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KAPITEL 2

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24. November 2262.

Raumschiff Visitor alpha U P.

Separate Brücke.

Mittelschicht .

Im hinteren Teil vom Bereitschaftsraum stand Captain Matise Delune in Lauerhaltung vorm Schreibtisch.

Obwohl seine Dienstzeit erst vor zwei Bordstunden begann, sah der 30-Jährige im Gesicht abgehetzt aus.

Seitlich von Delune schwebten unzählige holographische Sternenkarten. Zum x-ten Male stupste er aufs Abbild eines riesigen Minenfeldes vorm Eridani alpha System. Sobald er dazu eine Citraa (Computer) Anfrage stellte, erhielt er ein und dieselbe Warnung:

V erseuchtes System der Stufe Omega!

Eridani alpha System tödlich verstrahlt!

Delune wandte sich von den Sternenkarten ab, die Wand hinterm Schreibtisch geriet in den Fokus, in einem der offenen Ablagefächer lag ein grünes PAD. Er nahm es in die Hand, ihr letzter Lieferauftrag wurde angezeigt, der merkwürdige Wortlaut entriss seiner Kehle ein erbostes Schnaufen.

... vier lebendige Handelsposten sind heute noch (vor einbrechen der Dunkelheit) im Eridani alpha System auf den Planeten Advenu in der Stadt Sinu i abzuliefern.

Sein jugendlicher schlaksiger Körper lungerte an einer der rauen, blassgrün getünchten Deckwände.

»Prima! Bloß dazu müsste ich die Koordinaten kennen. Und wie sollen wir dann unbeschadet dorthin kommen«, fluchte es lautstark über die gut durchbluteten Lippen.

Indessen er weitere Suchoptionen überlegte, zausten die Finger aufgebracht in den kurz geschnittenen und durchgestylten hellbraunen Haaren, als er davon abließ, sah es zerfleddert aus. Blubbernd trat er vorm Schreibtisch, über dem schwebten virtuelle Sternenkarten. Für einen flüchtigen Moment stierte Delune auf einen Ausschnitt vom Minenfeld. Ein Gedankenblitz wurde zu einer neuen Citraa Suchanfrage. Doch anstelle einer Antwort erhielt er abermals die Warnungen.

Seine angestaute Wut entlud sich auf der Schreibtischplatte. Die Faustschläge, mit der Stärke eines Vorschlaghammers, ließ das robuste Metallding respektvoll summen. In den Händen fühlte es sich wie Stromschläge an, unwillkürlich hob er die schmerzenden Fäuste von der Tischplatte.

»Ich hätte es wissen müssen, von den spitzohrigen Halunken kommen nur Psychospielchen.« Aus der Kehle rutschte ein aufbäumender Laut. »Es war nicht in Ordnung, die Untergrund Kameraden im Stich zu lassen. … Verdammt! Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen.«

Harte Worte von einem der es im Leben nicht leicht hatte.

Delune's Leidensweg begann am Tag seines 14. Geburtstags. Damals am 9. März 2246 holten ihn weiß gekleidete Beamte vom U P C Säuberungskomitee aus dem Klassenzimmer, und die leiblichen Eltern, fleißige Londoner Tagelöhner, hatten solche Beamten am Arbeitsplatz abgeholt. Die Eltern wurden wegen wiederholt systemkritischer Äußerungen in ein Straflager überführt.

Arun steckten sie danach aus unbekannten Gründen nicht in ein Umerziehungslager, sondern er kam mit seinem Butler Seeker zu U P C Systemtreue Zieheltern den Appeldoms nach Jersey. Die grüne Insel liegt im Ärmelkanal. Wer dort leben darf, gehört zu den privilegierten Menschen der Erde.

Delune war in Armut aufgewachsen, er liebte seine warmherzigen Eltern. Sie hatten ihn vermittelt das wenige, das man besitzt, mit anderen zuteilen. Und nun das!, man verschleppte ihn in den Wohlstand. Das riesige Appeldoms Domizil, mit all dem Luxus, bescherte Delune einen Kulturschock. Und die, wie vereiste und nur stur nach Befehlen hantierenden Marionetten wirkenden Zieheltern stürzten den ohnehin instabilen Jungen in ein abgrundtiefes Gefühlschaos.

Trost fand er bei Butler Seeker. Der Aiws – eine künstliche Intelligenz – war erst fünf Tage vor den Schicksalsschlag in Delune's Familie gekommen. Seeker war das Erbstück einer verstorbenen weit entfernten Großtante.

Zwei Tage nach Delune's "Zwangsadoption" zog Seeker los, um "seine Leute" aus dem Straflager zu befreien. Er kam nicht zurück.

~

Die Appeldoms sind viel beschäftigte Günstlinge in einer höheren U P C Verwaltung. Sie sahen in dem spindeldürren 16-Jährigen stillen Zögling ein Umerziehungsobjekt, das wegen seines pfiffigen Verstandes und der schönen Gesichtszüge prima zum Vorzeigen geeignet ist.

Im goldenen Wohlstandskäfig, wie es Delune nannte, war er viel allein. In seiner Freizeit schraubte und schweißte er alles mögliche zusammen.

Die Appeldoms lobten ihm wegen der geschickten Hände. Und die U P C Seelenklempner meinten Delune's zusammenschrauben von gebrauchten und neuen Objekten ist eine Aufarbeitung beider Lebensabschnitte, bei dem er die alte Lebensphase mit dem jetzigen verbindet.

Damit der Tölpel weiter in ihr Weltbild passt, bekam er neben den Dingen, die in den oberen U P C Kreisen angesagt sind, ein üppiges Taschengeld.

Er mimte den Braven. Die Appeldoms vergüteten es, indem sie ihm keine Drohnen zum Überwachen anhefteten. Und weil er allerhand nützliches Zeug für Haus und Hof zusammenschraubt, vertrauten sie ihm, wenn er im Keller herumwerkelt.

Sein Meisterstück ein Aiws Exoskelett fiel zwischen den Unmengen an Schrott nicht auf. Der fertiggestellte Syndroid glich ihm bis ins letzte Detail. Flex – sein zweites "Ich" – aktivierte er am Tag seines 17. Geburtstags. Der Zeitpunkt war perfekt gewählt. Er und die Appeldoms saßen auf gepackten Koffern, die vom U P C schickten ihre treu ergebenen Bediensteten für ein Jahr nach York – Nord Preton zur Weiterbildung. In einem großen Behältnis, es enthielt Delune's Heimwerker Ausrüstung, lag zu unterst sein Ebenbild: Flex.

~

Während die Appeldoms im Hörsaal saßen, erkundete Delune mit Flex das nähere Umfeld von York. Einige Meilen hinter der Stadt gab es zwei U P C Straflager. Sie suchten noch Aufseher. Was besseres hätte Arun nicht passieren können. Ihm reizte es, in die Hochburg der Gewalt einzudringen. Jedoch wenn er sich dort bewirbt, würden sie ihm wegen seiner leiblichen Eltern ablehnen. Kurzum er brauchte Hilfe. Den Appeldoms tischte er deswegen ein phänomenales Märchen auf: »... Der Aufseher Job ist eine klasse Trainingsstätte für meine zukünftige freiwillige Akademiezeit.«

Die Zieheltern fanden die Idee gut. Er bewarb sich und ihre Position öffnete alle Türen im Straflager.

Delune jobbte nicht nur so aus Lust und Laune heraus, sondern er will den Tod seiner Eltern rächen. Gleichgesinnte, die der U P C auch in den blank polierten Arsch treten wollen, fand er in den Armenunterkünften von York.

Währenddessen er dort untertauchte und seine Freiheit genoss, vertrat ihm bei den Appeldoms das "Zweite Ich". Flex hielt ihm auf dem Laufenden und Delune trieb seinen Plan voran.

Gemeinsam mit den Kameraden erkundete er die Umgebung. Sie stromerten nicht einfach so herum, oh nein!, sie spionierten lohnende Ziele aus. Gab es fette Beute, verteilten sie es an Bedürftige.

