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KAPITEL 3

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Visitor alpha U P.

Pogna cor–Depot.

(Eine halbe Stunde nach Delune's Hilfe ersuchen.)

Im Umkleideraum betrachtete sich Captain Lennard Minn von allen Seiten im Ankleidespiegel. Die Kampfkleidung ist exakt auf seine kernige Statur zugeschnitten. Ein anerkennender Pfiff lobte das Ebenbild.

Es ist eine Ewigkeit her, dass er die Kleidung eines Shumerer Freiheitskämpfers am Leib trug.

Die vom feindlichen U P C sagen dazu: Pikten, der Name bezieht sich auf die Bemalung der Kämpfer.

In Minn's Augen glänzten Stolz und Faszination. Die welligen bis zu den kräftigen Schultern reichenden, kupferrot leuchtenden Haare sind denen eines Feuermagiers ebenbürtig. Sie lagen auf einer hellgrau gesprenkelten Kukulle – Übergewand. Vom Schnitt her ähnelt es einem voluminösen und in vielen Falten gelegten Mantel. Trotz des massigen Volumens ist sie ultraleicht, und die körpernahen und anschmiegsamen Ärmel lassen den Träger jede erforderliche Bewegungsfreiheit.

~ ~

(Zur vollständigen Ausstattung eines Shumerer Freiheitskämpfers gehört unter anderem auch eine bodenlange, faltige und weit ausladende graue Kukulle mit wuchtiger Kapuze.

Die bunt gemixte ledrige Substantiv ist in Wahrheit: lebendige Nochos Materie. Sie bieten vor jedem Wetter Schutz. Und schmeißt man "das Leder" über ein bodennahes Seil, wird sie zum Unterstand für vier Personen.

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Im Kampfeinsatz trägt der Freiheitskämpfer – Pikte – unter der Kukulle ein "Hemd" das bis zur Mitte der Oberschenkel reicht und ein Belted Plaid.

Das nach gewebten Leinen aussehende Hemd besteht aus unzähligen Elos, das sind Kleinstlebewesen, die haben im Zusammenschluss ebendieses Aussehen.

Um die Hüften wogt ein Belted Plaid – umgangssprachlich "Kilt" genannt. Die Falten sind fixiert, an der Innenseite sind Bänder zum Ziehen eingearbeitet. Ein Gürtel auf der Außenseite gibt zusätzlich Halt. Die oberen Enden, sie hängen übern Po, werden rückseitig – links- und rechtsseitig – hinter den Stoff gesteckt. Der eine Zipfel vom gemittelten Stoff-Hinterteil wird über die Schulter gezogen. Der andere Zipfel wird zuerst nach vorn, dann zur gegenüberliegenden Schulter gezogen. Die beiden Zipfel werden vorn übereinandergelegt und mit einer Spange oder Schnur fixiert.

~

Ein gefalteter "Kilt", besteht aus acht Meter Nochos Materie. Die Tragelänge (vom unteren Rand) reicht im getragenen Zustand bei den Shumerer Kilt stets eine Handbreit unters Knie.

Es sei noch erwähnt: Der zuvor beschriebene Belted Plaid ist eine Erfindung der Ur-Shumerer vom Freien Nord Preton. Gedanklich befinden wir uns in der dritten Terraforming der Erde. Das entspricht, umgerechnet in dieses Zeitsystem, 9 Millionen Jahre vor dem irdischen Jahr Null.

Ebenso lange gibt es den normalen Shumerer Kilt für Fest und Alltag. Das Material ist hierbei gewebter Wollstoff. Sie haben die Farben des Shumerer Clans Plus deren Wappen.

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Echte Pikten, wie Captain Minn, haben im Gesicht und den Händen dunkelblaue Zeichen und Symbole für Frieden aufgemalt. Zudem sind auf der Kampfkleidung, in der jeweiligen Landessprache, mit weißen Schriftzügen die Koordinaten aufgebracht, wo die verängstigten U P C Sklaven medizinische Hilfe sowie Essen bekommen.)

~ ~

Ein Gedankenfaden genügte und die Kukulle schwebte zu Minn.

Unter der Kukulle trägt er einen dunkelgrauen Standard Overall der echten Brückencrew.

