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1. Einleitung

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Was genau würden Lernende1 machen, wenn sie selbstständig anhand eines Lernprogramms eine (neue) grammatische Struktur lernen? Würde die Interaktivität des Programms für den Lernprozess ausreichen? Wie hilfreich könnten visuelle Elemente für das Grammatiklernen sein? Diese Fragen interessierten mich bereits in der Konzeptionsphase als Mitglied des Autorenteams, das sich mit der Entwicklung eines interaktiven Lernprogramms zur Grammatik für DaF-Lernende im Rahmen eines Kooperationsprojektes beschäftigte. Dabei handelte es sich nicht um lineare Übungssequenzen zu den jeweiligen Themen. Die Konzeption sollte eine selbstständige Entdeckung der grammatischen Phänomene, eine Formulierung der Regeln und den Wissenstransfer durch Übungen ermöglichen. Als Lehrperson mit langjähriger Unterrichtserfahrung interessierte mich, ob Lernende ohne jegliche Unterstützung seitens einer „menschlichen“ Person (Lehrender, Tutorierender o. ä.) ausschließlich durch die Interaktivität des Programms grammatische Regelmäßigkeiten entdecken und nachvollziehen könnten. Während das Potenzial digitaler Medien für das Üben und Trainieren grammatischer Phänomene für mich immer unbestritten blieb, war ich gegenüber Möglichkeiten digitaler Lernprogramme für die Entdeckung und Erklärung von Grammatikthemen skeptisch. Die beiden Perspektiven ‒ der Materialentwicklerin und der Lehrerin ‒ mögen sich widersprechen und somit einander ausgleichen. Im Rahmen meines Forschungsprojektes möchte ich untersuchen, wie Lernende mit einem solchen interaktiven Lernprogramm umgehen. Somit bewegt sich die vorliegende Studie in den Bereichen Grammatikvermittlung, digitale Medien und teilweise auch Usability.

Erkenntnisinteresse

Grammatiklehren und -lernen gehört zu den oft und gern diskutierten Themen der Fremdsprachendidaktik. Sowohl Lehrende als auch Lernende setzen sich mit grammatischen Strukturen der deutschen Sprache auseinander, ungeachtet dessen, ob sie diesen Bereich des Fremdsprachenunterrichts mögen oder nicht. Fremdsprachendidaktische Diskussionen und Erkenntnisse aus der Forschung hinsichtlich der einzelnen Aspekte des Grammatikunterrichts lassen sich in Vermittlungsmethoden und Lernmaterialien erkennen. Die Auswahl letzterer ist heutzutage vielfältig und ermöglicht unterschiedlichen Lernenden verschiedene Vorgehensweisen beim Lernen. Die Vielfalt beschränkt sich nicht nur auf Grammatikbücher, Lehrwerke und Arbeitsblätter. Digitale Lernmaterialien bieten durch ihre Potenziale weitere Darstellungsweisen und Übungsmöglichkeiten grammatischer Phänomene.

Digitale Medien ermöglichen das Fremdsprachenlernen unabhängig von einem Unterrichtsraum, einer Lehrperson, einer Lerngruppe, einem Unterrichtsplan o. ä. Die Flexibilität bei der Gestaltung des eigenen Lernprozesses, die Bestimmung des individuellen Lerntempos und die Möglichkeit der Auswahl der Lerninhalte und der Lernformen scheinen das Lernen mit digitalen Medien sehr erfolgreich machen zu können. Eine intensive Beschäftigung mit digitalen Lernprogrammen lässt schnell erkennen, dass sich Übungsformate zu unterschiedlichen Fertigkeiten und Kompetenzbereichen einer Fremdsprache wiederholen. Im Bereich Grammatik bietet das Internet eine große Anzahl digitaler Lernprogramme. Erwähnenswert ist jedoch die Tatsache, dass Lehrmaterialentwickler Fremdsprachenlernenden vorwiegend selbstständiges Üben grammatischer Strukturen zuzutrauen scheinen. Die Präsentation grammatischer Phänomene ist jedoch, wie im Fremdsprachenunterricht einer Lehrperson, einem Lernprogramm überlassen und ermöglicht hauptsächlich nur Steuerungsaktionen seitens der Lernenden. Ebenfalls durch die Einbindung multimodaler Elemente ‒ auditiver und visueller Art ‒ bleiben die Lernenden in der Präsentationsphase oft in einer passiveren Rolle und beginnen erst beim Wissenstransfer zu agieren. Es stellt sich die Frage, wie digitale Medien eine intensive Aktivierung bereits bei der Darstellung verschiedener Aspekte eines grammatischen Phänomens gewährleisten könnten.

Das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Studie besteht darin, mithilfe introspektiver Verfahren und der Bildschirmaufzeichnungen die tatsächlichen Aktionen der erwachsenen DaF-Lernenden aus unterschiedlichen Ländern bei der Beschäftigung mit der Einheit der Interaktiven Grammatik zum Thema Imperativ2 sowie die Rezeption der einzelnen Komponenten des interaktiven Programms zu untersuchen.

Forschungsfragen

Mit der vorliegenden Forschungsarbeit sollte die zentrale Forschungsfrage beantwortet werden:

 Wie gehen die Lernenden mit der Interaktiven Grammatik um?

Die Frage ist offen angelegt, daher werden auch einzelne Aspekte als Teilfragen verdeutlicht:

 Wie verläuft der Lernprozess bei der Erschließung der Regelhaftigkeiten in der Entdeckungsphase?

