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Kapitel 2: Der zweite Sohn 1
ОглавлениеEs hatte Tage gedauert, bis ich richtig in dem Bett schlafen konnte. Seit ich klein war, bekam ich von fremden Bettlaken eine Gänsehaut. Egal, wie alt oder frisch diese waren. Die Decke fühlte sich an wie ein steifes Tuch und das Kissen wollte und wollte nicht die Form meines Kopfes annehmen. Ich brauchte Stunden, um in so einem Bett warm zu werden. Meine Mutter hatte mich eine Mimose geschimpft und vermutlich hatte sie damit sogar recht. Jedenfalls war mein Schlaf in der Villa nach wie vor ziemlich oberflächlich. Das war wohl auch der Grund, weshalb ich eines Nachts hochschreckte.
Ich brauchte einen Moment, um zu wissen, wo ich war. Der Wecker am Kopfende zeigte zwei Uhr an. Schlaftrunken fasste ich mir an den Kopf und versuchte mir zu erklären, warum ich mitten in der Nacht aufgewacht war. Da war ein Knall gewesen, ganz bestimmt. Er war von unten gekommen. Ich blieb aufrecht im Bett sitzen und lauschte in die Stille. Nichts. Vor Anstrengung taten mir die Ohren weh und ich wollte mich schon wieder hinlegen. Dann gab es nochmal ein knallendes Geräusch. Der Küchenschrank, schoss es mir durch den Kopf.
Schnell kam ich auf die Beine und schlich barfuß auf den Flur hinaus. Hier hielt ich erneut die Luft an. Hin und wieder hörte ich Schritte. Kamen sie tatsächlich aus der Küche? Mein Zimmer lag im ersten Stock. Zuerst musste ich also die Treppe hinunter. Bevor ich aber nur einen Schritt tat, hielt ich noch einmal inne und überlegte, was ich tun sollte.
Eigentlich konnte das nur Fiona sein, redete ich mir ein. Andererseits sprach die Uhrzeit dagegen. Die Frau hatte genug Kohle, um sich in einem Hotel einzuquartieren, wenn sie nach Mitternacht von einer Messe kam. Auch Ben würde nicht zu einer solch unchristlichen Zeit vom Ferienlager nach Hause entlassen werden; schon gar nicht unter der Woche. Blieb nur noch Herr Duvall. Oder ein Einbrecher, der die Alarmanlage überlistet hatte.
Unsinn! Wahrscheinlich war es gar nichts. Ich könnte einfach wieder ins Bett gehen und so tun, als hätte ich nichts gehört. Aber ich hatte den Auftrag, auf das Haus aufzupassen. Also musste ich nachsehen.
Auf Zehenspitzen schlich ich die schwebenden Treppenstufen hinab und hielt mich an die Flurwand gedrückt, um möglichst keinen Schatten in den Flur zu werfen. Durch die Küchentür fiel ein schwacher Lichtschimmer. Ein kurzes Klappern merzte auch die letzte Hoffnung aus, dass ich mich getäuscht hatte.
Unten angekommen bewaffnete ich mich instinktiv mit dem schweren Messingleuchter von der Flurkommode. Dann ging alles ganz schnell. Ich riss die Tür zur Küche auf und sprang mit einem idiotischen Schrei in den Raum. Mein letzter klarer Gedanke: Bitte, lass es nicht Fiona sein.
Diese Peinlichkeit blieb mir zum Glück erspart. Mein Blick erfasste im Halbdunkel der Küche den Umriss eines Mannes, zu groß für Ben und zu jung, um Herr Duvall zu sein. Ich merkte, wie mir das Gesicht entglitt, da es in meinem Kopf klick machte. Warum hatte ich nicht gleich an ihn gedacht? Meinen Eisprinzen.
Der junge Mann hatte einen Satz zurückgemacht, als ich mit meinem Geschrei in die Küche gesprungen kam. Er stieß vor Schreck rücklings gegen die Anrichte. Es sah ziemlich schmerzhaft aus, und er presste eine Hand auf die Stelle seiner Brust, wo das Herz sitzen sollte.
«Bist du blöd, Mann? Was soll der Quatsch?!», herrschte er mich an. Seine Stimme war trotz des sichtlichen Schocks ruhig, aber dafür tiefer und zugleich schärfer, als ich sie mir vorgestellt hatte.
Seine Frage und die Erinnerung an mein tölpelhaftes Vordringen ließen mir die Schamröte ins Gesicht schießen. Meine Wangen brannten und ich war heilfroh, dass in der Küche nur das Licht der Dunstabzugshaube angeschaltet war.
