Читать книгу Mutmuskeltraining - Tanja Peters - Страница 15
ÜBER DEN MUT Vier Irrtümer und ein Missverständnis
ОглавлениеDas Wesen des MUTs wird oft verkannt, manchmal verwechselt und meist nicht so richtig verstanden. Ich räume hier mal mit ein paar Irrtümern und Missverständnissen auf. Damit du es einfacher hast deinen MUT zu trainieren, ohne an falschen Vorstellungen hängen zu bleiben.
Erster Irrtum: Wer MUTig ist, hat keine Angst
Das ist sicherlich der größte Irrtum zum MUT, denn das Gegenteil ist der Fall. Wenn wir keine Angst haben, dann handeln wir einfach und brauchen keinen MUT, um dies zu tun. Nur wenn die Angst sich meldet, braucht es den entsprechenden MUT, sie zu überwinden.
Es ist also nicht Ziel dieses Buches, alle Ängste zu verlieren. Es geht vielmehr darum zu lernen, trotz Angst loszugehen und handlungsfähig zu bleiben oder zu werden. MUT ist die Kompetenz, die Angst zu überwinden und nicht vor ihr stehen zu bleiben. MUT ist die Fähigkeit, die Angst zwar wahrzunehmen, aber trotzdem das Steuer nicht aus der Hand zu geben. Wenn du lernst, auch in solchen Momenten noch im Chefsessel zu bleiben, na, dann steht nichts mehr zwischen dir und deinem freien und selbstbestimmten Leben.
Angst ist also die Voraussetzung für MUT. Ohne Angst würde es MUT nicht geben und wir würden ihn auch gar nicht brauchen. Vielleicht kannst du die Angst ab sofort mehr als Freund und nicht mehr so sehr als Feind betrachten. Denn Angst ist ja erst mal funktional und will uns vor einer möglichen Gefahr warnen. Sie will uns also zunächst nur sagen: Schau noch mal genau hin und wäge ab, ob du das machen möchtest. Auf den zweiten Blick lädt uns diese Angst dann vielleicht ein, uns gut vorzubereiten, weil wir gerade etwas Neues ausprobieren. Frage mal Künstler oder Sänger, ob sie ihr Lampenfieber komplett loswerden möchten. Was glaubst du? Nein, ein bisschen Adrenalin und Aufregung, bevor der Vorhang hoch geht, ist gut für die Konzentration, die Präsenz und um nicht fahrlässig zu werden und sich trotz viel Erfahrung immer wieder gut vorzubereiten und konzentriert zu sein.
Zweiter Irrtum: Wir brauchen WageMUT für ein MUTiges Leben
Manchmal wird der MUT mit dem Wagemut verwechselt. Dann scheint es im Wesentlichen darum zu gehen, möglichst viel Adrenalin auszuschütten, die Gezeiten oder die Schwerkraft zu überwinden und etwas zu schaffen, was auch schnell in Verletzungen oder Unfällen enden könnte. Ich will niemandem den Wagemut absprechen. Wenn man Lust und Spaß an solchen Herausforderungen, sportlichen Höchstleistungen oder Abenteuern hat, dann ist das ganz wunderbar und kann sicher erfüllend sein.
Aber wir müssen solche Dinge nicht tun, um unseren MUT zu trainieren und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Es reicht, sich im Alltag etwas zu trauen oder zuzutrauen und immer da MUTig einzuschreiten, wo sich die Angst in den Weg stellt. Wir können Grenzen überwinden, die uns in unserer Entwicklung hemmen und unsere Komfortzone erweitern, wenn es darum geht zu wachsen und in unsere volle Größe zu kommen.
Du musst nicht zwangsläufig deine Höhenangst überwinden, nur weil sie da ist. Wenn du natürlich Fallschirmspringer werden willst oder dich diese Angst auch sonst in deinem Alltag einschränkt oder von großen Träumen abhält, dann solltest du mit dem MUTmuskeltrainig beginnen. Ansonsten darfst du deine Höhenangst auch einfach behalten und pflegen.
Deshalb werde ich nicht müde, in meinen Vorträgen zu wiederholen: Das Leben ist zu kurz für MUTproben! Investiere deine Zeit und Energie lieber in sinnvolle Grenzerweiterungen. Die Musik spielt in unserem alltäglichen Tun. Deshalb kultiviere und trainiere lieber den AlltagsMUT statt den WageMUT.
