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Ulf­berht, Hruođolfshof, Weinmonat 792

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Am Folgetag trat Ulf­berht zusammen mit Knechten und einem Ochsenkarren voll Getreide und anderer Güter, die für das Kloster bestimmt waren, den Weg nach Lauresham an. Da Ulf­berht nun nicht mehr zum Haushalt gehörte, hatte Hruođolf den Mägden befohlen, ihm auch die Morgensuppe zu verweigern. »Warum sollte ich einen Knecht des Abtes füttern?«, fragte er scheinheilig.

Hungrig und matt vom vielen Weinen stolperte Ulf­berht auf der schlechten Straße dahin.

»Reiß dich zusammen, was soll dein neuer Herr, der heilige Abt, von dir denken!«, raunzte ihn der jüngere der beiden Knechte an, doch der ältere, ein Mann mit ergrautem Bart wie Điodabalþ, hatte offenbar Mitleid.

Er packte Ulf­berht kurzerhand und setzte ihn auf den Karren mit dem Getreide und den übrigen Gütern, die sie zum Kloster fuhren. »Hier, nimm einen Kanten Brot und versuch, dich zu fassen. In diesem Zustand schickt dich der Abt bestimmt direkt in den Wald!«

Ulf­berht schluckte. Obwohl der Brandthof am Waldrand lag und sein Vater die Felder teils noch selbst dem Wald abgerungen hatte, fürchtete er sich vor der dunklen Welt, die sich zwischen den alten Stämmen scheinbar endlos ausbreitete. Wölfe, Bären und auch Geister tummelten sich dort, wo die rauschenden Wipfel das Sonnenlicht nur spärlich einließen. Nur wenige Menschen wagten sich in den Wald. Schweinehirten bei der Eichelmast, Jäger, ja, und die unehrlichen Leute. Geächtete, Räuber und dergleichen gottloses Gesindel. Bereits gegen Mittag erblickte Ulf­berht die hohe Kirche von Lauresham, der lichte Bau erschien ihm wie ein Bollwerk gegen das Dunkel des Waldes. Vielleicht ließ der Abt Gnade walten und ihn im Kloster bleiben?

Am Tor grüßte sie wieder der helle Klang der Steinbeile. Überall lagen Steine und Holz herum. Der Klostervorplatz glich einer Baustelle. Menschen liefen geschäftig dazwischen umher. Für einen Moment bescherte der Anblick Ulf­berht Ablenkung. Fasziniert sah er, wie der harte Stein unter den Schlägen der blitzenden Beile in kleinen Brocken davonstob. Das war die Macht des Eisens! Er musste an Vaters Pflug denken. Doch der Vater war tot und der Brandthof weit weg. Er war ein Knecht in der Fremde. Wieder stiegen ihm heiße Tränen in die Augen.

»Jetzt fang nicht wieder an, zu flennen, sondern hilf gefälligst den Wagen abladen«, riss ihn die raue Stimme des jüngeren Knechtes aus den Gedanken.

»Lass ihn schon in Ruhe, den hat es hart genug erwischt«, brummte sein älterer Begleiter.

»Er hat sich den ganzen Weg hierherziehen lassen, nun soll er ruhig etwas tun dafür«, brummte der Jüngere, doch die Schärfe war aus seiner Stimme gewichen.

Ulf­berht hatte aber verstanden. Er stieg vom Wagen und packte mit an, so gut er konnte.

»Das ist der Zehnt von Hruođolf?«, fragte ein älterer Mann in dem Habit eines Mönchs. »Lass sehen!« Murmelnd trat er an den Wagen heran und ritzte mit einem Griffel Symbole in ein kleines Wachstäfelchen. »Scheint zu stimmen«, nickte er und gab einem der Klosterknechte einen Wink. »Helft dem Burschen das Zeug in die erste Scheune zu bringen. Dort wird alles gewogen und eingetragen.« Dann wandte er sich wieder Hruođolfs Knechten zu. »An seine Sonderschuld denkt Hruođolf aber auch noch? Ich muss euch gewiss nicht an die Buße erinnern, die Abt Richbod ihm auferlegt hat?«

Der ältere Knecht seufzte. »Hruođolf schickt Euch den Jungen hier als Zahlung«. Dabei packte er Ulf­berht an der Schulter und schob ihn nach vorn. »Er wird für die Schuld arbeiten, wenn es dem ehrwürdigen Abt recht ist.«

Der Verwalter sah ihn prüfend an. »Wie alt bist du, Junge?«, fragte er.

Ulf­berht schluckte. »Zwölf Jahre …«

»Das heißt zwölf Jahre, Herr!«, fuhr ihn der Verwalter an.

Ulf­berht schluckte wieder. »Ich bin kein Knecht …« Eine neuerliche Ohrfeige traf ihn.

»Du bist jetzt der Knecht des Abtes, und du wirst mich und alle anderen Mönche Herr nennen!«, rief er erbost. »War er schon immer so frech?«, wandte er sich an den älteren von Hruođolfs Knechten.

