Читать книгу PURPURUMHANG - Tartana Baqué - Страница 11

Оглавление

4

Um 8: 30 Uhr beginnt das erste Golftraining. Ich gehe, ohne zu frühstücken, in meinem Golfdress los.

Die Spanier frühstücken bis 11: 30 Uhr. Gut für mich, denn dann kann ich nach dem Training mein Frühstück zu mir aufs Zimmer bestellen. Ich kann mein Essen in Ruhe auf dem kleinen Balkon genießen. Da ich Halbpension gebucht habe, werde ich mit einem späten Frühstück und frühen Abendessen – wobei dies nicht wie in Deutschland um 18: 00 Uhr, sondern erst gegen 20: 00 Uhr beginnt – keine zusätzliche Mahlzeit für den Tag benötigen. Ich spare mir dadurch zusätzliche Kosten für meine Ernährung.

Auf dem Weg zum Golfclub bewundere ich die ausgefeilte Anlage des Hotelgartens. Die Bewässerungsanlagen arbeiten noch, und so ist die Luft herrlich frisch und kühl. Einen Moment bleibe ich auf der hölzernen Brücke stehen, die mein Hotel mit dem Golfgelände verbindet. Koi-Karpfen in unterschiedlichen Farben und Größen ziehen ruhig ihre Bahnen durch den kleinen Bach bis hin zu dem künstlich angelegten Teich. Ein Luxus in dieser heißen Gegend.

Nach einer Weile bemerke ich, dass ich mich verlaufen habe. Ich frage einen Gärtner, der gerade an der Sprinkleranlage hantiert. Er lächelt mich an und drei große Zahnlücken blitzen mir entgegen. Sein Spanisch ist so schnell, dass ich nichts verstehe.

„Pardone, no comprende!“, sage ich und schaue ihn bittend an.

Sein Grinsen wird noch intensiver und er winkt mir, ihm zu folgen. Über drei abgeteilte Terrassen, die durch gleichlange Treppen verbunden sind, folge ich ihm auf die untere Ebene, zum Haupteingang des Golfhauses. Der gesamte Weg ist mit rotbraunen Ziegeln, die man Römer nennt, gepflastert. In der Mitte befindet sich ein kleiner blaugestrichener Wasserkanal, der durch mehrere Springbrunnen unterbrochen ist. Das plätschernde Wasser beruhigt mich ein wenig. Rechts und links stehen auf den Ebenen hohe weiße Cocktail-Tische. So wie ich meinen Führer verstehe, soll heute Abend ein Empfang stattfinden. Durch die Garage folge ich ihm in die hintere Ecke des Golfclubs, wo ich endlich meinen Spind finde.

„Muchas Gracias“, bedanke ich mich und schüttle seine von der vielen Gartenarbeit sonnenverbrannte harte Hand.

„De nada“, antwortet er und grinst mich an. Er erklärt mir noch etwas, was ich wiederum nicht verstehe. Aber ich nicke ihm mehrfach bestätigend zu. Sein Redefluss wird durch einen Mann mittleren Alters in Golfkleidung unterbrochen.

„Hallo, Sie sind Frau Bergheimer“, stellt er mehr fest, als dass er fragt, „mein Name ist Erik. Ich bin Ihr Golflehrer.“ Er reicht mir seine Hand, und weiß blitzen seine Zähne in seinem braungebrannten Gesicht.

„Ja, sorry, ich habe mich verlaufen“, entschuldige ich mich und verziehe leicht meine Lippen.

„Machen Sie sich keine Sorgen. Beim nächsten Mal sind Sie bestimmt pünktlich.“

Dies betont er so, als ob er viele deutsche Frauen kennen würde. Mit einem Schwung, als ob es nichts wiegen würde, hievt er mein Golfgepäck auf seinem Buggy.

„Bitte, steigen Sie ein. Ich zeige Ihnen jetzt den Golfplatz, und dann schauen wir uns Ihre Ausrüstung an.“

Nach seinem Dialekt müsste er Holländer sein.