Über den Lippen lag ein Summen. Er wechselte die Tonfolge und stieg barfüßig in die bereitstehenden "Stiefel" – die Edos. Die Geschwätzigen lederartigen Lebewesen umspannen seine Füße und Waden wie Stiefelschafte. Die Fußsohlen, sie hafteten jetzt an den Edos', bestanden aus denselben Steinen wie die Klingen der Rundschwerter. Sobald sie Minn's Hautwärme fühlten, entsprang denen ein aufgewecktes Schwatzen. Für Außenstehende hört es sich allerdings wie unstimmige rostige Glöckchen an.

Minn ist mental mit dem nach schwarzen Lederstiefeln aussehenden verschmolzen. Zur Kommunikation benutzt er jene krächzenden, schräg klingenden summ Töne.

Für einen lauen Moment hielt Minn die Zeit um sich herum an und schwatzte mit ihnen. Hernach nahm er das Pogna cor – Rundschwert – aus der Wandhalterung. Was er in den Händen hielt, war nicht das künstliche klobige Ding, das er zu Übungszwecken benutzt. Oh nein! Das hier war ein Echtes! Die Kampfkünstler, zu denen zählt anscheinend auch Captain Minn, bezeichnen das Pogna cor als Herz des Kampfes.

Wie das lebendige Prachtstück eines Valpas Swa – eines Kampfkunstmeisters in seinem Besitz – eines Freiheitskämpfers gelangt ist, kann er nicht sagen.

Fakt ist: Für den anstehenden Brücken Einsatz, hatte er einen Plan geschmiedet, bei dem er es Krachen lassen will. Im Vorfeld wollte er aus dem Depot ein Übungs-Pogna cor leihen.

Der zuständige Offizier jedoch teilte ihm mit, das sein Pogna cor im Tresorraum eingelagert ist.

Minn bezweifelte es. Allerdings ein routinemäßig vor der Eingangschleuse gemachter Scan bestätigte die Aussage vom Offizier.

Mit unsicheren Füßen schritt Minn durch den Zweiten Scanner, in Gedanken hörte er schon den Eindringlingsalarm. …

Zu seiner Überraschung ertönte das Einlass Jingle und er bekam den Verwahrungsort genannt.

In Kammer 8 standen 5 Reihen mit je 10 Safes mit der Größe von geräumigen Kleiderschränken. Vor der Nummer 12 blieb er stehen. Neben seinen kompletten Kampfkleidungen verharrte an der tiefgekühlten mittel Wand, unter einer dicken Schneeschicht, das Übungsteil. Dachte er, bis sich der Schnee unter den Händen bewegte. Er hielt es für Einbildung und griff zu, die davon ausgehende mentale Kraft war überwältigend, ihm nahm es fast den Atem.

Die freigesetzte Energie verdampfte augenblicklich den zum Kälteschlaf aufgebrachten Schnee. Vor ihm hing tatsächlich ein echtes Pogna cor, es war ein Prachtstück. Dass, wie er an der sphärischen Signatur fühlte, zu ihm gehört.

Er begutachtete es: Am Handschutz sowie an der Klinge sind diverse Kampfspuren. Und das, obwohl die Rundklinge aus unzerstörbarem Stein besteht. Dem auch nur einen Kratzer zu verpassen bedurfte es Psi-Kräfte, die man nur mit solchen abwehren kann.

Unglaube lag im Gesicht. »Mit diesem Pogna cor habe ich niemals zuvor einen Kampf bestritten. Aber!: Es ist für meine kräftige Statur genau ausgemessen und ausbalanciert.«

Auf der Klinge fand er etliche Blutspuren. Der Mehas Scan zeigte, es ist sein eigenes. »Die kann man im Nachhinein aufbringen«, raunzte er.

Aller Skepsis zum Trotz durchfuhr ihm, beim hineinschlüpfen in den weichen und warmen organischen Handschutz, die mentale Bestätigung: Es gehört wirklich mir.

~ ~

(Der Handschutz sowie der Korpus des Pogna cor Rundschwertes sind Lebewesen – die Halittar – aus höheren Dimensionen.

Ein Kämpfer wählt das Pogna cor, das seine mentalen Kräfte am effektivsten stärkt.)

