Читать книгу Hugo Bauklotz - Ein Zaun - Tarius Toxditis - Страница 40
Blatt 1: An? Ist er an?
ОглавлениеDas Lindenbankhaus – Ihre Andere Bank
Auszug 35 159 23 5, Blatt 1
Aktueller Kontostand: ein Ende
Eingang: das Sein eines Scheins – ein ßilberling
Radius Lehr An? Ist er an? Tatsächlich, er ist an. Geschafft, an, wer das je für möglich gehalten hätte! Na ja, gut Ding braucht nun mal sein Weilchen, da kann man tun und lassen, was man will. Wie hätte man aber auch erahnen können, was Anmachknopf auf Türkisch heißt; wenigstens steht die russische Fassung weiter hinten. Gott sei Dank, ich sag‘ s ja, der Ali hätte aber ruhig auch was sagen können. Ach, der Ali, der Gute, wie lange alles zurückliegt, immerhin hat er beim Anschließen geholfen, vom das ganze Zeug die Treppe rauf schleppen ganz zu schweigen! Nur sagen hätte er was können, wie das Surren tut, einfach wunderschön:
Surr, surr, so possierlich.
Surr, surr, so manierlich
Die Monkees,,die Faces
Oder doch CCR 0
Wer von ihnen
Waren die größten vier?
Surr, surr, so manierlich.
Surr, surr, wie possierlich.
Ach, ich wüsste nicht, was ich tät,
Wenn ich nicht das Surren hätt.
Ein verborgener Schatz
In der Herzkammer.
Neunzehn sind geboren,
Millionen werden es sein.
Surr, surr, wie manierlich,
Surr, surr, so possierlich.
Auf dem Spaghetti- Teller
Surrt elektrische Soße.
Neunzehn sind geboren,
Millionen werden es sein.
Hugo Bauklotz – um Gotteswillen,
Hugo Bauklotz – wer nur soll das sein?
Surr, surr, ich wüsste nicht,
Was ich tät, wenn nicht das Surren wär.
Deutsches Land, eisiges Land.
Auf Trümmern Gediehenes.
Zukunftsträchtige surren,
Sich die weißen Handschuhe rein.
Deutsches Land, Heiliges Land.
Eines, das seine Kinder nicht kennt?
Zukunft, noch ein Gutachter?
Vergangenheit, Gegenwart.
So surre ich mein Lied zu Ende,
Spucke tapfer in die Hände.
In meiner Herzen Kammer
Ein verborgener Schatz.
Ach, ich wüsste nicht, was noch wär,
Wenn ich kein Surren hätt.
Surr, surr, possierlich,
Surr, surr, manierlich.
Die Faces, die Monkees,
Oder doch die Kinks,
Wer waren die besten vier?
Hugo Bauklotz, auf die Plätze,
Hugo Bauklotz, wer das sein soll,
Ach, es wird mir schon noch einfallen,
Bin ich erstmal richtig beim Pinseln.
Drum surr ich dieses Lied zu Ende,
Spucke fleißig in die Hände.
Surr, Surr, Suu - suuurrr!
Oh yeah, puh, surr, surr, das soll‘ s hiermit aber auch gewesen sein, schließlich muss ich weitermachen im Text, oder hab ich nicht jetzt schon wieder viel zu viel Zeit verloren? Ach, der gute, alte Ali, nur warum er nichts gesagt hat, wie interessant das Türkisch auch sein mag; nein, mehr Zeit verlieren darf ich nicht, mehr Zeit verlieren will ich nicht. In die Hände spucken, und auf die Arbeit stürzen, von allein hat sich schließlich noch kein Auftrag erledigt, also schauen wir mal, was noch geschrieben steht: „Sobald der Rechner hochgefahren ist, erscheint der Desktop“.
Aha, haha, selten so gekullert. Ha ja, ha, was ist das denn schon wieder, und wo der nur ist, dieser verflixte Desktop, und im Schnecken- Tempo hat sich das Bücherschreiben sowieso noch nie erledigt. Komm doch, liebe Desktop, komm doch bald herbei! Lala, die Anne, wenn die das jetzt sehen würde, diesen ganzen technischen Schnickschnack, platzen würde die, und zwar vor Neid, die Anne, ach, aber wo die überhaupt steckt?
Seltsam, passt nicht zu ihr, irgendwie, dass die sich heute noch nicht blicken hat lassen. Auf der anderen Seite – kann‘ s mir nicht recht sein? Garantiert würde die unnötig hinein quatschen, obwohl so ein Auftrag nur mit hundertprozentiger Konzentration erledigt werden kann. Ach, die Anne, ist sie mir ohnehin nicht auf die Pelle gerückt, in letzter Zeit, mehr wie je hätte lieb sein können? Doch, doch, ist sie, sogar auf den Schoß, ausgemacht hat es mir zwar nichts, aber wie schnell man verdächtigt wird. Heutzutage, schon das Schenken eines kleinen Bonbons – also, nicht, dass ich der Anne jemals auch nur ein Haar krümmen könnte. Niemals im Leben, ach, du meine Güte, an so etwas darf ich erst gar nicht anfangen zu denken, nee, vor so etwas möge sie allzeit bewahrt bleiben. Schwarzer Schmetterling hin, Erdbeerschaumduft her, schummrig zumute wird mir, na ja – irgendwie ins Herz geschlossen habe ich sie ja schon. Irgendwie, nach all den schönen Jahren – ach!
Ah, ich glaube, jetzt weiß ich, wo sie ist, hat sie nicht irgendwas von einem kleinen Klassenkameraden erzählt? Der hinter ihr her ist? Um unbedingt mit ihr ins Kino zu gehen? Doch, doch, Micky Maus war es, glaube ich, Micky Maus oder Godzilla, aber Hauptsache sie ist mit ihresgleichen zusammen. Denn was soll ich auf Dauer mit ihr, mit ihr und ihrem Kindertalent? Und für Mensch Ärgere Dich Nicht und Memory habe ich einfach keine Zeit mehr. Ab heute, wie denn auch, wenn man unentwegt am Pinseln ist? Dem Lembel allein bin ich‘ s schuldig, dem viel zu Guten.
