Читать книгу Von Notburga, Maria, Cäcilie, Malin und Pia - Sybille A. Schmadalla - Страница 7
ОглавлениеJohannes
Johannes, das jüngste der Kinder, der gesunde Stammhalter, Jahrgang 1960, hatte auf der Bank im Krankenhausflur gesessen.
Er sollte die Verwaltungsdame treffen, um die letzten Dinge zu regeln. Johannes, der Autorenfilmer in der Rolle des liebenden, trauernden Sohnes, der der Mutter die helfende Hand reichte. Er, der die letzten Dinge für sie regelte. Eine Paraderolle. Johannes fand sich genial. Als Filmschaffender und Regisseur fühlte er sich unabhängig. Er inszenierte sich regelmäßig - ein begnadeter Selbstdarsteller. Er hielt sich für außergewöhnlich intellektuell, unglaublich gebildet, sprachgewandt, belesen, unterhaltsam, schillernd und begabt. Schlicht, er fand sich phantastisch. Johannes kannte Gott und die Welt und was viel mehr zählte - Gott und die Welt kannten ihn! Johannes scheute sich nicht einen Satz, wie >mein Wille geschehe <, in Mikrofone zu sprechen, und ‚schon tanzten in seinen Filmen alle Figuren nach seiner Pfeife‘ – meinte er. Mit dem unbedeutenden Schönheitsfehler, dass er noch keinen ‚bedeutenden‘ Film gedreht hatte, aber das stellte in seinen Augen maximal eine Petitesse dar.
Er, der gesunde Sohn, der Liebling der Mutter, ‚der Sonnenschein‘, ‚der Augenstern‘, ‚das Süßerle‘. Er lächelte maliziös. ‚Niemand wird mich mehr hindern, das zu tun, was ich will. Meine Macht über sie ist groß. Bei mir bockt sie nicht.‘ Er stand nervös auf, nur um sich sofort wieder zu setzen. ‚Du liegst in dieser Kiste. Ich habe deine Augen zugedrückt, aber du schlugst sie wieder auf, also nochmal und noch einmal. Die Stille im Raum, die atemlose Betroffenheit im Krankenhauszimmer. Totenstille, im Sinne des Wortes‘. Er wippte nervös mit dem überschlagenen Bein, sah erneut zur Uhr, konzentriert begutachtete er seine teuren Slipper.
‚Ich hatte vorher mit den Ärzten geredet. Ich hätte dir eine Spritze gegeben, ich hätte das für dich getan, mein Vater. Ich bin ein guter Mensch, bereit dich zu ermorden, bereit dich zu erlösen. Du bist vorher gestorben. Als Kind habe ich mich versteckt, wenn ich dein Auto in der Auffahrt gehört habe. Ich erinnere mich nicht, ob du mich je geschlagen hast. Aber ich erinnere mich, an deinen Jähzorn. Egal, jetzt bin ich am Drücker!‘ Johannes stand auf. Er ging Richtung Wanduhr. Er tigerte ungeduldig den Flur entlang. Die Uhr zeigte nach neun. ‚Man muss in die Zukunft blicken. Ab jetzt werde ich mich um das gesamte Vermögen kümmern! Ich überzeuge sie schon davon, dass dies das Beste ist‘ Bei dem Gedanken besserte sich eine Laune schlagartig.