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Austroungar

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Da die Habsburgermonarchie seit dem Ausgleich mit Ungarn im Jahr 1867 offiziell Österreich-Ungarn hieß, mag man glauben, dass es Millionen von Austroungarn gab – dies also jener Begriff war, der alle Einwohner bezeichnete. Dem war aber nicht so, denn es gab zwei Staatsbürgerschaften. Man war entweder Österreicher oder Ungar. Wer also waren die Austroungarn?

Der im kroatischen Sinac bei Otočac geborene Offizier Stjepan Sarkotić, der demnach ungarischer Staatsbürger war, schrieb 1914 in sein Tagebuch über den Charakter seines Vaterlandes Österreich-Ungarn: »Es könnte, was ich niemals wünschen würde, an seiner Marotte, an seinem Staatsrecht zugrunde gehen. Niemand, kein aufrichtiger Austroungar kann und darf dies wünschen, weil dann die herrliche österreichisch-ungarische Monarchie überhaupt in Frage kommt. Kroaten, Rumänen, Slovaken, Serben und Deutsche sind keine verläßlichen Bürger Ungarns, wohl aber der Allerhöchsten Dynastie.« Tatsächlich war es kein Leichtes für jemanden, der in Ungarn geboren war und in einer Reichsinstitution wie der Armee oder dem Außenministerium arbeitete, es jeder beteiligten Partei recht zu machen. Dies zeigen die heftigen Debatten in den gemeinsamen Sitzungen von ungarischen und österreichischen Ministern. Vielfach verfolgten die beiden Teile völlig unterschiedliche politische Ziele.

Imre Suhay war k. u. k. Offizier mit Leib und Seele, dies zeigt sein Tagebuch deutlich. Aber er machte auch keinen Hehl daraus, dass er ein echter Ungar war, und zwar nicht nur der Staatsbürgerschaft nach. Schwierig wurde es für ihn, als er im Ersten Weltkrieg eine delikate Aufgabe im besetzten Serbien übernahm, besonders als der ungarische Ministerpräsident István Tisza zu einer Inspektionsreise dorthin reiste. Er lobte Suhay als »seinen Mann in Belgrad«. Der Betroffene war darüber gar nicht glücklich. Er fürchtete Nachteile für seine weitere Karriere in der kaisertreuen Armee und ein Misstrauen seiner Offizierskameraden, ob er im Ernstfall die gemeinsame kaiserliche Politik tragen oder nicht doch etwa eher Befehlen aus Ungarn den Vorzug geben würde. Tatsächlich wurde von ungarischer nationalistischer Seite auch dem bereits genannten Ministerpräsidenten Tisza eine allzu gesprächsbereite Haltung gegenüber Österreich vorgeworfen. Er kam damit in den Geruch, ein Austroungar – also jemand, der nicht unbedingt immer der ungarischen Politik folgte – und kein loyaler Ungar zu sein, da er mehr als einmal einen Kompromiss mit dem Kaiser schloss.


Der ungarische Ministerpräsident István Tisza war für die Ungarn zu kaiserlich und für die Österreicher zu ungarisch denkend.

Besonders schwierig wurde die Situation für alle Österreicher und Ungarn während des Krieges, als es in Österreich und Ungarn unterschiedliche Vergehen und damit Strafen gab. Der bereits genannte Stjepan Sarkotić erinnerte sich in seinem Tagebuch an eine Audienz bei Kaiser und König Karl: »Plötzlich fragt er mich, ob ein Untertan, der im Rahmen der Monarchie und unter seinem Szepter verbleiben will, Hochverräter sein könne, und beantwortet selbst gleich die Frage: ›Das ist doch kein Hochverräter!?‹ Ich schmunzle und antworte wie folgt: ›Es ist vielleicht am besten, wenn ich diese Frage konkret beantworte. Ein ungarischer Slowake, der gegen den Staat arbeitet und mit Gewalt Čeche werden will, ist Hochverräter gegenüber dem König von Ungarn, aber nicht gegenüber dem Kaiser von Österreich, die ungarischen Gerichte werden einen solchen Slowaken im Namen des Königs, also Eurer Majestät, verurteilen. Umgekehrt ist ein Slowene, der mit Gewalt (Wort und Tat) an dem Zusammenbruche Österreichs arbeitet und etwa Kroate werden will, Hochverräter gegenüber dem Kaiser von Österreich, aber nicht gegenüber dem König von Ungarn. Die Gerichte müßten ihn verurteilen, doch ist man in Österreich, wo der Staat nicht so zur Geltung kommt, wie in Ungarn, in dieser Beziehung sehr liberal, was in Ungarn so mißliebig aufgenommen wird. So steht es bei uns mit dem gesetzlichen Standpunkte des Hochverrates.‹ Der Kaiser meinte drauf: ›Es ist aber doch nicht möglich, daß jemand, der innerhalb der Monarchie bleiben will, Hochverräter ist!‹« Tatsächlich hatte der Regent letztlich unrecht und sein Offizier recht. Ein Austroungar war somit jemand, der irgendwie versuchte, es mehreren Seiten recht zu machen, der aber in jedem Fall dem Monarchen und der Einheit des Staates gegenüber loyal war. Damit aber war er zumeist das genaue Gegenteil des weiter unten beschriebenen Fünfzig-Kreuzer-Magyaren.

Von Friedensfurien und dalmatinischen Küstenrehen

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