~ ~

Den Trumpf, dass er ein echter Pikte ist, wollte Captain Minn nicht gleich beim ersten Blickkontakt mit Captain Delune preisgeben. Ein Schnippen mit den Fingern genügte, damit alle Symbole unsichtbar wurden. … Sicherheitshalber betrachtete er sich im Spiegel. Vor ihm stand ein unansehnlicher rothaariger Mensch der Erde. Er steckte in einer traditionellen Kleidung der Bewohner vom Freien Nord Preton, sie besteht aus einem naturfarbenen Hemd sowie einem schwarzen Belted Plaid mit eingewebten weißen Clan Wappen.

Das Spiegelbild ließ ihn verschlagen grienen, ja so konnte er sich dem Rivalen Captain Delune präsentieren.

* *

Zwei Minuten später im separaten Bereich. Auf der Oberbrücke materialisierte Captain Minn. Er schaute sich um und danach stolzierte er majestätisch über den schmalen Steg hinunter zur Hauptbrücke. Am Fußende begann der Hauptweg. Daneben, mit einem Abstand von einem halben Meter zum Hauptweg, waren links und rechts Terminal Arbeitsplätze. Minn blieb für die nächsten acht Meter auf dem Hauptweg. Jeden Schritt begleitete stürmischer Applaus der Brückencrew sowie der rostige Gesang seiner Stiefel. … Zur linken Seite zweigte jetzt ein circa fünf Meter langer Nebenweg ab, etwa auf halber Strecke standen drei Terminals, der unbesetzte mittlere Platz gehört dem Captain. Am Ende vom Nebenweg war die Tür vom Bereitschaftsraum. Direkt vor ihm war eine Freifläche von circa vier mal vier Meter, ringsherum waren Terminal-Arbeitsplätze. Minn schwenkte zum Nebenweg. … Eine halbe Armlänge vorm Bereitschaftsraum blieb er stehen. Über seinem Gesicht lag ein verschlagenes Grienen.

Obwohl er den Rivalen nicht ausstehen kann, hielt er sich ans Brücken-Protokoll. Es verlangt, wenn es sich um keinen Notfall handelt, das er sich vor Dienstantritt oder einen außerplanmäßigen Besuch beim diensthabenden Captain anmeldet. Dazu muss Captain Minn eine Hand vorm Bereitschaftsraum Türsensor halten, wird der links daneben angebrachte Button grün, darf er eintreten.

Der Button leuchtete grün.

Die Tür fuhr auf, dabei sprach Minn in Gedanken: »Vorhang auf! Das Spiel beginnt!«

Delune stand am Schreibtisch, sein Rücken zeigte zur Tür. Wie erwartet nahm er keine Notiz vom Rivalen. Jedoch das von Minn's Stiefeln ausgehende markerschütternde rostige rasseln ließ Delune erschrocken herumfahren. Im Angesicht vom heranstampfenden Kämpfer rutschte seine Kinnlade herunter, und im selben Herzschlag formatierte sich im inneren etwas, es fühlte sich wie ein unsichtbarer Schutzwall an. Delune kannte jene Empfindung, es signalisierte Gefahr. Während seiner Untergrundzeit hatte es die Mitkämpfer und ihm schon mehrmals vor Feindkontakt gewarnt.

»Wieso habe ich das Gefühl bei dem Schotten.« Als er das dachte, fauchten Minn's Stiefel. Es kam Delune vor, als warnten auch sie vor einer Gefahr. Unwillkürlich sauste sein Blick auf die geschwätzigen Stiefel. Innerlich zuckte Delune zusammen, die Gedanken schlugen Purzelbäume: »Die Kleidung könnte passen, sie gehört ohne Zweifel zu einem vom freien Nord Preton. Und dort sind etliche Basislager der Freiheitskämpfer vom Planeten Anuna. Wenngleich ich mir nicht vorstellen kann, dass der ungehobelte Typ ein echter Freiheitskämpfer ist. Nein!, zu dem hochnäsigen Schönling passt allenfalls die Rolle eines Verräters. Dafür spricht: die Visitor gehört dem Menschen Kerun Peshk, er stammt ganz offensichtlich vom untergegangenen Planeten Vulkan. Er wird in undurchsichtige Geschäfte verwickelt sein, die mit den Freiheitskämpfern vom Planeten Anuna zusammenhängen. Das U P C ist dahintergekommen, und sie haben Peshk garantiert Spione untergejubelt. Minn ist einer davon.«

Der Gedanke an die letzte Option ließ Delune erschauern. Und das aus gutem Grund: Seine Untergrundtruppe hatte jahrelang vergeblich versucht die geheimnisumwobenen, echten Freiheitskämpfer – die sogenannten Pikten – vom Planeten Anuna zu kontaktieren. Immer wenn sie dachten: Wir haben es geschafft!, wurde ihnen bewusst: Auch diesmal sind wir nur an Fälschungen der U P C Disputen geraten.

