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Blatt 37: Ein Mädchen vor dem Kino

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Auszug 35 159 23 5, Blatt 37

Aktueller Kontostand: ein ßilberling, ein Ende

Anne Hoch Ein Mädchen vor dem Kino, das hat die Schnauze voll. Es tun ihm vor lauter Warten die Beine weh. Nein das kann doch gar nicht sein, wieder lässt mich der Fritzi allein. Und es ist nicht zum ersten Mal, dass er mich versetzt.

Hm, doch wie mir scheint, bin ich gar nicht mehr allein. Ob ich nun will oder nicht.

Meinard Lembel Guten Tag, du kleines Mädchen.

Anne Hoch Ich erwarte zwar jemand. Aber doch nicht Sie!

Meinard Lembel Verzeihung, und ich möchte auch keinesfalls aufdringlich sein.

Anne Hoch Und wie Ihr scheußliches Gesicht aussieht– ih!

Meinard Lembel Mach dir nichts draus.

Anne Hoch Ih!

Meinard Lembel Alles halb so schlimm.

Anne Hoch Wie ist denn das überhaupt passiert.

Meinard Lembel Nichts für ungut.

Anne Hoch Sind Sie gestürzt?

Meinard Lembel Gestürzt – wie bitte, ach so. Na ja, so kann man es natürlich auch bezeichnen.

Anne Hoch Oder vermöbelt worden?

Meinard Lembel Eigentlich wollte ich mit dir ja auch was ganz Anderes besprechen.

Anne Hoch Warum wollen Sie mit mir was besprechen – um Himmelswillen.

Meinard Lembel Selbstverständlich nur, wenn du dich nicht belästigt fühlst.

Anne Hoch Manche Leute tun sich einfach keinen Zwang an.

Meinard Lembel Aber du kannst dich doch ganz bestimmt an mich erinnern.

Anne Hoch Das sagt meine Mutter auch immer.

Meinard Lembel In eurem schmucken Gasthaus.

Anne Hoch Ach, Sie waren ja auch erst vorgestern bei uns.

Meinard Lembel Richtig, und in diesem Zusammenhang möchte ich noch mal betonen, dass es für mich ein außerordentliches Vergnügen gewesen ist, dich kennengelernt zu haben.

Anne Hoch Aber das ist doch bestimmt nicht das, was Sie mit mir besprechen wollen.

Meinard Lembel Nein. Ja. Ach, was für ein nettes, kleines Mädchen du bist. Das zudem über besondere Talente verfügt. Wenn ich nur an dein Gedicht denke.

Anne Hoch Sagen Sie bloß, Sie wollen es schon wiederhaben– um Himmelswillen!

Meinard Lembel Nein, nein, zu sehr es zu bedauern ist; und befindet es sich nicht im Übrigen nicht sowieso in den Händen deines Bekannten?

Anne Hoch Wie - das können Sie doch gar nicht wissen.

Meinard Lembel Ich sage nur einen Namen: Lehr.

Anne Hoch Um Himmelswillen!

Meinard Lembel Ach, du kleines Mädchen, eine glatte Vergeudung. Der hat es ja nicht einmal gelesen.

Anne Hoch Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?

Meinard Lembel Keineswegs. Er war sogar bei mir im Büro.

Anne Hoch Was? Radius bei Ihnen? Das glaub ich nicht.

Meinard Lembel Doch, war er. Mitten in meiner Chefetage.

Anne Hoch Einfach nicht. Nie und nimmer.

Meinard Lembel Mir scheint, dass du ihn wirklich gut kennst. Sogar ziemlich gut, nicht wahr?

Anne Hoch Eben drum kann ich mir so etwas einfach nicht vorstellen.

Meinard Lembel Aber, aber - wer kommt denn da gar nicht mehr aus dem Staunen raus?

Anne Hoch Was hat denn einer wie Radius ausgerechnet bei Ihnen verloren?

Meinard Lembel Du darfst dir aber daraus jetzt auch nicht allzu viel machen.

Anne Hoch Um Himmelswillen!

Meinard Lembel Kommt doch alles schon mal vor – oder etwa nicht?

Anne Hoch Und ich habe gedacht, man kommt zu einem wie Ihnen eigentlich nur, wenn man was geschrieben hat.

Meinard Lembel Also, dumm bist du beileibe nicht. Für ein kleines Mädchen, alle Achtung!

Anne Hoch Aber doch nicht Radius.

Meinard Lembel Ach, meine Kleine, eigentlich hast du ja Recht. Und ich wünschte, wenn es dabeigeblieben wäre.

Anne Hoch Ich kapier gerade überhaupt nichts mehr, aber eines weiß ich ziemlich sicher, nämlich dass Radius noch nie was geschrieben hat. Noch nie in seinem ganzen Leben, da bin ich mir ziemlich sicher. So sicher wie ein Amen in der Kirche.

Meinard Lembel Ach so – nichts geschrieben? Na ja, so könnte man es selbstverständlich auch bezeichnen.

Anne Hoch Dazu ist er gar nicht in der Lage.

Meinard Lembel Was du nicht sagst, du Kleines.

