Читать книгу In Love with an Outlaw - Talina Leandro - Страница 12

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3. Kapitel

Elizá

Der Abend war doch viel schöner verlaufen, als ich gedacht hatte. Pierre ist scheinbar doch nicht der Arsch, für den ich ihn anfangs gehalten habe. Wir haben ausgelassen getanzt und gepogt, was bekanntlich nicht jeder drauf hat. Wir Grunge-Kids jedoch schon. Und Pierre scheint dazuzugehören.

Mein Bandshirt klebt an meinem Oberkörper. Die Luftfeuchtigkeit hier hat nach dem Konzert die eines Tropenhauses erreicht. Dicht an dicht stehen Pierre und ich in der Schlange in Richtung Ausgang und warten, bis wir das Palatrussardi verlassen können.

Von links und rechts drängen sich Menschen dazu, ohne darauf zu achten, dass es hier eigentlich eine Schlange zum Anstehen gibt.

Pierre steht hinter mir und schiebt mich jedes Mal sanft ein kleines Stück vorwärts, wenn die Leute in Richtung des Ausgangsschildes aufrücken. Seinen rechten Arm hat er von hinten um meinen Oberkörper gelegt und seine Hand ruht auf meinem Schlüsselbein. Es ist die für jeden sichtbare Die-gehört-zu-mir-Haltung.

Kurioserweise fühle ich mich in seiner Nähe sicher, denn eigentlich neige ich bei solch einer Menschenansammlung zu Platzangst. Doch nicht mit Pierre. Auch, wenn er nach außen hin der aufgedrehte Machoarsch ist, so strahlt er dennoch eine solche Gelassenheit aus, die auf mich übergeht und nicht in Panik geraten lässt. Und nach diesem Abend muss ich zugeben, dass ich ihn doch irgendwie mag. Ich habe mich in meinem jungen Leben schon oft verloren gefühlt – gerade in Bezug auf meine Eltern, aber Pierre gibt mir Halt. Zwar haben meine Zieheltern das auch versucht, aber nie geschafft. Bestimmt, weil ich mit Eltern nichts anfangen kann. Wenn ich das Wort schon höre, schalte ich sofort in den Verdrängungsmodus. Das liegt wahrscheinlich an dem tragischen Tod meiner Mutter, den ich mitansehen musste. Ich erinnere mich nur noch in Bruchstücken, doch ihr Gesicht, als sie regungslos und starr in ihrem Bett lag, werde ich nie vergessen.

»Gleich haben wir es geschafft«, nehme ich Pierres Stimme neben meinem Ohr wahr, der mich damit sanft aus meinen fiesen Erinnerungen holt.

Wir haben fast die Tür erreicht und während er spürbar darüber erleichtert ist, hätte ich kein Problem damit gehabt, noch eine Weile so nah bei ihm zu stehen.

Zehn Minuten später treten wir ins Freie und atmen die frische Nachtluft ein.

Der Himmel über der Halle Palatrussardi ist sternenklar und die Mondsichel leuchtet gestochen scharf.

»War ein cooler Abend, oder?«, ruft Pierre mir zu, der wahrscheinlich den gleichen Druck auf dem Ohr hat, wie ich. Er vergräbt die Hände in den Taschen seiner Jeans und sieht mich erwartungsvoll an.

»Ja, war ganz cool.« Natürlich war der Abend mehr als cool, aber ein Kompliment würde den Angeber wieder in ein Arschloch verwandeln. Jetzt habe ich ihn gerade da, wo ich ihn haben will: an der Grenze des Erträglichen mit der Tendenz, hinter der Machofassade vielleicht doch einen Traummann zu entdecken. Und das will ich mir nicht kaputtmachen. Ich will wissen, wer Jean Pierre Tiago wirklich ist. Das Jean lassen wir lieber weg, denn ich habe gehört, dass er den Namen nicht sonderlich mag. Zum ersten Mal im Leben hat ein Mann mein Interesse geweckt – obwohl dieser Gabriel auch ganz nett war.

»Freut mich«, sagt er kühl und grinst für einen kurzen Augenblick. »Wiederholen wir das bei Gelegenheit?«

Mit einem nonchalanten Lächeln auf den Lippen sehe ich ihn an. »Vielleicht.« Ich kann mir ein Zwinkern nicht verkneifen. Irgendwie will ich ihn ja schon wissen lassen, dass ich ihn mag. Aber er soll sich bloß nichts darauf einbilden.

»Was heißt denn vielleicht?«, fragt er, nimmt mich bei der Hand und schlendert mit mir über den dunklen Parkplatz.