Wegen schlechter Organisation gerieten sie mehrmals bei den Beutezügen in Gefahr. Es grenzte an Wunder, dass sie ohne Personenschaden von Einsätzen zurückkamen. Delune kam es so vor, als wenn eine schützende Hand über seine Jungs wacht. – Sie nannten es Glück. Aber er betrachtete die brenzligen Situationen als Vorgeschmack für das, was ihm demnächst an der Akademie bevorsteht.

~

Mit 18 Jahren schickten ihn die Appeldoms auf den Planeten Vulkan an eine U P C Raumflotten Akademie. Delune wurde zu fünf Jahren verpflichtet und die Appeldoms erhielten im Gegenzug mehr Privilegien.

Ohne sein "Zweites Ich" hätte er die Akademie Drill Hölle nicht überlebt. Aber er gestand sich ein: »Es ist für unsere Untergrundarbeit nützlich.«

~

Mit 23 Jahren, Delune hatte das Offizierspatent eben erst erhalten, verpflichteten ihn die vom U P C für den SAS – Special Air Service. Und kaum das die Unterschrift unter den unfreiwillig unterzeichneten Vertrag getrocknet war, schickte ihm die SAS mit einer Hundertschaft auf die Erde. Sie sollten in London ein Rebellennest zerschlagen.

Delune versorgte seine Truppe mit Fakten, sie schlossen sich den Untergrundgruppen an. Gemeinsam legten sie den Köder aus und zerstörten die SAS Basisstation. Es gab keine Überlebende. Unter den Opfern war der Offizier Matise Delune, die DNA einer gefundenen Gliedmaße bestätigte es.

Der beauftragte Genetiker zählte nach diesem Meisterwerk zu Delune's Gruppe.

Zeitgleich mit Delune's ehrenvollen SAS ausscheiden wendete sich das Blatt, und seine Truppe hatte Verluste. Den Grund suchte er zunächst in der Planung. Sie war durchdacht bis ins Detail. Als nächstes betrachtete er ihre Ausrüstung, sie war hervorragend. Und ihre Zielvorgaben entsprachen exakt ihrer Ausbildung. Jedoch ein Blick in die Personalbögen belehrte ihn eines Besseren. Seine Vorgesetzten – die vom Untergrund – hatten gravierende strategische Fehler begangen, die seine Gruppe im Einsatz zu spüren bekam.

In einer Einsatzbesprechung servierte Delune die Missstände: »Weil wir Personalprobleme haben, nehmen wir jeden bedenkenlos auf. Wir müssen sofort eine gründliche Sondierung vornehmen, und den oder die Maulwürfe aussortieren, sonst sind die unser Untergang.«

Sein anprangernder Atem war noch nicht verwirbelt, da trafen ihm bereits erzürnte Blicke. Ihre funkelnden Augen fühlten sich wie Schläge mit der Spießrute an. Die Gegenargumente, dass einige von denen ihr gesamtes erbeutetes Vermögen einbrachten, brannte auf Delune's erhitztem Gemüt wie Brandmarkungen.

Bisher hatte er nur an Aktionen teilgenommen, die gegen die Verschwendungssucht der U P C Günstlinge gerichtet waren. In Gedanken sah er sich schon in einem U P C Straflager. Delune zog seine Konsequenzen. »Das wird mir hier zu heiß.«

Die Untergrundleute wollten den hervorragend ausgebildeten Kämpfer und Schutzpatron nicht verlieren.

»Nimm eine achtwöchige Bedenkzeit und erlebe das Elend in einem Slum Bezirk am äußeren Rande von London. Danach verstehst du es.«

Ihr Gegenvorschlag war für Delune akzeptabel.

~

Inzwischen vegetierte er über sechs Wochen inmitten des vom U P C erschaffenen Elends. In der Rolle eines vogelfreien hatte er gelernt, wie sich Hunger und Durst anfühlten. Oder wie es ist im eisigen Februar keine Bleibe zuhaben und jederzeit den Misshandlungen der Handlanger vom U P C ausgesetzt zu sein. Vorzeitig Aufgeben war keine Option für ihn.

Die eigene Haut konnte er verteidigen, anders sah es mit dem Hunger aus. Wie alle in der endlosen Schlange einer Suppenküche für mittellose hatte er tagelang nichts mehr an fester Nahrung in den Gedärmen.

Als Delune sich in Gedanken den ersten pampigen Happen gönnte, scharte die Schöpfkelle den Rest am Topfboden zusammen. Man reichte ihm den letzten Napf. Unwillkürlich blickte sich Delune um, hinter ihm stand eine Mutter, auf dem Arm hatte sie ein kleines kränkliches Kind. Obwohl der Hunger in ihm nagte, gab er den Napf der Mutter. Bevor sie begriff, was er getan hatte, und sie Danke sagen konnte, war er davon geschlichen.

Wenig später fischte er, wie in den Tagen zuvor, unten im Container Hafen mit einer Schnur und einem aus rostigen Draht gebogenen Haken. Er hockte auf einem feuchten Pappstapel und wartete verzweifelt, dass ein Fisch anbiss. Die vom Wind aufgewirbelte eisige Luft legte sich wie ein Tuch über ihn. …

Alsbald durchströmte Delune mollige Wärme. Die, so dachte er, kommt von meinem Nachtlager im Schnee Iglu.

Sanfte Klopfer an den Wangen zwangen ihm, die benommenen Augenlider zu heben. Er lag auf einer bequemen Liege. Direkt über ihm lächelte ein olivfarbenes Gesicht. Delune kannte den Typen, er war ein Kaufmann. Bei ihm hatte er hier im Büro eines Container Umschlagplatzes schon einmal was zu Essen bekommen.

Der Kaufmann Kerun Peshk, er war einer der wenigen vulkanischen Überlebenden, begutachtete sein Fundstück. Als er überzeugt war, an dem Halbgefrorenen bedurfte nichts einer Behandlung, reichte er eine warme köstlich duftende Suppe. Danach unterbreitete Peshk mit umschmeichelnden und werbenden Sätzen ein verlockendes Stellenangebot.

Allein der Umstand, dass es womöglich von einem der verhassten U P C Disputen kommen könnte, hielt Delune davon ab, den angebotenen Posten eines Raumschiff Captains anzunehmen.

Peshk wiederum versicherte, dass er ein unabhängiger Händler ist, dem die U P C gleichfalls zuwider ist.

Delune biss nicht an.

Pokerspieler nannte Peshk solche harten Brocken. Er hatte einen verfänglichen Vertrag, der schubst das Zünglein an der Waage in die gewünschte Richtung.

Die echten Papierblätter, es fasste sich edel an, legte er wortlos vor Delune. Just eine Sekunde später piepte es an seinem Hemdkragen. Das andere Ende verlangte seine Anwesenheit am Container Ankunft Terminal.

Delune indes begutachtete den Vertrag. Jedes zuvor von Peshk zugesichertes Detail wie Freiheit, Gewinnbeteiligung, obenauf ein Quartier, ein eigenes Shuttle, pünktlich zum Monatsersten erfolgt die Heuer Auszahlung in echten Agamenon Streifen, wurden zugesichert. – Verschlagen grienend unterzeichnete er den Vertrag.

Acht Stunden später stand Captain Delune auf dem Deckboden an Bord des freien Handelsraumschiffes Visitor α U P. Der restliche Tag bleibt ihm für ewig in Erinnerung. Was nicht nur daran lag, weil er das Opfer einer Reihe von unschönen Verwicklungen wurde, die ihn sogar kurzzeitig in eine Arrestzelle einquartierten. Sondern auch an den merkwürdigen Befehlen, die bei seinem verspäteten Dienstantritt auf dem Schreibtisch lagen. Auf einem echten Papierblatt stand geschrieben:

1. Nur in dem zugewiesenen Teil der Visitor ist Ihr Aufenthalt erlaubt.

2. Mit niemand über den anderen Visitor Bereich reden.

3. Niemals mit anderen über ihre Aktivitäten im Untergrund reden.

Delune nahm an: Im anderen Teil lagert Schmugglerware. Je weniger er wusste, umso sicherer ist er vor der U P C. Das kam ihm entgegen. Mit deren Vertretern vom vulkanischen Säuberungskomitee wollte er unter keinen Umständen nochmals aneinandergeraten.

