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Paco nimmt meinen Laptop und begleitet mich zu meiner Suite. Der Salon ist lichtdurchflutet, und die Seidentapete an den Wänden schimmert himmelblau. Die eingewebten goldenen Lilienornamente scheinen auf der Tapete zu schweben. Der große Nussbaumtisch erscheint mit seinen Blumenintarsien fast golden. Ich bleibe einen Moment stehen und atme dieses schöne Ambiente ein. Hier werde ich also für acht Wochen leben.

Es klingelt an der Tür, und Paco lässt Frau Wegener herein. Sie übergibt mir mein iPhone.

„Wenn Sie die 952 333 333 wählen, haben Sie mich immer direkt in der Leitung.“ Sachlich, als wäre sie ein Roboter, erklärt sie mir die verschiedenen Funktionen des Handys. Dabei schaut sie mich hin und wieder an und verzieht nach jedem Satz ihren Mund seltsam nach links.

„Beachten Sie, dass Sie nur mit unserer Erlaubnis ins Internet gehen dürfen. Wir kontrollieren jeden Ihrer Schritte und hören Sie ab. Sie dürfen keine Nachforschungen über unsere Gruppe oder die Mitglieder machen.“

Ich nicke. Am liebsten hätte ich eine Bemerkung gemacht, denn warum erzählt sie mir das alles noch einmal? Ich habe es verstanden. Ich bin ja nicht blöd. Ich habe den Vertrag des Clubs unterschrieben, und ich werde mich ab sofort an die Bedingungen halten.

„Wenn Sie noch Fragen haben, können Sie mich jederzeit anrufen“, beendet sie ihre Ausführungen und reicht mir zum Abschied ihre Hand.

Ich zucke zusammen. Mit spitzen Fingern ergreife ich sie und verabschiede mich mit einem gemurmelten Danke. So eine weiße Hand! Wahrscheinlich geht sie nie in die Sonne.

„Señora Bergheimer, ich muss Ihnen nun das Fußkettchen anbringen“, sagt Paco entschuldigend. Aus einem kleinen Kästchen holt er eine dünne Goldkette. „Bitte stellen Sie Ihren Fuß hier auf den Stuhl.“ Während er das Kettchen befestigt, fährt er fort: „Sie dürfen die Kette niemals abnehmen. Der Brillantverschluss ist mit einem Sender versehen, sodass wir Sie jederzeit orten können.“

Skeptisch schaue ich auf meinen linken Fuß. Bei genauerem Hinsehen erkenne ich, dass der Verschluss aus einem mittelgroßen geschliffenen Diamanten besteht, der das GPS verdeckt. Vorsichtig setze ich den Fuß auf den Boden. Sieht gar nicht mal so schlecht aus, muss ich zugeben und verdränge meine aufkommenden aggressiven Gefühle. Ich mag es einfach nicht, kontrolliert zu werden.

„Wann darf ich mit meinem Mann, meinem Sohn und meiner Freundin telefonieren?“, lenke ich meine Aufmerksamkeit auf ein anderes Thema. „Es ist wichtig, dass ich sie benachrichtige, wo ich bin, und sie wissen lasse, dass ich nicht so oft mit ihnen telefonieren kann“, sage ich mit einem aggressiven Unterton in meiner Stimme.

„Um welche Uhrzeit wäre es Ihnen recht, zu telefonieren?“, fragt Paco.

„Am besten heute um 19: 00 Uhr, da erreiche ich jeden.“

„Gut, bis dahin werde ich Ihre Telefondaten auf Ihr neues Handy übertragen haben.“

Bevor er die Eingangstüre öffnet, dreht er sich noch einmal um: „Denken Sie daran, dass Sie das Hotel bzw. das Golfgelände nicht verlassen dürfen. Egal, was Sie hier im Hotel ausgeben, es ist bezahlt. Bis gleich um 19: 00 Uhr.“

Wieder bin ich froh, dass ich in der Schule Spanisch gelernt habe. Aber trotzdem sollte ich mir eine Sprachlern-App herunterladen, denn Paco spricht nur Spanisch, und mit ihm werde ich wohl oft zu tun haben. Ich mag ihn, er erinnert mich an einen Türsteher.