Mit Peter war ich sehr oft in Noordwijk zum Golfspielen und Segeln.

„Sie sind aus den Niederlanden?“, frage ich ihn und schaue ihn prüfend an.

Erik bindet sich seine weißblonden Haare nach hinten zusammen.

„Ja, ich komme aus Amsterdam. Woher kommen Sie?“ Seine grauen Augen strahlen mich an, als sei ich die interessanteste und schönste Frau der Welt.

„Ich komme aus Köln“, antworte ich ihm, „ich habe drei Wochen Einzeltraining gebucht. Sind Sie mein Trainer für diese Zeit?“

„Ich werde mich nachher erkundigen. Auf alle Fälle stehe ich Ihnen in dieser Woche zur Verfügung.“

Gekonnt biegt er in den schmalen Weg zum Loch acht ein. Wir steigen aus, und ich bin überwältigt von der schönen Aussicht. Für Lisa mache ich mit meinem Handy einige Aufnahmen von der La Coñcha, dem Hausberg von Marbella.

„Darf ich ein Foto von Ihnen machen“, frage ich Erik, „ich möchte meiner Freundin einige Fotos schicken.“

Ganz das perfekte Fotomodell stützt er sich auf seinen Golfschläger am Loch acht auf und grinst mich an.

Ich höre schon Lisas Kommentar, wenn sie das Green mit dem künstlich angelegten See, den Palmen und diesen Mann sieht.

Wir fahren weiter zur Driving Range. Anhand der großen Übersichtstafel an der Gebäudewand erklärt mir Erik, wo sich die einzelnen Löcher des 27-Loch-Platzes befinden. Zusätzlich informiert er mich über die Regeln und den Spielzeitablauf im Golfclub Los Almendros.

„In unserem Golfclub in Köln handhaben wir die Zeiten nicht so eng“, bemerke ich und schaue ihn erstaunt an.

„Wir müssen diese strengen Zeitvorgaben machen, da oft viele Touristen gleichzeitig auf dem Platz spielen, die leider rumbummeln und den Spielablauf blockieren.“

Er zwinkert mir mit einem Auge zu. „Machen Sie sich keine Sorgen, für Sie gelten diese Zeiten nicht. Ich bin ja mit Ihnen unterwegs.“

Im Golf-Haus angekommen, parkt er unseren Buggy und trägt meine Ausrüstung zum Green.

„Dann wollen wir mal sehen, wie Sie ausgestattet sind.“

Er nimmt nacheinander drei Schläger – den Putter, den Driver und das Siebener Eisen – heraus.

„Nehmen Sie bitte jetzt jeden Schläger in Ihre Hand“, fordert er mich auf und überprüft die Relation der Schlägerhöhe zu meiner Körpergröße. Ebenfalls testet er auch die Biegsamkeit des Schaftes.

„Wenn Sie nicht die richtigen Schläger haben, brauchen Sie gar nicht erst mit dem Spielen anzufangen“, erklärt er mir und schüttelt den Kopf. „Sie wollen doch Golf spielen, oder? Mit diesen Eisen wird das aber nichts.“

Ich nicke. Mir dämmert es.

Dieser Mistkerl von Peter! Ich könnte ihn lynchen! Er hat mir die Golfausrüstung zu meinem fünfzigsten Geburtstag geschenkt und getönt, wie teuer und professionell diese Ausrüstung sei.

Ich folge Erik ins Golfgeschäft.

„Wir suchen jetzt drei passende Schläger für Sie aus, die Sie während Ihres Aufenthaltes kostenlos benutzen dürfen. Wenn Sie ihnen gefallen, und Sie damit gut zurechtkommen, können Sie den Putter, das Siebener Eisen oder den Driver einzeln oder alle drei käuflich erwerben.“ Sein Blick fällt auf meine Golfschuhe. Ehe er etwas sagen kann, fange ich laut an zu lachen.

