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KAPITEL 9

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Visitor alpha U P.

Separater Bereich.

Oberbrücke.

Unterdessen die Assertor übern Peshk-Gwen-Anwesen zur Landung ansetzte, traf Sorels Lift auf der Oberbrücke ein.

Träge ruckelnd und markerschütternd quietschend fuhr die Tür vom Lift auf. Weil Sorel wusste, daran hatte das Greenhorn Captain Matise Delune schuld, wartete er geduldig, bis der Spalt breit genug war zum hindurchschlüpfen.

Insgeheim befürwortete er das mutige Vorgehen vom Captain.

Die Begebenheit ereignete sich erst kürzlich bei Delune's Nachtdienst. Die Brückencrew war zur Mitternachtsgabe in der Messe und er hatte Brücken Wache. Aus dem Nichts heraus erschienen vier aggressive humanoide Wesen auf der Oberbrücke. Die düsteren sowie fettwampigen Raufbolde tauchten häufig auf und stänkerten herum. Er vermutete, es ist wieder nur eine lausige Übung. Solche, vom ersten Sicherheitsoffizier Arun Potts inszenierte Spielchen war Delune überdrüssig. Ebenso wenig hatte er Bock, tatenlos, auf die gerufenen Sicherheitsleute zuwarten. Also gab er den Drang nach und legte selber Hand an. Das zu tun war ein Befreiungsschlag für sein gelangweiltes Ego. Und noch bevor die Sicherheitsleute auf der Brücke standen, hatte er die wabbeligen Eindringlinge überwältigt sowie einem nach dem anderen gegen die Lifttür geschmettert.

Die Eindringlinge sind seither nicht mehr aufgetaucht. Jedoch das ohrenbetäubende Quietschen und Rumpeln der Lifttür beehrte die Brückencrew bei jedem Lift. –

Sobald der Lift mit Sorel ankam, ging ein genervtes Raunen durch die Reihen der Ober- und Unterbrücke. (Letztgenannte war die Hauptbrücke.)

Damit er auf den hinabführenden Steg gelangt, muss er an den Arbeitsplätzen der Kadetten vorbei. Ihr Ausbilder ist Sorel, sie sagen zu ihm Boss.

Seine Kadis, wie er sie nannte, standen erwartungsvoll neben den Terminals. Anstatt den Boss zu begrüßen, entstieg ihren Kehlen als seine pon lee Wolke ihre Nasen streifte ein anerkennender Laut.

Sorel zwinkerte ihnen zu und durch Handzeichen gab er zu verstehen, sie sollen schweigen. So wie immer, wenn er etwas von ihnen verlangt, kamen sie umgehend seinen befehlenden Gesten nach. Wenngleich ihre fragenden Gesichter vermuteten: ›Mit seinem Rausch hat er was voll Fettes vor!?

Ihr Vorgefühl nährte Sorel noch zusätzlich, indem er am Ende der Reihe innehielt. Genüsslich schniefend führte er den linken Overallärmel an die Nase. Völlig versunken gönnte er sich einige kräftige Schlucke ihres himmlischen pon le. Auf die berauschende Wirkung wartend, verharrte er. Es brauchte nur drei Atemzüge und sein Ego sprang erneut darauf an. Heftiger als erwartet begehrte es ihm nach Sophie. Jedoch sein Wille, alles zu tun, dass er jetzt nicht noch einmal Dienst schieben muss, war stärker als die Genuss-Sucht. Er schmunzelte verwegen.

»Ich werde mein Bestes geben«, raunte er sich zu. –

Schwankenden Schrittes lief er auf den Steg zu, der hinunter zur Hauptbrücke führt. Die Kadetten verschlungen geradezu Sorels berauschten Ausfallschritte.

»Es sieht täuschend echt aus«, raunten sie den Boss zu.

Taumelnd – einem Trunkenbold gleich – lief er stolpernd und mit unsicheren Schritten übern geländerlosen und leicht geschwungenen Steg. Etliche der schwankenden und holprigen Schritte führten gefährlich nah "Am Abgrund" vorbei.

Die erschrockenen Kadetten gaben jedes Mal angsterfüllte Kommentare ab.