Obwohl es erst 16: 00 Uhr ist, fühle ich mich völlig erschöpft. Ob es die ungewohnte Hitze ist, oder die vielen neuen Eindrücke? Egal. Bei meinem Rundgang durch die Suite habe ich gesehen, dass ich einen Whirlpool auf der Terrasse und einen kleineren im Badezimmer habe. Auf der Terrasse ist es mir jetzt zu heiß, also lasse ich mir im Bad in der ovalen Wanne Wasser einlaufen. Ich stelle zwei Kerzenleuchter aus dem Wohnzimmer auf die braune Marmorablage, damit es etwas gemütlicher aussieht. Mir gefällt die praktische Aufteilung des braun-weiß gekachelten Badezimmers. Die Toilette und das Bidet sind hinter einer Wand vom Schmink-, Duschbereich getrennt.

Ich lege mich in den Whirlpool und genieße mein Sprudelbad. Nach einer Weile, meine Fingerspitzen sind schon wellig geworden, steige ich aus dem Bad. Als ich mich abtrockne sehe ich den kreisrunden roten Fleck auf meiner rechten Hand viel stärker. Natürlich glaube ich nicht an Zauberei, aber ich weiß, dass solche Male durch hysterische Einbildungen entstehen können.

Ich erinnere mich an seine dunklen Augen und spüre, wie er mir seinen Stempel aufdrückt. Hektisch wische ich über meine Hand und beschließe, den Kreis zu ignorieren.

Nur mit dem Bademantel bekleidet husche ich barfuß über den kühlen weißen Marmorboden in die Küche. Ich öffne den Getränkeschrank und atme auf. Man hat für mich vorgesorgt. Genügend Wasserflaschen mit und ohne Kohlensäure und sechs Flaschen Champagner Dom Perigon liegen im Fach. In der Glasvitrine finde ich die Champagner-, Wasser- und verschiedene Weingläser. Ich vermute, dass es Riedelgläser sind, denn sie sind alle langstielig und extrem dünnwandig.

Mir fällt ein, wie Peter reagiert hatte, als ich plötzlich beim Abwaschen nur noch den Stiel des Rotweinglases in den Händen hielt.

„Pass doch auf!“, hatte er aufgebracht geschrien. „Weißt du, was so ein Glas kostet? Es ist jetzt schon das zweite Riedelglas, das du kaputtmachst.“

Ich war damals stinksauer. Kurzerhand kaufte ich preiswertere Trinkgläser, um möglichen Streitereien aus dem Weg zu gehen.

Langsam schütte ich mir den Champagner in das feingeschliffene Gefäß und genieße, natürlich mit den obligatorischen Eiswürfeln, das köstliche Nass. Ich muss gestehen: Es ist schon ein besonderer Genuss, aus so einem dünnwandigen Glas zu trinken. Durch die Hitze und die Aufregung der letzten Tage schaffe ich gerade mal eins zu leeren. Als ich auf meinem Kingsize-Bett liege, schlafe ich sofort ein.

Es klingelt laut, und ich schrecke hoch. Erst langsam realisiere ich, woher der Ton kommt. Durch den Türgucker erkenne ich Paco. Ein Blick zur großen Standuhr im Eingangsbereich: 19: 00 Uhr.

„Sie können jetzt Ihre drei Telefonate führen“, erklärt er mir und überreicht mir mein neues iPhone. „Denken Sie daran, dass Sie nichts von Ihrem Aufenthalt und Ihrer Arbeit erzählen dürfen. Falls Sie mich brauchen, ich habe Ihnen meine Nummer unter ‚Paco‘ eingespeichert. Für den Hotelbetrieb können Sie Ihr iPhone jederzeit ebenfalls benutzen.“

Nachdem er gegangen ist, setze ich mich in den breiten Fernsehsessel mit Blick auf die La Concha. Wen rufe ich als Erstes an? Ich entscheide mich, mit Georg anzufangen, da es mir das unverfänglichste Telefonat scheint.