Oftmals konnte seine Truppe gerade noch im letzten Augenblick entkommen. Und nun das!, er stand einer Fälschung direkt gegenüber. Delune's Blick rutschte über Minn. »Weder auf den Händen oder im Gesicht hatte er Symbole in diesem speziellen Blau. Er ist nur eine Fälschung.« So wie es Delune gewahr wurde, erstarrte er zur Eissäule. ...

Minn hatte jede nachkommende Geste schon zig Mal im Geist ausgeführt und nun war es soweit, er konnte sein einstudiertes Possenspiel präsentieren. Hierzu lief er im Zeitlupentempo zum Rivalen. Die erstarrten Konkurrenten Gesichtszüge entlockte ihm ein hämisches Grinsen.

Minn's einstudiertes hatte aber einen gewaltigen Denkfehler, und der entstand nur, weil er in den letzten 39 Monaten nicht aktiv am Freiheitskampf teilnahm. In dem Zeitfenster fanden aus taktischen Gründen auf der Erde keine Einsätze statt. Die gesichteten Freiheitskämpfer kamen ausnahmslos vom U P C Säuberungskomitee. Das wussten weder Minn noch Delune.

Hinzukam noch, Minn wusste nichts von Delune's Untergrund Vergangenheit.

Für Delune war Minn's Auftritt und das krächzende Edos Geschwätz das pure Gänsehaut Erlebnis. Der gefälschte Pikte hatte den Spaß und Delune den Nervenkrieg.

Sie standen sich jetzt gegenüber, Minn entsprang ein höhnisches Lachen. Das hochnäsige Gehabe bestrafte Delune, weil er annahm: ich habe nichts mehr zu verlieren, mit einem verachtenden Blick. Jedoch er prallte an Minn's stahlharter Mimik ab. Delune's Aufmerksamkeit galt jetzt Minn's Brust, über der lag eine quer gespannte helle Kordel. Von der Dicke und Beschaffenheit könnte sie allerhöchstens eine faustgroße Feldflasche mit hochprozentigem Inhalt tragen. –

Das Luftpolster beider Schultern streifte sich. Delune's Blick krallte an der Schnur.

»Blau ist wohl ihr Markenzeichen« Delune's Aussprache hatte Nuancen von Galgenhumor. Jedoch als er den Kontrahenten von hinten sah, blieb ihm fast die Spucke weg.

Was Delune so erschrak, waren unzählige Tentakel, sie hatten das Aussehen von daumendicken Peitschen Strähnen. Eine führte zu Minn's Vorderseite, die Restlichen schlängelten ungeduldig an seinen Flanken. Eine Handvoll schoss wie Pfeilspitzen auf Delune zu, er befürchtete: Sie wollen mich lähmen. Instinktiv wich er zurück. Bloß das wird ihm nichts nützen, denn die eigentliche Gefahr – das Pogna cor – lauerte am anderen Ende der Tentakel. Er kannte vom Hörensagen solcherlei Waffen. Die vom U P C Säuberungskomitee sowie deren Elite Fußvolk hatten so manchen unachtsamen Untergrundkämpfer seiner Truppe damit eliminiert. Die Pogna cor Klingen zerteilen mit Vorliebe alles aus Fleisch und Blut.

Da wunderte es nicht, dass der Anblick eines solch gewaltigen Rundschwertes von Delune den erforderlichen Respekt abverlangt. Das Großmaul stand mit angsterfüllten Augen am Schreibtisch.