Ein angenehmer Schauer überkommt mich, als er den Druck seiner Hand leicht festigt. »Nun ja, ich kenne dich ja nicht einmal richtig.« Mir wird ein wenig mulmig bei der Vorstellung, dass die Hand, die nun die Meine hält, heute schon ein Messer oder eine Pistole gehalten haben könnte. Wie ich auf dem Campus gehört habe, sind die Tiagos ihren Feinden gegenüber ziemlich brutal.

Lässig fährt sich Pierre mit den Fingern durch das Haar und sieht mich daraufhin auffordernd an. »Dann lern mich doch kennen. Was willst du von mir wissen?« Seine Augen funkeln, als hätte die Aussicht auf ein weiteres Date mit mir ein Feuer in ihm entfacht.

»Na schön.« Grübelnd greife ich mir ans Kinn. An einer der Laternen bleibe ich stehen und lehne mich rücklings daran an. »Was machst du eigentlich beruflich, wenn du nicht gerade mit deiner Gang unterwegs bist und so Sachen machst? Du weißt schon … Ich meine, hast du etwas Richtiges gelernt?«

Pierre tritt vor mich und grinst amüsiert. »So Sachen?«

Zögernd presse ich die Lippen aufeinander und sehe ihm tief in die Augen, die mich erwartungsvoll fixieren. »Ja, was man halt so über euch hört.« Inzwischen ist mir die Frage unangenehm, schließlich möchte ich ihn nicht schlechtreden.

»Was hört man denn so über uns?« Mit seinem rechten Arm lehnt er sich nur knapp über meinem Kopf am Laternenpfahl an und kommt meinem Kopf mit seinem immer näher. Sein belustigter Gesichtsausdruck dabei lässt mich sprichwörtlich vor Scham im Boden versinken. »Lass mich raten – nichts Gutes?«

Kurz halte ich inne, denn er hat es auf den Punkt getroffen und nicke dann peinlich berührt. Mir wird plötzlich ganz heiß, denn ich habe Sorge, ihn damit beleidigt zu haben. Mal davon abgesehen stehe ich wie ein scheues Reh am Pfahl der Straßenlaterne, während Pierre mich eingekesselt hat. Mein Herz hämmert wie wild in meiner Brust und meine verschwitzten Hände rutschen am kalten Metall der Laterne ab.

Im Schein der Laterne sehen seine klaren Gesichtszüge wie in Stein gemeißelt und der Ausdruck seiner Augen irgendwie melancholisch aus. Pierre nimmt die Hand neben meinem Kopf weg und tritt einen Schritt zurück.

Erleichtert, wieder mehr Raum zu haben, atme ich durch. Ich kann gar nicht sagen, ob ich mehr von ihm beeindruckt oder eingeschüchtert bin.

Pierres Grinsen versiegt. Er steckt die Hände in die Hosentaschen und sieht drucksend in Richtung Boden, wobei sein leicht hervorspringendes Kinn zum Vorschein kommt. »Ich habe keine Ausbildung oder so …« Plötzlich blickt er auf und scheint das, was ihn gerade eben noch zu bedrücken schien, weg zu atmen. »Leute im großen Stil abziehen und lautlos zur Strecke bringen, das habe ich gelernt«, sagt er geradeheraus und klingt dabei beinahe stolz. »Das hat mir sogar ziemlich viel Kohle verschafft. Aber das meintest du wahrscheinlich nicht.« Die Leichtigkeit, mit der er sein läppisches Gangster-Dasein bekundet, macht ihn fast wieder unsympathisch. »Na ja. Egal. Und du so?«

Schnell straffe ich die Schultern und hebe den Blick. Unter keinen Umständen will ich mich durch seine Aussage einschüchtern lassen. Ich bin kein Opfertyp und das soll er wissen. »Ich studiere.«

»Na sowas«, kommentiert er aufgesetzt erstaunt, dabei sehe ich ihm die Verunsicherung an der Nase an. »Ich habe mir schon gedacht, dass du auf dem Campus nicht nur spazieren gehst. Und was studierst du?« Er wirkt ein wenig irritiert. Offenbar ist die Uni kein Thema, über das ich mich mit ihm austauschen könnte.

