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3.5. Visualisierung der Grammatik in digitalen Lernmaterialien

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Visuelle Lernhilfen, die in gedruckten Lernmaterialien vorkommen, werden auch in digitalen verwendet. Jedoch bietet die mediale Entwicklung weitere Einsatzmöglichkeiten von Visualisierungen beim Grammatiklernen. Die Farb- oder Schriftänderung kann durch Aktivitäten von Lernenden initiiert werden und ist nicht mehr statisch wie in Printmaterialien. Die Veränderung visueller Elemente liegt an der Schnittstelle der Visualisierung und der Interaktivität, die im vorigen Kapitel näher betrachtet wurde. Die technische Entwicklung trägt zur Erweiterung des visuellen Repertoires bei. Dabei müssen nicht unbedingt neue Visualisierungstypen geschaffen werden, sondern die, die bereits eine lange Tradition in den gedruckten Materialien haben, gewinnen neue Eigenschaften. So sind visuelle Elemente in digitalen Materialien durch eine gewisse Dynamik gekennzeichnet: Als eine Reaktion auf die Eingaben der Nutzer kann eine farbige Änderung der Schrift, das Erscheinen einer Einrahmung etc. vorprogrammiert werden. Eine Farbänderung könnte für das gesamte Element oder bei einem Teil der Visualisierung z. B. Ampelfarben als Rückmeldung auf eine falsche Eingabe (rot) und auf eine richtige (grün) erfolgen.1 Das Erscheinen neuer visueller Elemente kann ebenfalls gewährleistet werden.

Videomaterialien und Audio-Bilder-Sequenzen

Eine weitere Visualisierungsmöglichkeit, Videos bei der Grammatikvermittlung einzusetzen, wird selten benutzt, wobei einige Beispiele zur Erklärung der Grammatik auf Youtube zu finden sind (s. z. B. Easy German Grammar2). Darüber hinaus werden zu didaktisierten Videos neben Hör-Sehverstensübungen und Wortschatzaufgaben Übungen zu grammatischen Themen angeboten. So muss man z. B. nach dem Anschauen einer Video-Folge Pronomen in einem Dialog auswählen (s. dazu das Lernangebot des Goethe-Instituts Erste Wege in Deutschland3). Laut Kerres (2013: 171) eignen sich aber für Anfänger eher einfache Bilder oder Bildfolgen statt Animationen oder Videos bei der Auseinandersetzung mit Inhalten. Daher könnte man statt Videos Audio-Bilder-Geschichten zur Grammatikvermittlung entwickeln. Videos und Audio-Bilder-Geschichten werden im Bereich Grammatik kaum eingesetzt, dafür werden andere „moderne“ visuelle Medien von Verlagen zur Verfügung gestellt, wie z. B. augmented reality.

Augmented Reality

Die großen Verlage stellen Augmented-Apps zu ihren Lehrwerken zur Verfügung.4 Augmented Reality wird als Werbeslogan bzw. als Marketingargument von Verlagen eingesetzt. Mehler-Bicher et al. (2011) versuchen eine einheitlichen Definition der Augmented Reality auszuarbeiten und weisen darauf hin, dass mithilfe derer die vorhandene Welt mit einer virtuellen Realität bzw. mit virtuellen Objekten ergänzt wird, die zudem dreidimensional und interaktiv sein könnten. Einer der Anwendungsbereiche der Augmented Reality ist die Visualisierung und Präsentation von Informationen, z. B. eines neuen Produktes (vgl. ebd.: 74). Sie hat sicherlich große Potenziale für das Fremdsprachenlernen (vgl. z. B. Thorne et al. 2015; Santos et al. 2016), jedoch stellt sich die Frage, ob die aktuellen Augmented Reality-Apps, die für DaF-Lehrwerke angeboten werden, ihren Namen berechtigt tragen, da sie eher dem Abspielen von Audios oder Videos zum Lehrwerk dienen. Es ist kein neues visuelles Medium, sondern eine weitere technische Möglichkeit, textuelle, auditive, visuelle Inhalte abzurufen und wiederzugeben. Die Inhalte können z. B. in Form von animierten Präsentationen oder Videos zu grammatischen Themen aufbereitet sein. Augmented reality in dieser Form fällt in die Kategorie Werkzeuge/Hilfsmittel, die bereits oben (Kapitel 3.1) kritisch betrachtet wurde.

