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Landfried, Franconofurt, Hornung 794

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Eine dünne Schneeschicht bedeckte den Platz um die Königshalle. Nachdem die Arbeiten am Kanal gerade noch vor Wintereinbruch fertig geworden waren, hatten sie die Bauern auf ihre heimischen Höfe entlassen. Den treuen Mundarik hatte Landfried nach Moguntia geschickt, doch er selbst war nach Franconofurt gefahren, um in der Nähe des Königs zu bleiben. »Du hast ja nur Angst, diese Magd wieder zu treffen«, lästerte Mundarik zum Abschied, aber Landfried verwarf das mit einem ärgerlichen Kopfschütteln. Karneval war Karneval und hatte nichts mit dem übrigen Leben zu tun. Das behaupteten die Städter, und er versuchte, es zu glauben. Außerdem musste er sich bemühen, nach der Saison auf der Baustelle endlich wieder einen militärischen Auftrag zu bekommen. Doch ganz umsonst waren die Arbeiten des letzten Jahres nicht gewesen. Sigismund war ein wichtiger Mann in der Hofkapelle, und Landfried konnte sich glücklich schätzen, sein Vertrauen gewonnen zu haben. Landfried sah sich suchend um, ob der Kaplan nicht endlich auftauchte. Der scharfe Ostwind schnitt ihm ins Gesicht. Kein Wunder, dass Karls vierte Frau Falstrada schwer erkrankt war. Bei dem Sauwetter würden sie alle noch jämmerlich erfrieren.

Endlich traten Männer aus der Halle. Sigismund war unter ihnen, und Landfried eilte ihm entgegen. »Was gibt es Neues?«, rief er neugierig.

Sigismund lächelte selig. »Alle bedeutenden Kirchenfürsten des Reiches sind gekommen: Paulinus, der Patriarch von Aquileja, Petrus, Erzbischof von Mailand, und Richulf von Moguntia. Richbod aus Lauresham und Waldo von der Reichenau. Dazu die Äbte Benedikt von Aniane und Smaragd von Saint-Mihiel, die beiden Reformer! Aber nicht nur die, sondern auch aus Aquitanien, der Spanischen Mark, der Grafschaft Roussillon und aus dem unteren Languedoc sind sie Karls Ruf gefolgt.«

»Dann ist sicher auch mein Onkel Anschericus dabei. Der Bischof von Paris?«, unterbrach ihn Landfried.

»In der Tat«, bestätigte Sigismund mit einem gütigen Nicken. »Als Vertreter des Papstes Hadrian sind zwei Römer gekommen. Theophylactus und Stephanus. Sie haben einen persönlichen Brief des Pontifex dabei, die epistula dogmatica

»Gut, gut«, unterbrach Landfried. Die innerkirchlichen Querelen interessierten ihn nicht besonders.

Doch Sigismund war anderer Meinung: »Das war spannend, denn der Papst war auch beim Konzil des Imperators in Nicäa. Dort, wo kein einziger unserer Bischöfe geladen war!« Sigismund schnaufte empört, und Landfried unterdrückte ein gelangweiltes Stöhnen. Wie oft bekäme er das wohl noch zu hören? »Sogar aus Britannien sind mehrere Bischöfe gekommen«, fuhr Sigismund begeistert fort. »Alcuin hat sie eingeladen.«

»Und was wurde beschlossen?«, wollte Landfried wissen, mehr um die endlose Aufzählung zu beenden, als weil er erwartete, noch etwas Interessantes zu erfahren.

»Über die wichtigsten Punkte ist man sich schon einig geworden«, Sigismund nickte stolz, als habe er diesen Erfolg persönlich errungen. »Der Adoptianismus wurde erörtert …«

»Der was?«, unterbrach ihn Landfried mit hochgezogenen Brauen.

»Der Adoptianismus«, wiederholte Sigismund. »Wenn du mich vielleicht kurz ausreden lässt, werde ich sogleich deinen Geist entnebeln.« Er wartete einen Augenblick, bis Landfried resigniert nickte. Dann fuhr er fort: »Der Adoptianismus, von Elipandus gepredigt, immerhin ist er der Primas von Spanien und Bischof von Toledo. Aber dafür wurden er und Bischof Felix von Urgell ja bereits vor zwei Jahren in Radasponda als Irrlehrer entlarvt.«

»Und was besagt dieser Adoptimus?«, wiederholte Landfried seine Frage. Wenn der Kaplan es unbedingt erzählen wollte, sollte er es wenigstens vernünftig erklären. Sigismund seufzte ergeben, aber Landfried merkte an seinem Lächeln, dass er genau darauf brannte.

»Ich bin dabei, es zu erläutern. Wenn du mich nur einmal ausreden lässt. So, also der Adoptianismus wurde verurteilt, er bestreitet die reine Lehre vom Gottmenschentum Christi. Die Spanier glauben, Gott habe Christus gewissermaßen nur adoptiert, und er sei zuvor ein ganz gewöhnlicher Mensch gewesen. Um diesen Irrtum klarzustellen, wurde auch das Glaubensbekenntnis angepasst und »filioque« eingefügt. Nun bezeugt es, dass Christus auch ganz Gott ist und der Geist auch vom Sohn, also von ihm, ausgeht.«

»Aha. Das Glaubensbekenntnis wurde um ein Wort verlängert. Klar, dass alle Bischöfe darüber zwei Monate diskutieren müssen …«