Minn triumphierte innerlich. Hatte er doch jetzt Gewissheit, dass diese Kanalratte von nun an Respekt vorm Neuen hat. –

Unweit vom Waschbecken blieb Minn stehen. Wie von ihm gewünscht hatten die Techniker an der Wand vier stabile Trägerhaken für das Rundschwert angebracht. Bevor er es abnahm, kommunizierte er mental mit den Pogna cor Lebewesen. Gleichlaufend zogen sie die Tentakel ein.

Er wandte sich zu Delune. »Und ihr Markenzeichen ist anscheinend Blindheit.«

Delune warf ihn erneut einen verachtenden Blick zu, im selben Atemzug übergab er ruppig sein signalrotes Tablett. Auf dem Papier dünnen A4 großen zusammengefalteten persönlichen tragbaren Datenspeicher war die ausführliche Order des Raumschiffseigners: ›Sie Captain Delune treten vorübergehend das Kommando an Captain Lennard Minn ab.‹

Minn hatte bereits davon Kenntnis, er überflog das geschriebene: ›Die Mannschaft untersteht weiterhin dem Kommando von Sire Captain Delune.

Captain Minn übernimmt während des Aufenthaltes im Eridani alpha System das Kommando, nur er ist berechtigt, den Sicherheitscode für Durchreisen der Shumerer Weltentore einzugeben …Den Rest sparte er sich.

Hämisch grinsend reichte er das Tablett zurück.

»Hmm ja, deshalb bin ich jetzt hier der Befehlsberechtigte. Ich werde die Zeit als Captain der Visitor genießen. Sie auch Delune, versprochen!« Zu den Worten blickte Minn auf die unzähligen Sternenkarten. Der Anblick entlockte ihn ein höhnisches Lachen. »Bei dem Rätsel hilft Ihnen kein schlauer improvisierender Winkelzug. Advenu ist nicht für alle Augen sichtbar.«

Delune's Atem wurde mit jeder gehörten Silbe gereizter. »Kennen Sie den verdammten Planeten?«, brüllte er mit hastigem Zungenschlag.

Minn schwieg sich aus, jedoch in Gedanken kommunizierte er mit der Citraa. An den Kontrahenten gewandt gluckste er: »Ich bin sehend!« Die Worte begleiteten, für Delune nicht sichtbar, schnelle Fingerbewegungen. Sie zauberten vor ihm in der Luft eine dreidimensionale, ein Meter mal ein Meter große holographische Sternkarte mit dem Eridani alpha System. Inmitten befand sich der Star Gout Epsoni mit vielen bewohnten Welten. Minn stupste auf einen der vier großen grünen Planeten.

»Bitte sehr, hier haben Sie Advenu«, er verkündete es mit stolz in der Stimme.

Fast zeitgleich hob das Abbild vom Planeten Advenu von der Karte ab. Gleichlaufend begann er sich, um die eigene Achse zudrehen. Etwa auf Kinn Höhe angekommen setzte er den Weg auf der Umlaufbahn fort. Sie führte knapp an Delune's Nase vorbei, er wirkte sichtbar verunsichert.

»Prima! Und die Koordinaten?«, zischte er grimmig.

Minn machte es sich im Chefsessel bequem. »Die gebe ich persönlich, zur gegebenen Zeit ein. Ich wünsche ihnen Mister Delune sowie der beurlaubten Crew, für unsere Aufenthaltszeit im Eridani alpha System eine schöne erholsame Zeit.« Minn's Sitzhaltung straffte sich und seine frech grinsende Mimik nagelte Delune fest. »Ach ja! Nur im äußersten Notfall sind sie, als meine zweite Wahl, am Zug.«

Zu den Worten erhob er sich geschmeidig wie ein Panther, und bevor Delune die Bewegung wahrnahm, stand Minn dicht neben ihm. Sogleich stupste er den ewigen Querulanten an den rechten Arm. Wie von fremdem Willen gesteuert, zeigte Delune zuerst auf seine Brust und dann zur Tür, die Beine setzten sich synchron in Bewegung, und in seinem Schädel flüsterte es. Er warf Minn einen strafenden Blick zu. In Gedanken fluchte er: »Du Möchtegern Pikte scher dich aus meinem Kopf.« Dort hallte ein hämisches Glucksen, es wurde stetig leiser. Als er vor der Tür stand, war Minn aus seinem Hirn verschwunden. An dessen Stelle stürmten jetzt tausend eigene wirre Gedanken umher.