Und wenn der Turm meiner Träume erst einmal verdient worden ist, werden die Tage mit ihr noch rarer werden. Das geht schneller wie man denkt, außerdem ist die ja sowieso viel zu dürr für die viel zu schmalen Treppen, viel zu schmächtig für den Aufstieg zu meinem siebten Himmel. Wo das Pinseln unverdrossen weitergehen wird, schließlich sind die Aufträge endlos, das Los eines Bücherschreibers, keine Frage, höchstens Lembel darf mich besuchen. Muss er ja sogar, zur Vorbeibringung meiner unvorstellbaren Verdienste, und Frau Fiel, falls ich mich in der turmhohen Einsamkeit doch noch ab und zu nach Halma sehnen sollte. Vor dem Turmeintritt hat sie sich allerdings einer eindeutigen Surrkontrolle zu unterziehen. Zwecks Vermeidung aufgewärmter Karamellorgien sämtliche Puddingschüsseln abzugeben, gleich unten am Eingang, bei der turmeigenen Surrwächterin, die Surrkräuter von den Surrturmgärtnerinnen geerntet, und zubereitet von den Surrturmköchinnen in der Surrturmküche, der Surrquark geliefert von den Surrmelkerinnen gemolkenen Surrturmkühe in den surrsurreigenen Surrturmställen.
Das soll‘ s dann aber auch gewesen sein mit den Besuchern im Allgemeinen, mit den Weibern im Speziellen. Das gilt natürlich auch für die Anne, und wozu hat man schließlich seinen eigenen Kopf? Mit ihm wird dieser Hugo Bauklotz jetzt angegangen, mit ihm und dem alten Grammatikbuch, na, und so angst und bange braucht mir von ihm nun auch wieder nicht zu sein. Ein Kinderleichtes das Bücherpinseln, dazu habe ich ja noch meinen Zaun, der ist sowieso gesetzt, und ich denke, mit ihm habe ich etwas total Unbeugsames geschaffen.
Der Zaun – hm. Denn waren es nicht sogar ganz berühmte Bücherschreiber, die Ihre Nase an ihm gerieben haben? Gründlich und ausgiebig, ich meine, wie war das zum Beispiel? Ich meine, mit dem kleinen Jungen? Mitten in Amerika glaube ich, der unbedingt den Zaun der Tante zu pinseln hatte, jedoch das Arbeiten geschickt anderen überließ. Irgendwo am Mississippi glaube ich, und sogar dafür was kriegte, ja, unverhofft reich wurde - genauso etwas schwebt auch mir vor. Tja, wohl dem, der einen Zaun hat, tja ja, und um Verwechslungen auszuschließen, verlagere ich die Geschichte einfach. Ja, warum denn nicht, wie wär‘s zum Beispiel nach, nach, na, sagen wir mal an die deutsch – deutsche Grenze, einen Haufen Indianer hinzugenommen, eine ordentliche Brise Amerikanismus hat schließlich noch keinem geschadet, und für das Anstreichen kriegen sie rot triefende Farbe in die Hände gedrückt. Und ganz zum Schluss werde ich Old Shatterhand über den Zaun reiten lassen, Einen wie Winnetou nicht zu vergessen, jawohl, eine verflixt gute Geschichte wird das, na, und wer schon braucht noch Fix und Foxi und King Kong, soll doch eine wie die Anne mit ihresgleichen glücklich werden.
Ha - drum will ich mich nicht noch länger aufhalten, oder war es Old Surehand? Old, Old, Old – na, egal, irgendeiner auf jeden Fall, schummrig zumute wird mir. Irgendwie, nein, das darf nun wirklich nicht sein, wo ich doch noch so viel zu tun habe! Nein, ich will nicht müde sein, ich kann nicht müde sein, ich habe doch gar nichts getan. Fast nichts, nein, ich will nicht.
RLG Raus – bin ich raus? Tatsächlich, ich hab‘ s geschafft, uh, das war jetzt aber wirklich knapp, verdammt knapp sogar, in einem der letzten noch zur Verfügung stehenden Momente. Oh ja, und wenn nicht restlos alles täuscht, bin ich auf dem Boden jener Tatsachen gelandet, die im allgemeinen Sprachgebrauch mit „Motherboard“ bezeichnet werden. Überall kneift es, überall pikt es, überall, au, aua, ach, hätte man bei der Schaffung dieser Dinger nicht ein klein wenig mehr an Räumlichkeit denken können? Aua, was für ein Salat, fürwahr, fürwahr, zwischen hübschen Blättern geschlittert, und fleißig am Ratzen derjenige, aus dem ich entflohen! Zumindest nachdem, was die spärlichen Lichteinfälle an Ausblicken gewähren, mehr denn je, dieser, dieser - dieser frischgebackene Schreiberling! Ach herrje, ein sogenannter Schreiberling! Ein selbsternannter dazu, ach, was für ein Wahnwitz, ach herrje, kopfüber auf der Tastatur dieses sündhaft teuren Rechners. Weil man ja unbedingt auf dem neuesten Stand zu sein hat, und ein Bücherschreiber sowieso nicht auf so etwas verzichten kann. Ach, was für ein elendiges Elend, nicht zu fassen, einfach nicht, das Verlassen mit einer der besten Ideen, die ich jemals hatte. Ach, was mir alles erspart geblieben wäre, wäre es mir nur früher eingefallen. Saufgeschichten en masse, Weibergelage en masse. Und natürlich diese völlig hirnrissige Schreibidiotie – ach ja!
Ist doch wahr, was für ein Einfall, diese Schreiberei, dabei hat er nichts, nicht eine einzige Zeile – oder doch: „Hugo Bauklotz – ein Zaun.“ Nicht mehr, ein Titel, doch ausreichend, um das ganze Umfeld hoffnungslos zu verprellen, an den Herr Lembel fange ich besser erst gar nicht an zu denken, nein, zu übel würde mir werden. Gelinkt, anders kann es nicht gesagt werden, pfui, über den Tisch gezerrt, unehrenhaft ist kein Ausdruck, beileibe nicht, nein, meine spontane Flucht entpuppt sich mehr und mehr als eine goldrichtige, in der Tat, in der Tat, bestimmte Dinge kann man nun mal einfach nicht mehr mit sich vereinbaren, schlichtweg: Hugo Bauklotz und sein dämlicher Zaun, ach, wenn ich das nur höre.
