gedanken um den anderen. Dir muß es doch genauso ergehen. Oder wäre es dir gleichgültig, wenn ich ernstlich erkrankte?«

»Nein, gewiß nicht«, stieß sie hastig hervor und streichelte seinen Ärmel. O Gott, wie sollte sie ihm jemals sagen, daß sie ihn nicht heiraten konnte! Und es war nicht einmal mehr ein halbes Jahr bis zu dem festgesetzten Hochzeitstermin am 12. September!

»Boris ...«, setzte sie an, und er wandte ihr das Gesicht zu.

»Ja, mein Liebling?«

»Bist du eigentlich ganz sicher, daß ich die einzig richtige Frau für dich bin? Ich meine, vielleicht glaubst du nur, mich zu lieben, und plötzlich gefällt dir eine andere viel besser. Solche Sachen passieren doch, nicht wahr?«

Er umfaßte ihr Gesicht mit beiden Händen und küßte sie nun doch auf den Mund. »Uns passiert so etwas nicht«, sagte er innig. »Mir nicht und dir nicht. Wir werden uns immer lieben, auch wenn wir alt und grau geworden sind. Das heißt, du wirst auch dann noch schön und anmutig sein, mein Herz, da bin ich ganz sicher. Die weißen Haare werden dir ebensogut stehen wie jetzt deine blonden. Und du wirst immer noch diese schönen, großen glänzenden Augen haben und deine graziösen Bewegungen. Nur ich werde vielleicht an einem Stock herumhumpeln und dir nicht mehr so gefallen wie heute, weil ich ein wenig schlechter höre oder die Augen nachlassen und du mir aus der Zeitung vorlesen mußt. Aber dann wirst du dich daran erinnern, wie lieb ich dich immer hatte und wie schön es in all den Jahren mit uns war – und dann wirst du mir verzeihen, daß ich nicht mehr der schneidige Gardeoffizier bin, in den du dich mit siebzehn verguckt hast.«

Ihr schossen plötzlich Tränen in die Augen. Boris sah es und erschrak. »Warum weinst du, Liebes?«

Sie schluckte und wischte sich über das Gesicht. »Aus ... aus lauter Sentimentalität. Weil du das so lieb gesagt hast.«

Die Karwoche und das Osterfest verbrachte Georg Alexandrowitsch mit der Zarenfamilie in Zarskoje Selo. Als er zurückkam, hatte er sich stark erkältet. Er hustete und schwitzte, und seine Augen hatten einen fiebrigen Glanz.

Als Swetlana in die Sergijewskaja kam, wollte sie ihm wie immer an die Brust fliegen, doch er schob sie von sich.

»Bitte nicht. Ich will nicht, daß du dich ansteckst. Ich habe mir eine leichte Infektion eingefangen.«

»Das ist mir gleich«, sagte sie und schmiegte sich an ihn. »Ich hab’ dich so vermißt. Komm, laß dich küssen.«

Widerstrebend gab er nach, hielt aber die Lippen fest geschlossen, als sie ihren Mund darauf drückte. Für eines Herzschlags Länge überkam sie die eisige Furcht, er könne sie nicht mehr lieben, er sei ihrer überdrüssig geworden und die Krankheit nur ein Vorwand, um sie von sich fernzuhalten. Doch als sie einen Blick in sein Gesicht warf, waren seine Augen so liebevoll wie immer, und sie spürte, daß er sich genauso danach sehnte, sie zu umarmen, wie sie es tat.

Ossip, der Diener, war in der Küche. Er tauchte nur kurz auf, um ein Tablett mit Petit fours in den Salon zu bringen und die Teetassen aus dem Samowar zu füllen. Dann waren Georg und Swetlana wieder allein.

Er ließ sich in einen Fauteuil fallen und streckte die Arme nach ihr aus. »Komm her zu mir.« Sie wollte sich auf seine Knie setzen, wie sie es gern tat, aber er schob sie wiederum von sich auf die Sessellehne. »Nicht so nahe. Laß uns vernünftig sein. Aber ich will dich wenigstens ein wenig streicheln können.«

Während sie einander berichteten, was in der Zeit ihrer Trennung geschehen war, hustete Georg einige Male. Es war ein krampfartiger, dumpfer Husten, der ihr angst machte.