Einen fing Minn ab: »Orr keine Angst, sollte es auf den Weg nach Advenu Ärger geben, bin ich und meine Crew sofort zur Stelle.«

Delune wollte aufbegehren, Minn vereitelte es mit grimmigem Grollen. Gleichlaufend kam es ihm so vor, als berührte der falsche Pikte seine Schulter, doch der saß bereits einige Meter entfernt auf dem Chefsessel. Delune's aufgebrachten Finger wollten das festzudrückende Gefühl von der Schulter fegen. Doch es klebte wie Pech an ihm.

Minn belustigte die misslungene Reinigung.

Die lauten dunklen Lachvibrationen schmerzten und demütigten Delune. Unwillkürlich schlossen sich seine Hände zu Fäusten. In Gedanken demolierte er die schmierige Fresse von Minn, der U P C Handlanger war, darin bestand kein Zweifel, mitverantwortlich das Milliarden Menschen der Erde versklavt werden. Delune's Bauchgefühl ermahnte jedoch zur Vernunft. Indessen die Fäuste entspannten, lauschte er in sich hinein. Stille.

»Wenn ich das hier überlebe«, flüsterte er sich zu, »gebe ich umgehend alle gesammelten Informationen an meine Untergrundkämpfer.«

Minn's Finger schnippten, das Geräusch riss Delune jählings aus den Gedanken. Einen Wimpernschlag später erschienen vor Minn zwei schwarze Tabletts. Sie schossen auf Delune zu, anstatt auszuweichen, fixierten seine Gedanken die Dinger, sie hielten schlagartig inne. Im Gesichtsausdruck lag Überraschung.

Minn's Augenbrauen wippten kaum merklich.

»Lesen Sie es gründlich durch!«, raunzte er, »Bei Zuwiderhandlung grille ich Ihren Verstand!«

Verunsichert griff Delune nach den anscheinend in der Luft eingefrorenen Dingern. Das eine enthielt Dienstpläne und das andere eine Order. Verunsichert rutschte sein Blick über eine Textzeile, die befahl ihm, dass nur die Crewman und Offiziere Dienst schieben, die in Captain Minn's angefertigten Dienstplan stehen. »Aye Captain«, zischte er gallig.

»Wegtreten!«

Mit hölzernem Gang verließ Delune den Bereitschaftsraum, hinter ihm stolzierte Minn. Der Captain wählte den Gang zum Hauptterminal und Delune lief ohne sich umzusehen den Steg hinauf.

Als er oben stand und vom Crewlift den Türöffner drücken wollte, durchzuckte die Visitor eine sanfte Schockwelle. Synchron vermeldete es der Citraa.

Zu Delune's Verblüffung ignorierte Minn die Gefahr. Das Greenhorn hatte es sich, unten auf der Hauptbrücke, im Chefsessel bequem gemacht und tippte ohne Eile auf der Tastatur herum.

»Phasersalven!« Delune drehte sich ruckartig um und wie ein Raubtier in Lauerstellung verharrte er, jedoch sein Blick explodierte vor Zorn. »Schilde hoch!«, schrie er in Sumer der U P C Standardsprache.

Minn schaute kurz auf, er verteilte gerade ein Citraa Rundschreiben an die Brückencrew. Über die Lippen tanzte ein höllisches »Buhr–ha–ha–ah–ha.«

Eine weitere Phasersalve streifte die Schutzschilde der Visitor, die Erschütterung war um einiges fordernder als die Vorangegangene.

»Citraa Lo march«, befahl Minn im Erstklassigen alt Sumer. Damit wird alles Nachfolgende verschlüsselt übertragen.

Delune war außer sich: »Sie wissen schon, was in so einer Situation zu tun ist?«

»A–ye«, es schmunzelte aus Minn heraus. An die blonde Offizierin Miss Burana gerichtet befahl er: »Rufen. Grüßen. Anzeigen.«

Das Hauptdisplay blieb schwarz. Mit so was hatte er gerechnet, er stand blitzschnell auf und hastete zum Arbeitsplatz von Miss Burana. Das schnuckelige Weib stierte unverdrossen aufs Display. Für einen Moment verfolgte Minn den laufenden Film. Er kannte den Thriller, und wenn er sich nicht irrte … müsste gleich der Mörder zuschlagen. Synchron zum Geschehen streckte er langsam eine Hand aus, im nächsten Augenblick plumpste sie auf Burana's schmale Schulter.