 Welche Rolle spielt grammatische Terminologie bei der Regelformulierung?

 Wie verläuft der Löseprozess in den Übungen?

 Wie gehen die Lernenden mit unbekanntem sprachlichem Material um?

 Welche Rolle spielen multimodale bzw. visuelle Elemente im Lernprozess?

 Welche Rolle spielt die Interaktivität des Programms beim selbstständigen Lernen?

 Was verursacht den Abbruch der Bearbeitung?

Die Beantwortung der Fragen kann einen Einblick in selbstständige Lernprozesse der Lernenden auf der Niveaustufe A ermöglichen. Das Thema ist von großem Interesse sowohl für Lehrende als auch für Materialentwickler, da Schlussfolgerungen aus der Analyse der erworbenen Daten für die weitere Entwicklung bzw. den Fremdsprachenunterricht mit digitalen Medien gezogen werden können.

Aufbau der Arbeit

Im einleitenden Kapitel wurden der Entstehungskontext der vorliegenden Untersuchung und das Erkenntnisinteresse geschildert. Daraus ergeben sich die leitenden Forschungsfragen der Studie.

Kapitel 2 beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Facetten des Fremdsprachenlernens mit digitalen Medien. Zuerst wird auf das Konzept des Selbstlernens eingegangen. Danach werden die Aspekte der Multimodalität für Lernprozesse skizziert. Darüber hinaus wird die Definition der Lernsoftware für die vorliegende Studie festgelegt. Daraufhin werden Grenzen und Potenziale digitaler Übungsformate für das Fremdsprachenlernen und insbesondere für das Grammatiklernen diskutiert. Daran schließt sich die Darstellung der Interaktivität als einer der zentralen Eigenschaften digitaler Lernprogramme u. a. der Interaktiven Grammatik.

Für A1-Lernende können grammatische Lerninhalte durch eine visuelle Darstellung vorentlastet werden. Daher widmet sich Kapitel 3 Visualisierungen beim Fremdsprachenlernen. Neben der Skizzierung des Stellenwerts der Visualisierungen für einzelne Kompetenzbereiche des Fremdsprachenlernens wird die Behandlung der visuellen Medien in Handbüchern für die Fremdsprachendidaktik rekonstruiert. Darüber hinaus werden Visualisierungen in analogen Medien sowie die Veränderungen der Grammatikvisualisierungen durch die Digitalisierung geschildert.

Kapitel 4 leitet von allgemeinen Aspekten der Grammatikvermittlung zur Darstellung des Imperativs in wissenschaftlichen und didaktischen Grammatiken über und beinhaltet außerdem die Ergebnisse der Lehrwerkanalyse für die Niveaustufe A1. Im Fokus der Lehrwerkanalyse stehen die Funktionen des deutschen Imperativs, die situative Einbettung der grammatischen Struktur, die visuelle Darstellung des Imperativs und Übungstypen dazu. Anschließend werden die Schlussfolgerungen vorgestellt, die in der Entwicklungsphase bei der Umsetzung der Imperativ-Einheit der Interaktiven Grammatik beachtet wurden.

In Kapitel 5 folgt eine detaillierte Beschreibung der Lernsoftware am Beispiel der Einheit Imperativ. Neben der Darstellung der einzelnen Teile der Einheit, u. a. des sprachlichen und visuellen Materials, werden die interaktiven Elemente im Hinblick auf mögliche Lernwege analysiert. Daraufhin werden Hypothesen aufgestellt, welche Stellen Lernenden Schwierigkeiten bereiten könnten.

Kapitel 6 erläutert das Forschungsdesign der vorliegenden Studie. Da die Studie an der Schnittstelle von Fremdsprachendidaktik und Mediendidaktik liegt, werden zunächst die Korrelationen zwischen der Untersuchung und den Richtlinien des Design-Based Researchs und der Usability-Evaluation diskutiert. Der Diskussion der ausgewählten Erhebungsinstrumente folgt eine Beschreibung des Datenerhebungsprozesses. Darüber hinaus werden die Beteiligten der Studie vorgestellt. Aufgrund der Datenerhebung in den Muttersprachen der Probanden war die Einbeziehung einer dritten Person in den Erhebungsprozess vonnöten. Dieser Aspekt wird ebenfalls aus der forschungsethischen Perspektive reflektiert. Mit der Darlegung des Aufbereitungs- und Auswertungsverfahrens endet das sechste Kapitel.

In Kapitel 7 erfolgt die Auswertung der Daten. Dabei werden anhand der dokumentierten Aktionen aller Untersuchungsteilnehmenden die Lernpfade bei der Bearbeitung der Einheit in einzelnen Phasen ‒ Entdeckung, Regelformulierung, Üben ‒ analysiert. Es wird auf die Vorgehensweise bei der Lösung der Aufgaben eingegangen, um anhand der introspektiven Daten die Lernprozesse nachvollziehen zu können. Dabei liegt der Fokus u. a. auf den Aktionen der Lernenden, die die interaktiven Komponenten und die Visualisierungen bewirkten. Außerdem werden die Schwierigkeiten bei der Bearbeitung der Grammatik, die möglichen Ursachen und der Umgang damit untersucht.

Kapitel 8 stellt eine systematische Präsentation der Untersuchungsergebnisse dar. Abschließend widmet sich Kapitel 9 den Schlussfolgerungen aus der durchgeführten Studie und dem Ausblick auf mögliche weitere Untersuchungen.

Grammatiklernen interaktiv

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