Oder die Anne, misst ihrer fehlenden Nähe nichts bei. Als ob sie das verdient hätte, nach all den schönen Jahren; verzichten will er, auf sie und ihr Talent, und das auch noch in seiner Lage! Mit dem Ungeschriebenen vor der Nase, unfassbar, und was spielt es eigentlich für eine Rolle, dass sie noch ein Kind? Allein mit einem Grammatikbuch will er es bewältigen, hoffnungslos zerfleddert, vom eigenen Kopf ganz zu schweigen. Und dem viel zu teuren Rechner, ach herrje, und ich befürchte, nicht einmal so etwas wie die russische Fassung hätte ihm davor bewahren können, jemals den Einschaltknopf zu finden.
Selbst der Ali nicht verschont geblieben, beileibe, der braucht ja bloß den ungedeckten Scheck zu entlarven, im Nu ist der abgewirtschaftet, ein gutes Ende nimmt das nie und nimmer. Ja, das ist anzunehmen, davon ist auszugehen, furchtbar, und alles nur wegen Hugo Bauklotz und diesem verdammten Zaun. Uh - und wer das nur sein soll! Dieser Hugo Bauklotz – ach herrje! Und das Allerschlimmste ist, dass nicht einmal er selbst es weiß. Der Zaun dazu, was für eine Idee, was für ein Einfall, mein Gott, Waschvollautomaten verkaufen sich wohl besser. Mehr oder minder, um auch einmal einen Vergleich zu wagen.
Ist doch wirklich wahr – und was es für etwas wie mich jetzt eigentlich noch gibt, gilt freilich noch zu erkunden. Ja, neu zu orientieren habe ich mich, fürwahr, na ja, vielleicht gibt es ja bei allen Düsterheiten doch noch etwas mehr zu erspähen wie der unerträglich lautratzende Unglücksrabe, mitten auf der Tastatur, und das unter Anbetracht des nicht einmal im Ansatz bewältigten Arbeitsberg. Nein, nicht einen Zentimeter, einfach nichts, und ist aufgebürdet schließlich nicht aufgebürdet? Und der arme, arme Lembel, oh, daran gedacht werden darf wirklich nicht.
Aber wenn man schon mal beim Neuorientieren, frei nach dem Motto „was bleibt so etwas wie mir auch anderes übrig“, ist vorläufig eines festzustellen: zappen düster ist es, zappen düster hier auf diesem Motherboard, bei aller Lichtarmut sind‘ s lediglich ein paar Sterne, wild irrend in der Höhe, die für ein klein wenig Helligkeit in unserem kleinen Zimmer sorgen. Fürwahr bunt, fürwahr, ein Ausdruck meines knallharten Aufpralls? Am Ende, beziehungsweise eine Folge, hier auf meinem viel zu engen Motherboard – aua! Überall zwickt es, überall zwackt es, aua, will ich eigentlich überhaupt noch?
Ein hübsches Schlamassel, und was sind das eigentlich für Sterne, ja, irrend ist kein Ausdruck, wirrend, beileibe, schwirrend, alle möglichen Farben, bunt, und in der Tat erzeugen sie ein klein wenig Helligkeit in die karge Tristesse. Hm – hm, und ist mir nicht so, als ob einer dieser Sterne heller leuchtet? Keine Frage, heller wie all die anderen, oh, wie schön er ist, zweifelsfrei, ist es am Ende nicht gar der erste wahre Trost, welch mir zuteil? Für die Einsamkeit auf meinem Motherboard, oh ja, schön ist er, emporschwebend im ganzen Raum, und silbern leuchtend, ja, silbern leuchtend – aber was ist das?
Nanu, oder ist es das Piksen, das verunsichert? Das Zwicken, das Zwacken, aber ich bin doch hellwach, vom Träumen keine Spur, a – a – ein Bild! Mitten auf dem Silberstern! Fürwahr, fürwahr, das gibt es doch gar nicht, einfach nicht, der, der, der – der frisch gestylte Kundenraum! Was aufgezeigt wird, der Kundenraum unserer Bankfiliale. Gleich nebenan, ohne Frage, Silberstern, oh, Silberstern, was soll das, oder willst du mich auf den Arm nehmen? Oder gönnst du mir nicht die Freude, die das Entdecken von dir mir entgegengebracht?
U – u – unsere Bank, ich fasse es nicht, bestens zu erkennen, mehr wie einem lieb sein könnte, ja, das ist anzunehmen. Davon ist auszugehen: die surrenden Glasschiebetüren, die kundenfreundlichen Beratungstische, die friedlichen Gummibäume in die Ecken, die Stehtische zum Ausfüllen von irgendwelchen Bankformularen, die Wartesitzschalen an der Sitzschalenwartewand, aus waschechtem Kunststoff, - and last but not least – Chantals Schalter! Doch bei all dem, die Filiale verwaist, nein, nicht eine Bewegung, keine Leute, wo nur sind sie alle hin? Fühlt man sich nicht erinnert an so etwas wie Parkhausatmosphäre? Ja, nichts und niemand – schlichtweg, nicht einmal die Chantal, die wird doch nicht einen auf krankmachen? Am Ende, nee würde nicht zu ihr passen, einfach nicht. Hm, und Urlaub hat die garantiert auch keinen, das hätte sich in unserem Vorstadtviertel längst herumgesprochen. Wie ein windiges Lauffeuer, nee, irgendwie ist der Wurm drin!
Ach, wenn‘ s denn nur ein Wurm wäre, ein Spuk ist‘ s, ein Spuk, ein elendiger Traum! Ach Silberstern, ach Silberstern, was du nur mit mir treibst? Genügt es nicht, dass ich zu flüchten hatte? Unbedingt, hier auf dieses verdammte Motherboard? Ein zusätzliches Vermiesen meines Dahinfristens, fürwahr, fürwahr, und die Chantal, wo ist sie nur hin?