„Hallo Georg, ich wollte dir nur sagen, dass ich gut in Marbella gelandet bin“, begrüße ich ihn.

„Wann bist du denn geflogen?“, fragt mich Georg erstaunt. „Ist Papa bei dir?“

Siedend heiß wird mir bewusst, dass Georg ja noch gar nichts weiß. Aber ihn jetzt einzuweihen, wäre Quatsch.

„Weißt du, mir war einfach mal nach Urlaub“, flunkere ich. „Ich dachte, dass ich mein Handicap mal verbessern könnte. Du weißt ja, Papa meckert mich deswegen immer aus.“

„Ach, was der immer sagt“, lacht Georg, „Hauptsache, du erholst dich und hast Spaß.“

„Ja, den werde ich haben.“

„Wo bist du denn?“

„Ich bin im Los Almendros & SPA-Hotel in Marbella. Ich werde mich hier so richtig verwöhnen lassen, denn das brauche ich auch mal für mich. Wenn was Wichtiges ist, oder du mich brauchst, dann schreib mir eine E-Mail, denn der Internetempfang ist hier leider sehr schlecht.“

„Klar, Mama! Treib es nicht zu wild mit dem Golftrainer“, schäkert er. „Hab dich lieb, und erhole dich gut.“

Schon hat Georg aufgelegt. Ob er meine Antwort noch mitbekommen hat: „Ich dich auch“, weiß ich nicht. Dieses Telefonat war einfach. Georg ist halt jung und völlig mit sich selbst beschäftigt.

Schwieriger und unangenehmer wird das Gespräch mit Peter werden. Lust darauf habe ich nicht. Aber ich muss mich melden, damit er Bescheid weiß, dass ich länger als drei Wochen wegbleibe. Ich atmet tief durch, bevor ich seine Nummer anklicke.

„Bergheimer“, höre ich seine sonore Stimme.

„Hallo, Peter. Ich bin‘s“, sage ich so ruhig wie möglich. „Ich wollte dir nur sagen, dass ich gut in Marbella angekommen bin. Allerdings werde ich länger bleiben als geplant.“

„Was?“, seine Stimme klingt verärgert. „Wie lange willst du denn bleiben?… Und wer soll das bezahlen? … Ich bestimmt nicht.“

„Ich denke ich bleibe ca. zwei Monate.“

„Schön, dass du mich jetzt davon in Kenntnis setzt.“

„Ich brauche diese Auszeit, um über alles nachzudenken“, antwortete ich. Schon wieder verteidige ich mein Verhalten. Ich blöde Kuh. Ich presse meine Fingernägel fest in meine Handballen, um ja nicht auszuflippen.

„Julia, bitte hör‘ mir zu. Das mit Linh … das tut mir wirklich leid. Das war ein Ausrutscher. Glaub mir! Ich habe sofort Schluss mit ihr gemacht.“ Seine Stimme bricht ab. Mit stockender Stimme fährt er fort: „Julia, ich will dich nicht verlieren … Ich brauche dich.“

Oh, nein! Damit habe ich nicht gerechnet. Schnell antworte ich: „Peter, lass mir Zeit. Ich muss über alles nachdenken. Sobald ich weiß, wie es weitergeht, melde ich mich bei dir. Und … wegen der Kosten brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Lisa hat mir Geld geliehen. Das Geld, dass ich von unserer Kreditkarte genommen habe, erstatte ich dir später.“

„Julia, bitte! Lass uns reden. Ich könnte zu dir kommen“, lässt Peter nicht locker.

Mir wird das zu viel. Erst betrügt er mich, verurteilt und beschimpft mich, und jetzt will er mich zurückhaben. Ich traue ihm nicht. Vielleicht weigert sich Linh, die Praxisabrechnungen zu machen. Nicht jede Frau ist so blöd wie ich und arbeitet neben ihren vielen Aufgaben noch für ihren Mann in ihrer Freizeit, nur damit der feine Herr sich erholen kann.