»Bist du sicher, daß es nur eine Erkältung ist?« fragte sie, und er erwiderte knapp:

»Was sonst?«

»Nun, es könnte auch ein erneutes Aufflackern deiner ... deiner alten Krankheit sein.«

»Unsinn«, wehrte er heftig ab und preßte ein Taschentuch vor den Mund, um einen erneuten Hustenanfall zu unterdrücken.

Sie blieb an diesem Tag länger als verabredet bei ihm, und als sie endlich ging, war sie voller Unruhe. Georg hatte nicht gut ausgesehen, und sie hatte ihn gebeten, für ein paar Tage im Bett zu bleiben. Doch davon hatte er nichts hören wollen. »Ich habe dich so lange entbehrt. Ich will dich morgen wiedersehen.«

Doch als sie am nächsten Nachmittag in die Sergijewskaja kam, öffnete Ossip ihr die Tür. Er hatte ein paar Zeilen von Georg für sie und berichtete, daß das Befinden Seiner Kaiserlichen Hoheit sich leider verschlechtert habe, so daß sein Arzt ihm Bettruhe verordnet hatte.

Ich denke an Dich. Ich liebe Dich! hatte Georg geschrieben. Und nun muß ich zusehen, bald wieder gesund zu werden – für Dich, mein Herz. Drei oder vier Tage, dann hast Du mich wieder. Ich küsse Dich in Gedanken!

Sie vereinbarte mit Ossip, nach vier Tagen wieder in die Wohnung in der Sergijewskaja zu kommen, und dieses Mal war Georg an der Tür, als sie die Treppe hinauflief. Stürmisch zog er sie in die Arme.

»Endlich!« Dann hob er sie hoch, wie er es gern tat, und trug sie in den Salon, wo er sie auf der Ottomane niederlegte. Sie wollte etwas sagen, doch er erstickte ihre Worte mit seinem Kuß.

Die Trennung, so kurz sie im Grunde gewesen war, hatte bei beiden die Sehnsucht nacheinander ins Uferlose anwachsen lassen, und Swetlana meinte, niemals zuvor so verlangend von Georg geküßt worden zu sein. Seine Hände, seine Lippen setzten sie in Brand, sie stöhnte leise, als er sich zu ihr legte und sie mit fast schmerzhafter Intensität an sich preßte.

»Gut, so gut«, murmelte er und atmete den Geruch ihrer Haut und ihres Haares ein. »Und ich hatte solche Angst ...«

»Angst – wovor?« fragte sie und richtete sich halb auf.

Er preßte das Gesicht in ihre Halsbeuge. »Ich wollte es dir nicht sagen, nicht einmal vor mir selbst zugeben. Aber ich dachte, die Tuberkulose bräche wieder bei mir aus. Doch das war nicht der Fall. Es war wirklich nur eine Erkältung, und sie ist vorbei.«

Die Erkenntnis, wieviel Furcht er ausgestanden hatte und daß er dabei ganz allein gewesen war, trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie umklammerte ihn und küßte ihn, wohin sie traf.

»Du mußt dich nicht fürchten. Weißt du nicht, daß ich lieber sterben würde, als ohne dich zu leben? Wir hätten das gemeinsam durchgestanden, und es wäre mir ganz egal gewesen, ob die Leute darüber redeten. Ich hätte dich gepflegt und wäre nicht von deinem Bett gewichen.«

»Hast du inzwischen mit Boris Barschewskij gesprochen?« fragte er und setzte sich so, daß ihr Kopf an seiner Schulter lag.