Ihre aufgebrachten Stimmen lockten den diensthabenden Captain – Matise Delune aus der Teeküche. Neugierig, was die Kadetten an den Terminals zur Hyperraum-Überwachung in Aufregung versetzte, schlenderte er weiter zur Mitte und spähte nach oben. Er konnte nicht glauben, wem er, in welchem erbärmlichen Zustand dort sah. Sein zweiter Offizier Sorel Gwen zeigte zwar seit einigen Tagen einem etwas unsortierten Zustand, und das hier!; war offensichtlich das Ergebnis.

Sorel hatte Delune's Gedanken belauscht. »Angebissen«, jubelte er sich zu.

Überschwänglich vor Schadenfreude wollte Sorel noch einen draufsetzen. Dazu machte er in der hintersten Reihe, vorm erstbesten Citraa Terminal einen zur Orientierung dienenden Halt. Dass er dabei von der Crew belustigt beobachtet wurde, spornte ihm noch mehr an. Und nachdem er sich unauffällig vergewissert hatte, dass auch die vordersten Plätze zu ihm schauten, nahm er Anlauf um sich von einem Terminalplatz zum nächsten zu hangeln. … Sorel forderte auf mentalen Weg, das sie entsetzt darauf reagieren sollen. Das war für sie, so wie es seinen Füßen Mühe bereitete die Orientierung zu behalten, eine echte Herausforderung.

Delune verfolgte das Torkeln mit Kopfschütteln. Damit er herausfindet, ob Alkohol oder Aufputschmittel dahinter stecken, schnellte er schnurstracks auf den Zweiten zu.

Die Bewegungen waren für Sorels beduselten Augen zu schnell, ihm schwanden die Sinne.

Delune fing den Zweiten ab und bugsierte ihm auf den Sessel zu seiner linken Seite. »Hey! Hey! Langsam Mister Gwen.«

Sorel hörte es wie aus unendlicher Ferne. »Danke Sir.« Der Schreck steckte nicht bloß in seiner Mimik, was nicht nur an den wachrüttelnden Worten vom Captain lag, sondern: Er hörte ein brausendes Geräusch, es schien immer schneller und lauter zu werden. Lauschend führte er einen Zeigefinger zum Mund. Seinen spitzen Ohren sah man deutlich an, dass sie etwas orteten, was anderen verborgen blieb. Mit Leichtigkeit gelang es ihm, den Ausgangspunkt zu bestimmen. Es entsprang, so vermutete er, dem einengenden Gefühl.

Das hauchzarte Gespinst entging seinen Augen. Es hatte ihm inzwischen schon bis zur Herzgegend eingesponnen. Das damit einhergehende rauschen deutete er als: Das gaukelt mir mein pon le benebelter Geist bloß vor!?

Zu sich sprach er: »Sollte das Geräusch nicht vorhanden sein, ist es für Delune ein weiterer Beweis, dass der Zweite nicht nüchtern zum Dienst kam.«

Mit fast unverständlichem Zungenschlag fragte Sorel: »Matise! Hören Sie es. Ja?!«

Delune sprang zu ihm heran, und noch bevor er am Zweiten schnuppern konnte, fing der zu lachen an. Wobei es nach einem durchgeknallten Irren klang. Erschrocken, von seinem Possenspiel Talent, sprang Sorel auf. Delune drückte ihn energisch zurück ins Polster. »Sie sind ja bis zu Obergrenze zugedröhnt.«

»B–in sauber«, konterte Sorel mit schwerer Zunge.

Delune sah den Zweiten streng ins Gesicht. Die stark geweideten, unruhigen Pupillen sagten klipp und klar: Du lügst. Seine Empörung brachte ein derber Griff an Sorels Schulter zum Ausdruck. »Was haben Sie sich eingeworfen«, fauchte er.

Als Antwort fuchtelte Sorel unkontrolliert zunächst mit den Händen. »N–nichts!«, nuschelte er dazu.

Delune schüttelte im Angesicht dieser Lüge unverständlich mit dem Kopf. »Das musste bei den langweiligen Jobs über kurz oder lang passieren, dass sich die Crew, aus Frustration was rein wirft.«

»Nein«, flüsterte Sorel.