Grammatikclips

Eine Möglichkeit, grammatische Strukturen visuell darzustellen, ist es, bewegte Bilder einzusetzen. Ein Beispiel sind animierte Grammatikclips5 für das Lehrwerk DaF leicht, die de facto gefilmte Legetechniken6 zur Präsentation von verschiedenen grammatischen Themen darstellen. So werden einzelne Vokabeln gelegt, getauscht, geschoben, versteckt oder farbig markiert, um auf die Besonderheiten grammatischer Themen aufmerksam zu machen und die Strukturen nachvollziehbar zu präsentieren. Die Präsentationen laufen in Begleitung von fragenden, verneinenden oder bejahenden In­ter­jek­ti­onen. Die Grammatikclips bieten eine alternative Präsentationsart der Grammatik, sind jedoch keine Animationen.

Animationen

Schnotz et al. (1998: 136) verstehen unter animierten Bildern die, „deren grafische Struktur sich während der Darbietung verändert.“ Ausgehend von dieser Definition gehören auch Filme und Videos zu animierten Bildern, sie verfügen aber nur gering über Interaktivität, da sie keine Manipulation der Bildstruktur zulassen (vgl. ebd.). Lowe unterscheidet bei Animationen drei verschiedene Änderungsarten visueller Darstellungen:

 “Form changes (‘Transformations’)” sind Änderungen an grafischen Entitäten wie Größe, Form, Farbe und Textur;

 “Position changes (‘Translations’)” sind Bewegungen visueller Elemente von einem Punkt zum anderen;

 “Inclusion changes (‘Transitions’)” sind das komplette oder partielle Erscheinen oder Verschwinden der Elemente (Lowe 2003: 158-159 [Hervorhebung im Original]).

Für das Sprachenlernen ist eine Verdeutlichung des Animationsbegriffs notwendig. So unterscheidet Scheller zwischen zwei Arten der Animationen: die, in denen Bilder als Semantisierungshilfen fungieren, und die, „in denen die Bewegung der sprachlichen Elemente selbst zum Gegenstand wird“ (Scheller 2009: 231).

Es wird darauf hingewiesen, dass dynamische Bilder gegenüber den statischen nicht per se vorteilhaft beim Lernen sind, weil sie durch eine größere Informationsmenge, die in begrenzter Zeit angeboten wird und zu verarbeiten ist, eine höhere Belastung des Arbeitsgedächtnisses erfordern (vgl. Lowe 1998: 126). Visuelle und verbale Informationen in Animationen müssen aufeinander abgestimmt sein: „Bei der Entwicklung instruktionaler Animationen sind Inhalt und Form der Präsentation so aufeinander zu beziehen, daß Lernende zum einen die thematisch relevante Information entnehmen können und zum anderen möglichst wenig inadäquate relationale Information inferieren.“ (ebd.: 133).

Einen Überblick über die Studien zum Lernen mit Animationen bietet Scheller (2009: 57ff.). Allerdings beschäftigen sich die meisten Studien mit naturwissenschaftlichen und technischen Themen (Lewalter 1997b; Lowe 1998; Schnotz et al. 1998; Drewniak 1992; Wagner 2013), somit sollten die Ergebnisse in der Sprachmittlung mit Vorsicht betrachtet werden. Daher werden im Folgenden exemplarisch nur sprachwissenschaftliche Studien zusammengefasst, in deren Fokus die Grammatikvermittlung mit Animationen steht.