Obwohl – vielleicht ist sie ja für kleine Mädchen! Schlicht und ergreifend, zeugt die Offenlegung Kunden relevanter Dinge nicht von einem urplötzlichen Verschwinden? Zwischenmenschlich hin, Bedürfnisse her, der Rollenschrank zum Beispiel – eine Handbreit offen. Die Noten in den Scheinfächern, farbiger und bunter sortiert denn je, nicht zu vergessen die an einem Papierkorb angelehnte tränenförmige Krokodilhandtasche, die nicht nur ihre einzigartige Lippenstiftarmada beherbergt, sondern einer durchaus respektablen Anzahl von Frauenzeitschriften, mit genügend Kreuzworträtseln natürlich, für die Fälle, bei welchen an ihrem Schalter nicht so viel los ist. Selbstverständlich, was denn sonst auch, aber ich weiß nicht, nein, ich weiß es wirklich nicht, oder ist sie doch nicht beim Pinkeln? Sondern bei der fühlbaren hunderttausendsten Besprechung im Büro des Filialdirektor Herr Ilja Indirekt, was auch nichts Neues wäre – beileibe nicht.
Hm, hm, auf jeden Fall irgendwo in der Nähe, das Laufen der Programme, merkwürdig, alles irgendwie, ein Reim will mir nicht einfallen. Wird zudem auf ihrem Bildschirm nicht Kundennahes aufgeführt? Ein, ein – ja, ein Kon- Kon – Konto gar! Seltsam ist es, viel zu seltsam, nur drauf schielen darf ich nicht, wider meine Natur, im wahrsten Sinnsinn! Das was ich allerdings doch erspähe, will ich auch nicht sehen. Mir dünkt es, irgendwie, oh weh, wie man sich fühlt, ich darf gar nicht daran denken, a – a – ein Text! Mitten auf einem Konto? mitten auf dem Bildschirm, mitten auf dem Stern? Doch, doch, ganz deutlich, ich will hinwegsehen, aber es gelingt nicht, es gelingt mir irgendwie nicht. Oh je, doch bei allem Elend, eines verwundert mich dann doch, denn was Buchführung und ähnlichem angeht, bin ich wahrlich kein Experte, wahrlich, wahrlich, soviel glaube ich aber dann doch zu wissen: werden Konten nicht mit Zahlen gespeist? Eigentlich? Wenn mich nicht alles täuscht? Beziehungsweise normalerweise? Bei aller Bescheidenheit? Doch, doch, ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, bestimmt ist dem so, was mir jedoch ins hundertprozentige Nichtauge fällt, sind Worte. Worte, Worte, nichts wie Worte, und den Eindruck, dass es immer länger wird, kann man sich auch nicht gerade entziehen.
Beileibe nicht, ach, wie kann man nur hinwegsehen, ich will das einfach nicht, du silberner Unglücksstern! Was du mir bescherst, geht das denn niemals zu Ende, nie und nimmer, nein, ich will nicht, unmöglich, ein Name am Anfang! Nein, das gibt es nicht. Einfach nicht, Zufälle sind das keine, oh Silberstern, aber ob das den Braten jetzt noch entscheidend fetter macht? So wie du mich ärgerst, Mengen an Unmengen an Mengen auf dem Konto, grenzenlos: an – ist er an? Was denn, du meine Güte, was bitte schön soll an sein, tatsächlich, er ist an, als ob mir diese Worte gänzlich bekannt vorkommen, geschafft, an, ja, was, verflixt, wer das je für möglich gehalten hat, uh, mehr wie einen leisen Verdacht habe ich. Einen mehr wie leisen wohlgemerkt, du meine Güte, das gibt es doch gar nicht. Einfach nicht, nein, das darf doch alles nicht wahr sein! Meine Worte, seine Worte, unsere Worte – aufgereiht wie auf einer Perlenkette. Na ja, gut Ding braucht sein Weilchen, nein, nein, und nochmals nein, was ist das denn für ein fauler Zauber! Mit dem der Silberstern uns ungeschminkt auf dieses unselige Konto katapultiert! Die Chantal, wenn die das liest, ich darf gar nicht daran denken, meinen leeren Luftschädel haut die ein! Ach, du verflixter, verflixter Silberstern, kannst du nicht Einhalt gebieten – na also, geht doch!
Na also, es geht doch nicht, meine Worte, unsere Worte, es wird ja immer mehr, immer mehr, alles was ich denke, Unmenge an Mengen an Unmengen, alles was ich sage, wo dies nur hinführen mag? Und jedermann der Zugang zu diesem unsäglichen Konto hat, kann nachvollziehen, was ich gesagt. Was ich gedacht, auf Gedeih ausgeliefert, auf Verderb, ach Silberstern, kannst du nicht einfach einen Riegel vor das Unangenehme schieben? Was für ein elender Spuk, halt, ich hab´s! Eine Idee, ich muss ja nur einfach mit dem Sprechen aufhören, mit dem Sprechen und mit dem Denken! Und schon wird es unterbunden, das gnadenlose Drauftickern, ach, was für ein guter Einfall!
Na also, und ganz einfach, und es nutzt was – nein, es nutzt nichts, unvermindert das Unverminderte! Was ist das: ein Ausrufezeichen? Ein Fragezeichen! Nein, ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr, immer mehr wird es, immer mehr, immer mehr, immer mehr, jeder Punkt, jedes Komma. Länger und länger und länger, wo ich nur hineingeschlittert bin, und die Chantal, selbst das was ich über ihr Pinkeln gesagt habe, oh nein, sie wird alles erfahren!