Wochen später entdeckte er im Bordbuch, das im Trockendock angefertigt wurde, etwas abnormales. Entgegen der Aussage vom Boss währte die Liegezeit der Visitor α UP schon über drei Jahre. Und von all den kaum zu bewältigenden Aufträgen fand Delune weit und breit keine Notiz. Für sein Verständnis war das, mit dem unbeweglich im Trockendock abhängen, für ein Handelsraumschiff ungewöhnlich. Es sei denn: Es handelt sich bei den unzähligen noch zu erledigenden Reparaturarbeiten um ein Ablenkungsmanöver. Kurzum was sich in Wahrheit dahinter verbarg, ließ Delune keine ruhige Minute. Doch, wo immer er ansetzte, es endete stets in einer Sackgasse. Allerdings seit Kurzem erhält er Unterstützung vom Aiws Butler seines Freundes Sorel Gwen.

Aiws Sprite teilte ihm mit: Vor der Privatisierung hieß das Raumschiff – Viator. Es war einst das Flaggschiff der U P C. Es wurde zu einem billigen Massentourismus Domizil umgebaut. Es verkam zusehends und landete schließlich in einem Raumdock auf der Erdenmond Rückseite. Zuletzt wurde es dort zur Kadettenausbildung genutzt.

In dem Zusammenhang hatte Delune schon so manch unschönes gehört. Es ging dabei um den Captain und den überwiegenden Teil der Ausbilder.

Der Viator selbst eilten die Beinamen "Jupaa Schaukel oder Captains schnell Wirker" und dergleichen voraus.

Die letzten zwei Captains wiederum thronten nicht lange im Chefsessel. Was nicht verwundert, der erste Captain war dem Drogenkonsum sehr zugetan. Von dem, was die missratenen Ausbilder an Bord mit den Kadetten für fiese Spielchen trieben, bekam er im andauernden Drogenrausch nichts mit. Und wenn doch, war seine Reaktion unberechenbar. Anfangs zitterten die Kadetten vor ihm, jedoch als er ein junges Leben einfach so zum Vergnügen auslöschte, mixten sie ihm was Stärkeres in den nächsten Schuss. … –

Der Nachfolger Captain Klix, ein Schläger und Säufer, malträtierte die Untergebenen nicht minder. Sein Interesse galt einzig dem hochprozentigen Nachschub. Die Substanz vom Raumschiff oder deren Mitbewohner war unwichtig. Es verfiel immer mehr. Aber bevor es verschrottet wurde, erwarb es Delune's späterer Boss – Ukel Kerun Peshk, das sagte ihm Butler Sprite. –

~

Bei Delune's Dienstantritt sah die Visitor α U P äußerlich brandneu aus, aber im Inneren nach Großbaustelle.

Das ist Schnee von gestern. Vom Handelsgeschäft kann man das nicht sagen. Außer einigen Frachtflügen mit einem merkwürdigen Flugobjekt, es erinnerte ihm an den Kokon eines Schmetterlings, hingen sie die restliche Zeit im Trockendock.

Am nervigsten, neben dem "Herumhängen", sind die unzähligen Gespräche mit Schiffsberatern und den ewigen Disputen mit dem ersten Sicherheitsoffizier Mister Arun Potts. Delune findet: "Mister Unnahbar" ist für den emotional eingefrorenen Nörgler passender.

Delune ist unumstößlich davon überzeugt, dem aufgeblasenen Halbblut Spitzohr kann er nichts recht machen. Das galt vor allen den von Mister Unnahbar inszenierten Psychospielchen. Bei den wurden sie bei gemeinsamen Brückendiensten von unbekannten Energiewesen angegriffen.

Die Form der Viecher ähnelte im Entferntesten, riesigen Zitteraalen, wobei die hier aus purer Energie bestanden. Ihre Vorgehensweise war stets dieselbe: Von jetzt auf hier tauchten sie auf der Brücke auf. Und beim Strom naschen verursachten sie technische Ausfälle oder Kurzschlüsse. Delune befahl jedes Mal, was für sein Verständnis logisch war: Schutzschild hochfahren, und noch bevor es Schutz bot, waren die körperlosen Eindringlinge verschwunden. »Diese Dinger sind einfach nur lästig«, fauchte er.

Sein erster Offizier sah ihn ausnahmslos kopfschüttelnd an.

Beim dritten Überfall änderte Delune die Strategie, dazu legte er, von seinem Chef Terminal aus, die gesamte Energie der Brücke lahm. Diese Vorgehensweise gefiel sogar Mister Potts.

Seltsamerweise verschonen sie diese lästigen Biester. Aber dafür beehrten sie jetzt in unregelmäßigen Abständen, an allen erdenklichen Orten an Bord, nach Verwesung stinkende Erscheinungen. Welcher Lebensform sie genau angehörten, konnte wegen fehlender Biodaten niemand sagen. Lediglich die Umweltsensoren schlugen Alarm sobald eins der schwarzen und glitschigen Erscheinungen herumstinkert.

Delune, ein Meister der Improvisation, hatte den genialen Einfall: gewöhnliche Müllentsorgungsdrohen mit Umweltsensoren aufzupeppen. Sie patrouillieren nunmehr überall in den Korridoren, und sobald eins der stinkenden Phänomene auftaucht, aktivieren sie selbsttätig deren Entsorgung. – Klappt Prima! – Bisher haben sie, so, schon unzählige der Stinker eliminiert. Delune macht sich dennoch über seine Problemlösung Gedanken: Ist meine Umsetzung falsch oder will mich Mister Potts, insofern es seine Erfindung ist, mit den Erscheinungen bloß ärgern.

~

Anfangs fragte sich Delune, wozu diese Zeit totschlagenden Übungen gut sind. – Mittlerweile hat er einen unumstößlichen Verdacht: »Wir sind nicht Mal ebenso zur Untätigkeit im Trockendock verdonnert. Oh nein!, dass hier ist eine Festung, und wir bewachen irgendwem ganz Besonderen. Deshalb darf ich hier an Bord auch nicht überallhin.«

Ihr aktueller Auftrag bestätigt es.

Am 24.11.2262 vor Einbruch der Dunkelheit sind fünf lebendige Handelsposten auszuliefern.

Im Vorfeld, vor vierzehn Tagen, wurde das lahme Computer Problem behoben. Jetzt heißt es nicht mehr Computer, sondern Citraa. – Zeitgleich bekamen sie mehr Aufträge, für die Umsetzung genügte der zuvor erwähnte fliegende Kokon.

Obwohl alles reibungslos verschachert wurde und Delune jeweils eine Fette Provision erhielt, wurde er das Gefühl nicht los, es sind weitere Tests von Mister Potts. Das spitz Ohr vertraut nicht den unerfahrenen und von der Straße aufgelesenen Captain.

Zu seinem guten Freund Doc Pieter McSpleen sagte Delune erst kürzlich, in kämpferischer Pose: »Ich hätte weiterhin für den Untergrund arbeiten sollen. Da vertraute man mir, und ich habe da was bewegt. Leider siegte meine Bequemlichkeit.«

Bei der Erinnerung holte Delune ein vergilbtes Bordbuch aus der Schreibtischschublade, Butler Sprite hatte es ihm kürzlich zugesteckt.

Beim Blättern schmunzelte Delune gallig. »Dass die alte Crew die Katastrophe von Vulkan überlebte, ist größten Teils Klix – dem letzten Captain zu verdanken. Seine zwei Vorgänger riss es auf undurchsichtige Art aus den Leben.« Währenddessen er das dachte, blätterte er weiter. Abrupt ruhten die Finger der linken Hand beim Datum, es war der 20 August 2260. Der rechte Zeigefinger öffnete die dazugehörigen Dateien.

Den ersten Bericht verfasste der damalige erste Offizier. Das niedergeschriebene ließ Delune finster blicken.

›… Die U P C Raumschiffe bekamen am 20.08.2260, um 12 Minuten nach 19 Uhr U P C Zeit, den Befehl nach Vulkan zu fliegen, um mögliche Überlebende zu bergen.