„Okay, die tun mir wirklich weh! Welche Schuhe soll ich mir aussuchen?“

„Welche Größe haben Sie? Vierzig?“ Ohne meine Antwort abzuwarten fährt er fort: „Besser, Sie nehmen eine Nummer größer, also 41.“

Der Verkäufer bringt ein Paar Schuhe. Ich laufe einige Schritte. „Super, die drücken überhaupt nicht“, gebe ich zu und bin ehrlich überrascht. „Mein Mann hat mir die Golftasche und die Schuhe zum Geburtstag geschenkt“, erkläre ich Erik, denn ich möchte nicht ganz so dumm dastehen.

Wohlweislich verschweige ich, dass es mein fünfzigster Geburtstag gewesen ist.

„Die Schuhe müssten Sie allerdings sofort bezahlen“, informiert er mich, „Sie können sie auf Ihr Zimmer schreiben lassen. Welche Nummer haben Sie?“

Ich muss kurz schlucken. Mir ist heiß, denn ich habe das Preisschild gesehen: 350 Euro!

„Nummer achtundsechzig“, antworte ich ganz ruhig, wobei ich mein Portemonnaie aus meiner Tasche ziehe, „lieber würde ich die Schuhe gleich bezahlen.“

„Gern“, sagt der Verkäufer und nimmt meine Visa-Karte in Empfang. Mein Stoßgebet, dass die Karte noch nicht gesperrt sei, wurde erhört. Somit bin ich stolzer Besitzer teurer Markengolfschuhe, die mir sogar passen.

„Ich hoffe, Ihnen hat Ihr erster Tag gefallen.“ Erik reicht mir seine Hand. Fest ist sein Händedruck. „Wir sehen uns morgen um die gleiche Zeit und starten dann mit dem Training.“

So wie er mich anschaut, ist mir klar. Er will mich wirklich hart trainieren.

Obwohl ich nur für eine gute Stunde unterwegs gewesen bin, bin ich völlig durchgeschwitzt. Die Sonne ist mir jetzt schon zu heiß, und ich bin froh, dass ich meine Kleidung wechseln kann. Gerade als ich das Wasser der Dusche aufdrehe, klopft es an meiner Zimmertüre. Schnell streife ich mir den Bademantel über. Vor meiner Türe steht ein Page.

„Disculpe la molesta”, entschuldigt er sich, ohne mich anzuschauen und neigt leicht seinen Kopf. Ich ziehe den Bademantel noch fester zusammen.

„Aqui una carta para la Señora Julia Bergheimer.”

„Soy yo“, antworte ich und bin froh, dass ich damals in der Schule Spanisch als zweite Fremdsprache gewählt hatte und nicht wie meine Freundin, Französisch. Er überreicht mir einen großen beigen Umschlag mit einem goldenen Wappen in der rechten Ecke. Ich schließe die Türe und reiße den Brief mit einem Ruck auf. Vorsichtig ziehe ich eine cremefarbige Klappkarte aus feinstem Büttenpapier heraus und lese:

Es un honor para nosotros

Señora Julia Bergheimer

invitar a nuestro evento de

CLUB ONE

Miercoles de 12. Junio 2019, a las 11 horas

En el Suite de Presente de

Los Almendros Golf & Spa Hotel.

Ich setze mich auf den Schreibtischstuhl und lese noch einmal die spanischen Zeilen. Man hat mich zu einem Meeting des CLUB ONE eingeladen.

Komisch, ich kenne doch hier niemanden.

Ich lege die Karte auf den Schreibtisch und steige erst mal unter die Dusche. Die Temperatur des Wassers drehe ich langsam runter. Die Kühle beruhigt meine Gedanken.

Habe ich schon mal von diesem Club gehört? Wieso lädt man mich gerade ein? Wer könnte dahinterstecken? Was wollen diese Leute von mir?