Delune sah ihn grimmig an. »Oh doch!«

Ein empörter Blick traf den Captain, mehr konnte Sorel im Moment nicht gegen die ungeheuerliche Anschuldigung machen. In Gedanken sprach er: »Wenn ich jetzt etwas erwidere, könnte es sein, dass er mich in die Arrestzelle verfrachtet. Und das wäre nicht gut, weil dieser Cybord Klon Stella noch irgendwo an Bord ist. Sie, die offiziell noch meine Gefährtin ist, gestattet man ohne weiteres einen Besuch in der Zelle. Und sobald sie meinen pon le wahrnimmt, beginnt ihre Jagd. Der Wachmann ist das erste Opfer, danach ich und letztendlich Sophie.«

Seine finstere Fantasie zeigte ihm aufs Abscheulichste, wie sie dabei vorgehen wird. Ein Meer von siedendem Angstschweiß sprudelte unablässig aus den ohnehin schon sensiblen Poren. Merkwürdigerweise fühlte es sich auf der Hautoberfläche so an, als ob es sofort gefriert. Zudem brannte es unter dem gefühlten Eispanzer fürchterlich. Instinktiv wollte er den Dienstoverall abstreifen, jedoch der Reißverschluss verklemmte im Stoff. Die unruhigen Hände, über denen lag eine Art silbriger Schimmer, zerrten impulsiv am Zipper.

Solch Hautbelag war Delune nicht unbekannt, alle gängigen U P C Drogen kennzeichneten so den Junkie.

In Gedanken fragte er sich: »Wieso schmeißt er sich was rein, und leugnet es.«

Delune mochte seinen Zweiten. Ja mehr noch, es bestand eine Männerfreundschaft zwischen Captain Matise Delune und dem Halbblut Sorel Gwen. Und das widersprach dem, was man Delune an der U P C Akademie eingetrichtert hatte: Mischlinge sind minderwertig.

Er hatte sich geschworen: Unter meinem Kommando wird es niemals solch Diskriminierung geben. – Und daran hielt er sich. –

Unvermittelt blickte Delune den zweiten Offizier scharf an. »Ich sehe doch, was mit Ihnen los ist! Aus jeder Pore schwemmte es doch das U P C Dreckszeug. Wieso leugnen Sie es?«

Sorel schwieg sich aus. Dachte Delune, aber weit gefehlt. Seine Gedanken weilten bloß nicht mehr auf der Brücke. Er hatte in den letzten Minuten unentwegt die Nase in die süchtig machenden Overallärmel getaucht. Sophies köstlicher Duft, so kam es ihm vor, linderte sowohl das siedende als auch das gefrierende Gefühl. Jedoch Delune's Worte rauschten unverständlich an im vorbei. »Sir, wie meinen ...?«

Delune trat dicht an Sorel heran. »Ab ins Quartier, und sobald Ihr Rausch verflogen ist, sind Sie wieder hier.«

Diese Aufforderung war nicht das, was Sorel brauchte. Für ihn war nur ein "Dienstuntauglich" akzeptabel. Folglich legte er noch einen Zahn zu. Hierzu gönnte er sich nochmals einen kräftigen Schluck aus dem Overallärmel.

»Nach – Dienst – gern«, es klang abgehackt, weil es immer wieder von tiefen Atemzügen unterbrochen wurde.

Delune kam das Einsaugen wie die Beute Witterung eines wilden Tieres vor. Der Gedanke wurde von Sorels Geste untermauert, er versenkte die Nase tief im Ärmelstoff. – So sah es für Delune aus.

Mit Freude registrierte Sorel, dass seine Schnief-Orgie aufmerksam vom Brückenteam beobachtet wurde, und dass der Captain fast nicht mehr innehalten konnte.

In seinem Geist vernahm Sorel ein leises ›Hmh–hah‹, es glich einem heißeren Lachen –, ihm kam es wie Applaus vor. Beflissen spielte er sein Possenspiel weiter, er nahm dazu einen tiefen Atemzug aus dem Ärmel. Wobei er diesmal wirklich den daraus ausströmenden pon le inhalierte. Im nächsten Moment spürte er, wie die berauschende Wirkung einsetzte. Volltrunken taumelte er. Halt bietende Hände griffen zu. Über diese unverhoffte Berührung erschrak Sorel, er wollte fliehen, seine unbeholfenen Füße gerieten ins straucheln. Nur gut das ihm bereits Hände festhielten, sonst wäre er zu Boden gegangen. Dankbar sah er hinab ins Gesicht eines Grauhaarigen, er kannte ihn nicht.