Siehe vyp22082260

Den an der Pfeilspitze angebrachten Link klickte Delune an. Vor ihm erschien eine Datei, sie enthielt neben den von I P S in Echtzeit gemachten und an die U P C übermittelten audiovisuellen Protokollen auch den aufgearbeiteten Text. Er wählte letzteres.

Protokoll: →vyp22082260

Im größten Strafgefangenenlager von Vulkan fand in Purin am besagten Tag eine spezielle Gehorsamkeitsausbildung statt. Bei der wurden aufmüpfige U P C Bedienstete wieder auf ein abgebrühtes Standard Level gebracht. Und genau in dem Moment, begann der Countdown für einen Rachefeldzug der Extraklasse. Bei dem werden am Ende, die eigenen Widersacher für immer mundtot gemacht. Gleichzeitig werden die abtrünnigen vulkanischen Freiheitskämpfer ausgelöscht.

Für das Großereignis hatten die vom Säuberungskomitee schon lange im Vorfeld "Zündschnüren" ausgelegt. Jene führten alle nach Purin.

An besagtem Tag wurden in den meisten isolierten Labors, die zur Agamenon Stabilisierung benutzt wurden, Wartungsarbeiten durchgeführt. Das war nichts Außergewöhnliches. Bloß die Agamenon Tagesproduktion der Gefangenen hing wieder mit 60 Prozent hinterher. Das durfte nicht sein. Um die geforderte Tagesmenge abliefern zu können, befahl die übergeordnete Abteilung, der untergeordneten Abteilung Schmiermittel, die zur Produktion eingesetzten unreinen Gefangenen zu verdreifachen. Damit die verweichlichten Angestellten das Tagesziel erfüllten, drohten die übergeordneten mit erheblichen Sanktionen.

In ihrer Platznot benutzten sie zur Produktion nunmehr auch normale Labors. Jedoch die hatten keine eingrenzenden Schutzfelder. Dieser Tatbestand war den Aufpassern aber so was von egal. Für sie zählte nur eins: das Tagesziel um jeden Preis erreichen , nur so blieben sie von weiteren körperlichen Sanktionen verschont. Erbarmen gegenüber den ohnehin halb toten Shumerer Inhaftierten war da fehl am Platz. Und damit sie ihre letzten Kraftreserven für die Produktion zu Verfügung stellten, wurden die Sklaven zum Ansporn verprügelt. –

~

Zur selben Zeit hatten in Purin sogenannte Wissenschaftler das Begehrte produziert.

Die Freiwilligen führten den Auftrag der Mediatoren aus: goldgefasstes Agamenon für U P C Barren, Streifen, Dukaten und Münzen herzustellen. Dazu benutzten sie ein gut abgeschirmtes Labor im Planeten inneren.

Gleichlaufend stand in der Sicherheitsabteilung auf den Kontrolldisplays: Produktionen laufen reibungslos.

Sie konnten ihren gewohnten Beschäftigungen nachgehen und ausgiebige Nickerchen machen, spannende Lektüren lesen oder was ihnen eben in den Sinn kam. Doch heute wurden sie mit einem schrillen unerbittlichen Alarmsignal aus den Beschäftigungen gerissen. Zu ihrem Missfallen waren auf den Kontrolldisplays meuternde zwangsarbeitende Shumerer zu sehen.

~

Zum selben Zeitpunkt hantierte eine geheime Cybord Truppe tief im Planeten inneren. Der Arbeitsraum der künstlichen Intelligenzen lag direkt neben einem gewöhnlichen Labor, in dem Gefangene arbeiteten. Die Räume trennten nur rohe Zwölfer Ziegelwände.

Diese Cybords waren die zuvor erwähnten Abtrünnigen, sie planen eine Abkoppelung vom Säuberungskomitee. Um ihre zukünftigen Eroberungszüge erfolgreich durchzuführen, bedurfte es im Vorfeld enorm viel an bares Bestechungsmittel, dass werden sie mit in goldgefasstem Agamenon in den Händen halten können.

Das universelle Machtmittel spornte sie an, aber … da gab es ein nicht zu unterschätzendes Risiko, welches sich alleinig auf die Stabilität vom Agamenon begründete. Demgegenüber stand ihre Unabhängigkeit vom Säuberungskomitee.

Die Freiheit war ein starkes Motivationsmittel. Allerdings der Grad zwischen Erfolg und Misserfolg war hauchdünn. Doch die Agamenon Bändigung konnte nicht so schwer sein, wie es der dumme Volksmund behauptet. Das bestätigte der eine oder andere ihrer Truppe, sie weilten mehrmals mit im Labor der Wissenschaftler. Im Endeffekt gelang es denen stets, in goldgefasstes Agamenon herzustellen.

Allerdings besagtes Wissenschaftlerteam arbeitete für die "freie Planwirtschaft". Sie handelten, so vermuteten die vom Säuberungskomitee, streng nach dem Motto: Neun Teile für uns und ein Teil für die U P C. Daher wurden sie bei der Herstellung stets von Cybords überwacht. (Sie gehörten zu den abtrünnigen, machthungrigen Cybord Team.) Um nur ja keine Aufmerksamkeit zu erwecken, hatten sie von ihrem Anführer Seeker den Befehl erhalten: ›Nur beobachten, nichts stehlen.‹

Sie hielten sich daran und merkwürdigerweise landete tatsächlich erheblich mehr in den Tresoren der U P C Elite von Vulkan. Was jedoch keiner von denen wusste, die zwielichtigen Gauner setzten dazu alle Gaben der Energiewesen Schöpfer ein. Damit gelang es stets, im Labor die Raumzeit einzufrieren. Und weil die Cybords mit eingeschlossen waren, bemerkten sie nicht die Unregelmäßigkeit im Zeitgefüge.

Indessen der eine Teil der Wissenschaftler wie gehabt teilte und abrechnete, manipulierte die andere Teamhälfte die Speichereinheiten der Cybords. Somit war sichergestellt, dass die gewinnbringende Aktion niemals aufflog.

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Mit dem schwammigen Vorwissen hantierten nebenan im Labor die Cybords. Was sie nicht berücksichtigten, weil es für sie ohnehin nicht wissenschaftlich nachvollziehbar ist, war eine winzige Quintessenz an dunklem Geheimwissen. Es half den Wissenschaftlern, ebenso allen unter Zwang arbeitenden unreinen Shumerer Gefangenen, das Geforderte zu stabilisieren. Aber ihre ausgeklügelte Cybord Technik hilft ihnen auch diesmal, das zur Stabilisierung benötigte "Zeitportal" zu erschaffen. Wobei sie dazu eine Phasenverschiebung – einen stabil aussehenden Riss im Raumzeitgefüge – erzeugen. Das Verfahren umgekehrt angewandt, friert die Zeit ein. Somit können die Cybords so viel Agamenon wie gewünscht stabilisieren.

Wie erhofft gelang es ihnen. Sie glaubten sich nun den Zielen – Freiheit und Macht – ganz nah . Das spornte sie noch mehr an. Geblendet von dem zu erwartenden Reichtum, ignorierten sie jedwedes Sicherheitsprotokoll. Und das!, obwohl sie untereinander noch mal ihr Wissen austauschten: ›... Agamenon – was gefügig gemacht bedeutet, ist ein farb- und geruchloser Säreester Molekülverband.

Um ihn ist eine Hülle. Sie umschließt eine kostbare Flüssigkeit – das Cyl. Aus dem wird – sofern es stabil ist – mithilfe von einem Emulgator, Plus geheime Zutaten das Agamenon.

Ein Hilfsstoff ist das sogenannte Etublut vom Etuaris lex.‹

~ ~

(Die künstlich erschaffenen, fliegenden Wesen – sie sind nicht größer als ein viertel Apfelspalt –, lebten ausschließlich auf Vulkan.)