»Er gehörte bisher nicht zu unserem Hof. Seine Mutter gab ihn als Zahlung einer Schuld an Hruođolf, aber der hatte keine Verwendung für ihn … «

»Also so ehrt Hruođolf unseren ehrwürdigen Abt und den Heiligen Nazarius, den Beschützer unseres Klosters, indem er mit einem Jungen, für den er keine Verwendung hat, seine Schuld begleichen will?«, unterbrach ihn der Verwalter scharf. »Ich nehme ihn, denn wer weiß, wann es Herrn Hruođolf gefällt, sonst zu zahlen, aber die Schuld ist damit nur zur Hälfte getilgt und das auch nur, wenn der Junge nicht krank wird oder sonst wie unfähig ist!« Wieder wandte er sich um. »Hilbert, nimm den Jungen und bring ihn in die Knechtsküche, er soll etwas zu essen bekommen, und dann bring ihn zum Aufseher der Schmiede, der mag entscheiden, wozu er zu gebrauchen ist.«

Ein Knecht sprang herbei und ergriff Ulf­berht an der Schulter. »Komm mit«, befahl er kurz.

Ulf­berht, der sich immer noch von der Ohrfeige erholte, folgte ihm willenlos. Sie gingen rechts an der Kirche vorbei und auf eine Ansammlung von Gebäuden zu. Der junge Mann führte ihn durch eines der Gebäude hindurch. »Das alles gehört zum Kloster?«, stieß Ulf­berht staunend hervor, als sie dahinter eine weitere Reihe ebenso großer Häuser erblickten.

»Ja, das ist der Wirtschaftshof. Das eigentliche Kloster beginnt hinter der zweiten Mauer dort«, erklärte der Knecht. »Lauresham ist das wichtigste Kloster in der ganzen Region und untersteht als Reichskloster nur dem König! Der heilige Nazarius ist hier bei uns im Kloster, der Heilige Papst Paul hat seine Gebeine dem ehrwürdigen Abt Chrodegang, dem Gründer unseres Klosters, geschenkt. Du hast sicher auch gesehen, dass wir ihm zu Ehren vor der Kirche eine neue Kapelle errichten?«, fuhr er stolz fort. »Doch wir sind da.« Er führte Ulf­berht zu einer Tür, aus der ihm ein wunderbarer Duft in die Nase stieg. »He, Lotbert«, rief der Junge mit breitem Grinsen nach drinnen. »Du sollst dem Wicht hier etwas zu essen geben! Und wenn du gerade etwas übrig hast … «

Ein dicker Mann mit Leinenschürze und nackten Unterarmen kam durch die Dampfschwaden auf sie zu. »So, will der werte Verwalter das?«, fragte er drohend, doch als er in Ulf­berhts vom Weinen noch immer rote Augen blickte, nahm sein Gesicht einen mitleidigen Ausdruck an. »Das ist ja noch ein Kind und fast verhungert!«, rief er. »Komm mit, und setz dich da hinten hin. Etwas Linsensuppe werde ich wohl auftreiben können, und hier, nimm das Brot.« Dann erst streifte sein Blick den Boten, und er konnte sich ein Grinsen nicht verwehren. »Und vielleicht haben wir auch einen zweiten Teller Linsensuppe für einen unnützen Knecht, der seine Aufgabe getan hat.« Ulf­berht stopfte alles hastig in sich hinein. »Du hast aber einen Hunger«, kommentierte der Koch, der bei seinen Gästen stehen geblieben war.

»Ich habe seit gestern Morgen nichts gegessen, als ich den Brandthof verließ … «

»Den Brandthof?«, fragte sein Begleiter mit vollem Mund.

»Ich dachte, du kommst von Hruođolf?«

»Hruođolf hat mich hergeschickt, weil ich diesen Sommer bei ihm arbeiten soll, um Mutters Schulden abzubezahlen«, antwortete Ulf­berht, und ob des erfahrenen Unrechts stiegen ihm erneut die Tränen auf.

»Is’ ja gut, mal ganz langsam«, beschwichtigte der dicke Koch. »Alles der Reihe nach. Deine Mutter hat dich zum Arbeiten zu Hruođolf geschickt, und der hat dich weiter in die Abtei gesandt, da er selber Schulden hat, ja?« Ulf­berht nickte schniefend. »Und anscheinend hat er dir den letzten Tag nichts zu essen gegeben, so wie du die Suppe runterschlingst.« Wieder nickte Ulf­berht. »Ein Schweinehund ist das«, brummte der korpulente Mann. »Weißt du, warum er dem Abt etwas schuldet? Als Wehrgeld für einen seiner Knechte, den er erschlug, weil er eine unserer Kühe zurückforderte, die auf Hruođolfs Land entlaufen war.«

Der Schmied der Franken. Ulfberhts Reise

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