Von Sorels verdattertem Gesicht unbeeindruckt, sprach der grauhaarige mit väterlichem Tonfall in alt Sumer: »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, dass der Captain recht hat.«

Sorel sah den "väterlichen Freund" an. Mechanisch schwebte sein rechter Arm dicht an die Nase, laut schniefend zog er nochmals ihren darin enthaltenen köstlichen pon le begierig ein.

»Es ist wie eine Droge, ich komme nicht mehr davon los«, flüsterte er.

Der Grauhaarige nickte zustimmend. Mild lächelnd säuselte er: »Sie ist himmlisch diese Droge, namens reifes Weib«, Wortlos ergänzte er, »Weiter so, es fehlt nur ein Quäntchen und Delune schmeißt dich von der Brücke, im Voraus viel Spaß.«

Zu mehr als einem zustimmenden nicken blieb Sorel keine Zeit, denn sein Wesen versank in Sophies berauschenden Duft.

Delune trat zu beiden heran. Ohne ein Wort zu verlieren, griff er derb nach Sorels Arme und zehrte ihn gewaltsam von seinesgleichen weg.

»Mister Gwen, weil ich nicht weiß, was sie sich reingeschmissen haben«, schrie er mit überhitzter Stimme, »verhänge ich über sie mit sofortiger Wirkung: ein dienstuntauglich. Runter von der Brücke. Melden sie sich in der Krankenstation.«

In Sorel jubelte es: »Ziel erreicht!«

Gleichlaufend verfasste Delune einen Brücken Bordbuch Eintrag, der erschien umgehend auf Captain Minn's virtuellen Display. Minn jubelte gleichermaßen.

Sorel rollte den Sessel zurück und wollte aufstehen, aber seine durchtrainierten Beine verweigerten den Dienst. Das hatte er noch nie erlebt, wenn er nüchtern war. Fassungslosigkeit lag in seinem Gesicht.

Delune dachte: Sorel verweigert den Befehl, er zehrte ihm rapid am Arm. »Runter von der Brücke!« Zu den Worten sah er den Zweiten besorgt an. So wie der jetzt vor ihm saß, war er total abgebrannt und mit irgendeinem Dreckszeug zugedröhnt.

Schweißgebadet, ein heftiger Fieberschub breitete sich gerade in Sorel aus. Mithilfe vom Grauhaarigen erhob sich Sorel vom Sessel. Bevor er den ersten Schritt Richtung Steg machen konnte, hielt ihn Delune am Ärmel fest.

»Ich begleite Sie zur Krankenstation.«

»Nein danke Sir«, grummelte es zurück. Um Haltung bedacht, setzte er matt und holprig einem Fuß vor den anderen.

Delune verfolgte jeden Schritt, ein Signal von seinem Kommunikationsterminal lenkte ihn für Sekunden ab.

Sorel hatte inzwischen zwei Terminals hinter sich gelassen. Urplötzlich hielt er inne, seine Pupillen waren stark erweitert, ihm war schwindelig, und seine Beine verloren die Orientierung. Seine Hände suchten einen Haltepunkt. Vor ihm war ein Terminal. Die tapsigen Finger fanden die Kante der kühlen Metalltischplatte, sie krallten daran. Im selben Moment schwand die Kraft aus seinen Beinen.

Delune sprintete zu ihm. – Es gelang ihm gerade noch so, Sorel vorm zusammensacken abzufangen. Mit Besorgnis stellte er fest: Die Gesichtshautfarbe vom Zweiten veränderte sich in den letzten Sekunden bedrohlich, seine zart olivfarbene Haut schimmert jetzt bedrohlich neblig weiß. Halsadern und Schläfen pulsierten heftig. Das beunruhigte Delune zusätzlich. »Ich begleite sie.«

»Danke nein!«, zischte Sorel matt durch die Zähne. Und entgegen seinen Befürchtungen gelang es ihm, tatsächlich weiter zulaufen. … Doch mit einem Mal, er war schon am unteren Steg angekommen, schien vor seinen Füßen ein unsichtbares Seil gespannt zu sein. Mit einem wuchtigen rums schlug er, wie ein morscher Baumstamm im Sturm, der Länge nach hin.