~ ~

Der Emulgator ermöglicht: Das die nicht miteinander mischbaren Flüssigkeiten – Gold & Cyl – zu einem zähflüssigen Gemisch verschmelzen und dauerhaft stabil bleiben. Als Trägermaterial für diesen Brei dient ein geheimes Metall.‹

Ferner erwähnten die Cybords, was bei einem Misserfolg geschieht:

In der Mitte vom Säreester Molekülverband ist Antimaterie. Darin begründete sich das Problem der Stabilisierung, denn das Vorkommen vom Säreester Molekülverband liegt einzig in der fünften Dimension. Dort ist er von Natur aus stabil, aber wenn er in die dritte Dimension gelangt, wird er auf der Stelle instabil und unkontrollierbar.‹

Wie gesagt, den Cybords war die Gefahr bewusst, dennoch erhöhten sie die einzusetzende Menge vom Säreester um ein zigfaches vom Üblichen.

Tja an der Stelle trafen die, zuvor erwähnten parallel verlaufenden Ereignis Zündschnüre zusammen. Wobei es schneller ablief, als vormals geplant. Und das nur; weil einer der zuvor erwähnten meuternden Inhaftierten jetzt Forderungen stellte. Damit seine Wünsche erfüllt werden, spielte er mit den Nerven der Laboraufseher. Einem unerfahrenen Jungsporn platzte die Geduldsschnur. All seine grenzenlose Wut prügelte er in den gefesselten Rebellen hinein. Der wiederum verlor das Bewusstsein und somit die Kontrolle über die Säreester Molekülverbände. Augenblicklich streifte eine kaum wahrnehmbare Erschütterung die Luft. In dem Moment geschah das gleiche bei dem Cybord Team. Da gab es davor eine Streitigkeit über die benötigte Menge. Während die eine Hälfte des Teams noch mehr herbeiholte, schickte der andere Teil das "Zuviel" zurück. … Nun ja zu guter Letzt hatte das habgierigere Team die schnelleren Waffen.

Ihre Menge traf, als es in unsere Dimension gelangte, auf die zuvor im Labor der rebellierenden Shumerer hervorgerufene und kaum wahrnehmbare Erschütterung. Schlagartig gab es eine Kettenreaktion, die vorerst in einem dumpfen Knall endete. Die davon ausgehende Schockwelle ließ die instabilen Molekülverbände, die aus unzähligen winzigen Tröpfchen mit ebenso viel Antimaterie bestanden, unkontrolliert aufeinander reagieren. Im den nur Millisekunden dauernden Chaos verschmolzen sie zu einer expandierenden, unbeherrschbaren Antimaterie – Volumenausdehnung. Mit einer nicht vorstellbaren Geschwindigkeit verschlang es bei der weiteren Ausdehnung alles vom Planeten Vulkan, was nicht schnell genug fliehen konnte. –

Eine weitere Ausdehnung, des Schwarzen Giganten, verhinderten drei abgestoßene Hardron-Sol-Kerne – des verspätet eintreffenden Raumschiffes Viator.

Fazit der gewollten Katastrophe: über 6 Milliarden unschuldige Opfer. Selbst zwei benachbarte Planeten als auch die zur Hilfe eilenden U P C Raumschiffe wurden vernichtet.

~

In Delune's Augen lagen Tränen, auch er hatte Freunde verloren. Er holte tief Luft, dann schwenkte sein Augenmerk wieder auf das ursprüngliche Textdokument.

~

Der damalige erste Offizier der Viator sagte zu der Katastrophe folgendes aus:

Der Viator erhielt, wie sich später herausstellte, zeitgleich mit den übrigen Raumschiffen vom U P C Flottenverband den Auftrag nach Vulkan zufliegen!

Man sollte denken: Marschbefehl i st gleich Marschbefehl. Aber nicht für Captain Klix! Er hatte eigene Regeln und Rangordnungen. Ganz oben in der Liste stand sein Fusel. So auch an jenem denkwürdigen Tag. Als er von der Brücke über den Notfalleinsatz informiert wurde, stand er beim unruhigen Hochprozentigen. Den Kontrollgang mit Verkostung konnte er auf keinen Fall vorzeitig beenden. Der Viator brach dadurch erst neun Minuten später zum Planeten Vulkan auf.

Der Flug verlief bis 20 Uhr 22 Bordzeit optimal, aber Sekunden später bretterten wir unsanft aus der Hyperraum Bend Blase. – Nichts ging mehr! – Nichts!, war noch zu viel. Selbst die Schwerelosigkeit konnte man neu definieren.

~

Ein schadenfrohes Lachen entsprang Delune: »Wie konnte das bloß so aus heiterem Himmel geschehen!«

Um die Zusammenhänge besser zu verstehen, betrachtete Delune die angezeigten Bilder vom Maschinenraum unter Captain Klix' Kommando. Parallel dazu geriet die Aussage von Klix ins Blickfeld:

~

Wo die Sol-Kondensatoren, die Hardron-Sol-Kerne und das ganze andere Antriebs-Zeug stand, gab es reichlich freie Stellflächen. Kupferne Brandblasen, Krins zum Mälzen der Gerste und von Rohstoffen passte da prima rein. Die Produktion kann nur von absolut zuverlässigem Personal übernommen und überwacht werden, also von mir persönlich. Es wäre für wahr eine Sünde, wenn etwas mit dem guten Tropfen schief ging.

Das dafür erforderliche Startkapital erwirtschaftete ich, indem ich einige Kilo der Jupaa Droge verhökerte.‹ –

~

Die Meinung, nach beiden Captains Todesfällen sah im Untersuchungsprotokoll unter den zahlenmäßig unterlegenen Cleanen oder trockenen Crewman so aus:

~

Das Zeug, aus seinem eigenen Anbau, hatte im Nachhinein eine reichhaltigere Konsistenz wie erwartet. Und im zugedröhnten Zustand ist schnell mehr konsumiert, als man verträgt. Beim selbstgebrannten Schnaps wird es nicht anders gewesen sein.‹

~

Delune griff in Gedanken an seine Nase. »Meine böse Zunge behauptet sogar: Der Raum vom Haupt-Citraa stinkt heute noch nach der Jupaa Droge. Dahinein sollte man nur im geschlossenen Schutzanzug gehen.«

Beim Lesen der nächsten Zeugenaussagen konnte er, so traurig es ist, vor Lachen nicht mehr innehalten.

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Am 20.08.2260, um 20 Uhr 21 Bordzeit, ist ein Missgeschick passiert. Jenes wurde durch eine kleine volltrunkene Unachtsamkeit von Captain Klix hervorgerufen. In dessen Folge sind dann zwei mit allem, was die Bordküche an verwertbaren Resten feilbot, bestückte Brandblasen durchgegangen. Bevor sie sich mit den Hardron-Sol-Kernen willig vereinten, drehten sie im Maschinenraum zusammen mit dem herb aromatischen Destillat einige gehaltvolle Runden.

Ein junger, umsichtiger trockener Kadett portierte, geistig gegenwärtig, zwei davon ins Universum … –

Captain Klix, dem Verursacher – der Hardron-Sol-Kern Brandblasen Vereinigung, ist nichts Geschehen.

Dem Säufer fand man am Lieblingsort in seiner zugemüllten Captains-Suite, er schlief den Rausch aus.

Zu ihm zu gelangen war angesichts des vielen Mülls und des menschlichen Unrats eine Herausforderung.

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Mit angeekeltem Gesicht las Delune, was Captain Klix zu Protokoll gab:

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Kleinere Feuer entstanden durch das hochprozentige Gebräu. Sie sind nicht weiter schlimm, sie haben nur den Hauptcomputer und andere unwichtige Dinge verschmort. Viel schlimmer ist der Verlust der Spaß bietenden Jupaa Pillen und vom astreinen selbstgebrannten Schnaps. Die Mengen wiederzubeschaffen macht viel Arbeit.

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Delune lachte lauthals, jedoch beim lesen der nächsten Zeilen, erstarb es auf der Stelle.

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Captain Klix gab zu Protokoll:

Um 20 Uhr 08 Bordzeit erreichten die zur Hilfe befohlenen U P C Raumschiffe die Koordinaten vom Planeten Vulkan. Doch an der Stelle befand sich ein rasant wachsendes schwarzes Loch.

Die zur Hilfeeilenden Raumschiffe sahen, im Verhältnis zum schwarzen Loch, wie Spielzeug aus. Am Zielpunkt, in der dritten Dimension, wurden sie von den Ausläufern der eingesogenen Antimaterie erfasst.