»Spotte nicht«, unterbrach ihn der Kaplan. »Das ist wichtig. Denn wenn Christus nicht Gottes Sohn ist, wie könnte sein Tod uns dann erlösen? Gewöhnliche und auch außergewöhnliche Menschen sterben jeden Tag, ohne dass sich dadurch irgendetwas auf der Welt ändert. Nein, nur dadurch, dass Christus und Gott eins sind und er freiwillig für unser aller Sünden die Todesstrafe auf sich nahm, können wir Erlösung finden!« Er schwieg einen Augenblick, um seine Worte wirken zu lassen. Dann, als Landfried gerade den Mund öffnete, um etwas zu erwidern, fuhr er fort: »Das ist aber nicht der einzige Beschluss, den die Synode gefasst hat. Wir haben uns auch zum Bilderstreit zwischen Konstantinopel und den übrigen Kirchen geäußert.«

»Und? Gehören die Bilder nun Konstantinopel oder der Kirche?«, fragte Landfried grinsend. Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, den Kaplan aufzuziehen, denn natürlich wusste er, dass es nicht um gestohlene Bilder ging. Doch Sigismund ging ihm auf den Leim.

»Nicht wem die Bilder gehören, ist der Streitpunkt, sondern, ob man Bilder verehren darf oder nicht!«, entrüstete er sich. »In Nicäa haben sich Papst und Imperator bereits geeinigt, aber das ist ohne einen einzigen Fränkischen Bischof abgehandelt worden!«

»In Nicäa war keiner unserer Leute?«, fragte Landfried mit gespielter Empörung.

Doch diesmal ging Sigismund nicht darauf ein. »Karl hatte seine Gelehrten eine ausführliche Denkschrift zu dem Thema verfassen lassen, das Liber carolini. Darin wird dargelegt, dass die Bilderanbetung abgelehnt werden muss.«

Landfried hob die Brauen. »War der Papst nicht bisher für die Bilderverehrung?«

Sigismund grinste. »Da hast du genau den wunden Punkt getroffen. Er stimmt Nicäa weiterhin zu, aber nur dort, wo die Beschlüsse des Konzils mit unserer Synode übereinstimmen.«

Landfried war verwirrt. »Aber das geht doch nicht, das widerspricht sich doch!«

»Das ist eben Politik«, seufzte Sigismund. »Auch die Kirche ist nicht frei davon!«

Landfried zuckte die Achseln. »So wichtig wird es nicht sein.«

»Sag das nicht«, entgegnete Sigismund. »Die Romanier zerfleischen sich deshalb gegenseitig, bis in die Familie des Kaisers hinein. Konstantin der Fünfte hat die Bilderverehrung in Konstantinopel verboten, wohingegen die jetzige Regentin Irene, die für ihren unmündigen Sohn Konstantin dem Sechsten die Regierungsgeschäfte führt, eine glühende Befürworterin sein soll! Ein Beispiel mehr, warum Frauen nicht über Religion und Politik entscheiden sollten.«

Landfried nickte, das wenigstens verstand er vollkommen. »Und was wurde noch beschlossen? Vielleicht was mit den Awaren geschehen soll?«

Sigismund nickte. »Zunächst wurde Tassilo nochmals vorgeführt. Man hat ihn eigens aus seinem Kloster der Monasteria gemeticensia geholt, damit er noch einmal Abbitte leistet, weil er anno ’63 in Aquitanien Prinz Pippin die Gefolgschaft verweigerte.«

»Sicher, er hat seinen Vasalleneid gebrochen, aber ist er dafür nicht schon vor Jahren verurteilt worden?«, warf Landfried ein.

»Anno ’87 beim Hoftag in Wormatia war er nicht erschienen und wurde im Folgejahr von Karl in Ingilinheim zum Tode verurteilt«, bestätigte Sigismund, stolz, mit seinem Wissen prahlen zu können. »Aber König Karl hat in seiner unmäßigen Gnade das Urteil später in Verbannung abgemildert. Und nun hat er nochmals Abbitte geleistet und auf alle Titel und Besitzansprüche verzichtet. Damit ist Karl nun auch Herzog der Bayern«, fasste der Kaplan die unmittelbaren Folgen, oder wie Landfried insgeheim vermutete, vielleicht auch die Ursachen dieses Streites zusammen. »Und dann haben wir uns tatsächlich mit der Teuerung befasst. Die letzte Ernte war nicht nur an der Radantia völlig verregnet. Die Preise für Brot wurden für das gesamte Reich festgeschrieben, und Karl ließ besonders betonen, dass die Lehnsherren dafür Sorge zu tragen haben, dass ihre Hörigen nicht hungern. Genauso wurde verfügt, dass überall im Reich neue Silberdenare eingeführt werden. Sie werden ausschließlich in den vier Silberminen des Königs geschlagen und tragen sein Monogramm. Das soll verhindern, dass jemand das Silber mit billigen Metallen vermischen kann und der Wert des Geldes somit verfällt. Das würde schließlich die Teuerung noch weitertreiben!«

»Und sonst habt ihr nichts beschlossen?«, fragte Landfried enttäuscht.

»Ist das etwa nicht genug?«, entgegnete Sigismund empört.

»Ich meine, wird es im Frühjar jetzt einen Feldzug gegen die Awaren geben? Und wer wird ihn anführen?«

Nun musste Sigismund lachen. »Ach, daher weht der Wind! Nein, das haben wir nicht besprochen, aber du kannst dir sicher sein, wenn es losgeht, bist du dabei!« In Landfried stieg trotz des kalten Windes ein warmes Gefühl der Dankbarkeit auf.

Der Schmied der Franken. Ulfberhts Reise

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