Delune war zuerst bei Sorel. Er beugte sich zu ihm hinunter. Sorels Haut glühte dunkelgrau–grün.

»Notfallstation! Wir haben hier einen Zusammenbruch.« Währenddessen er sprach, tätschelte er Sorels Wangen.

Delune's schweißiger Körpergeruch und das herbsüße mit ranziger Minze und Pomeranze übersättigtes Deo kratzten gewaltig in Sorels Kehle. Linderung brachte der Duft im Ärmelstoff. Dass, was um ihn herum geschah, prallte von ihm ab. Er sah alles wie hinter einem rosaroten, lieblich duftenden Schleier. Selbst die junge dynamische Stimme von Doktor Pieter McSpleen hörte sich wie in Watte gepackt an. ›Captain ein diensthabender Heiler ist bereits auf der Brücke. Nehmen Sie bitte den kurzen Dienstweg ...‹ Der restliche Satz entging Sorel, er driftete beinahe in eine Ohnmacht, Delune's unangenehmes riechendes Deo wirkte wie ekliges Riechsalz.

Während Doktor McSpleen sprach, drückte Delune am nächsten Terminalplatz den Interface Verbindungsknopf zum Captains Bereitschaftsraum. »Mister Gwen. Drogen. Zusammenbruch!«

»Bin unterwegs!«, schallte Captain Lennard Minn's besonnene Stimme.

Sein ankommender Blick schweifte suchend über den Fußboden. Zu seiner Beruhigung befand sich nicht, wie sonst üblich, bereits eine Sartor oder einer der Berufskollegen bei dem Patienten. Innerlich jubelte er und in Gedanken sprach er: »Sophie hatte somit auch in diesem Punkt die Wahrheit gesagt, dass die reale Heilercrew mir wieder echte Patienten an vertraut.«

Von seinem Gedanken angesteckt brummte Minn geradezu euphorisch: »Sorel soll Drogen genommen haben, das kann nicht sein!« Zu der Behauptung eilte er zum Patienten.

»Nach Alkohol stinkt er jedenfalls nicht!«, keifte Delune.

Diese Mutmaßung überhörte Minn. Er begutachtete stattdessen das Gesicht seines Patienten, das war glühend heiß.

Als Sorel die sanfte Berührung spürte, hauchte er: »Ponhrir.«

Dieses "Liebste" ließ Minn überlegen lächeln. Delune allerdings erhielt von ihm einen abstrafenden Blick.

»Sie Blindflug, lassen sie was am Geruchssinn machen.«

Bevor Delune zum Gegenschlag ansetzen konnte, gab Minn mit Handzeichen zu verstehen, das er mit anpacken soll.

Gemeinsam schleppten sie den Zweiten an einen der unbesetzten schulterbreiten Terminals.

Sorel saß auf den Fußboden, der Rücken lehnte an einem Terminal Rahmen. Delune saß daneben auf den Sessel, seine Körperhaltung verweilte in einer Lauerstellung und er wetterte über Minn's spitzen Kommentar.

»Sind sie dann endlich still!«, fauchte Minn barsch. Obwohl er genau spürte, das Delune hinter seinem Rücken Grimassen macht, nahm er den Blick nicht von Sorel. Der Schwager hatte die Nase im Overall Ärmel versengt und schniefte genüsslich. Sein leicht geöffneter Mund schmeckte dass, was die Nasenflügel zuvor einatmeten.

Minn schmunzelte und dabei zog er weitere Schlüsse. Die dazugehörigen Bestätigungen fand er in Sorels vor verlangen triefenden Augen.

Zu sich selber sprach Minn: »Oh ha!, mit der hohen Imitat Dosis wollte jemand auf Nummer sicher gehen.«

Sorel hob flüchtig den Blick. »Cybord Jagd«, flüsterte er.