Anne Hoch Natürlich – und ich werde ja noch wohl wissen, wovon ich spreche.

Meinard Lembel Apropos Lehr - ich bin auf der Suche nach ihm.

Anne Hoch So - und was wollen Sie von ihm?

Meinard Lembel Das würde ich ihm schon gerne selbst mitteilen. Es ist nämlich etwas durch und durch Persönliches. Du bräuchtest mir nur zu sagen, wo er wohnt.

Anne Hoch Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich Ihnen das verrate.

Meinard Lembel Ach, du kleines Mädchen, du bräuchtest dir doch nur einen kleinen Ruck geben. Wo du es doch ganz sicherlich weißt.

Anne Hoch Vergessen Sie‘ s, ich sage nichts.

Meinard Lembel Nur sein Adressat, mehr will ich ja nicht.

Anne Hoch Außerdem hätten Sie ihn ja selber fragen können. Als er in Ihrem Büro war.

Meinard Lembel Prinzipiell hast du ja gar nicht mal so Unrecht, du kleines Mädchen, doch ausgerechnet das Austauschen unserer Eckdaten haben wir versäumt. Schlichtweg. In aller Eile.

Anne Hoch Deswegen müssen Sie doch nicht mir auf den Keks gehen. Mit ihrer doofen Fragerei.

Meinard Lembel Ein kleiner Hinweis würde doch schon genügen. Mehr will ich doch gar nicht.

Anne Hoch Nein, und dabei bleibt es!

Meinard Lembel Deine Loyalität zu einem Freund ehrt dich. Auf der anderen Seite.

Anne Hoch Ehre – darauf kann ich verzichten.

Meinard Lembel Auch noch bescheiden – ach, was für eine Zierde, ich bin richtig stolz auf dich.

Anne Hoch Warum lassen Sie mich nicht einfach in Ruhe!

Meinard Lembel Bei einem so kleinen Mädchen auf Granit beißen. Nein, das hätte ich nicht für möglich gehalten.

Anne Hoch Also, es reicht mir langsam, und ob Sie mich nun endlich wieder in Ruhe lassen oder nicht, aber ich werde Ihnen nicht sagen, dass Radius in der Pension gegenüber der Schule wohnt. Nein, nicht in hundert Jahren werde ich das tun.

Meinard Lembel Na also, es geht doch, wenn man will!

Anne Hoch Verflixt - verdammter Scheibenkleister!

Meinard Lembel Bei allem Respekt!

Anne Hoch Ohrfeigen könnte ich mich.

Meinard Lembel Nicht ärgern, mehr wollte ich doch nicht.

Anne Hoch Mann – bin ich vielleicht eine blöde Kuh!

Meinard Lembel Nein, das bist du nicht. Ganz bestimmt, zeugt dein Gedicht nicht davon?

Anne Hoch Dass ausgerechnet mir so etwas passieren muss.

Meinard Lembel Dazu dein Gesang, deine Stimme – ein kindliches Talent nach dem anderen.

Anne Hoch Und wieso habe ich auf einmal so ein mulmiges Gefühl im Bauch.

Meinard Lembel Hat nichts zu sagen bei einem kleinen Mädchen, aber ich muss jetzt weiter.

Anne Hoch Um Himmelswillen - und was wollen Sie denn von Radius eigentlich? Was wollen Sie mit ihm besprechen?

Meinard Lembel Keine Sorge, das wird er bald erfahren. Sehr bald sogar, deine Mithilfe sei Dank.

Anne Hoch Ein schöner Mist!

Meinard Lembel Mach dir einfach nichts draus, am Ende wird doch alles gut. Hoffentlich, ja, hoffentlich wird alles gut, und dir wünsch ich noch viel Freude.

Anne Hoch Freude – um Himmelswillen!

Meinard Lembel In diesem schmucken Lichtspieltheater. Auf Wiedersehen, du kleines Mädchen.

RLG Der, der, der – der Lembel.

ßilberling Ach, du und dein Lembel.

RLG Kommt zu uns!

ßilberling Tja, Pflaster hin, Veilchen her - manches lässt sich nicht ändern. Ist nun mal so.

RLG Was will er nur?

ßilberling Die Vorbeibringung der ersten Million. Was sonst, oder hast du‘ s mir nicht erzählt?

RLG Wie?

ßilberling Verborgen unterm Mäntelchen.

RLG Welch hoffnungslos zerzaust, aber für was denn?

ßilberling Ich glaube, das werden wir sehr bald in Erfahrung bringen können – wenn mich nicht restlos alles täuscht.

RLG Also, ich weiß nicht. Und ein gutes Gefühl bei der ganzen Angelegenheit haben ist was Anderes.

ßilberling Nur die Ruhe bewahren, und zuweilen wird heißer Tee heißer getrunken wie nötig.

RLG Hoffentlich hast du Recht.

ßilberling Natürlich, warum denn auch nicht?

Anne Hoch Das Mädchen vor dem Kino hat die Schnauze voll. Nun tun ihm vor lauter Rumstehen nicht nur die Beine weh – um Himmelswillen!

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