Lediglich unsere Viator überlebte, was einzig meinem abwartenden Instinkt zu verdanken ist. Durch einen bedauerlichen Zwischenfall schleuderte es uns weit vor den ersten Ausläufer aus der Bend Blase. Unsere abgestoßenen Hardron-Sol-Kerne jedoch zog es bedauerlicherweise hinein.‹

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»Bedauerlicherweise!? Der rafft nichts! Mann!, zum Glück sind die im inneren explodiert und haben alles versiegelt«, quetschte Delune zwischen den Zähnen heraus. »Tja, so was abartiges ist jetzt nicht mehr möglich. Unser Eigner treibt sich hier ständig in den Gängen herum.« Am Satzende stutzte er. »Wieso erlauben die von der U P C, dass die Visitor jetzt einem privaten Eigner gehört. Wer ist der, dass der das darf?«

Unwillkürlich ließ er in Gedanken die ersten Tage an Bord der Visitor auferstehen: »Die Sicherheit bot mir an, wenn ich nach Dienstschluss einen Kontrollgang machen will, begleiten sie mich gern. Ich schlug es aus. Doch das sollte ich bald bereuen. … Drei Decks weiter unten hörte ich zwei Personen hinter der Deckverkleidung diskutieren. Es war so laut, ich dachte sie stehen neben mir. Mehrmals erwähnten sie Captain. Es ging um mich! Blöderweise ist mein alt Sumer grottenschlecht, somit blieb der Zusammenhang unklar. Pure Neugierde lies mich die Metallwände abtasten. Doch es gab keinen Durchgang. –

Weitere elf Decks tiefer, kam es mir so vor, als ob ich beobachtet werde. Mich umschlich eine Ahnung, warum die Sicherheit ihre Begleitung anbot. –

Vier Decks über der Brücke. Wissenschaftsdeck. Einige Korridor Meter vorm Observatorium tauchten fremde Personen auf, nach der nächsten Ecke fehlte von denen jedwede Spur. … Und auf dem U S R Deck, das ist zwei Etagen über meinem Quartier, lief in den Deckwänden ein Trupp neben mir her. … Ich wollte die Sicherheit rufen, aber mein Bauchgefühl flüsterte mir zu: »Ruhe bewahren. Das Rätsel löst du allein.« Letztendlich schob ich es auf schlecht isolierte Wände, wodurch die vom Umgebungs-Simulations-Programm erzeugten Geräusche zu hören sind.

Wochen später wurde ich eines besseren belehrt. Ich hatte Mittelschicht. Der Lift brachte mich bereits zur Brücke, unterwegs fiel mir ein, ich habe was wichtiges im Quartier vergessen. Bis zum Dienstantritt war noch reichlich Zeit … Also zurück. … Der Lift stoppte auf meinem Deck, meine rechte Hand steuerte den Türöffner an, jählings fror meine Bewegung ein. Vor der Tür krachten Klingen von mindestens zehn Rundschwertern – den Pogna cor aufeinander. Im rasanten Tempo fegten sie am Lift vorbei. Ich zählte bis zwanzig, dann nahm ich die Verfolgung der Raufbolde auf, dabei habe ich Vorschriftsmäßig die Sicherheit informiert. Doch wenige Schritte später lag gähnende Ruhe übern Korridor, zeitgleich sprach mich der angefordert e Sicherheitstrupp an, ich bin vor Schreck fast aus den Stiefeln gekippt. … Sie boten mir erneut ihre Unterstützung an. Ich willigte ein.

Kurioserweise traten die Phänomene der dritten Art nicht mehr auf. Das stimmte bis Vorgestern, da erlebte ich den Oberhammer der Kuriositäten. Am frühen Abend saß ich im Quartier am Schreibtisch und schrieb wieder im persönlichen Bordtagebuch. Das knarren vom Bürosessel machte mich nervös, und als ich dann auch noch fortwährend die Höhe korrigieren musste, reichte es mir. Ich schob das Ding beiseite und sah nach, woran es liegt. Die Feststellschraube am Hebel war locker. Einen Schraubendreher hatte ich hier nicht, aber im Werkzeugkasten auf der Brücke. Angesichts der Lappalie verzichtete ich auf eine Begleitung. – …

Auf der Brücke dachte ich, im Angesicht des von schräg unten zu mir hochschießenden gleißenden Lichts, jetzt drehst du vollkommen am Rad. Aber der Reihe nach.

Unten auf der Hauptbrücke, auf halber Höhe zum Bereitschaftsraum, verschwand urplötzlich die Einrichtung. Es ging so schnell, als wenn man einen Schalter umlegt. Zwei Meter vor mir schoss ein zischendes Geräusch vom Deckboden zur Decke, es hinterließ eine milchige Substanz. Dahinter tippelten Schuhsohlen, und schemenhafte Umrisse von dutzenden Personen liefen umher. Ich blieb stehen und beobachtete das emsige Treiben. In Nullkommanix bauten sie Tische und Stühle auf und das Buffet füllte sich.

Abermals zischte es vor mir. Nach gefühlten zehn Minuten kamen in den festlich beleuchteten Raum andere Personen, ihre Umrisse sahen auch wie hinter milchigem Glas aus. Der Wissensdurst ließ mich auf die zischende Stelle zulaufen. Mein Hausschuh stieß gegen einen leichten Widerstand, aber er passierte ungehindert die undefinierbare Barrikade. Ich huschte hindurch. Das leckere Buffet stand vor mir. Es roch köstlich. Ich nahm einen Teller und mit einem Male drehte sich alles um mich, … und als die Gegenstände zum Stehen kamen, saß ich im Captains Sessel in der Mitte. – Ich fragte mich: »Bin ich eingenickt? Anscheinend Ja. Wirklich? Oder wurde ich betäubt?«

Gedankenversunken lief ich hinauf zum Lift. Ein Deck später fiel mir ein, warum ich in den Bereitschaftsraum wollte. Also noch einmal zurück. Diesmal überflutete Tanzmusik die stark verkleinerte leere Brücke. Im Eiltempo holte ich den Schraubendreher. … Auf den Weg zum Lift streifte mich derselbe leckere Duft wie zuvor. Ich hielt den Atem an und hechtete in den Lift. Beim Aussteigen auf meinem Deck begegnete ich meinen Freund Doc Pieter. Der Schreck lag über mir, ich brachte keinen Ton über die Lippen.

Pieter begleitete mich vorsichtshalber ins Quartier.

Nach zwei vierfachen hochprozentigen Drinks hatte ich endlich den Schneid über all das vorgefallene zu berichten. »... Es taucht alles genauso überraschend auf wie das Phantom von Loch Ness. Bloß hier sind es viele.«

An dieser Stelle fiel Delune eine andere Begebenheit ein. Er hatte zum wiederholten Male fremde Personen gesehen. Anfangs glaubte er, dass ihm Zugänge entgangen sind.

Der erste Offizier Arun Potts verneinte es. Sein aufgelegter aalglatter Gesichtsausdruck wirkte für Delune's Verständnis wie eine Maske. Sie verbarg, so dachte er, eine spöttische und verachtende Fratze. Delune nahm es, wie alles Unheimliche auf dem Geisterschiff, als gegeben hin. Allerdings zwei andere ungewöhnliche Dinge, über die er ständig stolperte, beschäftigten ihn: »Warum sind so viele Schotten an Bord. Die vulkanischen spitzen Ohren sind demnach eindeutig in der Minderheit. Zweitens: Worin besteht das Geheimnis der schottischen Crew? Dass Schotten die besten Maschinisten sind, ist allgemein bekannt. Dennoch erklärt es nicht, warum so viele an Bord sind. Aber Schottland ä – das freie Nord Preton ist für die U P C feindliches Gebiet?«

Zu den Fragen öffnete Delune im PAD die virtuelle Crew Liste. Sie enthielt 194 Namen. Bei einem Viertel der Crew, er nahm an: es sind überlebende von Vulkan, klebte ein "Mc oder Macc" vorm Nachnamen.