Minn tätschelte seine linke Schulter. »Sobald wir hier fertig sind, gehen wir auf die Jagd!«

Gleichlaufend griff er gewohnheitsgemäß an den Hosenbund, jedoch, an der Stelle, wo sonst sein Mehas – medizinischer Handscanner – eingeklinkt war, befand sich nichts. Wie sollte es auch. Er trug, wie auf der Brücke üblich, einen anschmiegsamen Overall.

»Verdammt!« Ebenda materialisierte neben ihm ein Heiler-Einsatzkoffer. Auf dem ersten Blick war der reichhaltig bestückt, nur ein Mehas fehlte. Verärgert klappte er den Einsatzkoffer zu. Normalerweise zitiert er in so einer Situation einen von der Citraa erzeugten Scanstrahl herbei. Aber hier fruchtet der Befehl mit Bestimmtheit nicht.

Er improvisierte wie sooft in den letzten Monaten. »Delune haben Sie hier einem technischen Handscanner?«

»Einen Tehas? Ja sicher«, zischte Delune gallig.

»Ja und?«, knurrte Minn zurück.

Widerwillig erhob sich Delune vom Sessel – ebenso schlenderte er in den Bereitschaftsraum.

Die Sekunden rasten, Delune blieb verschollen. Minn platzte der Geduldsfaden. Er rappelte sich auf, und als er sich umdrehte, stand Delune mit dem Gerät neben ihm.

»Hier!«, quetschte er zwischen die Zähne hindurch.

Minn riss ihm den Tehas aus den Händen und sogleich stellte er das ultraflache, handflächengroße Gerät auf organische Materie. Als er das bestätigende Signal erhielt, materialisierte auf dem Einsatzkoffer ein echter roter Mehas. Über dem schwebte ein holographischer Schriftzug: ›Entschuldigung!‹

Mürrisch blickend griff Minn das Ding, sein Fokus lag auf einen der an der Decke parkenden I P S. »N–a!? Im Beobachtungswahn das Wichtigste vergessen«, posaunte er in Gälisch, es ist eine der Heimatwelten sprachen.

»Bitte in alt Sumer«, forderte Delune.

Minn verkniff sich einen Kommentar, aber die Rache folgte auf dem Fuß. In geradezu Zeit vergessenden Eifer scannte er den Patienten. Sein Schwager hatte, wie erwartet keine Spur von Drogen oder Alkohol im Blut. Und Mal abgesehen von einigen Bodenstoffen und dem Dopamin Ausstoß, der mehr als erhöht war, ging es Sorel berauschend gut. Mit anderen Worten, er schwebte auf einer dicken pon le Wolke und empfand alles rund um sich rosarot sowie knuffig. Daran würde sich, solange er in seinen Overallärmeln noch Sophies pon le findet, nichts ändern. Damit das so blieb, vergrub er seine Nase tief im Ärmel, und dazu schwenkten seine weiten und tiefgründigen Pupillen abwechselnd zu den zwei Captains.

Minn wiederum belauschte Sorels Gedanken. ›... trotz Anraten meines Heilers, gabst du mir nur wenige Tage Heimaturlaub. Delune dir verpasse ich einen Denkzettel! ...‹

Minn lachte in Gedanken. Ihm gefiel die Idee so gut, dass er die Gelegenheit beim Schopfe packte und dem ewigen Querulanten auf der Stelle einen Schlag vorm Bug versetzt.

»Gwen hat keinerlei Drecks Drogen genommen«, er sagte es so ausdrucksstark, dass augenblicklich alle Anwesenden auf Delune stierten, »Ab sofort ist mein Patient, in den von mir genehmigten zusätzlichen Erholungsurlaub!«

»Ich sagte doch!, ich bin sauber!«, schnaufte Sorel. Er stand dabei mit Minn's Unterstützung auf. Seine Beine waren zwar wacklig, dennoch boten sie Halt. Es entlockte ihm einen überdrehten Freudenschrei und im nächsten Moment huschte ein selbstsicheres Grinsen über seine Mundwinkel.

»Also dann, man sieht sich.« Tapsig und schwankend lief er auf den Steg zu, sein Blick raste dabei über die Terminals Reihen. … Bevor er den ersten Fuß auf den Steg setzte, verharrte er. »Captain Delune steht dein Angebot noch?«

Delune war ihm gefolgt. »Ja klar doch!«, der Stimme hörte man die Erleichterung an, dass er sich zuvor irrte.