Also, Chantal, höre bitte mal zu: wenn du das liest, bist du nicht beim Pinkeln! Ach, tut man ja sowieso nicht, wenn man das liest, am Schalter meine ich, ja, das ist anzunehmen. Doch, doch, davon ist auszugehen, ich muss machen. Mir dünkt, mir bleibt ohnehin nur eine Möglichkeit: ich selbst muss dem Unglück entgegentreten. Irgendwie, um wieder runterzukommen. Vom Konto meine ich, von diesem unsäglichen Konto, also auf in den Kampf, das Übel muss an die Wurzel gepackt werden! Und das ist nun einmal dieser silberne Fünfzack, glänzend, na ja, ob man dies wirklich als solches bezeichnen soll? Beleidigungen sind etwas durchaus Verdientes, ach, wie man sich doch blenden lassen kann, eines ist jedoch mehr wie klar: der Stern, er schwebt! Schwebt und schwebt auf einem silbernen Strahlenbündel, der vom Boden meines Motherboards stammt - man muss ihn ja nur einfach mal etwas genauer betrachten.
Im wahrsten Sinnsinn, ah, Schreck, lass nach, was das schon wieder ist! Ekliges ist zum Ekeln da, ich sag‘ s ja, erspart bleibt einem heute auch wirklich nichts. Hässlich ist kein Ausdruck, beileibe, doch bei allem Grässlichen hat der Fund auch was Gutes, bin ich nicht der Ursache des unglücklichen Kontos vorentscheidend auf die Pelle gerückt? Doch, doch, find ich schon, irgendwie, und mir bleibt auch keine Wahl als wie mich mit dem Scheußlichen auseinanderzusetzen. Aber was soll‘ s, gehört Mut schließlich nicht den Mutigen? Oh je, denn wenn mich nicht alles täuscht, entrinnt Flüssiges aus diesem ins verschwindende Nichts – nichts, dass es am Ende gar heult. Wesen tun das, und Wesen haben auch eine Klappe, mit welcher man reden kann. Ach, was soll‘ s, so oder so, also, auf ins Gefecht!
Hallo du da, hm – ja, hm, denn eines fällt dann doch auf! Die ganze Zeit jetzt schon, irgendwie, und allem Widerwärtigen zum Trotz nötigt es sogar so etwas wie mir so etwas wie Respekt ab, denn kann es sein, dass dieser Schrumpeldreck Abschnitte überträgt? Gar, frei nach dem Motto „wer das je gedacht hätte“? Doch, doch, tatsächlich, alle Achtung, was es allerdings auch gewesen sein soll, Mit gut Gemeintem meine ich, fürwahr, fürwahr, sich davon aufhalten sollte man sich in der Tat nicht länger, frei nach dem Motto: „Hallo, du da, Klappe, die Zweite“.
Hallo, du da, ja, mit dir rede ich, mit dir, mit dem ich den ohnehin viel zu geringen Platz auch noch zu teilen habe! Hier auf diesem Motherboard, ganz offensichtlich, unfreiwillig natürlich, oh ja: ich fordere dich umgehend auf, umgehend von deinem Tun abzulassen! Verstanden, und zwar ein bisschen umgehend, deine Unglücksstrahlen befördern mich nämlich auf ein Podium, auf dem man hoffnungslos ausgeliefert ist! Beende es sofort, schließlich ist das Ganze einfach nur boshaft! Nein, anders auszudrücken ist dies fürwahr nicht, und sage mir gefälligst, wer du bist, und was dein eigentlicher Hintersinn ist. Ja, antworte endlich, ich habe ein Recht darauf, und höre auf zu schluchzen, ach, einfach nur widerlich!
ßilberling Ich schluchze aber, mir ist danach!
RLG Im Anbetracht deiner Unverschämtheiten!
ßilberling Hässlich nennst du mich!
RLG Unglaublich!
ßilberling Grässlich, scheußlich – lässt du eine Beleidigung aus? Du schmeißt Schrumpeldreck in die Waagschale und wunderst dich, warum ich heule?
RLG Dein Unglücksstern beförderte mich auf dieses Plastikkonto, ungeschminkt, gnadenlos! Mitleid ist das Letzte, was ich für dich übrighabe, und entschuldigen tu ich mich gleich dreimal nicht!
ßilberling Aber das wollte ich doch gar nicht! Lediglich die Umgebung ein klein wenig erkunden, was nichts weiter ist. Lediglich ein Teil unserer Natur, mittels meines silbernen Strahlenbündels, deine Anwesenheit konnte ich nicht erahnen. Wie denn auch?
RLG Nicht meine Unsichtbarkeit ist der Stein des Anstoßes, sondern deine Strahlen, die Ursache für das hemmungslose Ausgeliefertsein! Die Chantal braucht ja das Ganze nur einmal durchlesen, du kennst sie ja nicht - wenn die erst einmal in Rage geraten ist!
ßilberling Die Wirkung meiner Strahlen?
RLG Dass Tickern aufs Konto, es hält unvermindert an!
ßilberling Dich in Mitleidenschaft zu ziehen lag nicht in meiner Absicht! Nein, durchaus nicht.
RLG Ah ja, als ob das jetzt noch eine Rolle spielt!
ßilberling Eigentlich bist du es doch, der gnadenlos ist!
RLG Hierfür gibt es Gründe!
ßilberling Ungeschminkt! Aber völlig!
RLG Du meine Güte, wohl auch noch ein Sensibelchen. Aber na gut, von mir aus, vielleicht habe ich wirklich etwas übertrieben, in meinem Argwohn. Na schön, meinetwegen, aber nur der Seele Ruh zuliebe!
ßilberling Übertrieben ist ja wohl übertrieben untertrieben!
RLG Als ob ich nicht schon einlenken würde!
ßilberling Du, du – du Eisklotz.
RLG Wenigstens das Schluchzen könntest du beenden.
ßilberling Zu meinen Tränen benutztest du derbste Vokabeln.
RLG Hm – was bedarf es, um aus dir schlau zu werden?
ßilberling Was schon? Nichts.
RLG Ich fürchte, Einfacheres gibt es – fürwahr!
ßilberling Du sprichst doch in Rätseln.
RLG Ich meine doch nur, wer du bist.
ßilberling Wie?
RLG Auf diesem Motherboard!
ßilberling Mich – meinst du mich?
RLG Wieso – ist noch jemand anwesend? Außer dir?
ßilberling Ach so, also ich – ich bin eine Münze.