Unwillkürlich dachte er an den widerwärtigen MacMinn. »Der ist kein Maschinist, sondern Heiler«, zischte Delune. Reflexhaft faste er an den Nacken, die kurz geschnittenen Härchen hatten sich aufgerichtet. »Minn's Umgang mit der gälischen Sprache und wie er die Dialekte benutzt, lassen keinen Zweifel aufkommen, dass der ein waschechter Schotte ist. Bei ihm bedeutet Mac – tatsächlich Sohn von irgendwem. Bei den anderen Crewman muss das Macc ein Hinweis auf einen akademischen Titel sein. Es könnte, wie auf der Erde für Ingenieur, Doktor oder Professor stehen.

Bleibt noch die Hauptsprache an Bord, das alt Sumer. Es war mir bis vorm Arbeitsvertrag unbekannt. Minn sprich die komplizierte Sprache völlig akzentfrei. –

Vergleicht man alt Sumer mit den gängigsten Dialekten der U P C Standardsprache – Sumer – so gibt es keine Übereinstimmungen. Nehmen wir zum Beispiel das Wort: Arzt. Hier sagt man: Heiler. Das Wort dafür ist in den erwähnten U P C Sprachen: Ducun. Es wird mit Dc abgekürzt.« Am Gedankenende rieb sich Delune nachdenklich übers Gesicht. »Bevor ich die Sache weiter verfolge, muss ich den unauffindbaren Planeten Advenu finden. Wie es aussieht, komme ich ohne Minn's Hilfe kein Stück weiter. –«

Allein die Vorstellung, der aufgeblasene Dudelsack schleicht hier herum, ließ Wut in ihm aufsteigen. Kopfschüttelnd brachte er den Unwillen zum Ausdruck.

»… Soweit kommt es noch das ich, vor dem Schönling auf die Knie falle, bloß damit er die Koordinaten von dem Planeten herausrückt. … Nein! Nie und nimmer bitte ich den Freizeit-Captain um Hilfe. Ich finde Advenu!«, es klang entschlossen. »Obwohl einen Versuch ist es wert.« Am Satzende griente er hinterhältig. »Versagt der Pfefferkopf, kann ich ihn ja lautstark von der Brücke werfen. Und wenn er das Rätsel löst, bin ich das zeitraubende Problem los. Andererseits schaffe ich es allein, kann ich beim Eigner punkten.«

Während Delune den letzten Satz sprach, suchte er in den Citraa Datenbanken nochmals den Planeten Advenu. Bevor er darin abtauchte, boxte er mit einer zur Faust geballten Hand in die andere. Dabei sprach er zu sich: »Sire Eigner!, ich naives Greenhorn lasse mich nicht kleinkriegen. Und ich beweise Ihnen, dass ich fähig bin, das verseuchte Gebiet ohne Personenverluste zu durchqueren. Für die unauffindbare Lieferadresse habe ich auch eine Lösung. Hierfür bastele ich einen Planeten aus Pappmaschee. Anschließend hängen wir den mitten ins verseuchte Gebiet. Wir warten eine Stunde. Und wenn niemand die dringende Fracht abholt, wovon ich ausgehe, schießen wir zum Anwesenheitsalibi ein Bild. Danach heften wir den Depotschein für die Abholung an den Pappmaschee Planeten. Im Trockendock fertigen wir ein Gruppenbild an, es beweist, wir sind vollständig mit Mann und Maus in der Festung angekommen.«

Mit den Gedanken auf der Zunge wandte er sich kampfentschlossen den Kartenwerken zu. Die Unmengen ließen ihn stöhnen. »Wir liefern pünktlich!«, donnerte es genervt über seine Lippen.

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Delune war der erfolglosen Suche müde. Wutentbrannt fläzte er sich mit Hummeln unterm Hintern auf den Sessel am Schreibtisch. Er wühlte aufgebracht in den Haaren herum, die Stirn legte sich in Falten und der grimmige Blick wanderte über die vor ihm liegenden PAD‘s, an dem links von ihm liegenden mit der zweiten Eigner Order hielt er an.

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... Für den Auftrag erhalten sie Unterstützung von Captain Lennard Minn, er besitzt die notwendigen Berechtigungsziffern.

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Damit verlangte der Boss, dass er seinen Chefsessel den rothaarigen Tölpel Minn überlassen muss. Und das, obwohl sie sich seit ihrer ersten Begegnung nicht ausstehen können. Delune's Mimik kochte vor Wut. Missmutig schob er das PAD beiseite.

»Wieso hat nur Minn den Berechtigungscode für diese dringenden Aufträge?« Unweigerlich schipperten seine Gedanken an den Tag zurück, als er den Arbeitsvertrag als Captain der Visitor unterzeichnete. Das war am 14. Februar 2261. Um 20 Uhr 15 setzte Delune die Füße auf den Landungssteg vom Zubringer Shuttle, er war vom Selbstzweifel und von einer Flasche hochprozentigen Whisky durchdrängt. Seine entgeisterten Augen fixierten eine neben dem Zubringer stehende Bautafel. In fetten Buchstaben stand dort:

Hier entsteht das große Notfall Hangar Deck.

Was bereits fertiggestellt war, verbarg sich hinter undurchsichtigen Staubwolken und Baulärm.

»Na Super!«, zischte er vergnatzt.

In seinem Dusel hatte er an Bord des Zubringer Shuttles den falschen Ausgang genommen. Wodurch er nun anstatt im Ankunftsbereich der realen Abteilungen im zukünftigen Notfall Hangar Deck 9 stand.

Mit vielen hatte er gerechnet, bloß nicht mit einer Großbaustelle auf einem unfertigen gigantischen Handelsraumschiff, auf irgendeinen lebensfeindlichen Planeten. Und alles um ihn herum bestand anscheinend nur aus undurchsichtigem staubigem Lärm. Zwei Schritte später wollte er eigentlich sofort umkehren, allein die enorme monatliche Heuer war der Grund; warum er es nicht tat, und stattdessen hier im Halbdunkeln über die Baustelle stolperte. Mit sich und seinem Rausch beschäftigt nahm er alles wie hinter einem dicht gewirkten Vorhang wahr. –

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Zur selben Zeit begab sich der korpulente und 1,85 m große Heiler Lennard Minn im Schutz vom dichten Staub zum Crewlift. Er hatte wiedermal die Tücken der U P C Technik zu spüren bekommen. Daraufhin hatte er sich nach Dienstschluss, im 3-Personen-Shuttle seines Freundes Sorel Gwen, mit einer hochprozentigen Flasche Whisky verabredet. Die Literflasche war, wie schon etliche Male zuvor, sehr spendabel. Die Zeit glitt aus den Händen. … Eine dreiviertel Flasche später ging das Wecksignal seiner antiken Armbanduhr los.

»O–ha!, so–o spät scho–on. Das gibt Ärger. Mein liebes Eheweibchen ist bereits im Quartier«, zwitscherte er der Flasche zu.

Seinem Eheweib Cara hatte er erzählt: »Zusammen mit den Sicherheitsleuten muss ich auf den Baustellen an einem Kontrollgang teilnehmen, hinterher gibt es einen Umtrunk.«

So gesehen hatte er nicht allzu viel geflunkert. Wenngleich er ziemlich angetüdelt daherkam, aber er befand sich auch inmitten einer der zahlreichen Baustellen.

Unzählige Hindernisse machten es den torkelnden Füßen nicht gerade leicht. Nach einem Stolperer sprach er zu sich: »Großer!«, er tätschelte sich ermahnend auf die Schulter, »damit unser Stelldichein nicht auffliegt, musst du dich ohne Verletzung zum Crewlift durchschlagen.« –

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Delune's aufgescheuchter, ständig nach Gefahren suchender Blick war konstant nach oben gerichtet.

