Читать книгу Adresse unbekannt - Susin Nielsen - Страница 12

Westfalia

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Der Bus gehörte Abelard.

Meine Mom hatte ihn bei einem eintägigen Meditationsseminar kennengelernt. Er war ein Lehrer, oder Guru.

Astrid ist immer noch hübsch, obwohl sie vierundvierzig ist. Sie ist groß und schlank und hat lange, gewellte blonde Haare. Ich habe gesehen, wie sich Männer auf der Straße nach ihr umdrehen. Und obwohl Abelard zehn Jahre jünger war als sie, lud er meine Mom nach dem Seminar zum Kaffee ein, und von da an waren sie unzertrennlich. Als wir in die Kellerwohnung wechselten, zog er mehr oder weniger auch ein und parkte seinen Bus vor der Tür.

Abelard erinnerte mich an Jesus, aber nur, was das Aussehen betraf. Lange braune Haare und Rauschebart. Er sagte, er sei Buddhist, und schwafelte über Frieden und Liebe und Toleranz, was an sich in Ordnung gewesen wäre, wenn er sich nicht wie ein Vollidiot benommen hätte. Erstens schnorrte er sich bei meiner Mom durch, obwohl es offensichtlich war, dass wir nicht genug hatten, um über die Runden zu kommen. Und zweitens war er sehr launisch. Er beschimpfte meine Mom, weil sie seine Yogahose in den Trockner gesteckt hatte, anstatt sie an der frischen Luft aufzuhängen, oder weil sie ihn versehentlich beim Meditieren gestört hatte.

Er war ein zorniger Buddhist.

Ich konnte ihn nicht ausstehen.

Eines Abends im Juli sagte Abelard zu Astrid, er würde auf eine ›spirituelle Reise‹ nach Indien gehen und könne nicht mehr mit ihr ›verbunden‹ sein. Sie stritten sich. Ich verließ die Wohnung und lief zehnmal um den Block. Einerseits tat es mir leid für Astrid, weil ich wusste, dass sie Abelard mochte. Andererseits war ich erleichtert. Sie verdiente etwas viel Besseres.

Als ich zurückkam, war Abelard fort.

Nicht jedoch sein Bus. Der stand immer noch in der Einfahrt. Astrid erklärte mir, Abelard habe ihn ihr geschenkt, als kleines Dankeschön, weil er so ein Schmarotzer gewesen sei.

Jetzt erfahre ich, dass Abelard sie beschuldigt, den Bus gestohlen zu haben.

Ich weiß, dass meine Mom die Wahrheit manchmal beschönigt. Aber jeder vernünftig denkende Mensch wäre bekloppt, Abelard beim Wort zu nehmen, denn der Typ ist eine Schlange. Ich kann bloß vermuten, dass die Wahrheit irgendwo dazwischen liegt. Aber ich greife vor.

Eine Woche nach Abelards Abreise tauschte der Vermieter unsere Schlösser aus. Er hatte schon eine Weile versucht, uns loszuwerden, weil wir mit der Miete im Rückstand waren. Als wir nach Hause kamen, fanden wir unsere Sachen in Stapeln auf dem Rasen vor dem Haus. Meine Rennmaus, Horatio, saß ganz obenauf, in ihrem Käfig.

Horatio war mein Geschenk zum zehnten Geburtstag gewesen. Ich hatte unbedingt einen Hund haben wollen, also war ich anfangs ein bisschen enttäuscht, als Astrid mir ein Nagetier schenkte. Aber als ich in seine kleinen Knopfaugen schaute und seinen weichen schwarz-weißen Pelz streichelte, verliebte ich mich in ihn. Auch wenn er weder apportieren noch rennen oder Tricks vollführen konnte und obwohl er ein Gehirn so groß wie eine Erdnuss hatte, war ich in ihn vernarrt. Als ich ihn also da so wackelig auf unseren Sachen hocken sah, flippte ich aus. Wenn nun sein Käfig heruntergefallen und ihm etwas passiert wäre? Wenn die Tür nicht richtig geschlossen und er abgehauen wäre? Wenn ein hungriger Hund vorbeigekommen wäre? Horatio wirkte nicht traumatisiert, andererseits kann man komplexe Emotionen von einem Rennmausgesicht nur schwer ablesen.

Ich fing an zu weinen. Laut. Astrid umarmte mich fest. »Ist schon gut, Lilla Gubben. Ist gut.« (Lilla Gubben ist einer ihrer Spitznamen für mich; auf Schwedisch bedeutet es ›kleiner alter Mann‹. Anscheinend sah ich so aus, als ich geboren wurde: kahlköpfig und faltig.)

»Was soll daran gut sein?«, heulte ich. »Wir haben kein Zuhause mehr!«

Sie fasste mich an den Schultern und zwang mich, sie anzuschauen. »Du machst dir keine Sorgen. Ich kriege das hin. Das tue ich immer.« Und damit wäre ich bei:

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