»Ich wollte es ein dutzendmal, doch dann habe ich es nicht fertiggebracht. Ach, Georg, er tut mir so leid!«

Er sah ihr unglückliches Gesicht und mußte lächeln. »Aber du kannst ihn nicht aus lauter Mitleid heiraten! Hör zu, Liebes. Vor drei Tagen ist der Zar nach St. Petersburg gekommen. Er hat mich besucht, um zu sehen, wie es mir geht. Wir haben uns lange unterhalten, und ich habe ihm gesagt, daß es da eine Frau gibt, die ich liebe und heiraten möchte. Natürlich habe ich ihm nicht deinen Namen genannt, ihm aber sehr wohl die Schwierigkeiten geschildert, die uns im Wege stehen. Nicky ist überzeugt, daß seine Frau dieses Mal einen Sohn bekommt. Einer der wundertätigen Mönche, die in Zarskoje Selo sind, hat es prophezeit. Auch die Zarin glaubt fest daran. Wenn es wahr wird, dann wird Nikolaus uns keine Steine in den Weg legen. Natürlich wird man uns eine Weile nicht bei Hof empfangen können, aber das gilt nicht für immer. Irgendwann können wir zurückkehren.«

Sie drückte seine Hände gegen ihre Brust. »Ist das wahr? O Gott, Georg, ich kann es noch gar nicht glauben! Und Seine Majestät war nicht aufgebracht oder ärgerlich? Er hat es verstanden?«

Er nickte und küßte sie wieder. »So Gott will, werden wir zusammenbleiben.«

An diesem Nachmittag wurde Swetlana seine Geliebte. Sie wollten es beide, und es war so, wie Georg es sich erträumt hatte, wenn er an sie dachte.

Er hatte seine Affären gehabt und war ein erfahrener Liebhaber. Langsam, mit großer Behutsamkeit führte er Swetlana zu dem Punkt, an dem sie ganz bereit für ihn war. Er überwand ihre Scheu, als sie zum erstenmal nackt vor ihm lag, hörte nicht auf, sie zu streicheln, bis sie ihrerseits den Mut fand, nun auch seinen Körper zu entdecken. Glücklich spürte er, wie ihr Verlangen nach ihm wuchs, bis sie meinte, es nicht mehr aushalten zu können.

Sie schrie auf, als er ganz zu ihr kam, empfand einen kurzen messerscharfen Schmerz, wollte sich zurückziehen, doch er hielt sie fest an sich gedrückt, wartete, bis sie sich entspannte, und begann erst dann, sich in ihr zu bewegen.

»Georg ... Georg!« Hatte sie seinen Namen nur gedacht oder ihn laut gerufen? Sie wußte es nicht, wußte nur, daß es unerträglich schön war, was er mit ihr tat, und daß es immer noch eine Steigerung gab, bis sie glaubte, in seiner Umarmung zu vergehen.

Bebend lag sie an ihn gepreßt, als es vorüber war, hörte ihren und seinen Herzschlag, spürte, wie er ihr das Haar aus der Stirn strich und seine Lippen auf ihre Augen legte.

»War es schön?« fragte er leise und selbst aufgewühlt bis in die Tiefen seines Inneren. »Habe ich dich glücklich gemacht?«

Sie nickte nur. Sie konnte nicht sprechen, und Georg wiegte sie in seinen Armen wie ein geliebtes Kind.

Ihre Liebe machte sie unvorsichtiger, als sie es bis zu diesem Zeitpunkt gewesen waren. Fast täglich trafen sie sich nun, und manchmal fuhren sie auch miteinander aus. Dann lenkte Ossip die Kutsche, und Georg und Swetlana küßten sich drinnen auf der rot-grau gepolsterten Bank, bis sie beide ganz atemlos vor Verlangen waren und der Großfürst seinem Diener befahl, in die Sergijewskaja zurückzukehren. Manchmal trafen sie auch bei verschiedenen gesellschaftlichen Anlässen zusammen. Dann konnte es geschehen, daß sie sich durch ihre Blicke und ihr Lächeln verrieten, wenn sie miteinander redeten oder tanzten. Hin und wieder ergab sich auch die Gelegenheit, für ein paar Augenblicke allein zu sein. Dann umarmten sie einander, und die Heimlichkeit verlieh diesen kurzen Zärtlichkeiten einen besonderen prickelnden Reiz.