RLG A – a – eine Münze! Was, ach du meine Güte, Fuchs, du hast die Gans gestohlen, eine Münze! Ah, daher auch dein Bankdrang, das hätte man sich aber auch gleich denken können.
ßilberling Tja, eine Bank bedeutet für uns in der Tat ein Stück Heimat; Erinnerungen werden erweckt, Erinnerungen an die wunder- wunderschöne Zeit, als ich ein Wanderer war – hach, wie lange dies alles zurückliegt.
RLG Deine Währung, sie liegt im Verborgenen, die Größte bist du beileibe nicht.
ßilberling Verborgen ist das falsche Wort, ich bin einfach nur voll gekleckert.
RLG Voll? Ach du meine Güte, wie ist denn das passiert?
ßilberling Ein Tsatsiki- Klecks, inzwischen natürlich vertrocknet, vertrocknet und verklumpt, ach, du glaubst ja gar nicht, wie sehr man beeinträchtigt ist.
RLG Tsa – Tsa – Tsatsiki?
ßilberling Tja, manches gibt‘ s.
RLG Na, von mir aus, dann erzähl halt!
ßilberling Erzählen, ja, ja, natürlich.
RLG Ja, was denkst du denn? Selbstverständlich erzähl, natürlich, was denn sonst auch, erzähl was über den Tsatsiki, und wie du überhaupt auf unser Motherboard gelandet bist. Erzähl, erzähl - dass man euch Münzen alles einzeln aus der Nase kitzeln muss.
ßilberling Mir ist schleierhaft, was daran interessant sein soll? An den Erzählungen einer kleinen Münze – ausgerechnet.
RLG Aber zumindest gibt es keinen Grund um sich zu zieren – oder etwa doch?
ßilberling Na schön, von mir aus, wenn du unbedingt darauf bestehst, aber auf deine Verantwortung! Also das Licht der Welt erblickte ich mittels einer Silberzangengeburt.
RLG Halt, halt – du musst ja nicht gleich deine ganze Biographie vor plappern.
ßilberling Bitte, bitte, dann eben nicht. Ich kann‘ s ja auch sein lassen.
RLG Nein, nein, erzähl ruhig weiter, so war es nun auch wieder nicht gemeint. Erzähl ruhig, erzähl.
ßilberling Na schön, aber keine Unterbrechungen mehr, das Wie musst du mir schön überlassen – verstanden!
RLG Ja, ja, wozu kann man auch leise stöhnen.
ßilberling Bin mal gespannt, wie lange dein Burgfrieden anhalten mag, also das mit der silbernen Zange hatten wir ja bereits, zärtlich gegossen vom Silberschmied Altbuch, wie es besser nicht hätte getroffen werden können. Von morgens bis abends wurde gepfiffen oder geträllert: „Wem Gott will rechte Gunst erweisen“. Geträllert und gepfiffen. Oder auch mal die „Amboss – Polka“.
Bald schon aber nahte die Stunde des Abschieds, so dass ich auf weltweite Wanderungen gesandt wurde, von Ort zu Ort, von Keksdose zu Sparschweinchen, in so manch einer Münzschublade tummelte man sich mit Seinesgleichen, hach, was wurde getratscht und gelacht, nahezu jede von uns wusste aus noch so entlegenen Winkeln dieser Erde zu berichten, Tragisches, Komisches, Sentimentales und Nachdenkliches, Wichtiges und Belangloses. So wie es eben nun mal ist, tja, Münzsammlungen, ein Kaleidoskop dieser Welt; summa summarum war ich eine wunschlos glückliche Münze, die ein herrliches und fröhliches Leben führte, Ja, es gab nichts, aber auch rein gar nichts, was ich noch mehr hätte haben können, bis, ja bis eines Tages.
Hach – es rückte nämlich einmal jener Tag heran, die Stunde, in welcher mein Münzenschicksal eine traurige Wendung erfahren sollte. Um mehr wie hundertachtzig Grad, um es mal vorsichtig auszudrücken, ich landete nämlich in dem aus fauligem Leder zusammen geknäulten Geldbeutel eines Landstreichers. Gammlig, hach, wenn das doch schon alles gewesen wäre! Aber nein, natürlich nicht - nachdem war auch noch gefahndet worden, wegen Mordes, an so einer Bauerngöre glaube ich. An der Scheune eines kleinen Guts, wo er einmal für eine Nacht sein Lager aufgeschlagen hatte, konnte ich sogar trotz der kargen Düsterheit im Knäuel ein am Tor genagelten hoffnungslos vergilbten Steckbrief erkennen. Weitgehend wurden Stadt und Dorf gemieden, wo ich spielend leicht gegen ein Stück Brot wieder auf freien Fuß gesetzt hätte werden können; stattdessen hielt er sich zwischen Wäldern und Fluren auf, wo er sich von Beeren und Wurzeln ernährte. Ab und an fand er zwischen den Unterhölzern verrostete Pfennige, die er dem Knäuel hinzufügte. Zu meinem zusätzlichen Elend, hach, diese stinkenden Proleten hatten nichts Besseres zu tun wie mein Glitzern und meine Brillanz zu besudeln. Pfui, pfui, sie besaßen dazu das Temperament einer Gießkanne, und ihr Charme glich dem eines Maschendrahtzauns.
Lange, lange hatte ich mich bereits mit meinem traurigen Schicksal abgefunden, hach ja, als sich das faule Knäuel eines Tages doch noch öffnete. Für mich, schon lange wusste ich nicht mehr, ob es Monate waren, die ich darin verbracht hatte, oder Jahre, jedenfalls konnte ich endlich wieder frische Luft atmen. Hach, ich hatte ja beinahe schon vergessen, dass es noch andere Düfte gab. Außer die nach vermodertem Laub, nicht mehr gekannte Glücksgefühle, doch eh ich mich weitersah, beziehungsweise versehen konnte, wurde ich auf eine Untertasse geklimpert. Mit Tsatsiki- Soße, in den ersten Momenten war‘ s mir sogar noch schnuppe, so bekleckert ich auch wurde. Ja, die Freude ob meiner Befreiung übertünchte einfach alles, das Nächste, was ich vernahm, waren Stimmen. Waren es Männer? Kinder? Ich konnte leider schon wieder nichts sehen, zu eingesaut war ich, zu beeinträchtigt die Fühler.