Obwohl sie Minn's Vorhaben ahnte, zuckte sie zusammen. »Puh!«, schnaufte sie belustigt.

Minn rang sich ein verschmitztes Lächeln ab und beugte sich zu ihr runter. »Ich kenne das Geheimnis unserer beruhigten Bereiche«, flüsterte er in Burana's bezauberndes spitzes Ohr, »Dux Minn, meine Schwester, erzählte mir alles.«

Ohne ihn anzusehen, antwortete sie ebenso: »Da muss ich erst mit unserem Boss Sire Peshk Rücksprache halten.«

»Beeilen Sie sich!«, forderte Minn, »Ich fühle schon, dass die nächste Salve auf uns zurollt.«

Im Headset von Burana kam, weil der Boss auf der echten Hauptbrücke alles mithörte, umgehend die Antwort.

»Sire Peshk lässt Ihnen die Ehre zu kommen, uns nach Advenu zu schippern«, flüsterte sie Minn zu.

Bevor er darauf antworten konnte, erschien auf dem Hauptdisplay das reife Gesicht einer Shumererin vom Planeten Polaris.

»Captain Minn!, Sie befinden sich mit der Visitor α U P im Anflug auf ein als tödlich verseuchtes Planeten System der Stufe Omega.« Sie sprach es mit strenger Stimme und im akzentfreien alt Sumer. »Aus welchen Grund wollen Sie sich der Gefahr aussetzen?«

Rings um die Visitor enttarnten sich unzählige Kampfschiffe mit hochgefahrenen Waffensystemen.

Delune düste den Steg hinunter, sein Blick streifte dabei das Display mit dem Verteidigungsstatus. »Verdammt! Wir sind unbewaffnet!« Die Panik war Delune anzuhören. Die Symbole sagten ihm zudem: unsere Schilde sind unten.

»Warmduscher.« In Minn's Gesicht lag Schadenfreude. »Or! Keine Angst unser Raumschiff bekommt keine Schrammen.«

Das Weib auf dem Hauptdisplay schüttelte mit dem Kopf. »Mam'am! Unsere Gründe kann ich sofort zeigen.« Satz begleitend schnippte er mit den Fingern, schlagartig waren Symbole auf der Bekleidung vom Captain und der Crewman sichtbar.

»Echte Pikten!?« Delune konnte seine Freude kaum bändigen. Er sprang zum Captain und hüpfte um ihn herum. »Sie sind alle echte P–Pickten!? Nein?! Das glaube ich nicht!?«

Delune's Argwohn schenkte Minn keine Beachtung, stattdessen tippte er die Berechtigungszahlen ein.

»N–Nein ...!«, Delune stieß einen Laut der Erkenntnis aus, »Sire, auf Ihren Rücken … die Koordinaten … das ist unser derzeitiger Kurs!« Sein Blick rauschte zum rechten Nebendisplay, ein Weltentor wurde in unmittelbarer Nähe angezeigt und dahinter, in weiter Ferne, der zuvor gesehene grüne Planet. Die Entfernung nahm stetig ab. Sein Augenmerk ruhte auf den angezeigten Koordinaten, sie stimmten mit den auf Minn's Rücken überein. »Die sind von Advenu?!«, platzte aus ihm heraus.

Für einen Moment ruhten Minn's Finger, sie gaben noch die Zahlenfolge vom Berechtigungscode ein. »Na sieh mal an, Sie sind ja doch sehend.« Ein Quäntchen Wertschätzung lag im Tonfall.

Delune verkniff sich, weil Minn's Finger weiter tippten, einen Kommentar.

Zeitnah mit der letzten Ziffer bestätigte der Citraa des fremden Kampfraumschiffes die Korrektheit.

Erneut war das reife Nyvosaner Weib auf dem Hauptdisplay zu sehen.

»Hallo mein Lennard!«, säuselte sie.