Der vom herantorkelnden Minn gleichsam. Seine Füße stolperten über was, synchron rutschten sie in einer schmierigen Flüssigkeit aus. Im rasanten Tempo verloren sie die Orientierung und donnerten an den, mit sich selbst diskutierenden und entgeistert dreinblickenden Delune. Minn kam zum Stehen, aber Delune das Fliegengewicht sprengte es seitlich weg. Er drohte, wenn er sich nicht an was festhalten konnte, mit Schmagus über diverses Baumaterial zu segeln. Instinktiv suchte er halt am kräftig gebauten von Wind und Wetter geprägten Prachtgatten Minn. Doch der war wegen seiner hochprozentigen Bekanntschaft alles andere als standfest. Wie zwei aufgeplatzte Zementsäcke stürzten sie zu Boden. –

Minn schüttelte den Staub aus seiner schulterlangen kupferroten Lockenmähne, die Blessuren strafte er mit Verachtung.

Hingegen Delune jammerte kläglich. Er hatte einige, erst noch in den nächsten Stunden vollständig erblühende, mittelgroße Prellungen an den strammen Oberschenkeln und den Gesäßbacken.

»Sie Hungerrippe sind ja schlimmer wie eine alte, eingerostete Jungfer in der Hochzeitsnacht«, zwitscherte Minn vergnügt.

Delune fand es nicht witzig. … Ein Satzhieb provozierte den nächsten … Nicht einmal die Sicherheitsleute vermochten die Wortgefechte zu stoppen! In den Kehlen zog erst Ruhe ein, als der eine in den vorderen Arrestzellen Trakt Quartier bezog und der andere in den dahinterliegenden.

*

Und jetzt am 24. November 2262 sollen die zwei Vokalraufbolde gemeinsam ein dringendes Frachtproblem lösen?! –

›Das wird nie was?‹, spekuliert die Notbesatzung, sie stehen mit den Swa im Wettfieber. Ihre Wetteinsätze sind purer Luxus: vier zusammenhängende dienstfreie Tage. –

Welche Zocker momentan die besseren Chancen haben, könnten sie vom beobachtenden Team (zwei Offiziere und vier Geistheiler) im Sicherheitskontrollraum erfahren, aber sie hüllen sich in Schweigen. Es bleibt spannend und die Gerüchteküche ist am Kochen. –

* *

Die Stimmung im Sicherheitskontrollraum war angespannt, alle Augen fokussierten das von den winzigen I P S – fliegende Bildsensoren übertragene. Jede Geste, jedes Wort oder emotionale Regung von Captain Delune und Captain Minn, werteten die Geistheiler aus. Parallel dazu bezogen sie Augenzeugenberichte mit ein: ›… Ihre Wortgefechte bringt die Luft zum Kochen. Kanalratte oder aufgeplatzter Dudelsack sind die harmlosesten der liebkosenden Begriffe.‹

Die Augenzeugen vermuten hinter der Wortschlacht mehr als nur eine unglückliche Verkettung von Ereignissen. Sie sehen darin vielmehr: Machtkämpfe zweier unreifer Teenager vom gleichen Schlag. Andere sehen darin einen Ausbruchsversuch aus dem langweiligen Bordalltag im beruhigten Bereich.

Aber alle waren sich einig: Fakt ist, so kann es mit den Streithähnen nicht weitergehen. –

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Die Geistheiler sahen es auch so. Zusammen mit dem Sicherheitsteam feilten sie im Vorfeld an einer Abhilfe. Jetzt war es soweit: Delune hatte den ersten großen Handelsauftrag erhalten. Der Haken an der Sache ist: ohne Captain Minn's Hilfe kann Delune nichts Ausliefern. Aber noch sträubt sich Delune …

* *

Um 7 Uhr 8 flog die Tür vom Bereitschaftsraum auf und Delune stürmte in die angrenzende Teeküche, seine Wut bekam der Wasserkocher ab, es rumpelte und schepperte gewaltig.

Der nach Arun aussehende erhob sich vom Sessel und schlenderte zur Teeküche. Am Eingang blieb er stehen, Vorsichtshalber klopfte er am Türrahmen.

Delune warf dem Ersten einen finsteren Blick zu.

»Reicht das Wasser noch für einen zweiten Aufguss?« Arun trat zum Captain heran.

»Ja«, knurrte es. Eine Tasse wanderte zu Arun.

»Kann ich Ihren Teebeutel haben?« – Ein verdatterter Blick traf Arun.

Der sabbernde Teebeutel flutschte ins heiße Wasser.

»Danke.«

Delune's Fokus schwenkte vom zweiten Aufguss zu Arun. Dass Mister "Unnahbar" über den Schatten springt und sogar einen benutzten Teebeutel weiter verwertet, damit rechnete Delune niemals. Der Vorgang legte in seinem Kopf einen gedanklichen Schalter um, und urplötzlich war die "Verfahrene Kiste", also das mit dem Planeten Advenu, keine unlösbare Aufgabe mehr.

»Danke!, für den Ratschlag.«

Er schnappte sich seine Tasse und stürmte zurück in den Bereitschaftsraum. –

(In Gedanken machte der "echte" Arun einen Luftsprung, er hatte alles mitverfolgt.)

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»Citraa!, mit Captain Minn verbinden«, raunzte Delune.

»Der gewünschte Gesprächspartner ist gleich für Sie da«, säuselte der Citraa.

»Wer stört?«, flüsterte Minn.

»Captain Minn ich brauche sie sofort auf der Brücke«, forderte er im holprigen alt Sumer, der Standard Bord Sprache.

Anstatt der Stimme vom Rivalen drang schauderhaftes Hirn auspressendes Keuchen ans Gehör.

Im Hintergrund spornte Minn ein schnaufendes Weib an: »Ja so ist es gut Mam'am. ...«

Ein steinerweichender Schrei. … Schweres keuchen. … Pustende Atemgeräusche gaben den Rhythmus vor. … Das zischende Keuchen passte sich an.

»Nach der Wehe setze ich neue Schmerzblockaden.« Mitgefühl lag in Minn's Stimme.

… Pustende Atemgeräusche. … »Gut so! … Weiter so. … Prima!, wie Sie das machen!«

Abgekämpftes Schnaufen.

»Tief Luft holen und dann drehen Sie sich auf die Seite.« Stille für die nächsten Atemzüge.

»Pieter übernimmst du bitte das Gespräch.« – Gleichlaufend zuckte Delune erschrocken zusammen. –

Für einige Sekunden drängte sich gedämpftes quietschen von Schuhsohlen in den Vordergrund.

»Doktor Pieter McSpleen hier. … was wollen Sie von Heiler MaccMinn?«, er hörte sich angespannt an. »Einen Moment! …«, zu dem Moment, schaute McSpleen auf die Wehenkurve. Ihm blieben bis zur nächsten Wehe vier Minuten. Gemächlichen Schrittes verließ er die Geburtszelle.

»So jetzt können wir reden, aber fassen Sie sich kurz, ich muss vor der nächsten Wehe wieder bei der Gebärenden sein.«

Delune räusperte sich. »Doktor!, ich brauche MaccMinn sofort als Captain auf der Brücke.«

Die Forderung entlockte McSpleen ein gekünsteltes Lachen. Gleichlaufend stoppte das gedämpfte Quietschen. Er stand vorm Getränkeautomaten, der steht an der Wand zwischen zwei Geburtszellen. Der Getränke Wunsch folgte.

»Negativ Captain. Der Maccister entbindet eine echte Gebärende«, klappernde Glasflaschen übertönten McSpleen's Antwort. Es plätscherte. »In frühestens dreißig Minuten kann er bei ihnen auf der Brücke sein.«

»Haben Sie mich nicht verstanden«, Delune sprang vom Sessel auf, »Ich brauche ihn sofort. Das ist ein Befehl«, schrie er ins Nichts.

McSpleen entnahm geräuschvoll die zwei Mineralwasser Flaschen. »Zuerst kommen das zarte Leben und die Mutter dran«, er sprach es im behäbigen Tempo, »Sobald die beiden versorgt sind, geht der Maccister duschen. Einen Happen essen will er sicher auch. Dann kommen Sie dran.«

Das Sprechtempo brachte Delune zur Weißglut. »Das ist Befehlsverweigerung Doktor!«

Der gereizte Tonfall entlockte McSpleen ein Glucksen. »Wir sind dem Leben verpflichtet, alles andere kann warten. Ende!«

* * *

BEYOND – Eine andere Wirklichkeit

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