Nachdem ich mich trockengerubbelt habe, entscheide ich mich, im Restaurant zu frühstücken und bei der Rezeption vorbeizugehen. Vielleicht ist es eine Veranstaltung vom Hotel, zu der alle neuen Gäste eingeladen werden.

Unten im Frühstücksraum ist es schon recht leer, und man weist mir einen kleinen Tisch am Fenster zu. Geschäftig decken die Keller die freien Tische für das Mittagessen ein.

Während ich das Rührei vorsichtig auf meine Gabel schaufle, schaue ich in meinem Handy nach, ob ich irgendwelche Informationen über einen CLUB ONE im Internet finde. Allerdings gibt es so viele Anzeigen und Hinweise über Clubs oder Discotheken die ONE heißen, dass ich meine Nachforschungen aufgebe.

Die junge Spanierin am Empfang bestätigt mir, dass meine Einladung korrekt ist, denn der Verein tagt einmal im Jahr im Hotel. Warum ich diese Karte bekommen habe, kann sie mir allerdings nicht sagen. Auf meine Frage nach Señora Sirina Meriska, teilt sie mir mit, dass sie heute schon sehr früh abgereist sei.

Es ist schon recht heiß, aber ich will mir die Garten- und Poolanlage des Hotels anschauen. Doch schon nach einer Stunde bin ich außer Atem, und mein Kleid klebt mir an meinem Rücken. Ich gehe hoch auf mein Zimmer und schlafe gleich nach dem Duschen im Bett tief ein.

Als ich aufwache, stelle ich fest, dass ich sechs Stunden geschlafen habe. Die Wetterumstellung und die letzten stressigen Ereignisse in Köln sind nicht spurlos an mir vorübergegangen.

Ich ziehe mich an und gehe langsam die Treppen zum Los Olivos hinunter. Diesmal stolpere ich nicht, und keine starke Hand fängt mich auf. Unauffällig schaue ich mich im Restaurant nach einem großen Mann um.

Ein Kellner kommt zu mir: „Buenas tardes, Señora, möchten Sie Ihren alten Platz haben?“

„Si, gracias“, antworte ich und folge ihm auf die Terrasse.

Ich wähle das Menü De La Noche, denn ich habe richtig Hunger. Als Getränk nehme ich nur ein Glas Wein mit einer Flasche Wasser, die im Menüpreis enthalten sind. Während ich Melone mit Schinken genieße, überlege ich das Pro und Contra, die Einladung des CLUB ONE anzunehmen.

Langsam wird es dunkel, und die Lichter der Poollandschaft verwandeln den Garten in eine Märchenlandschaft. Hinter der La Concha, taucht groß und strahlend die runde Mondscheibe auf und überzieht den Garten mit einem silbrigen Glanz. Ich lausche dem nicht enden wollenden Gezirpe der Grillen. Ganz allmählich fällt die Anspannung der letzten Wochen von mir ab.

Nur mit einem dünnen Laken bedeckt lege ich mich schlafen. Die Balkontüre ist weit offen. Der Wind bewegt die dünnen Fenstervorhänge am Fenster hin und her, im Gleichklang mit meinen Gedanken.

Endlich entscheide ich mich, bevor ich einschlafe: Ich werde die Einladung annehmen.

Was habe ich zu verlieren? Nichts!

Nächsten Mittwoch ist das Meeting. Ich muss mir auf alle Fälle etwas Neues kaufen. Mit den beiden alten Kleidern aus Köln kann ich mich nicht sehen lassen. Vor allem, weil ich mit meinem BMI von neunundzwanzig weiß, dass ich zu dick bin. Wenn ich schon nicht gut aussehe, dann muss ich mich wenigstens vorteilhaft kleiden. Ich weiß, dass ich abnehmen muss. Erklärungen wie Hormonschwankungen, zu viel Stress oder Kummer sind letztendlich nur Ausreden.