Dritter Irrtum: Ich bin und bleibe ein Angsthase – andere sind viel MUTiger als ich!
Niemand ist zu 100 Prozent ein Angsthase. Wir haben alle IMMER MUTige und ängstliche Anteile in uns. Natürlich gibt es Menschen, die etwas ängstlicher sind oder zumindest ängstlicher wirken als andere. Für das MUTmuskeltraining heißt das aber lediglich, dass diese Menschen ein großes Potential haben zu wachsen. Und meine Erfahrung ist, dass gerade diese Menschen oft über sich hinauswachsen, sobald sie verstehen, wie sie den MUTmuskel trainieren können, aufhören sich mit anderen zu vergleichen und ihren eigenen Maßstab anlegen. Dann wird auf einmal die eigene Entwicklung sichtbar und nicht mehr der unfaire und wenig sinnvolle Vergleich zu irgendjemand anderem.
Auch ich ertappe mich manchmal dabei, andere Leute für MUTiger zu halten, als mich selbst. Oder zu denken, dass ihnen Aufgaben einfach leichter fallen als mir. Mittlerweile fällt mir aber schnell wieder ein: Die anderen denken genauso, nur eben andersherum und dann kann ich den Gedanken direkt wieder loslassen. Wir Menschen tendieren einfach dazu, uns selbst kritischer zu sehen, als die anderen das tun. Deshalb können andere Menschen auch Potentiale und Talente in uns sehen, die für uns noch nicht sichtbar sind.
Also lass das Vergleichen lieber,
denn es ist für dein Leben und deine Entwicklung völlig egal, ob andere etwas schneller oder besser können als du. Es hilft dir einfach nicht weiter.
denn der Vergleich hinkt meist, da wir überhaupt nicht einschätzen können, ob es für den anderen ein schwerer Schritt war. Vielleicht war und ist es für den anderen ein Heimspiel, weil er oder sie einfach durch andere Themen herausgefordert ist, aber eben nicht durch das Thema, das dir schwerfällt.
denn der Vergleich hinkt direkt ein weiteres Mal, da wir mit anderen meist großzügiger sind und nur auf uns selbst so kritisch schauen.
Wenn du also aus deiner Sicht zu den ganz großen Angsthasen gehörst, dann freue dich jetzt schon auf die Riesenschritte, die du machen wirst. Denn das MUTmuskeltraining funktioniert wie jedes andere Krafttraining auch. Wenn du regelmäßig trainierst, dann kannst du es gar nicht verhindern, jeden Tag ein Stück stärker und MUTiger zu werden. Versuch doch mal jeden Tag Liegestütze zu machen, ohne stärker zu werden. Und? Siehste, geht gar nicht!
Vierter Irrtum: MUTige Taten sind immer auch Heldentaten
Die breite Masse glaubt, MUTige Taten sind von außen sichtbar. Wow, das war aber MUTig, dass du gekündigt hast und dir einen anderen Job gesucht hast. Vielleicht war es das? Vielleicht aber auch nicht! Wer weiß das schon. Denn es kommt ja immer darauf an, ob du davor Angst hattest. Deshalb werden die kleinen, leisen Dinge, die wir uns jeden Tag trauen, nicht als MUTig wahrgenommen. Wenn aber jemand Angst hat, alleine auf eine Veranstaltung zu gehen, weil er den sogenannten Small Talk nicht beherrscht und nicht so leicht mit Menschen ins Gespräch kommt, dann ist es sehr MUTig, sich dieser Herausforderung zu stellen.
Um genau diesen Irrtum – dass MUTige Taten von außen sichtbar sind – aus dem Weg zu räumen, habe ich die MUTinterviews für dieses Buch geführt. Damit für dich sichtbar wird, dass Ängste ganz individuell sind und damit eben auch der MUT, diese zu überwinden. Manchmal wirst du dich wundern, wovor jemand Angst hatte, weil es für dich keine Herausforderung gewesen wäre, und manchmal wird dir der Mund offenstehen, weil du zutiefst beeindruckt sein wirst, was sich jemand getraut hat. Und am Ende wirst du deine ganz eigene Geschichte schreiben, eben mit deinen MUTigen Taten.