Bevor ich eine Entschuldigung stottern konnte, hatte sich mein Gegenüber auch schon von der Küchenzeile gestemmt. Die dunklen Augen sausten zu dem Leuchter, den ich umklammerte, als hinge mein Leben davon ab. «Was machst du mit dem Ding da? Wolltest du mich erschlagen?»
«Nein, ich …», stammelnd ließ ich das Teil auf der Anrichte nieder und wünschte mir nur noch, ich hätte mich einfach ins Bett zurückgelegt. Mein Eisprinz ließ mir keine Gelegenheit, mich weiter gedanklich zu ohrfeigen.
«Wer bist du?», wollte er wissen und kniff die Augen zusammen. «Der Babysitter?»
Ich war erleichtert, dass er gleich Bescheid wusste und ich mich nicht lang und breit vorstellen musste. «Hi, ich bin Jona», sagte ich trotzdem und rang mir ein Lächeln ab. «Und du musst Tristan sein. Ich kenne dich vom Wohnzimmerbild. Deine Mutter hat gesagt, du kämst wahrscheinlich …»
«Ist Fiona da?», fiel er mir ins Wort und erinnerte mich daran, dass ich zu viel redete, wenn ich nervös war. Und nervös war im Moment gar kein Ausdruck. Ich hatte nicht mehr damit gerechnet, den Blondschopf vom Foto kennenzulernen. Ihm jetzt gegenüberzustehen, leibhaftig, um zwei Uhr nachts, im schummerigen Küchenlicht, war Grund genug, völlig aus dem Häuschen zu sein.
«Nein, sie ist unterwegs.»
Er nickte knapp und kehrte mir den Rücken zu, um weiterzumachen, wobei ich ihn gestört hatte. Neugierig warf ich einen Blick über seine Schulter. Dafür musste ich mich halb auf die Zehenspitzen stellen, so groß war er.
«Was machst du da?», fragte ich, obwohl die Whiskeyflasche und das Glas mit Eis eigentlich Antwort genug waren. Dass er die Frage genauso unnötig fand, signalisierten mir seine durchhängenden Schultern. Tristan drehte sich mit dem Drink in der Hand um. Die Eiswürfel klirrten bei der Bewegung.
Ich starrte in seine Augen, die den gleichen Farbton hatten wie die bernsteinfarbene Flüssigkeit in seinem Glas. Das Herz schlug mir bis zum Hals. «Ich trinke immer noch einen Schluck Eistee, bevor ich schlafen gehe», sagte er, ohne die Miene zu verziehen.
Mein Blick wackelte bei den Worten und vergewisserte sich von der Whiskeyflasche auf der Küchenanrichte. «Ähm. Das ist aber kein Eistee», stellte ich fest. Die Brauen meines Gegenübers wanderten träge nach oben.
Das war die einzige Reaktion, die Tristan mir zeigte. Nur zitterte die Hand an seinem Glas immer noch leicht. Ich musste ihn wirklich erschreckt haben. «Na ja, den hast du dir wohl auch verdient. Wegen des Schrecks, meine ich.» Seine Augen zogen sich zusammen. Ich räusperte mich. «T-tut mir leid.»
«Du wusstest nicht, dass ich komme, nehme ich an.»
«Nein. Also Fiona sagte, es wäre unwahrscheinlich, dass du deine Ferien hier verbringen würdest.»
Er schnaubte und nahm einen Schluck seines Eistees. «Das kann ich mir denken.»
«Und?»
«Und was?»
«Wirst du deine Ferien hier verbringen?»
Er machte eine ausschweifende Geste mit seinen Künstlerhänden, die aussahen, als hätten sie noch nie einen Handschlag Arbeit getan. «Sieht fast so aus, oder?» Er musste mich für einen kompletten Idioten halten.
«Ja, klar.»
Es entstand eine Pause und ich fing an, auf meinen Füßen zu wippen.
«Na schön, Jonas …»
«Jona», korrigierte ich ihn. «Ohne s. Wie der Prophet in der Bibel. Du weißt schon. Der, der von dem Wal verschluckt wird.» ‹Herrgott, warum redete ich schon wieder so viel?› Ich konnte förmlich zusehen, wie Tristan mich mehr und mehr als Trottel abstempelte.
«Also. Jona», sagte er betont und obwohl er dabei so herablassend wirkte, gefiel es mir, meinen Namen aus seinem Mund zu hören. «Lässt du mich jetzt in Ruhe meinen Drink nehmen?»
«Sicher», stammelte ich und hörte, wie das Blut in meinen Ohren rauschte. Wieder öffnete Tristan auffordernd die Hände. Er zitterte nicht mehr. «Gute Nacht», flüsterte ich.
Ich traute mich erst, wieder zu atmen, als ich zur Tür hinaus war und das beinahe so schnell, wie ich sie geöffnet hatte.