Langsam drücke ich mich mit den Händen, die ich hinter meinem Rücken halte, von der Laterne ab und mache einen Schritt auf ihn zu. Dabei streiche ich mir eine Strähne meiner Haare hinter das Ohr und räuspere mich. »Ich studiere Medizin.«

»Medizin?« Pierre fällt beinahe die Kinnlade herunter, was mich schmunzeln lässt. Als er sich wieder gefangen hat, schluckt er und gibt sich wieder unerschütterlich cool. »Du bist also ein Superhirn? Nicht schlecht.«

»Quasi«, bemerke ich mit einem breiten Grinsen und verschränke großkotzig die Arme vor der Brust. »Und irgendwann entscheide ich wie Gott darüber, ob so Gangster wie du mit ihrer Schusswunde auf meinem OP-Tisch verrecken oder nicht.«

Pierre starrt mich perplex an. Mit aufgerissenen Augen und offenem Mund steht er vor mir und regt sich nicht.

»Hallo? Das war ein Witz.« Verunsichert gebe ich ihm einen neckischen Stups in die Seite und lache. Dabei merke ich selbst, dass der Joke ziemlich nach hinten losgegangen ist.

Doch er ist immer noch merkwürdig still und starrt mich an.

Ups. Ich glaube, der Witz war uncool. Den Umgang mit Männern sollte ich besser noch etwas üben.

Gerade will ich mich für den schlechten Scherz entschuldigen, als Pierre vor mich tritt und mich mit seinen graublauen Augen fixiert. Dann umfasst er meine Mitte und zieht mich zu sich. Noch bevor ich mich mental damit beschäftigen kann, was er vorhat, greift er sanft nach meinem Gesicht und zieht es zu seinem.

Erschrocken halte ich inne und überlege kurz, Pierre von mir weg zu drücken und mich aus seinen zugegeben elektrisierenden Fängen zu befreien. Mein Blick gleitet zwischen seinem schmutzigen Grinsen und seinen geheimnisvoll funkelnden Augen hin und her.

Seine Brust hebt und senkt sich immer schneller. Dann legt er seine Lippen auf meine und küsst mich.

Oh. Mein. Gott. Meine Knie werden weich, die Hände schwitzig und mein Puls rast. Ich sauge diese erste prickelnde Erfahrung in mich wie ein Schwamm auf. Ich will mehr davon und lege meinen Arm um seinen Hals, während ich mich an ihn schmiege und immer tiefer in diesem atemberaubenden, ersten Kuss versinke. Es ist vielleicht das Dümmste, das ich je gemacht habe, aber auch das Aufregendste. Pierres herbes Parfum hüllt mich ein und ich fühle mich wie berauscht.

Ich könnte ewig weiterknutschen, will den Moment für immer einfangen, doch Pierre löst sich von mir und sieht mich unverfroren an. »War nett mit dir, Püppi. Ich muss dann mal langsam los.«

»Was?« Perplex starre ich ihn an.

»Jap. Es wird Zeit für mich.« Sein Ton ist abweisend und kalt.

»Jetzt schon?«, frage ich und drapiere meinen Körper mit voller Absicht so, dass meine Kurven besonders sichtbar werden und er hinsehen muss. Komm schon. Bleib.

Doch er sieht weg.

What?! Ist das sein Ernst? Das war mein erster Kuss. Ich will mehr davon und du Arschloch gehst?!

»Okay?«, antworte ich völlig perplex und lasse mir einen Abschiedskuss auf die Stirn geben. Der hat es aber auf einmal eilig. Ob unser Kuss so schlecht war, dass er direkt abhauen will?

»Mach´s gut, Superhirn.« Pierre zwinkert mir noch einmal zu, bevor er durch das Licht einer der Straßenlaternen auf dem Parkplatz tritt und in der Dunkelheit verschwindet.

Was war das denn jetzt? Er bringt mich nicht einmal nach Hause? Kopfschüttelnd sehe ich in die Richtung, in die er gegangen und dann verschwunden ist. Also eines steht fest: Ein Gentleman ist Pierre Tiago schon mal nicht … Aber küssen, das kann er.

Völlig überfordert mit meinem Gefühlschaos lasse ich den Blick über den Parkplatz schweifen – in der Hoffnung, dass Pierre vielleicht doch noch einmal auftaucht und mir noch einen Kuss schenkt, aber er kommt nicht.

Meine Wangen glühen. Ein wenig enttäuscht, aber immer noch im Rausch des Kusses, der noch ein wenig nachhallt, mache ich mich zum Taxistand auf.

Pierre hat meine bis heute Nachmittag noch so heile Welt in ein gewaltiges Chaos gestürzt. Er ist ein Mann, der definitiv in keine Schublade passt. Einerseits ist er mir immer noch unsympathisch und dieser bizarre Abschied hat dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt, doch andererseits … Ja, andererseits küsst er so gut, dass mein Herz immer noch wie das eines Kolibris schlägt, wenn ich mir die Situation von vorhin noch einmal vor Augen rufe.

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