»Ich grüße dich ebenfalls, meine Liebe. Ich bitte um einen Moment Geduld, dann bin ich nur für dich da.«

»Auf dich warte ich gern«, indes sie antwortete, schaute sie Delune an. Der wusste anscheinend nicht wohin mit seiner Freude. Das Nyvosaner Weib lächelte ihn an. »Sir Delune Herzlich willkommen in unserer geheimen Shumerer Welt. Willkommen bei den echten Pikten.«

~

Minn wandte sich zu Delune um, es sah so aus, als sei er eifersüchtig auf die höfliche Anmache. »Willkommen bei den echten Pikten«, knirschte er heraus.

Bevor Delune etwas sagen konnte, befahl Minn im feinsten Oxford Englisch: »... was stehen Sie da herum. Schaffen Sie ihr Gestell zu unserem zweiten Offizier Sorel Gwen, den will ich hier in genau zwei Stunden fit auf der Brücke haben.«

»Mister Gwen wurde auf dienstfrei gesetzt?, wieso soll er ...«, konterte Delune im nuscheligen Land Englisch.

»Weil ich der Captain es befehle«, brüllte Minn dazwischen. Der schmachtende Blick sah zum Hauptdisplay. »Und weil sie jetzt nicht im Dienst sind, ebenso unser Erster Offizier Mister Potts. Folglich bleibt nur Mister Gwen übrig.«

Delune holte schwer Luft, es hörte sich so an, als muss er sich damit Mut antrinken. »Mister Gwen wurde von seinem Heiler ...«

»Haben Sie mich nicht verstanden«, keifte Minn mit scharfem Unterton.

»Mister Gwen braucht eine Erholungszeit«, Delune's Stimme durchzog Fürsorge.

Minn schälte sich aus dem Chefsessel heraus. »In genau zwei Stunden will ich Mister Gwen und Sie hier auf der Brücke haben. Verstanden!« Der Tonfall untergrub jedwede Gegenrede.

»Aye Sire«, sprudelte es wie zähflüssiges Magma aus Delune und sein Nachtrag: »Auf ihre Verantwortung«, verklebte ihn anscheinend damit die Kehle.

Dem Anhängsel schenkte Minn keine Aufmerksamkeit, er trat stattdessen an Miss Burana heran. »Bitte mein Gespräch nach nebenan legen«, säuselte er.

~

Sobald Minn einen Fuß im Captain Bereitschaftsraum hatte, nahm er die Unterhaltung mit dem Weib wieder auf: »Wo waren wir stehen geblieben rir Myvita.«

Oh ja mit "Allerliebste" konnte er sich bei seiner Moogus – Schwiegermutter einschmeicheln.

Während Minn plauderte, erfolgte die automatische Passierprozedur am Weltentor, das in die besiedelten Gebiete vom Star Gout Epsoni führt.

Mit aufgerissenem Mund verfolgte Delune wie sich vor der Visitor, auf Breite und Höhe, der Sternen Gicht Nebel auflöste und ein Schutzgitter mit einem geöffneten silbrig Schimmernden Shumerer Weltentor sichtbar wurde. Es umspannt ein schier unendlich erscheinendes Gebiet. Im langsamen Flug glitten sie hindurch, wobei der geöffnete Weltentor Spalt gerade so groß ist, wie die einfahrenden Sektoren der Visitor. Beim letzten Stück Raumschiff war alles, wie zuvor, in künstlichem undurchsichtigem magischem Sternen Gicht Nebel verhüllt.

Delune brauchte einen Moment, bis er in den Brückenalltag zurückfand. Hernach interessierte ihn einzig die verbleibende Flugzeit bis Advenu. Schließlich musste er ja noch dringend, die lebendige Fracht ausliefern. Unbeabsichtigt sprach er seine Gedanken aus: »Wir liefern pünktlich!«

Der Boss Kerun Peshk fühlte sich angesprochen, er hatte alles auf der realen Brücke mit verfolgt: »Prima! Als Dank habe ich bewirkt, dass Sie unsere Heimatwelten betreten dürfen. Ich hoffe, Sie wissen mein Vertrauen zu würdigen. … Ach und Captain Delune versäumen Sie nicht genügend in goldgefasste Agamenon Taler mitzunehmen. Nur Bares ist Wahres. Was anderes akzeptieren wir hier nicht.«

* * *

BEYOND – Eine andere Wirklichkeit

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