»Sie werden alle Tage schöner, Swetlana Pawlowna«, sagte Leonid Soklow eines Tages zu ihr. »Sie sind regelrecht aufgeblüht in den letzten Wochen, und ich beneide Boris Barschewskij, daß er dieses Wunder an Ihnen vollbracht hat.«

Der Fürst war ihr in einer Teestube beim Sommergarten begegnet, in der sie mit Xenia verabredet war. Swetlana kam aus der Sergijewskaja und wartete nervös auf die Schwester, die sich verspätet hatte.

Daß Fürst Soklow sie nun allein antraf, war ihr äußerst unangenehm.

Er blieb neben ihrem Tisch stehen. »Allerdings bezweifle ich manchmal, daß Rittmeister Barschewskij der Urheber Ihrer neuen Schönheit ist.«

»Was wollen Sie damit sagen, Fürst Soklow?« fragte Swetlana und bemühte sich um Festigkeit in der Stimme.

Er lächelte auf eine perfide Art. »Für Sie Leonid Iwanowitsch, meine Liebe! Und was Ihre Frage betrifft: Ich habe die unangenehme Eigenschaft, Menschen, die mich interessieren, sehr genau zu beobachten. Dabei kommt man manchmal zu völlig anderen Schlußfolgerungen als diejenigen, die nur sehen, was ihnen oberflächlich ins Auge springt.«

»Sie sprechen in Rätseln«, entgegnete sie abweisend, und sein Lächeln verstärkte sich.

»Wirklich? Nun, dann bitte ich tausendmal um Vergebung. Ich möchte um keinen Preis Ihren Unwillen erregen, Swetlana Pawlowna, geschweige denn Ihnen Unrecht tun.«

Zu ihrer Erleichterung betrat in diesem Moment Xenia die Teestube, steuerte auf Swetlana zu und sprudelte hervor: »Tut mir leid, daß ich mich verspätet habe. Ich habe einfach die Zeit vergessen.« Sie nickte Soklow zu. »Schön, Sie zu sehen, Fürst ...«

Er brach in Gelächter aus. »Was für eine Unwahrheit! Hat Ihr geistlicher Erzieher Pater Andrej Sie nicht gelehrt, immer und um jeden Preis dem Teufel Paroli zu bieten? Warum behaupten Sie dann, daß meine Gegenwart Sie erfreut?«

Xenia war nicht auf den Mund gefallen. »Zwischen einer Begrüßungsfloskel und der Wahrheit bestehen zweifellos Unterschiede. Trotzdem – warum sollte ich etwas gegen Ihre Anwesenheit haben, wenn Sie meiner Schwester die Zeit bis zu meinem verspäteten Eintreffen verkürzt haben?«

»Gut gekontert«, sagte er lässig und verneigte sich vor ihr und Swetlana. »Gestatten Sie mir, eine weitere Floskel hinzuzufügen: Stets zu Ihren Diensten, meine Damen.«

Swetlana blickte ihm unbehaglich nach, wie er durch die Tischreihen davonging. »Gut, daß du da bist. Er hat plötzlich ein paar Andeutungen gemacht, die mich beunruhigen. Es klang fast, als wisse er etwas über Georg und mich – oder ahne es zumindest.«

Xenia winkte der Bedienung und bestellte sich einen Tee. Dann beugte sie sich über den kleinen runden Marmortisch. »Was hat er denn gesagt?«

Swetlana wiederholte es, und ihre Schwester runzelte die Stirn. »Ein unangenehmer Mensch! Eigentlich kann er gar nichts wissen. Doch es paßt zu ihm, daß er sich in derartigen Zweideutigkeiten ergeht. Ich glaube, er intrigiert gern.«

Dennoch, Swetlanas Unbehagen blieb. So oft sie in den nächsten Tagen mit Leonid Soklow zusammentraf – und das geschah mehrere Male –, fühlte sie sich von ihm belauert. Nicht einmal Georg, dem sie sich anvertraute, konnte ihre Bedenken zerstreuen.