„Nein, bitte komm nicht. Ich brauche meine Ruhe.“

Ganz schnell drücke ich die Telefontaste. Nicht die feine Art, ich weiß. Mein Herz schlägt wie wild. Ich fühle mich völlig überfordert. Natürlich ist mir Peter und meine Ehe nicht egal. Aber eins weiß ich seit dem Vertragsabschluss mit dem CLUB ONE: Ich will nicht mehr in mein altes Leben zurück.

Aber noch etwas ist mir während des Gesprächs bewusst geworden. Ich sehne mich nicht nach Peter und vermisse ihn nicht. Vielleicht hat meine Liebe zu ihm schon viel früher aufgehört, und ich habe es vor lauter Arbeit und Pflichtgefühl gar nicht bemerkt.

Das Telefon klingelt. Peter ruft an. Ich stelle das Telefon auf lautlos. Ich will nicht mit ihm sprechen und schreibe ihm auf WhatsApp, dass er mich in Ruhe lassen soll.

Mir geht es gar nicht gut. Ich bin dem Wechselbad meiner Gefühle nicht mehr gewachsen.

Ich schenke mir ein großes Glas Champagner mit ganz, ganz vielen Eiswürfeln ein. Auf der Terrasse nehme ich einen großen Schluck. Meine Wangen glühen nicht mehr, und ich atme wieder normal. Ich rücke mir den Liegestuhl zurecht und genieße die orange-rotverfärbte Landschaft in der untergehenden Sonne.

Als ich mir sicher bin, dass ich ruhig sprechen kann, tippe ich Lisas Nummer an. Bei ihr muss ich aufpassen, was ich sage, denn sie hört die Zwischentöne heraus und fragt dann gezielt nach.

„Hallo Lisa“, beginne ich das Gespräch, betont gutgelaunt. „Ich habe dir ja versprochen, mich zu melden. Es ist einfach fantastisch hier. Super Idee von dir.“

„Hallo Julia, du hörst dich ja schon viel besser an“, antwortet sie.

„Ja, es geht mir auch sehr viel besser. Ich habe mich entschieden, zwei Monate hierzubleiben, um genügend Zeit zu haben, über alles nachzudenken.“

„Oh, so lange? Hast du deine Praxis zugemacht?“

„Ja, ich habe von hier aus alles organisiert. Es war eine gute Idee von dir, dass ich mich mal wirklich nur um mich kümmere.“ Ich hole tief Luft: „Du Lisa, sag mal ehrlich, wie findest du mich?“

„Ehrlich, Julia?“

„Ja, bitte, ich muss es wissen.“

„Na gut! Ich meine, dass du sehr viel von deiner früheren lustigen Art verloren hast. In letzter Zeit fand ich dich eher muttchenhaft und eingeschränkt in deinem Denken. Du hast nur noch das gemacht, was Peter wollte. Auch wirktest du so betulich und älter, als du eigentlich bist … aber das sage ich nur … weil du meine ehrliche Meinung hören möchtest.“

Tränen steigen mir in die Augen. Ja, ich habe es gewollt, dass sie mir ihre ehrliche Meinung sagt, aber es tut weh.

„Sorry, ich wollte dir nicht wehtun. Egal, was ist. Ich habe dich lieb. Du bist meine beste Freundin! Julia … Julia, sag was“, höre ich ihre Stimme.

„Alles okay, Lisa. Du hast ja recht. Ich sehe mich jetzt auch kritischer. Darum brauche ich auch mehr Zeit für mich. Ich will einiges ändern und mir über mein Leben klarwerden. Wundere dich also nicht, wenn ich mich bei dir vielleicht gar nicht melde.“

„Mach‘ das. Ich muss nicht jeden Tag mit dir telefonieren. Ich mache mir erst Sorgen, wenn du mich nicht am ersten September anrufst, okay?“, antwortet sie, und wir beide lachen. Sie ist eben meine beste Freundin, auf die ich mich immer verlassen kann.

„Danke, dass du mich verstehst. Küsschen, bis bald.“

„Küsschen und viel Erfolg beim Golf spielen. Erhole dich gut!“

Als ich die Verbindung trenne, höre ich ein leises Knacken. Ich habe tatsächlich während meiner Gespräche vergessen, dass ich abgehört werde. Sollen sie doch, ich habe nichts zu verbergen.

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