Vor meinem Spiegelbild im Bad bleibe ich stehen und sage beschwörend zu mir: „Ich bin für mein Verhalten verantwortlich! Ich bin wichtig! Hier in Marbella fängt für mich eine neue Zeit an – jetzt.“

Am nächsten Tag gehe ich direkt nach dem Golftraining zur Rezeption.

„Wo kann ich in Marbella qualitativ gute Garderobe kaufen?“, frage ich Maria, die Rezeptionistin, die heute Morgen wieder Dienst hat.

„Am besten gehen Sie ins Corte Inglés in Puerto Banus. Dort sind alle angesagten Mode-Label von Escada bis Prada vertreten, aber auch preiswertere Marken wie Esprit, New Yorker, Betty Barkley und weitere. Sie werden bestimmt etwas Passendes für jede Gelegenheit finden, Madame“, erklärt sie mir mit einem Lächeln.

„Gibt es einen Bus, den ich von hier nehmen kann?“, frage ich. „Ich habe noch keinen Leihwagen gemietet, weil ich mich erst einmal ganz dem Golfspiel widmen will.“

„Nein, von hier können Sie keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. Ich könnte Ihnen ein Taxi bestellen.“

In diesem Moment gibt eine ältere Frau neben mir ihren Schlüssel ab.

„Frau von Ebersbach, könnten Sie vielleicht Frau Bergheimer mit in die Stadt nehmen? Sie möchte ins Corte und hat noch keinen Leihwagen“, fragt Maria sie spontan.

„Aber gerne. Ich wollte heute sowieso ins Corte zum Shoppen. Der indirekte Ausverkauf bei den teuren Marken hat angefangen.“ Frau von Ebersbach lächelt mich an und nickt mir aufmunternd zu. „Kommen Sie, ich freue mich, nicht alleine einkaufen zu müssen. Mein Mann hasst Shoppen.“

„Danke, gerne nehme ich Ihre Einladung an“, antworte ich und atme erleichtert auf.

Während der Fahrt redet meine Fahrerin wie ein Wasserfall und informiert mich über alles, was ich hören und nicht hören möchte. Bevor sie in die Tiefgarage des Kaufhauses hineinfährt, klingelt ihr Handy. Sie bleibt im Kreisverkehr an der Seite stehen. Nach einem kurzen Gespräch schaut sie mich mit ihren wasserblauen Augen an, wobei sie nervös an ihrem Autoschlüssel fingert.

„Sorry, meine Liebe. Ich habe meine Freundinnen im Club vergessen.“ Sie hüstelt verlegen. „Wir waren im Golfclub Los Naranjos heute zum Lunch verabredet. Kommen Sie doch mit.“

„Lieben Dank“, antworte ich und löse meinen Sicherheitsgurt. „Gerne komme ich später einmal mit. Aber heute habe ich sehr wenig Zeit. Auch spiele ich nicht so gut Golf.“

„Das macht nichts. Ich auch nicht. Ich weiß noch nicht einmal, welches Handicap ich habe.“

Dabei blinzelt sie mir mit einem Auge zu, und die Lachfältchen in ihren Augenwinkeln lassen ihre Augen fast verschwinden.

„Sie sind mir nicht böse, dass sie nun alleine shoppen müssen?“

„Nein, nein“, beruhige ich sie, „nur schade, dass ich Sie nicht mehr zu einem Kaffee einladen kann. Aber vielleicht sehen wir uns im Hotel und holen dies nach.“

Ich winke ihr hinterher, während sie ihr Auto einfach in den fließenden Verkehr einordnet. Wildes Gehupe ertönt. Doch Frau von Ebersbach fährt ungestört weiter.

Ehrlich gesagt bin ich froh, dass ich allein bin. Sie hätte mich bestimmt nervös gemacht, denn ich brauche bei meinem geringen Budget volle Konzentration.

