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2.1.1. Selbstlernen

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Digitalen Medien wird viel Potenzial für das selbstständige Lernen zugeschrieben (vgl. Rüschoff 1988: 48; Ross 1997: 13; Würffel 2016: 386). Das erinnert wieder an die Zeiten des Sprachlabors, das auch zur Individualisierung des Lernprozesses beitragen sollte. In der Ära digitaler Medien stehen selbstgesteuertes Lernen, Individualisierung des Lernprozesses und Lernerautonomie1 wieder zur Diskussion. Eine klare Trennung zwischen diesen Begriffen ist nicht immer möglich (vgl. Rösler 2012: 116).2 Beim Selbstlernen handelt es sich um eine Lernform, bei der der Lernprozess, komplett oder teilweise, außerhalb des Unterrichts stattfindet. Es ist durch unterschiedliche Grade der Selbststeuerung gekennzeichnet, die im Kontext des mediengestützten Lernens durch die Materialien bestimmt werden (vgl. ebd.: 116-117). In Bezug auf die Verwendung des Autonomiebegriffs im Kontext des Lernens mit digitalen Medien warnt Rösler vor ihrer Trivialisierung. Bestimmt ein Lernender selbst den Ort und die Zeit der Bearbeitung von Lernmaterialien, heißt es nicht, dass es sich automatisch um selbstbestimmtes Lernen handelt. Die Inhalte des Lernprogramms sind von Entwicklern (genauso wie Inhalte eines Lehrwerks von Autoren) bestimmt, die Auswahl der Lernpfade innerhalb des Programms ist auch durch die Anzahl vorprogrammierter Verzweigungen limitiert (vgl. ebd.: 117). Inwiefern Lernende ihre Lernwege innerhalb der Interaktiven Grammatik selbst bestimmen können, wird in Kapitel 5 expliziert.

Hinsichtlich der Förderung selbstbestimmten individuellen Lernens im Anfängerunterricht schlägt Rösler vor, eine kontrollierte Überschreitung der Progressionsgrenzen als selbstverständlich zu betrachten. „Dabei ist darauf zu achten, dass die Lernenden mit Aufgaben konfrontiert werden, die es ihnen erlauben, mit einem Erfolgserlebnis aus dem für ihren aktuellen Sprachstand zu komplexen sprachlichen Material wieder ‚herauszufinden‘“ (Rösler 2006a: 160). Wenn die Bestimmung der Überschreitung im Unterricht den Lehrenden überlassen wird, ist zu überlegen, wie die Aktivitäten, Aufgabenstellungen, Navigation und Steuerung in digitalen Lernmaterialien gestaltet werden müssen, damit der selbstständige Lernprozess gefördert und überhaupt ermöglicht wird.

Durch Digitalisierung stehen Selbstlernenden vielfältige Lernmaterialien zur Verfügung.3 Selbstlernmaterialien werden „in der Regel ergänzend zum lehrergesteuerten Unterricht“ verwendet (Lahaie 1995: 30). Dabei zielen sie auf das Training einzelner Kompetenzen und Fertigkeiten ab (vgl. ebd.). Dass digitale Lernmaterialien gegenüber analogem Selbstlernen und Lernerautonomie stärker fördern, ist umstritten. So ist Koenig der Ansicht, dass Lehrwerke die Lernerautonomie konsequenter als computergestützte Lernprogramme fördern, obwohl es gerade bei der Konzeption und Programmierung digitaler Materialien mehr Möglichkeiten zur flexiblen Gestaltung gebe (vgl. Koenig 2000: 29ff.). In seinem Beitrag formuliert er Kriterien für Lernmaterialien, die der Förderung der Lernerautonomie dienen. Eine wichtige Rolle wird der Transparenz des Lernangebots zugewiesen, damit Lernende sich schnell orientieren und über die Art und Schwierigkeit der Aufgaben informieren könnten. Außerdem sollten Materialien Aufgaben beinhalten, die die Selbstreflexion über den eigenen Lernstil und die Lerngewohnheiten beinhalten und Lernstrategien fördern (vgl. ebd.: 33-34). Lernmaterialien sollten auch entdeckendes Lernen ermöglichen. Ein besonderes Potenzial entdeckenden Lernens wird u. a. dem Grammatikunterricht zugewiesen, in dem Lernende Gemeinsamkeiten und Unterschiede vergleichen, grammatische Strukturen erkennen, Hypothesen aufstellen, überprüfen und gefördert werden, „dadurch zunehmend ein Gefühl für die Struktur einer Sprache, in diesem Fall der deutschen, zu entwickeln“ (ebd.: 36). Die ausgearbeiteten Kriterien gelten generell für Lernmaterialien, unabhängig davon, ob sie analog oder digital sind.4

Lernmaterialien alleine reichen für den Lernerfolg nicht aus, Lernende benötigen auch gewisse Kompetenzen zum selbstständigen Lernen. In diesem Zusammenhang ist die Diskussion über Lernstrategien und Lerntechniken nicht uninteressant. „Lernstrategien sind also (mentale) Handlungspläne, deren Ziel ist, etwas selbstständig zu lernen“ (Bimmel 1993: 5). Einen umfassenden Überblick über Strategien bietet Würffel (2006).

Die Erforschung von Selbstlernprozessen im fremdsprachendidaktischen Kontext steht im Mittelpunkt vieler Studien. Dabei handelt es sich sowohl um Selbstlernkurse mit analogen Medien (vgl. z. B. Lahaie 1995) als auch mit digitalen (Nandorf 20045; Würffel 20066; Schmidt 20077).

Während die Studien von Nandorf (2004), Würffel (2006) und Schmidt (2007) Lernende über einen längeren Zeitraum beim Selbstlernen begleiten und beobachten, handelt es sich bei der vorliegenden Arbeit um die Beobachtung eines deutlich kürzeren Lernprozesses, und zwar nur um die Untersuchung der ersten Begegnung mit dem Programm zum Grammatiklernen. Während dieser ersten Begegnung kann ein grammatisches Thema selbstständig entdeckt bzw. können Kenntnisse zum Thema durch die Regelformulierung systematisiert und in Übungen angewendet werden. In diesem Zusammenhang kann eine ausführliche Analyse einzelner Elemente des Lernprogramms – Multimodalität, Interaktivität, vorgesehene Aktivitäten etc. – zur Nachvollziehbarkeit kognitiver Prozesse bei der Bearbeitung des grammatischen Themas dienen. Darüber hinaus bearbeiteten alle Teilnehmenden dieselbe Einheit der Interaktiven Grammatik, somit erfolgte eine präzise Vergleichbarkeit der Lernwege einzelner Personen. Eine weitere Besonderheit der Teilnehmenden ist das Sprachniveau A im Deutschen, d. h. sowohl die Begegnung mit einem neuen Lernprogramm als auch eine selbstständige Auseinandersetzung mit sprachlichen Inhalten in der Anfängerstufe stehen im Vordergrund der Untersuchung. In Kapitel 6 werden weitere Unterschiede zu den genannten Studien hinsichtlich des triangulierenden Verfahrens bei der Datenauswertung aufgezeigt.

Grammatiklernen interaktiv

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