Kurz darauf hörte ich die schleppenden, mir viel, viel zu bekannt gewordenen Schritte, das Quietschen einer Türe, der Unwirkliche, tatsächlich weg? Doch, tatsächlich war dem so, ich war ihn los, nach der unglückseligen Wanderschaft, viel zu lang, es war fast zu schön um wahr zu sein. Erneut das Quietschen, erneut Stimmen. Kinder? Männer, jedenfalls wurde Ungetümes auf den Tisch gewuchtet, na ja, und ich schätze mal, dass du bereits erahnst, welche es gewesen waren: eine Tastatur, eine Maus, der Rechner sowieso, ein kleiner Drucker dazu, ein Monitor nicht zu vergessen, mit dessen Drehsockel der Rand meiner Untertasse erwischt. Blitzzuck hochgeschnellt wurde ich im hohen Bogen durch einen Lüftungsschlitz des Rechners geschleudert, und schließlich auf das Motherboard geklimpert, so dass mein Schicksal aufs Neue besiegelt. Befreit von allen verfluchten Landstreichern dieser Welt bin ich nun ein Gefangener dieses Rechners, denn wer vermutet darin schon ein potentielles Zahlungsmittel? Hach, den Rest meines Lebens werde ich hier fristen müssen – hach. Ich Armer!
RLG Hm, vielleicht gibt es ja doch noch eine Möglichkeit.
ßilberling Hä!
RLG Ich meine, wo ein Wille ist.
ßilberling Was will ich?
RLG Na hör mal!
ßilberling Meine Lage ist hoffnungslos. Mitten auf diesem Motherboard.
RLG Käme es nicht auf einen Versuch an?
ßilberling Und an die Nase herumführen kann ich mich selbst.
RLG Bewegung – bräuchtest du nicht nur etwas Bewegung? Unter Umständen?
ßilberling Ich bin eine Münze, hörst du? Eine statisch bedingte Sache, ein Ding, ein Objekt der Begierde, abhängig von externen Kräften.
RLG Nix hach – machst du dich nicht statischer, wie du bist?
ßilberling Quatsch, ist doch nur die Wahrheit, schlicht und einfach – und damit basta!
RLG Du wirfst die Flinte ins Korn. Viel zu schnell für meinen Geschmack, und noch bevor überhaupt ein Schuss gefallen. Viel zu pessimistisch, oh ja, oh doch.
ßilberling Bewahrt vor unliebsamen Überraschungen.
RLG Dein Silberstern, deine Silberstrahlen – zeugt dies nicht geradezu von geradezu bemerkenswerten Fähigkeiten?
ßilberling Mit dem man die Umgebung ausspionieren kann. Doch zu sehr bin ich beeinträchtigt durch den Tsatsiki- Klumpen, befreien kann ich mich nie und nimmer.
RLG Genug der Worte!
ßilberling Wer denn hat mit dem ganzen Mist angefangen?
RLG Also gut, dann tanze!
ßilberling Was? Wie bitte?
RLG Tanzen sollst du, dich im Kreise drehen!
ßilberling Sag mal, hast du denn überhaupt nicht zugehört, so etwas kann ich nicht.
RLG Du bist eine Münze, wie ich sie mir wünsche.
ßilberling Lass den Humbug gefälligst.
RLG Eine Münze, wie sehr ich sie mir wünsche.
ßilberling Ich glaube, jetzt spinnst du endgültig.
RLG Du bist eine Münze,
Wie sehr ich sie mir wünsche.
Drehen und wenden im Kreise,
Ist das nicht der Münzen Weise?
ßilberling Wirklich nicht mehr alle Tassen im Hinterstübchen.
RLG Tanze, Münze, tanze.
Dreh dich wie ein Spaghetti - Teller,
Immer schneller, immer schneller.
Und bald schon wirst du ersehen,
ßilberling Hach – wenn wenigstens noch eine drin wäre.
RLG Drehst du dich schneller,
Fällt der Tsatsiki- Klumpen ab,
Unter Umständen.
Erstrahlst du unterm Sonnenlicht.
Silberfarben dein Kleid,
So wird es wieder sein.
Drum tanze, Kleiner, tanze,
Tanz dich zu deinem Glück.
Bevor du besudelt wurdest
Auf einer Untertasse,
Erblühtest du im Silberglanz.
So wird es wieder sein,
Drehst du dich im Kreise,
Fällt der Klumpen sogar ab.
Den Fliehkräften sei Dank
Vielleicht.
ßilberling Ich kann einfach nicht.
RLG Dreh dich im Kreise,
Ist das nicht eine ganz bestimmte Weise
Von euch klimpernden Münzen?
ßilberling Ich will nicht.
RLG Zu einer Melodie natürlich.
ßilberling Eine Melodie? Das auch noch? Außerdem fällt mir sowieso keine an.
RLG Zu irgendeiner.
ßilberling Summ, summ – etwa die?
RLG Meinetwegen.
ßilberling Summ, summ.
RLG Von mir aus.
ßilberling Summ, summ, summ.
Das Drehen – dumm, dumm?
Das Wenden – wumm, wumm?
Und davon kriegt man wieder Mumm?
RLG Habe ich es nicht gesagt?
ßilberling ßumm, ßumm, drehe dich im Kreise.
Ist das nicht der Münzen Weise?
Schneller, schneller, immer schneller,
Wie auf einem Plattenteller.
RLG Nicht gleich übertreiben. Würde ich vorschlagen.
ßilberling Wie das rote Weinglas,
Gezwirbelt von einem Verliebten,
Der sehnte sich schon lange.
Nach einer waschechten Menschin.
Hurra – wie die Fahnen des FC Everton,
ßumm, ßumm, ßumm,
Ein BH beim Table Dance,
ßumm, ßumm. ßumm!
RLG Sage mal, hast du keine anderen Themen?
ßilberling Surr, surr, immer schneller!
RLG Elektrische Soße surrt.
ßilberling Surr, surr, drehen und wenden,
Was für eine Münzenweise,
Mumm zu haben ist nicht dumm.