»Er kann nichts wissen«, sagte auch er. »Und wenn er irgendeine Vermutung hegt, was ist dabei?« Er nahm Swetlanas Hände. »Du mußt nur endlich mit Barschewskij sprechen. Versprichst du mir das?«

»Es muß wohl sein. Ach, Georg, er tut mir so leid. Es wird ihn furchtbar treffen. Und die Reaktion meiner Eltern mag ich mir gar nicht ausmalen.«

»Vergiß nicht, daß ich auch noch da bin, um dich zu schützen«, sagte er. »Mein Einfluß ist groß genug, um deinen aufgebrachten Vater zu besänftigen. Freilich, was Barschewskij betrifft ... Aber weißt du, mein Herz, man kommt in seinem Leben nicht immer darum herum, anderen Menschen weh zu tun. Und auf jeden Fall hat Boris Petrowitsch deine Aufrichtigkeit verdient.«

Sie wußte, daß er recht hatte, und war nun fest entschlossen, gleich am nächsten Tag mit Boris zu reden.

Doch dazu sollte es nicht mehr kommen ...

Boris Petrowitsch Barschewskij verbrachte den Vorabend mit einigen Offizieren der Preobraschenskij im ›Europa‹, einem großen Hotel am Newskij-Prospekt, wo sie gemeinsam diniert hatten.

Später zog man sich in einen hinter dem Speisesaal befindlichen Salon zurück, um Karten zu spielen. Boris Petrowitsch hatte eine Glückssträhne und gewann unablässig, was ihm von Jurij Lasarow, der mit von der Partie war, die scherzhafte Bemerkung eintrug, wer so viel Glück im Spiel habe, könne unmöglich auch noch auf Glück in der Liebe rechnen.

»Nimm dich in acht, mein Freund«, meinte Jurij gutmütig. »So wie es aussieht, steht dir ein handfester Streit mit meiner Schwester ins Haus.«

Boris lachte. »Deine Schwester ist ein Engel. Sie kann, glaube ich, gar nicht streiten.«

»Oh, da bin ich aber schon eines Besseren belehrt worden.« Jurij mischte die Karten für eine neue Runde und begann sie auszuteilen. »Swetlana ist sehr temperamentvoll, und wenn ihr etwas gegen den Strich geht, kann sie Feuer spucken. Du wirst es noch erleben.«

Während des kurzen Wortgeplänkels hatte sich die Tür geöffnet, und eine weitere Gruppe junger Offiziere war eingetreten, begleitet von Fürst Leonid Soklow. Er hatte die letzten Sätze mitgehört und kam prompt mit einem ironischen Lächeln näher.

»Geht es um Swetlana Pawlowna? Was für ein reizvolles Thema! Allerdings würde auch ich sie nicht unbedingt als einen Engel bezeichnen. Damit haben Sie zweifellos recht, mein lieber Jurij Pawlowitsch.« Er nickte dem jungen Leutnant zu und grüßte lässig in die Runde. Dann bedachte er Boris mit einem schrägen Blick.

»Engel sind zwar vollkommene, aber gleichzeitig doch etwas fade Geschöpfe, finden Sie nicht, Barschewskij? Da ist mir ein irdisches Wesen wie Swetlana Pawlowna lieber. Sie hat Rasse und genau jenen Schuß Bedenkenlosigkeit, der sie so unwiderstehlich macht.«

Boris legte seine Karten verdeckt auf den Tisch. »Offen gestanden gefällt mir die Art nicht, wie Sie von meiner Braut reden, Leonid Iwanowitsch.«

Soklow lachte und angelte nach einem freien Stuhl, auf den er sich rittlings setzte, während seine Begleiter an einem entfernteren Tisch Platz nahmen und lärmend darüber diskutierten, ob man gemeinsam eine Bowle bestellen oder lieber etwas anderes trinken solle, jeder nach seinem Geschmack.