In ihrer Studie untersuchte Caplan (2002) die Wirkung der statischen und animierten Präsentationsformen der deutschen Modalverben für amerikanische DaF-Lernende und stellte keine signifikanten Unterschiede beim Wissensstand von Probanden der Kontroll- und Experimentalgruppe fest. Im Nachtest zeigten alle Probanden Wissenszuwachs, auch wenn die animierte Präsentationsform im Vergleich zur statischen besser bewertet wurde, wurde keine stärkere Lernwirksamkeit der Animationen festgestellt.

In einer experimentellen Studie mit elf DaF-Lernenden der Mittelstufe aus China, Spanien und Russland wurde die Lernwirksamkeit animierter Präsentationen von Satzklammer, Wechselpräpositionen, Pronomen es und Wortbildung getestet und festgestellt: „Dynamische Bilder (Animationen) eignen sich wesentlich besser zur Darstellung sequenzieller oder kausaler Sachverhalte, aber nur solange auch dies nicht zu einer Reizüberflutung oder Ablenkung führt.“ (Roche und Scheller 2004: 14). Dies stimmt mit der Schlussfolgerungen von Lowe (1998) überein (s. o.). Die Konsequenzen der Studie fließen in die Animationskonzeption für eine weitere größere Studie von Scheller (2009) ein. Im Fokus der Untersuchung steht das Thema Kasuswechsel nach Wechselpräpositionen im Deutschen. Dafür wurden multimediale Grammatikanimationen auf der Grundlage eines alternativen kognitionspsychologischen Erklärungsansatzes für die Kasuswahl nach Wechselpräpositionen konzipiert. Im Gegensatz zum traditionellen Erklärungsansatz (wo/wohin) liegt das Konzept der Grenzüberschreitung dem alternativen Ansatz zugrunde (vgl. Scheller 2007: 160). Für beide Ansätze wurden sowohl statische als auch animierte Versionen entwickelt. Die Lernwirksamkeit der Animationen wurde anhand von drei Studien, einer experimentellen mit 89 in einer weißrussischen Universität und zwei explorativen Studien mit 9 und 13 DaF-Lernenden in Deutschland analysiert. Es wurde festgestellt, „dass nicht von einer generellen lernfördernden Wirkung der Animationen ausgegangen werden darf, sondern erst die Verbindung der mentalen Möglichkeiten und spracherwerbsbezogenen Forschung den Lernmehrwert von Animationen zur Geltung kommen lässt.“ (Scheller 2009: 217). Darüber hinaus hat sich der Erklärungsansatz Grenzüberschreitung in animierter Präsentationsform als lernfördernd ergeben (vgl. ebd. 218).

Die von Scheller ausgearbeiteten Animationen wurden in einer anderen Studie zur Erforschung mentaler Modelle eingesetzt (vgl. Grass 2013). Dafür arbeiteten Schüler (mit Migrationshintergrund) eines Münchener Gymnasium mit dem animierten Lernprogramm zu Wechselpräpositionen. Es wurden Entscheidungsstrategien bei der Arbeit mit Animationen erfasst. In der Pilotstudie wird ein anderes Erhebungsdesign geschildert: „Mit der Erhebung mentaler Modelle kann es auch Lernern einer Fremdsprache der Anfängerniveaus ermöglicht werden, komplexe Beziehungen und Zusammenhänge graphisch darzustellen und für den Forscher sichtbar zu machen.“ (vgl. ebd.: 106).