Das große Missverständnis: Die MUTberaterin ist angstfrei
Viele denken – da ich mich MUTberaterin nenne und mit dem Slogan »Ich mache Menschen MUTiger!« in die Welt gehe –, dass ich völlig furchtlos bin und für mich kein Berg zu hoch oder Tal zu tief ist. Dann muss ich immer sehr schmunzeln. Wenn ich mal selbst als Teilnehmerin auf einer Veranstaltung oder auf einem Seminar bin und darüber spreche, dass ich mich gerade etwas noch nicht traue oder an etwas große Zweifel habe, na, dann schlägt mir oft großes Unverständnis entgegen: »Wie? Ich dachte du bist die MUTfrau. Das verstehe ich nicht, dann mach doch mal.«
In dieser Aussage stecken für mich sogar zwei Missverständnisse:
Nein, ich bin nicht die MUTberaterin geworden, weil ich furchtlos bin und vor nichts und niemandem Angst habe, sondern weil ich ein großer Angsthase war und es manchmal immer noch bin. Deshalb bin ich Expertin für das Thema MUT und MUTiges Leben geworden, weil ich so viele Möglichkeiten zum Training hatte.
Und das zweite Missverständnis ist die Annahme, dass man mit der einfachen Aufforderung »Mach halt mal, ist doch nicht so schwer!« Menschen zu einem MUTigen Schritt oder in Entwicklung bringen kann.
Entwicklung passiert nicht auf Bestellung von außen, sondern immer nur mit der inneren Bereitschaft und im eigenen Tempo.
Von außen sehen die Ängste manchmal klein und unverständlich aus, während sie sich in dir groß und übermächtig anfühlen.
Jeder Mensch hat andere Herausforderungen, Ängste und Zweifel, das muss das Gegenüber nicht verstehen oder nachvollziehen können. Es ist einfach, wie es ist. Das gilt es erst mal zu akzeptieren, beidseitig.
Wir erMUTigen Menschen nicht, sich zu entwickeln, indem wir mit Unverständnis oder platten Aussagen auf deren Ängste oder Verletzlichkeit reagieren. Wenn wir wirklich unterstützen wollen, dann können wir dies viel besser, indem wir gute Fragen stellen, statt unsere Wahrheit und Sichtweise ungefragt über dem anderen auszugießen.
Hilfreicher wäre also zum Beispiel zu fragen: Kannst du sagen, wovor genau du Angst hast? Hast du eine Idee, was dir jetzt gerade helfen könnte, diese Angst zu überwinden? Kann ich dir gerade dabei helfen?
Lass uns also gemeinsam trainieren und lernen, wie wir noch selbstbestimmter und freier leben können. Und wenn du mich mal auf einem Seminar oder Vortrag treffen solltest, na, dann sei bitte nicht verwundert, wenn ich gerade wieder für etwas trainiere, was ich mich noch nicht traue.
Wer bin ich? Was mache ich?
Ich bin Julia Spieß (43), ich bin leidenschaftliche Improvisateurin (privat und beruflich). Ich arbeite als Coach, Improvisationsschauspielerin und Trainerin für die Menschen, die ihre Überraschungskompetenz stärken wollen.
Meine mutige Tat:
Selbständige Unternehmerin zu sein (mit 3 Kindern), um die Barriere zwischen »work« und »life« aufzuhebe(l)n!
Meine größte Angst:
Ich habe oft Angst gehabt, meine Arbeitsweise könnte nicht professionell genug wirken, weil Improvisation und Spontaneität oft als Notlösungen angesehen werden.
So konnte ich diese Angst überwinden:
Ich habe meiner Intuition vertraut. Es gibt außerdem ein paar »goldene Improvisationsregeln«, die mich täglich begleiten wie ein Mantra …
Und: Das Feedback meiner Klienten / Kunden spricht für sich und mich!
Hat es sich gelohnt?
Volle Lotte! Ich liebe meine Berufung und jeden einzelnen Tag, an dem mich meine Arbeit und meine Familie beglücken. Das sind mittlerweile fast alle Tage!
Mein Lieblingszitat zum MUT:
Machen ist wie Wollen – nur krasser!