»Meine Worte waren als Kompliment gedacht, Boris Petrowitsch. Ich finde es großartig, wenn Frauen die Erfüllung ihrer Bedürfnisse über ihre steifleinerne Erziehung stellen. Wenn Sie Swetlana Pawlowna tatsächlich heiraten sollten, werden Sie ein sehr temperamentvolles Kätzchen in Ihr Bett bekommen.«

Jurij zog die Augenbrauen zusammen. »Verdammt, Soklow, sind Sie betrunken oder was? Was sollen diese Unverschämtheiten? Sie werden sich auf der Stelle für Ihr Gerede entschuldigen.«

Der Fürst wippte auf seinem Stuhl hin und her. »Oh, ich hatte nur zwei Gläser Champagner im ›Belle Fleurs‹ – mit einem winzigen Schuß Wodka darin. Und was mein Gerede betrifft – sind Sie wirklich so ahnungslos, wie Sie tun, oder wollen Sie nur vor Boris Petrowitsch den Schein aufrechterhalten?«

Boris sprang auf. Mit einem harten Griff faßte er den Fürsten an den Aufschlägen seines Seidenfracks und zog ihn hoch. »Was erlaubst du dir, du Hund? Wie kannst du es wagen, Swetlana Pawlowna durch deine schmutzigen Andeutungen zu beleidigen? Man sollte dir aufs Maul schlagen!«

»Nur zu«, erwiderte Soklow kalt. »Tu’s, du Narr, und du wirst sehen, wohin es führt. Ich bin ein verdammt guter Pistolenschütze, weißt du das?«

»Das ist mir egal!« schrie Boris, weiß vor Zorn. »Ich zähle bis drei. Wenn du dich dann nicht für deine infamen Behauptungen entschuldigst und sie zurücknimmst ...«

Soklow lachte. »Ich denke nicht daran! Ich weiß, was ich weiß. Deine Swetlana Pawlowna ist nicht das unschuldige reine Schwänchen, das du in ihr siehst. Sie hat Federn gelassen, und spätestens in eurer Hochzeitsnacht wirst du es erfahren ...«

Er verstummte, weil Boris ihn mit der flachen Hand rechts und links ins Gesicht schlug. Auf Soklows Wangen zeichneten sich Boris’ Finger als rote Flecken ab.

»Das genügt, du Idiot!« Der Fürst wandte sich zu seinen Begleitern, die der Szene mit wachsender Bestürzung gefolgt waren. »Katjubin, Martaschenko, ihr seid meine Sekundanten. Bringen wir die Sache rasch hinter uns.« Er vollführte eine knappe Verbeugung in Boris’ Richtung. »Ich erwarte Sie bei Sonnenaufgang am Sommergarten, Rittmeister Barschewskij. Auf Pistolen, bis einer von uns am Boden liegt.«

Damit verließ er den Salon, und die beiden Gardehusaren, die er um ihre Sekundanz gebeten hatte, folgten ihm eilig.

Jurij Lasarow stieß zischend den Atem aus. »Verdammt, Boris, du warst schneller als ich. Hättest du in nicht geohrfeigt, hätte ich es getan. Dieser Schweinekerl! Er war hinter Swetlana her wie der Teufel hinter der armen Seele. Und weil sie ihn abwies, bewirft er sie jetzt mit Dreck.«

»Du kannst ihn später auch noch ohrfeigen, falls ich ihn nicht vorher erledigt habe.« Boris lächelte verzerrt. »Wirst du mir sekundieren, Jurij? Und du ebenfalls, Anton Fjodorowitsch?«

Der Angeredete, ein junger Leutnant der Preobraschenskij, nickte und stand auf. »Mit dem größten Vergnügen. Kommt, laßt uns fahren. Wir müssen Doktor Tjumenskij aus dem Bett holen. Er ist der beste Wundarzt, den ich kenne. Aber ich hoffe, du brauchst ihn nicht, alter Freund.«

Im Palast der sieben Sünden

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