Das Corte Inglés ist überwältigend. Im zweiten Stock auf einer riesigen Verkaufsfläche finde ich bekannte und unbekannte Marken der verschiedensten Modedesigner in kleinen, separaten Shops. Zuerst gehe ich herum und verschaffe mir einen Überblick. Prüfe die Kleiderstoffe, die Farben, Schnitte und Preise. Mutig stürze ich mich dann in die Anprobe, obwohl ich dieses An- und Ausziehen gar nicht mag.

Die ersten Kleider, die ich anprobiere, sind alle viel zu eng. Verwundert frage ich eine Verkäuferin, die mir erklärt, dass die spanischen Maßangaben nicht den deutschen entsprechen. Die spanischen Frauen seien generell kleiner und schmaler als die deutschen.

Nach zwei Stunden tun mir Füße und Beine weh. Meine Laune ist total auf dem Nullpunkt angekommen und mein Magen knurrt. Frustriert mache ich mich auf den Weg zum Ausgang.

Am Aufzug entdecke ich einen Damenshop, der auch größere Größen anbietet. Ich spreche mir noch einmal Mut zu, denn ich weiß, ich brauche unbedingt ein neues Kleid. Diesmal habe ich Glück.

Nach einigem Suchen finde ich ein gelbes kurzes und ein schwarzes knielanges Kleid in meiner Größe. Beide Kleider sind aus seidigem Stoff mit einem hohen Baumwollanteil gefertigt, der meine Figur ganz locker umspielt. Der Schnitt ist schlicht und trotzdem elegant, und der tiefe V-Ausschnitt lenkt von meinem Bauch ab. Wenn ich einen Body darunter trage, wirke ich schlanker als sonst. Und das wichtigste Kaufargument ist der Preis, denn beide Kleider sind fünfzig Prozent heruntergesetzt.

Fieberhaft überlege ich, was ich der Verkäuferin sagen könnte, falls meine Kreditkarte nicht funktioniert.

Mit zitternden Händen übergebe meine Karte an der Kasse. Beiße auf meiner Unterlippe herum. Zwinge mich, genau das zu tun, was ich meinen Patienten immer sage, damit sie nicht in Panik geraten und hyperventilieren. Mit starrem Blick wiederhole ich innerlich mehrfach, wobei ich bewusst langsam ein- und ausatme: Ich bin ganz ruhig und entspannt. Alles wird gut.

Die Kassiererin reicht mir einen Stift und weist auf das Display. Ich unterschreibe und erhalte meine Karte mit dem Kassenbon.

„Thank you very much. You are welcome“, sagt sie mit einem breiten Lächeln und überreicht mir eine schwarze Lacktragetasche mit meinen neuen Kleidern.

Diese Schlacht habe ich gewonnen. Mit dem aufrechten Gang einer Siegerin verlasse ich die Damenabteilung.

Am Aufzug fällt mein Blick auf das Hinweisschild <Restaurant>. Mein hungriger Magen sagt mir unmissverständlich, dass es auch noch andere Bedürfnisse zu befriedigen gibt, als schön auszusehen.

Erschöpft lasse ich mich auf dem grauen Sessel im Restaurant fallen. Einige Tische des minimalistisch eingerichteten Raums sind besetzt. Bei der Kellnerin bestelle ich ein Carpaccio mit einem gemischten Salat. Um meinen Durst zu löschen, nehme ich ein Wasser mit Gas und für meine Seele ein Glas Cava … natürlich mit Eis.

Ich lehne mich im Sessel zurück und schließe meine Augen. Es ist zum Verrücktwerden. Manche Frauen lieben es einzukaufen. Doch mich strengt Einkaufen und Geldausgeben total an. Und Geld für mich auszugeben, bereitet mir ein schlechtes Gewissen.

Bescheuert, mein Schuldgefühl, das sich dann in mir ausbreitet.

Peter hat doch nie etwas für mich zahlen müssen!

Mein Nacken schmerzt.

PURPURUMHANG

Подняться наверх