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Bin-gesund-Karte

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Im Oktober 1917 erinnerte die Salzburger Chronik ihre Leserschaft, dass vonseiten der Behörden die Wahrnehmung gemacht wurde, wonach die grünen »›Ich-bin-gesund‹-Feldpostkarten […] sehr häufig von Zivilpersonen mißbräuchlich verwendet, mit weiteren Zusätzen versehen und unfrankiert aufgegeben werden.« Es wurde in Erinnerung gerufen, dass solcherart verwendete Karten nicht befördert und vernichtet würden. Sie wären ausschließlich für den Gebrauch der Frontsoldaten bestimmt. Was aber war diese »Ich-bin-gesund-Karte«? Wie sie aussah, zeigt die Abbildung auf Seite 46.

Die Briefzensur war während des Ersten Weltkrieges allumfassend. Damit sollte verhindert werden, dass für die Kriegsführung wichtige Informationen weitergegeben werden. Alfred Trendl, ein Unteroffizier aus Wien, erinnert sich, warum man so streng war: »Dort darf nur die Adresse und Unterschrift geschrieben werden. Soll dazu da sein, um Truppenverschiebungen zu verbergen.« Gleichzeitig aber war die Armeeführung sich durchaus bewusst, wie sich Informationsstillstand negativ auf die Moral der Soldaten und ihrer Familien auswirken konnte. Die Zensur des Inhalts von privaten Briefen zwischen der Front und dem Hinterland war immens zeitraubend und personalintensiv – nicht zu vergessen die vielen Sprachen. Dies bedeutete in der Theorie, dass an jeder Zensurstelle nicht nur ausreichend Zensoren bereitgestellt werden, sondern diese auch noch alle Schriften und Sprachen beherrschen mussten.

Für die Verwaltung war es ein Ding der Unmöglichkeit, die Postzensur flächendeckend zu organisieren. Manche Post benötigte Monate, bis sie beim Adressaten eintraf, oder sie kam gar nie an. Bereits in den ersten Kriegsmonaten 1914 meldete das ungarische Handelsministerium, dass die Zensurkommission in Újvidék (heute Novi Sad in Serbien) angeblich auf mündliche Weisung des Festungskommandos Peterwardein (heute Petrovaradin, ein Stadtteil von Novi Sad) Briefe in kyrillischer Schrift vernichtete. Um Aufklärung wurde gebeten. Erläuterungen der Postdirektion in Temeschwar (heute Timişoara in Rumänien) geben Einblick in die dort gepflogene Zensurpraxis: »Militärzensurkommission Újvidék vernichtet mit kyrillischen Buchstaben geschriebene Briefe, darunter auch solche von und nach dem Ausland, und gibt leeres Kuvert der Post zurück, bei Postkarten wird Adresse und Mitteilung ausradiert und so zurückgegeben.«

Diese Kurznachricht brachte während des Krieges die wohl wichtigste Botschaft in die Heimat: Ich lebe noch.

Aus diesen Erfahrungen heraus entstand die standardisierte Kurznachricht – salopp im Volksmund genannt nach ihrer Aufschrift in allen offiziellen Sprachen: die Ich-bin-gesund-Karte. Immerhin beinhaltete sie die wohl wichtigste Nachricht für die Lieben daheim. Der Vater, Sohn, Bruder, Gatte lebt noch. Die Karte war überdies gratis, damit auch Soldaten ohne ausreichend finanzielle Mittel sie versenden konnten. Aufgrund des Verbots, weitere Nachrichten darauf zu vermerken, ging sie rasch durch die Zensur.

Nicht nur für die Frontsoldaten, auch für jene in Kriegsgefangenschaft waren diese Ich-bin-gesund-Karten oft die einzige Verbindung nach Hause. Wer wochen- oder gar monatelang gewartet hatte, der ließ alles stehen und liegen, wenn endlich die Post kam. Die Nachricht ließ zumindest für eine Weile die Gräuel des Krieges vergessen. Der in Siebenbürgen beheimatete Rodion Markovits wurde im Krieg in die ungarische Armee, die Honvéd, eingezogen. Wie so viele andere, die an der Ostfront kämpften, gelangte er in russische Kriegsgefangenschaft. In seinem Epos Sibirische Garnison. Roman unter Kriegsgefangenen, das 1930 in deutscher Sprache erschien, schilderte Markovits eindrücklich eine solche Szene, welche zumeist eine Abwechslung in dem sonst tristen Lageralltag darstellte: »Bloß dann, wenn der Postoffizier Almoslino erschien, um einen großen Haufen Karten aus dem Vaterland auf den Tisch herabzuschütten, gab es eine tiefe Stille, eine Ergriffenheit, die etwas Düsteres an sich hatte. Grüne und gelbe Postkarten waren auf den Tisch gefallen, grüne für die Ungarn, gelbe für die Österreicher.«

Von Friedensfurien und dalmatinischen Küstenrehen

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