~

Währenddessen Delune einen Brückenlift anforderte, lehnte Sorel an der Wand neben der Lifttür. In einem Moment mit klaren Gedanken flüsterte er: »Matise! Hier stimmt was nicht ...«

Delune trat zu ihm heran: »Schon gut. Entschuldige, dass ich dich zu Unrecht als Junkie abstempelte.«

Sorels Blick sauste scheu über die Oberbrücke. »Nein, nein!, das ist es nicht«, es katapultierte heraus. »Matise, wenn wir im Lift sind, musst du«, er hob seinen rechten Arm an, »das vor den Sensor halten.«

Delune sah verwundert auf das Armband. »Hübsch!, wozu ist das?«

»Da–mit wir ...«, eine unbedachte Armbewegung wirbelte eine kräftige Wolke ihres pon le aus dem Overall. Er genehmigte sich einige Schlucke ihres köstlichen Duftes. »In die realen Wirklichkeiten gelangen ...«, er nuschelte es.

Obwohl Delune annahm, der Zweite sprach im Fieberwahn, nickte er und dazu strich er Sorel übern Oberarm.

Den Zweiten entriss es ein heißeres Stöhnen. Reflexhaft klammerte er sich an Delune's Arm. »Ich muss schnellstens in eine echte Gatten Abteilung.«

»Ja natürlich, wohin den sonst.« Gleichlaufend drückte Delune erneut auf den Lift Rufknopf. Wie zuvor blieb seine Anforderung unbeantwortet. Er griff Sorel unter die Arme und bugsierte ihn auf die interne Portierplattform. Sie verweigerte ebenfalls den Dienst.

Delune sind derlei Ausfälle nichts Unbekanntes, mit gelangweilter Mimik kontaktierte er die Techniker.

»Mister Potts hat wiedermal Unruhe stiftende Geister losgelassen«, spöttelte er mit spitzer Zunge.

»Wir kümmern uns!«, es klang wie stets genervt.

Ein ›sofort‹ hätte Delune verwundert.

Er griff Sorel unter die Arme, im langsamen Schritt schlenderten sie zurück.

Unten verfrachtete er Sorel an die Stelle, wo er zuvor saß. Im Anschluss hastete er im Sturmschritt zum Captain Bereitschaftsraum, ihm vorauseilte Sorels pon lee Wolke.

»Sire, die Transporttechnik streikt.«

Minn's sah ihn finster an. »Wo ist Sorel?«

»Alte Position.«

Delune reichte Minn im Vorbeirennen den Einsatzkoffer.

Bereits von weitem musterte er den Patienten, allein die vor Verlangen glühenden Augen genügten, dass er seine Diagnose nannte: »Du siehst echt wie auf kalten Entzug aus!«

Delune bekam es prompt in den falschen Hals: »Also hat er doch was ge ...«

»Quatsch!«, schmiss Minn dazwischen, »Er hat bloß Liebeskummer.«

»Aha!« Delune's Erinnerungen drifteten jählings zur letzten Freundin. – »Die Liebe ist die unsichtbare Gefahr einer anderen Art …« Es hörte sich so an, als hätte er, vor nicht allzu langer Zeit, solche Begegnung gehabt. »… Zuerst bringen sie dich um den Verstand dann lassen sie dich fallen, dass es dir das Herz in der Brust zerfetzt.« Die zischende Stimme verlieh dem Gesagten eine Prise Bitternis –, sein nächster Atemzug fegte sie hinweg. Mit nachdenklicher Mimik beobachtete er die beiden zu seinen Füßen.

Minn wandte sich zum Einsatzkoffer. An der Vorderseite klimperte es metallen und an einer dünnen Metallkette, sie war am Henkel befestigt, baumelte ein ovales Schildchen. Als er den Koffer aufklappte, wurde eine Gravur sichtbar:

Reale Heiler Crew. Lennard MaccMinn.