RLG Du eierst ja.
ßilberling Mumm, Mumm.
RLG Pass auf, du fällst gleich um.
ßilberling Plumps, ich bin der ßilberling.
Plumps, plumps, plumps,
So schön der Tanz,
Nun ist es aus,
Aus und vorbei, tamm, tamm.
RLG Ich kann nicht mehr.
ßilberling Plumps, tamm, surr, surr, der Bart ist ab.
RLG Der Klumpen zersprungen. Abgefallen und zersprungen, auf dem Grund und Boden unseres Rechners.
ßilberling Befreit bin ich vom Soßenklecks, aus ist es nun, aus und vorbei. Das Tanzen rietest du mir, Dank gebührt dir hierfür.
RLG Nicht doch, nicht doch, du schuldest mir nichts, aber du bist eine atemberaubende Schönheit. Der Neid muss es dir lassen.
ßilberling Meine Freude kann sich in Grenzen halten, wahrlich, wahrlich, so schön das Tanzen gewesen sein mag. Das Drehen und Wenden nicht zu vergessen.
RLG Ach, kleiner ßilberling, was ist denn jetzt noch?
ßilberling Hab ich‘ s dir nicht erklärt? Der Klumpen ist zwar ab, drum bin ich auch froh.
RLG Hach.
ßilberling Aber nach wie vor bin ich ein Gefangener dieses Rechners. Ah, wie gern würde ich endlich wieder ein von Ort zu Ort Wandernder sein. Auf der ganzen Welt, hach, was ich dafür geben würde. Und um auch irgendwann wieder mal mein zu Hause zu sehen
RLG Habe ich es dir nicht erklärt? Das mit dem Willen? Nur eine Bitte vielleicht noch.
ßilberling Sagtest du nicht, dass ich dir nichts schulde?
RLG Das sind meine Worte, und dabei bleibt es auch. Ohne Wenn und Aber, aber ist es nicht vielleicht auch so, dass auch ich auf deine Hilfe angewiesen bin?
ßilberling Als ob ich nicht schon genügend Probleme hätte.
RLG Nein, das meinte ich nicht. Sondern das Tickern auf dem Konto, es hält an. Unvermindert.
ßilberling Meinen silbernen Fähigkeiten sei Dank.
RLG Du verstehst es nicht.
ßilberling Ehrlich gesagt, nicht wirklich. Ehrlich gesagt.
RLG Ich bin ausgeliefert, willenlos, alles was ich sage, alles was ich denke, immer mehr, immer mehr, immer mehr, Unmengen, oh Gott, kein Ende will es nehmen. Ich bitt dich drum.
ßilberling Hm, ich weiß nicht so recht.
RLG Alles was wir sagen, alles was wir reden, miteinander, übereinander, nebeneinander, gegeneinander, voneinander, hintereinander, untereinander, durcheinander, aufeinander, aneinander, beieinander, zusammen, auseinander, umeinander, beieinander, immer länger wird es, immer länger. Ach, du meine Güte, kannst du es nicht endlich stoppen?
ßilberling Was weiß ich, keine Ahnung.
RLG Was!
ßilberling Na ja – so ohne weiteres lassen sich meine silbernen Strahlen nicht abschalten. Wär´s nicht auch schade drum?
RLG Sage bitte, dass dies alles nicht wahr ist.
ßilberling Natürlich, selbstverständlich, und mit Bankkonten habe ich sowieso keine Erfahrungen.
RLG Um Gotteswillen!
ßilberling Mein Lebtag bin ich nicht auf einem Konto gewesen, was glaubst denn du?
RLG Du, du – du kannst das nervige Tickern nicht beenden? Ach, du grüne Neun, eine Katastrophe nach der anderen.
ßilberling Na ja, vielleicht käme es auf einen Versuch an.
RLG Oh ßilberling, oh ßilberling, ein Versuch allein reicht nicht.
ßilberling Das Konto zum Beispiel, schau es dir doch einfach mal an.
RLG Nichts wie Mengen an Unmengen. Genau das will ich doch nicht sehen.
ßilberling Was fällt dir auf?
RLG Was schon – nichts weiter!
ßilberling Das Konto, aus was es besteht,
RLG Keine Ahnung. Nicht einen blassen Schimmer ehrlich gesagt.
ßilberling Aus Blättern, das Konto besteht aus Blättern.
RLG Na und.
ßilberling Ist das alles, was dir einfällt?
RLG Ja.
ßilberling Dass man dir alles aus der Nase kitzeln muss.
RLG Lass mich, und du hilfst auch nicht. Beileibe nicht.
ßilberling Na, na, was man mit Blättern machen kann
RLG Wie - was man mit Blättern machen kann?
ßilberling Hach!
RLG Du kannst Fragen stellen: was man machen kann? Mit Blättern, auflesen, was weiß ich, ach, warum gibst du nicht einfach auf?
ßilberling Umblättern, Blätter können umgeblättert werden – hach.
RLG Was für eine Erkenntnis.
ßilberling Wer dir das je zugetraut hätte!
RLG Blabla – nicht mehr!
ßilberling Aber ich glaub, ich hab eine Idee. Eine sehr gute sogar.
RLG Na – ist es bestimmt auch kein Humbug?
ßilberling Mit meinen durch den weg getanzten Tsatsiki - Klumpen freigesetzten Silberstrahlen werde ich das Blatt einfach umblättern. Wie mit zwei, drei Schnipp- Fingern, das Konto ist wie neu, als ob nie was gewesen wäre.
RLG Nein - nicht noch mehr der Strahlen auf das unschuldige Papier. Ach, du meine Güte!
ßilberling Auf einen Versuch käme es an.
RLG Als ob die bisherigen Strahlen nicht schon genügend Schaden anrichten.
ßilberling Es gibt überhaupt keinen Grund, feige zu sein. Nicht einen einzigen, oder was haben wir denn schon zu verlieren? Auf unserem Motherboard?
RLG Nein, ich will das nicht. Ach du meine Güte, lass das doch, ich flehe dich an.
Neuer Kontostand: ein Ende