Der Gegenstand einer weiteren Studie zum Lernen mit Animationen sind deutsche Modalverben und ihre Vermittlung basierend auf Erkenntnissen der kognitiven Linguistik und multimedialen Lernens (vgl. Kanaplianik 2016). Auf der Grundlage des Modells der kognitiven Didaktik (s. dazu auch Roche und Suñer Muñoz 2014: 125) und einer ausführlichen Analyse einzelner Ebenen des Modells wurden circa 60 animierte Lerneinheiten zu Modalverben (als Ausdrucksmitteln der Ereignismodalität und der Wissensmodalität) implementiert und mit Studierenden einer weißrussischen Universität getestet. An der Studie zur Ereignismodalität nahmen 118 Personen teil, an der zweiten 56 Studierende, die entweder mit ausgearbeiteten Animationen oder mit statischen Lerneinheiten arbeiteten. Darüber hinaus wurde ein alternativer Erklärungsansatz zur Darstellung der Modalverben entwickelt und präsentiert, der auf der kognitiven Domäne der Kraft-Dynamik basiert (im Gegensatz zum traditionellen Notwendigkeit/Möglichkeit-Erklärungsansatz). Die Ergebnisse der Nachtests (unmittelbar nach der Bearbeitung der Lerneinheiten und eine Woche danach) zeigte folgende Ergebnisse:

Die Anwendung der Kenntnisse, die nach dem innovativen Konzept (kognitionslinguistische Konzepte und animierte Bilder; kognitionslinguistische Konzepte und statische Bilder) vermittelt werden, ermöglicht einen direkten Zugang zur konzeptuellen Basis der Grammatik und führt zu einem nachhaltigen Lernmehrwert bei Grammatikvermittlung. (EL-Bouz (Kanaplianik) 2016: 94)

Die Ergebnisse der Studie bestätigen die Erkenntnisse der vorigen Studien, dass die Anwendung animierter Lerneinheiten nicht automatisch lernfördernd ist.7

In den erläuterten empirischen Studien steht die Lernwirksamkeit der Animationen bei der Grammatikvermittlung im Fokus. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich in erster Linie mit der Frage, wie Lernende mit dem Programm Grammatik lernen.

In diesem Kapitel wurde zuerst ein Überblick über visuelle Medien im Fremdsprachenunterricht aus einer diachronischen Perspektive sowie über weitere Aspekte der Visualisierungen anhand verschiedener Definitionen gewährt. Anschließend wurden Funktionen und Typen der Visualisierungen zusammengefasst. Bis jetzt fehlt eine systematische Analyse von Visualisierungen der Grammatik in gedruckten Materialien, daher konnten nur exemplarische Kategorisierungsvorschläge analysiert werden. Außer der visuellen Metapher wurden keine visuellen Lernhilfen für Grammatik systematisch erforscht (weder die Lernwirksamkeit, noch der Umgang mit Visualisierungen im Unterricht). Zu dynamischen Visualisierungsformen ist eine übersichtliche Reihe von Arbeiten zur Lernwirksamkeit von Animationen vorhanden, die einen wichtigen Ausgangspunkt für die Entwicklung digitaler Materialien bilden.

Für die Konzeption der Interaktiven Grammatik konnten ebenfalls Konsequenzen gezogen werden.8 Generell sollten Materialentwickler bei der Erstellung von Bildern auch mögliche Probleme beachten, die beim Verstehen der jeweiligen Bilder entstehen könnten. Wichtig bei der Visualisierung von Grammatik ist das Zusammenspiel visueller und textueller Elemente. Dynamische Darstellungen bzw. Animationen eignen sich nicht für die Visualisierung aller grammatischen Themen. Liegt einer grammatischen Struktur eine dynamische Zustandsänderung, bspw. eine Veränderung von Objekten in ihrer Position oder über die Zeit, zugrunde, lässt sich das jeweilige Phänomen animiert darstellen. Jedoch ist eine Überladung mit visuellen Informationen zu vermeiden. Bevor die Realisierung der Visualisierungsmöglichkeiten in der Interaktiven Grammatik dargestellt wird, werden im folgenden Kapitel Prinzipien der Grammatikvermittlung, die Vermittlung des Imperativs in wissenschaftlichen und didaktischen Grammatiken sowie in DaF-Lehrwerken geschildert. Bei der Analyse der Imperativdarstellung für A1-Lernende werden u. a. visuelle Elemente der Lehrmaterialien untersucht.

Grammatiklernen interaktiv

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