Aber das, war Nebensache, sein geübter Blick erfasste bereits den Inhalt, in Gedanken wetterte er: »Die testen mich noch immer.«

Seine Verärgerung war durchaus gerechtfertigt, denn die Ampullen bestanden vorwiegend aus Placebos, lediglich vier Ampullen hatten eine für Sorel verwertbare Mixtur. Die mit dem kühlenden und beruhigenden Mittel legte Minn in die Amphisprayhülle.

»Das verschafft dir einen klaren Kopf«, sprach er beim verabreichen.

Einige Sprühstöße genügten und Sorels Lider klappten herunter.

Kopfschüttelnd wandte sich Delune zu Minn. »... Liebeskummer«, in seiner Flüsterstimme lag Zweifel, »Können die überhaupt außerhalb ihres Zyklus irgendwelche Empfindungen haben«, es hörte sich mehr nach einem Selbstgespräch, als eine an Minn gerichtete Frage an.

Anstelle einer Antwort bekam Delune von der Brückencrew schneidende Buhrufe.

Minn's Stimmbänder wiederum kringelten sich vor Lachen, und als Delune's erzürnter Blick ihn streifte, flüsterte er: »Genau wie ihre Spezies, können wir Shumerer Mischlinge es ausleben, wann immer wir dazu Lust verspüren.«

An Minn's Satzende entsprangen Sorels Kehle genüssliche Atemgeräusche.

Er klappte daraufhin den Einsatzkoffer zu, und als er den anhob, sprach er mit gedämpfter Stimme: »Bestens. Er schläft seinen Rausch aus und wir können unserer Arbeit nachgehen.« Zu Delune gewandt fügte er an: »Sie kommen mit mir!«

Hinter diesem Satz vermutete Delune wieder irgendeine Gemeinheit, argwöhnisch blickend folgte er dem Neuen in den Bereitschaftsraum.

Zu Delune's Verwunderung erzählte und zeigte ihm der neue Captain so einiges von seinem Heimatplaneten Advenu und von der Stadt Sinu i. Und Minn – ä – Lennard schlug sogar vor, gemeinsam Sinu i zu besichtigen.

Delune – oh Pardon! – Matise nahm freudig die Einladung an.

Danach schwebten vor und über ihren Köpfen etliche virtuelle Displays mit Straßenkarten von den Städten Sinu i und Dahl brie. Ein Fingerzeig von Lennard genügte und das Abbild von seinem Geburtshaus in der Stadt Dahl brie schwebte vor den beiden. … Weiter ging es mit der Stadt Sinu i. In den verwinkelten Gassen haben unzählige Kunsthandwerker ihre Ateliers.

»Feilsche niemals um den Preis«, Lennard legte das Matise ans Herz, »er ist fair kalkuliert. Und portiere niemals eines der erstandenen Stücke. Bitte stets darum, dass man es dir zustellt. Die Zustellgebühr ist bereits im Kaufpreis eingerechnet. Und du wirst sehen, meist liegt deiner Ware eine weitere Arbeitsprobe bei.«

Matise, der geradezu fasziniert ist von den Shumerer sowie den unbekannten Planeten Advenu, schwor, dass er sich beim Einkaufsbummel daran hält.

* *

Während die Captains in ihren Einkaufsvorbereitungen steckten, trug Kerun die schlummernde Schwiegertochter ins Gästezimmer von Sorels Wohnturm.

»Wo ist dein Sohn?«, rief Keruns Eheweib Eda mit bangem Tonfall. Sie lief aufgebracht auf ihn zu. –

Oben im Gästezimmer legte Kerun die Schwiegertochter aufs Bett, dann erzählte er von den Vorkommnissen an Bord, und er gestand endlich ein, dass er auf den ahl pii von Sophie süchtig ist.

Für Eda brach sichtbar eine Welt zusammen.

Kerun nahm sie in die Arme. »Du bist mein ein und alles«, hauchte er mit schmeichelnder Stimme. »Ich liebe nur dich ...«, der restliche Satz wurde von ihren fordernden Schnurren verschluckt. Er stimmte heißblütig mit ein.

*

Nach diesem gefühlvollen Vergnügen flogen Kerun und sein treuer Aiws Torks, in einem Zubringer Shuttle zur Visitor zurück.

* * *

BEYOND – Eine andere Wirklichkeit

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